Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 II 410



88 II 410

58. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. November 1962
i.S. Zubler gegen Lang. Regeste

    Grundstückkauf, Täuschung, Genehmigung; Gewährleistung.  Art. 28,
31, 197 ff. OR.

    1.  Die Genehmigung ist auch nach erfolgter Geltendmachung der
Unverbindlichkeit noch möglich (Erw. 2).

    2.  Genehmigung durch Erhebung der Preisminderungsklage (Erw. 2).

    3.  Haftung für zugesicherte Eigenschaften. Begriff des Minderwerts
und der Zusicherung (Erw. 3).

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    Frau Hulda Zubler kaufte im April 1951 von Anton Lang dessen Wohnhaus
und Metzgerei in Basel zum Preis von Fr. 315'000. -. -Die mit dem Verkauf
beauftragte Mäklerfirma hatte der Interessentin ein "Exposé" übergeben,
das u.a. die folgenden Angaben enthielt:

    "Umsatz 1949/50 Fr. 170'000.-- und mehr; Mietzinseinnahmen Fr. 7300.--;
gefl. selbst prüfen. Der Verkäufer ist bereit, die Differenz zwischen
Verkaufspreis und Hypotheken/Anzahlung im Betrage von Fr. 90'000.-- bis
100'000.-- als Hypothek im 3. Range stehen zu lassen, was die Bonität des
Geschäftes deutlich beweist... Das Geschäft ist keineswegs forciert worden,
und ein jüngerer, tatkräftiger Erwerber kann den heutigen, nachweisbaren
Umsatz sofort bedeutend steigern. Die grossen Zinseinnahmen ergeben
eine Rendite, so dass der Erwerber mit dem Geschäftsumsatz... recht wohl
arbeiten kann."

    Am 12. November 1951 liess die Käuferin dem Verkäufer schreiben,
er habe ihr hinsichtlich des Umsatzes und der Mietzinseinnahmen unwahre
Angaben gemacht; sie fechte den Vertrag wegen Irrtums und Täuschung
an; eine gütliche Erledigung könnte nur darin bestehen, dass der Kauf
rückgängig gemacht oder der Kaufpreis angemessen herabgesetzt werde.

    In der Folge erhob Frau Zubler gegen Lang Klage mit dem Begehren,
der Kaufpreis sei um Fr. 110'000. - zu mindern.

    Das Bezirksgericht Arlesheim und das Obergericht des Kantons
Basel-Landschaft setzten in teilweiser Gutheissung der Klage den Kaufpreis
um Fr. 15'000.-- herab.

    Das Bundesgericht weist die auf Schutz der Klage im vollen Umfang
gerichtete Berufung der Klägerin ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Käufer hat die Wahl, sich auf die Bestimmungen über die
Gewährleistung zu stützen oder den Kaufvertrag wegen Willensmängel
unverbindlich zu erklären (BGE 82 II 420 ff., 83 II 21, 84 II 517). Auf
diese Rechtsprechung beruft sich die Klägerin. Sie macht geltend, sie
habe durch das Schreiben vom 12. November 1951 den Kauf wegen Irrtums
und Täuschung angefochten, womit er unwiderruflich als unverbindlich
dahingefallen sei. In ihrem Antrag auf Preisminderung sei daher "nicht
zwingend die kaufrechtliche Minderungsklage auf Ersatz des Minderwerts
gemäss Art. 205 OR zu erblicken, wie die Vorinstanzen meinen, sondern
gemäss BGE 81 II 213 ff. der Antrag der irrenden bzw. getäuschten Klägerin,
den Preis auf dasjenige Mass herabzusetzen, zu dem sie den Vertrag ohne
Irrtum und Täuschung abgeschlossen hätte".

    Wer unter dem Einfluss eines wesentlichen Irrtums oder absichtlicher
Täuschung einen Vertrag abschliesst, ist an ihn nicht gebunden (Art. 23, 28
Abs. 1 OR). Er kann ihn jedoch genehmigen, sei es stillschweigend (Art. 31
OR) sei es, indem er seinen Willen sonstwie äussert. Die Genehmigung
ist auch noch möglich, nachdem er sich schon auf die Unverbindlichkeit
des Vertrages berufen hat. Hiegegen lässt sich jedenfalls dann nichts
einwenden, wenn die Gegenpartei einverstanden ist, dass der Vertrag
aufrecht bleibe. Daher kann die Klägerin sich trotz des Schreibens vom
12. November 1951 nicht mehr auf Irrtum oder Täuschung berufen. Indem
sie auf die Minderung des Kaufpreises klagte, gab sie ihren Willen kund,
den Kauf, wenn auch mit verändertem Inhalt, aufrecht zu halten. Sie
irrt sich, wenn sie glaubt, ein Begehren um Abänderung des Vertrages
stehe im Belieben dessen, der sich irrte oder getäuscht wurde. Art. 25
Abs. 2 OR gibt nur der Gegenpartei das Recht, den Hinfall des Vertrages
abzuwenden, indem sie sich bereit erklärt, diesen so gelten zu lassen,
wie der Irrende ihn verstand. Der Irrende selber kann nicht gegen den
Willen des andern einen Vertrag mit verändertem Inhalt durchsetzen.
Im Falle absichtlicher Täuschung verhält es sich nicht anders. In BGE
81 II 213 ff. wurde der Vertrag nicht auf Antrag des Getäuschten mit
verändertem Inhalt aufrecht erhalten, sondern auf Begehren der Gegenpartei,
da es gegen Treu und Glauben verstossen hätte, ihn, wie vom Getäuschten
angestrebt, dahinfallen zu lassen. Das heisst nicht, dass der Getäuschte
voraussetzungslos die Wahl habe, seine Leistung herabsetzen zu lassen,
statt sich vollständig vom Vertrage loszusagen. Um diesen unter Berufung
auf absichtliche Täuschung mit verändertem Inhalt aufrecht halten zu
können, müsste er im einzelnen Falle dartun, dass es aus besonderen
Gründen gegen Treu und Glauben verstosse, ihm diese Möglichkeit zu
verschliessen. Solche Gründe werden jedoch im vorliegenden Falle nicht
angerufen. Es ist auch nicht zu ersehen, worin sie bestehen könnten,
denn die Klägerin hat es nicht nötig, sich auf einen Willensmangel zu
stützen, um ihr Begehren um Herabsetzung des Kaufpreises zu begründen. Das
Recht auf Preisminderung ist ihr von den kantonalen Instanzen auf Grund
des Art. 205 OR zugestanden worden. Nur unter dem Gesichtspunkt dieser
Bestimmung in Verbindung mit Art. 197 OR fragt es sich, ob die Klägerin
Anspruch auf eine weitergehende als die von der Vorinstanz für begründet
erachtete Herabsetzung des Kaufpreises habe. Die Klägerin macht denn auch
nicht geltend, die Voraussetzungen dieser Bestimmungen seien nicht erfüllt.

Erwägung 3

    3.- Der Verkäufer haftet dem Käufer für die zugesicherten Eigenschaften
der Kaufsache (Art. 197 Abs. 1 OR). Fehlen sie, so kann der Käufer,
wenn er den Kauf nicht rückgängig macht, Ersatz des Minderwertes der
Sache fordern (Art. 205 Abs. 1 OR). Unter dem Minderwert ist der auf
das Fehlen der zugesicherten Eigenschaften zurückzuführende Minderwert zu
verstehen. Es fragt sich also nicht, ob und um wieviel allenfalls der Preis
den objektiven Wert der Sache übersteige, sondern ob und wieviel die Sache
mit der zugesicherten Eigenschaft mehr wert gewesen wäre als ohne sie,
und zwar dürfen nicht die objektiven Werte miteinander verglichen werden,
sondern sie sind zum Kaufpreis in Beziehung zu setzen. Der geminderte
Preis ist zum versprochenen in das gleiche Verhältnis zu setzen, in dem
der Wert der Sache ohne die zugesicherte Eigenschaft zum Wert steht,
den sie mit dieser Eigenschaft hätte (BGE 81 II 209 ff.).

    Nach diesen Grundsätzen haben die kantonalen Instanzen den Minderwert
der Liegenschaft ermittelt. Sie gehen davon aus, der Umsatz der Metzgerei
habe im Geschäftsjahr 1949/50 statt "Fr. 170'000.-- und mehr" nur rund
Fr. 163'000. - erreicht und die Mietzinseinnahmen hätten am 16. April
1951 statt Fr. 7300.-- nur rund Fr. 6760.-- betragen. Soweit diese
Feststellungen tatsächlicher Natur sind, binden sie das Bundesgericht,
da sie weder offensichtlich auf Versehen beruhen noch in Verletzung
bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen sind (Art. 63 Abs. 2
OG). Die Beweiswürdigung, auf der sie beruhen, darf vom Bundesgericht
als Berufungsinstanz nicht überprüft werden. Insbesondere steht diesem
nicht zu, die von der Klägerin begehrte Oberexpertise anzuordnen. Mit
der Berufung kann nur geltend gemacht werden, die kantonalen Instanzen
gingen von einem unrichtigen Begriff des Minderwertes aus.

    Was die Klägerin in dieser Hinsicht vorbringt, hält nicht stand.

    a) Der Beklagte hat nicht dafür einzustehen, dass der Umsatz zwischen
dem Abschluss des Geschäftsjahres 1949/50 und dem 16. April 1951 nach
der Behauptung der Klägerin zurückgegangen sein soll. Freilich müssen
die zugesicherten Eigenschaften der Kaufsache grundsätzlich im Zeitpunkt
des Überganges von Nutzen und Gefahr vorhanden sein (BGE 45 II 661, 81
II 212). Dem Verkäufer steht es jedoch frei, die Eigenschaft für einen
anderen Zeitpunkt oder Zeitraum zuzusichern. Ein solcher Fall liegt hier
vor. Die Wendung "Umsatz 1949/50 Fr. 170'000.-- und mehr" stellt nur auf
das Geschäftsjahr 1949/50 ab. Der Beklagte behauptete durch sie nicht,
der Umsatz sei in der Folge gleich geblieben.

    b) Zu Unrecht geht die Klägerin auch davon aus, der Berechnung
des Minderwertes sei der Unterschied zwischen den zugesicherten
Mietzinseinnahmen von Fr. 7300.-- und einem "gebuchten Mietzinseingang
von Fr. 6116.--" zugrunde zu legen. Nach den vom Obergericht übernommenen
Feststellungen des Bezirksgerichtes entspricht dieser Betrag den Mietzinsen
von zwei Vierzimmer- und zwei Zweizimmerwohnungen. Die Klägerin lässt
also den Mietwert einer unmöblierten Mansarde von Fr. 100.-- sowie den
Ertrag einer möblierten Mansarde von Fr. 540.-- ausser Betracht. Dem
bezirksgerichtlichen Urteil ist jedoch zu entnehmen, dass sie die
unmöblierte Mansarde zum bewilligten Zins zu einer Wohnung geschlagen
hat. Sie führt denn auch in der Berufung nicht aus, weshalb sie die
Fr. 100.-- aus der Berechnung ausgeschlossen wissen will. Hinsichtlich des
Betrages von Fr. 540.-- sodann macht sie geltend, der Mieter Bilang der
möblierten Mansarde sei schon am 31. Januar 1951 ausgezogen. Sie behauptet
jedoch nicht, dass sie sich beim Kauf der Liegenschaft dieses Sachverhaltes
nicht bewusst gewesen sei. Wie das Bezirksgericht, vom Obergericht nicht
widersprochen, feststellt, wusste sie auch, dass der Mietwert dieser
Mansarde im zugesicherten Zinsertrag von Fr. 7300.-- inbegriffen war. Sie
muss sich daher den Betrag von Fr. 540.-- als Mietwert anrechnen lassen,
ungeachtet ihrer im kantonalen Verfahren aufgestellten Behauptung, sie
habe die Mansarde nur zu geringerem Preise vermieten können.

    c) Der Klägerin ist auch nicht beizupflichten, wenn sie geltend
macht, der Beklagte habe ihr nicht nur die Angaben über die Höhe des
Umsatzes und der Mietzinseinahmen gemacht, sondern auch weitergehende
Zusicherungen, die sich als unrichtig erwiesen hätten und die daher der
Berechnung des Minderwertes zugrunde zu legen seien. Gewiss gilt die
Gewährspflicht des Verkäufers für zugesicherte Eigenschaften als eine
"auf die Grundsätze von Treu und Glauben zurückzuführende gesetzliche
Haftung, die beim Vorhandensein eines bestimmten Tatbestandes, nämlich der
bestimmt umschriebenen Vorstellungsäusserung oder Aussage des Verkäufers
platzgreift" (BGE 71 II 241, 73 II 220). Der Verkäufer hat aber dennoch
nicht dafür Gewähr zu leisten, dass sich alle Hoffnungen verwirklichen,
die durch seine Anpreisung der Kaufsache beim Käufer erweckt werden. Er
haftet nur für das Fehlen "zugesicherter Eigenschaften", d.h. bestimmt
umschriebener, objektiv feststellbarer Tatsachen, von denen er dem Käufer
gegenüber behauptet, sie seien vorhanden. Keine Zusicherung dieser Art
lag darin, dass die Beauftragte des Beklagten im "Exposé" ausführte, der
Verkäufer sei bereit, einen Teil des Kaufpreises als Grundpfandforderung
im dritten Rang stehen zu lassen, "was die Bonität des Geschäftes
deutlich beweise". Die Klägerin konnte und musste selber beurteilen,
ob die Tatsache, dass der Beklagte einen Teil des Kaufpreises gegen
pfandrechtliche Sicherung im dritten Range stundete, wirklich ein Zeugnis
für die "Bonität" des in der Kaufsache betriebenen Geschäftes sei. Die
erwähnte Wendung geht nicht über eine blosse Anpreisung hinaus. Dass ihr
durch Hinweis auf die genannte zutreffende Tatsache Nachdruck verliehen
wurde, ändert nichts. Entsprechendes ist zu sagen von der Äusserung, wonach
der Erwerber der Liegenschaft angesichts der Rendite aus den Zinseinnahmen
und des besonders aus dem Laden stammenden Geschäftsumsatzes "recht wohl
arbeiten" könne. Die Klägerin konnte selber abwägen, ob die im "Exposé"
enthaltenen Angaben über den Umsatz und die Mietzinseinnahmen genügten, um
"recht wohl zu arbeiten". Der Gebrauch dieser Wendung gibt der Klägerin
nicht Anspruch auf eine zusätzliche, nicht schon durch die Unrichtigkeit
jener Angaben gerechtfertigte Preisminderung.