Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 II 378



88 II 378

52. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabtellung vom 6. August 1962
i.S. Lanz & Co und Terri-Schokoladen A.-G. gegen Aktiengesellschaft
Chocolat Tobler. Regeste

    VerwechselbarkeitvonWortmarken, massgebende Gesichtspunkte. Art. 6
MSchG (Erw. 2, 3).

    Sachbezeichnung, Begriff. Art. 3 MSchG. Einfiuss der Beifügung eines
gemeinfreien Bestandteils auf die Schutzfähigkeit einer Marke (Erw. 3 b).

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gegenstand des Berufungsverfahrens bildet einzig die Frage, ob
die Beklagten durch den Vertrieb einer Schokolade mit der Bezeichnung
"Torero-Rum" die eingetragene, ebenfalls für Schokolade bestimmte Marke
der Klägerin "Tobler-o-rum" verletzt haben, wie die Vorinstanz dies
angenommen hat.

Erwägung 2

    2.- Ob ein nicht eingetragenes Warenzeichen mit einer eingetragenen
Marke verwechselbar sei, ist als Rechtsfrage vom Bundesgericht frei
überprüfbar. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist gemäss
ständiger Rechtsprechung der Gesamteindruck massgebend, den die beiden
Zeichen beim letzten Abnehmer, hier also bei der breiten Masse des
Publikums, hinterlassen (BGE 78 II 380, 82 II 233, 84 II 446, 87 II
36). Dieser Gesamteindruck wird bei Wortmarken, wie sie hier in Frage
stehen, bestimmt durch den Wortklang, d.h. durch das Silbenmass, die
Kadenz und die Aufeinanderfolge der Vokale, sowie durch das Wortbild,
also durch die Wortlänge und die das Wort bildenden Buchstaben (BGE 78 II
381, 79 II 222, 82 II 234, 84 II 446, 87 II 37). Zu beachten ist sodann,
dass Waren des täglichen Gebrauches, zu denen Schokoladetafeln gehören,
vom Käufer ohne grosse Aufmerksamkeit erstanden werden und dass deshalb an
die Unterscheidbarkeit der Warenzeichen besonders strenge Anforderungen
zu stellen sind (BGE 61 II 57, 63 II 284, 73 II 60, 87 II 37). Das ist
im vorliegenden Falle um so mehr geboten, als die beiden Zeichen für die
genau gleiche Ware, nämlich eine ganz besondere Art von Schokolade mit
in Rum getränkten Traubenbeeren, verwendet werden.

    Im Hinblick auf diese Grundsätze hat die Vorinstanz die
Verwechselbarkeit des Zeichens "Torero-Rum" mit der klägerischen
Marke "Tobler-o-rum" zu recht bejaht. Von entscheidender Bedeutung ist
insbesondere, dass die beiden Zeichen im Wortklang weitgehend miteinander
übereinstimmen. Sie enthalten beide die Vokale o - e - o - u in derselben
Reihenfolge und weisen die gleiche Silbenzahl auf. Aber auch im Wortbild
decken sich die beiden Zeichen in hohem Masse. Sie weisen die gleichen
Buchstaben in derselben Reihenfolge auf mit der einzigen Ausnahme,
dass der dritte und vierte Buchstabe der klägerischen Marke, b und l,
beim Zeichen der Beklagten durch den Buchstaben r ersetzt sind. Diese
geringfügige Abweichung ändert aber nichts daran, dass die Wortlänge bei
beiden Zeichen praktisch dieselbe bleibt.

Erwägung 3

    3.- Was die Beklagten in der Berufungsbegründung vorbringen, vermag
dieses Ergebnis nicht zu widerlegen.

    a) Die Beklagten wenden ein, Schokolade werde nicht nach der
Markenbezeichnung, sondern nach einer Kombination von Geschmacksrichtung,
Herstellerfirma und farbiger Aufmachung verlangt.

    Dieser Einwand scheitert indessen an der tatsächlichen Feststellung
der Vorinstanz, dass Schokoladen erfahrungsgemäss nach ihrer im Handel
und der Werbung verwendeten Bezeichnung gekauft werden.

    b) Unter Berufung auf TROLLER, Immaterialgüterrecht, S.  307,
machen die Beklagten geltend, die Marke "Tobler-o-rum" sei gar nicht
schutzfähig, weil sie ein blosses Deskriptivzeichen darstelle; denn der
Zusatz "o-rum" weise nach der eigenen Darstellung der Klägerin darauf hin,
dass es sich um eine Schokolade der Firma Tobler mit Rumzusatz handle. Die
Schutzunfähigkeit der klägerischen Marke ergebe sich auch aus BGE 87 II
37, wo entschieden worden sei, der Zusatz "PEN" sei als Sachbezeichnung
bei der Vergleichung der Kugelschreiber-Marken "BIC" und "BIG-PEN" nicht
zu berücksichtigen.

    Der Hinweis auf die Ausführungen TROLLERS ist jedoch nicht
schlüssig. Danach gelten als Beschaffenheitsangaben, Sachbezeichnungen
oder Deskriptivzeichen Worte und Bilder, die ausschliesslich aus
Zeichen oder Angaben bestehen, die geeignet sind, im Verkehr die Art,
Zusammensetzung, Qualität, Quantität, Bestimmung, den Gebrauchszweck, den
Wert, Ursprungsort und die Zeit der Herstellung von Waren anzugeben, auf
die sie sich beziehen. Bei der Marke "Tobler-o-rum" handelt es sich aber
um eine Wortverbindung aus der Firma der Klägerin als Hauptbestandteil
und der Sachbezeichnung "o-rum" als Zusatz. Die Marke besteht also
nicht ausschliesslich aus einer Sachbezeichnung und stellt somit kein
Deskriptivzeichen im Sinne der von TROLLER gegebenen Begriffsumschreibung
dar.

    Ebenso glauben die Beklagten zu Unrecht, sich auf das Urteil BGE 87 II
37 berufen zu können. Dort wurde die Verwechselbarkeit der Marken "BIC" und
"BIG-PEN" bejaht, weil der in der jüngeren Marke enthaltene Zusatz "PEN"
als Sachbezeichnung das Erinnerungsbild nicht in nachhaltiger Weise zu
beeinflussen vermöge, so dass in der Erinnerung nur das Wort "BIG" haften
bleibe, das mit der Marke "BIC" grosse Ähnlichkeit aufweise. Mit diesem
Entscheid wurde also zum Ausdruck gebracht, dass die Beifügung gemeinfreier
Elemente nicht genüge, um ein Warenzeichen von einer bestehenden Marke
zu unterscheiden. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber nicht
um diese Frage, sondern darum, ob die Beifügung eines gemeinfreien
Elementes die Schutzunfähigkeit einer Marke zur Folge habe. Das ist,
wie ausgeführt wurde, zu verneinen; schutzunfähig ist eine Marke nur,
wenn sie ausschliesslich aus Beschaffenheitsangaben besteht.

    c) Die Beklagten behaupten sodann, zwischen den beiden Zeichen
bestehe eine Verschiedenheit im Klang, weil sie nicht auf der gleichen
Silbe betont würden.

    Eine Verschiedenheit in der Betonung vermag jedoch die Ähnlichkeit des
Wortklangs nicht zu verhindern. Zudem kann der Betonung keine entscheidende
Bedeutung beigemessen werden, weil sie je nach dem Sprachgebiet, nach der
Muttersprache oder den Sprachkenntnissen des Käufers verschieden sein kann.

    d) Die Beklagten machen weiter geltend, ein wesentlicher Unterschied
liege auch in der etymologischen Herkunft der beiden Bezeichnungen; Tobler
sei ein verbreiteter Familienname, Torero die spanische Bezeichnung für
einen Stierkämpfer.

    Es sind jedoch nicht nur die Worte Tobler und Torero miteinander
zu vergleichen, sondern die ganzen Zeichen mit den Zusätzen "o-rum"
bzw. "Rum". Abgesehen hievon ist der Einwand der Beklagten auch deswegen
unbehelflich, weil die verschiedene Herkunft, also der Sinn der beiden
Zeichen, die durch die Ähnlichkeit von Wortklang und Wortbild bewirkte
Verwechslungsgefahr nicht zu beheben vermag. Der Sinn der Worte wird nur
von demjenigen von vorneherein erfasst, der der Verwechslung nicht zum
Opfer fällt.

    e) Unter Berufung auf das Urteil betreffend die Bezeichnung
"Blick" und "Quick" (BGE 87 II 40) halten die Beklagten dafur, dass der
Buchstabenvergleich zu ihren Gunsten ausfalle. Das Bundesgericht hat jedoch
die Verwechselbarkeit der Bezeichnungen "Blick" und "Quick" nicht wegen
der Verschiedenheit der Buchstaben, d.h. des Wortbildes, verneint. Es
hat vielmehr ausdrücklich festgestellt, dass die beiden Zeichen einander
nach Klang und Aussehen ähnlich seien. Das wurde aber als unerheblich
erachtet, weil das eine Zeichen für eine illustrierte Wochenschrift, das
andere für eine mit Bildern durchsetzte Tageszeitung bestimmt war. Im
vorliegenden Falle werden dagegen die beiden zu vergleichenden Zeichen
für dieselbe Ware, Schokoladetafeln mit Rumzusatz, verwendet, so dass
über die Ähnlichkeit in Klang und Aussehen nicht hinweggesehen werden kann.

    f) Die Auffassung der Beklagten, dass der visuelle Gesamteindruck der
beiden Zeichen völlig verschieden sei, wurde bereits in Erw. 2 widerlegt.

    g) Der Hinweis der Beklagten auf die Verschiedenheit der äusseren
Aufmachung der beiden Erzeugnisse ist unbehelflich, weil nach ständiger
Rechtsprechung für die Frage der Unterscheidbarkeit nur die Marken als
solche, unabhängig von der übrigen Ausstattung der Ware, in Betracht zu
ziehen sind (BGE 61 II 385, 63 II 286, 78 II 382).

    Nicht zu hören ist schliesslich auch der Einwand der Beklagten, die
Klägerin habe nie zum Beweis verstellt, dass tatsächlich Verwechslungen
vorgekommen seien. Nach der Rechtsprechung genügt schon die blosse
Verwechslungsgefahr; dass Verwechslungen vorgekommen sind, ist nicht
erforderlich (BGE 63 II 287, 78 II 382).