Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 II 350



88 II 350

48. Urteil der I. Zlvilabtellung vom 31. Oktober 1962 i.S. Eberle gegen
Käsereigesellschaft Hohentannen. Regeste

    Art. 32OR. Voraussetzungen der Stellvertretung, besonders der
verdeckten (Erw. 1).

    Art. 112OR. Stehen die Forderungen gegen den Milchkäufer aus einem
zwischen ihm und einer Genossenschaft als Verkäuferin bestehenden Vertrag
den Milchproduzenten als begünstigten Dritten zu? (Erw. 2).

    Art. 175 f.OR. Hat der Milchkäufer die Schulden der Genossenschaft
gegenüber den Milchproduzenten übernommen? (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Die Käsereigesellschaft Hohentannen ist nach Art. 1 ihrer Statuten
"eine Genossenschaft, welche die bestmögliche Verwertung der ihr zur
Verfügung stehenden Milch zum Zwecke hat, sei es durch den Selbstbetrieb
einer Käserei oder durch den Verkauf der Milch an einen Käser". Art. 3 der
Statuten bestimmt, Mitglied der Genossenschaft könne "jeder Milchproduzent
im Genossenschaftsrayon bisheriger Ausdehnung werden, der ihr die in
seinem Betrieb produzierte Milch zur Verfügung stellt". Art. 9 verpflichtet
jeden Genossenschafter, "alle erzeugte gesunde und käsereitaugliche Milch
in die Käserei zu liefern, soweit sie nicht im eigenen Haushalt und zur
Viehaufzucht in ortsüblichem Umfang benötigt wird". Art. 13 zählt unter
den unübertragbaren Befugnissen der Generalversammlung der Genossenschaft
den "Abschluss des Milchkaufvertrages" auf.

    Am 18. Mai 1958 unterzeichneten der Präsident und der Aktuar
der Käsereigesellschaft Hohentannen "namens der Verkäuferin" mit
Max Müller als Käufer aufeinem gedruckten Formular des Thurgauischen
Milchproduzentenverbandes einen Milchkaufvertrag. Dessen Art. 1 Abs. 1
Satz 1 lautet: "Die Käsereigesellschaft Hohentannen als 'Verkäuferin',
Mitglied des Thurgauischen Milchproduzentenverbandes ..., verkauft hiemit
an Herrn Max Müller als 'Käufer' die Milch der Kühe ihrer Mitglieder und
der Gastbauern (Freilieferanten) für die Zeit vom 1. Mai 1958 bis 30. April
1959". Das Vertragsformular enthält am Schlusse zwei leere Seiten, die mit
den Worten "Unterschriften der Milchlieferanten" überschrieben sind. Sie
wurden im Vertrag vom 18. Mai 1958 nicht ausgefüllt.

    Müller verwertete die Milch seit 1932 in der, der Käsereigesellschaft
Hohentannen gehörenden Käserei. Im Jahre 1953 erstellte er auf der
Liegenschaft mit Erlaubnis der Pächterin eine Schweinezuchtanlage. Als am
1. März 1960 über sein Vermögen der Konkurs eröffnet wurde, anerkannte die
Verpächterin, ihm für diese Anlage Fr. 31'000.-- zu schulden. Sie erklärte,
die Schuld mit der ihr gegen Müller zustehenden Pachtzinsforderung von Fr.
3471.60, mit der Kaufpreisforderung von Fr. 74'491.20 für die in den
Monaten Januar und Februar 1960 gelieferte Milch und mit der Forderung
von Fr. 12'621.45 für Rückbehalte Müllers auf dem Milchprcis aus der
Zeit vom 1. November 1958 bis 31. Oktober 1959 verrechnen zu wollen.

    Wegen Verzichts der Mehrheit der Gläubiger Müllers auf Geltendmachung
der Forderung von Fr. 31'000. - durch die Konkursverwaltung trat diese
den Anspruch am 2. Juni 1961 gemäss Art. 260 SchKG an Viktor Eberle ab.

    B.- Eberle klagte beim Bezirksgericht Bischofszell gegen die
Käsereigesellschaft Hohentannen auf Verurteilung zur Zahlung von Fr.
27'528.40 nebst Zins. Er anerkannte die Verrechnung der Schuld von Fr.
31'000.-- mit der Pachtzinsforderung von Fr. 3471.60, bestritt dagegen,
dass die Beklagte auch mit der Kaufpreisforderung für die Milch,
inbegriffen mit der Forderung auf Auszahlung der Rückbehalte, verrechnen
könne.

    Das Bezirksgericht verurteilte die Beklagte, der Konkursmasse
Müller Fr. 27'528.40 zu zahlen.

    Auf Berufung der Beklagten wies das Obergericht des Kantons Thurgau
am 19. Juni 1962 die Klage entsprechend dem Antrag der Beklagten ab.

    C.- Der Kläger hat die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Er
beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Konkursmasse Müller
Fr. 27'528.40 nebst 5% Zins seit 1. März 1960 zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil zu bestätigen,
eventuell die Berufung angebrachtermassen abzuweisen, subeventuell die
Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Kläger bestreitet das Recht der Beklagten, die Forderungen
aus der Lieferung der Milch mit ihrer Schuld aus der Übernahme der
Schweinezuchtanlage zu verrechnen, weil sie den Milchkaufvertrag als
direkte Stellvertreterin der Milchlieferanten abgeschlossen habe, die
Forderung für die Milch also diesen, nicht der Beklagten zustehe. Die
Stellvertretung ergebe sich im Sinne des Art. 32 Abs. 2 OR aus den
Umständen. Das angefochtene Urteil verletze diese Bestimmung und Art. 18
OR.

    a) Art. 32 Abs. 1 OR trifft zu, wenn jemand, der zur
Vertretung eines andern ermächtigt ist, in dessen Namen einen Vertrag
abschliesst. Anschliessend bestimmt Art. 32 Abs. 2 OR: "Hat der Vertreter
bei dem Vertragsabschlusse sich nicht als solchen zu erkennen gegeben, so
wird der Vertretene nur dann unmittelbar berechtigt oder verpflichtet,
wenn der andere aus den Umständen auf das Vertretungsverhältnis
schliessen musste, oder wenn es ihm gleichgültig war, mit wem er den
Vertrag schliesse."

    Abs. 2 setzt wie Abs. 1 ein "Vertretungsverhältnis" voraus, und zwar
ein solches mit Ermächtigung (vgl. Randtitel zu Art. 32-37 OR). Der
Vertragschliessende muss befugt sein, aus dem Vertrag unmittelbar
einen andern zu berechtigen und zu verpflichten, und er muss beim
Abschluss des Vertrages tatsächlich als Vertreter des andern handeln. Das
Vertretungsverhältnis ergibt sich im Falle des Abs. 1 aus der Erklärung
des Ermächtigten, er schliesse den Vertrag im Namen des andern. In den
von Abs. 2 erfassten Fällen fehlt diese Erklärung, aber es liegen entweder
Umstände vor, aus denen die Gegenpartei auf diesen Willen schliessen muss,
oder es ist der Gegenpartei gleichgültig, wer ihr gegenüber berechtigt
und verpflichtet werde.

    b) Der Kläger führt nicht aus, dass und inwiefern die Beklagte
ermächtigt gewesen sei, die Genossenschafter und die sogenannten Gastbauern
(Freilieferanten) durch den Milchkaufvertrag mit Müller zu berechtigen
und zu verpflichten.

    Die Ermächtigung versteht sich nicht einmal für die Genossenschafter
von selbst. Zwar ist in Art. 1 der Statuten vom Verkauf der Milch an einen
Käser die Rede, erwähnt Art. 13 der Statuten unter den unübertragbaren
Befugnissen der Generalversammlung den Abschluss des Milchkaufvertrages
und verpflichtet Art. 9 der Statuten die Genossenschafter, die Milch in
die Käserei zu liefern. Diese Bestimmungen erklären sich aber daraus,
dass gemäss Art. 3 der Statuten jeder Genossenschafter der Beklagten
die in seinem Betrieb erzeugte Milch zur Verfügung stellen muss und
deren Verwertung, "sei es durch den Selbstbetrieb einer Käserei oder
durch den Verkauf der Milch an einen Käser" (Art. 1 der Statuten) eine
Angelegenheit der Genossenschaft ist. Dass diese beim Verkauf der Milch
als direkte Stellvertreterin der Genossenschafter aufzutreten ermächtigt
sei, ergibt sich daraus nicht.

    Auf Ermächtigung seitens der Milchlieferanten, inbegriffen der
Gastbauern, könnte allenfalls geschlossen werden, wenn deren Unterschriften
sich auf den hiefür vorbehaltenen Seiten am Schlusse des Milchkaufvertrages
befänden. Im vorliegenden Falle haben aber die Milchlieferanten nicht
unterzeichnet.

    Die Frage, ob die Beklagte ermächtigt gewesen sei, die Milchlieferanten
gegenüber Müller zu berechtigen und zu verpflichten, kann jedoch offen
bleiben, denn die Beklagte ist Müller gegenüber nicht als Vertreterin
aufgetreten.

    c) Der Kläger behauptet mit Recht nicht, die Beklagte habe im
Sinne des Art. 32 Abs. 1 OR den Vertrag im Namen der Milchlieferanten
abgeschlossen. Hätte sie das getan, so hätte sie die Milchlieferanten
als Vertragsparteien oder als Verkäufer bezeichnen müssen. Art. 1
des Milchkaufvertrages nennt indessen ausdrücklich die Beklagte als
Verkäuferin, und deren Präsident und Aktuar haben am Fusse des Vertrages
"namens der Verkäuferin", nicht etwa "namens der Verkäufer" oder
"namens der Milchlieferanten" unterschrieben. Auch sprechen verschiedene
andere Bestimmungen des Vertrages von der "Verkäuferin". So führt Art. 2
Abs. 7 aus, "zur Sicherstellung des Milchpreises und anderer aus diesem
Vertrage hervorgehenden Verpflichtungen gegenüber der Verkäuferin und dem
zuständigen Verbande" leiste der Käufer eine Hinterlage oder Bürgschaft
von Fr. 25'000.--. Art. 4 Abs. 3 bestimmt, die Brandassekuranz für die
Gebäulichkeiten und die Käserei-Einrichtung nebst Inventar gehe "zu Lasten
der Verkäuferin". Art. 20 befasst sich mit den "Meinungsverschiedenheiten,
die sich in der Auslegung dieses Vertrages zwischen Käufer und Verkäuferin
resp. einzelnen Milchlieferanten oder Verband ergeben". Nirgends bezeichnet
der Vertrag die Genossenschafter und die Gastbauern als Verkäufer. In
Art. 1 werden sie "Mitglieder und Gastbauern (Freilieferanten)" genannt,
in andern Bestimmungen "Lieferanten" (Art. 2, 3, 5, 6), "Milchlieferanten"
(Art. 1a, 2 b, 6, 9, 13), "Milchproduzenten" (Art. 2 b, 15) und
"Produzenten" (Art. 5, 15).

    d) Wegen dieser klaren Unterscheidung zwischen der "Verkäuferin"
einerseits und den Milchlieferanten anderseits und angesichts der Tatsache,
dass als Verkäuferin die "Käsereigesellschaft Hohentannen" bezeichnet
und der Vertrag ausdrücklich "namens der Verkäuferin" unterschrieben ist,
kann auch nicht gesagt werden, Müller habe aus den Umständen auf direkte
Stellvertretung schliessen müssen. Für eine Auslegung aus den Umständen
ist nur dann Raum, wenn nach dem Wortlaut des Vertrages Zweifel bestehen,
ob jemand diesen im eigenen Namen oder als direkter Stellvertreter
abgeschlossen habe. Im vorliegenden Falle lässt der Wortlaut keine
Zweifel aufkommen.

    Übrigens sprechen auch die Umstände nicht für direkte Stellvertretung.
Dass die Milch von den Kühen der Genossenschafter und Gastbauern
stammt, ist bedeutungslos; die Beklagte konnte sie dennoch im eigenen
Namen verkaufen. Ebensowenig lässt der Umstand, dass die Beklagte sie
nicht auf eigene Rechnung absetzte, also nicht auf einen Zwischengewinn
ausging, auf direkte Stellvertretung schliessen; die Förderung oder
Sicherung bestimmter wirtschaftlicher Interessen der Mitglieder ist
jeder Genossenschaft eigen (Art. 828 OR) und setzt nicht voraus, dass
die Genossenschaft als direkte Stellvertreterin der Genossenschafter
auftrete. Unerheblich ist auch, dass Art. 2 b des Milchkaufvertrages
bestimmt, die Lieferanten seien verpflichtet, für ihre Selbstversorgung
bestimmte Mengen Butter und Käse vom Milchkäufer zu beziehen; die
Beklagte konnte dieses Versprechen im Sinne des Art. 111 OR abgeben,
also ohne Stellvertreterin der Lieferanten zu sein. Auch das in Art.
3 des Milchkaufvertrages verurkundete Versprechen, die Einlieferung der
Milch erfolge zu den daselbst angegebenen Tageszeiten, setzte nicht ein
Handeln der Beklagten als Stellvertreterin voraus. Der Kläger weist
ferner auf Art. 7 des Vertrages hin, dessen erster Satz bestimmt:
"Sollten sich Milchlieferanten Fälschungen zuschulden kommen lassen,
so sind sie dem Käufer schadenersatzpflichtig und haben eine Grundbusse
von Fr. 100.-- und pro Kuh noch Fr. 20.-Zusatzbusse zu bezahlen."
Da Milchfälschung eine unerlaubte Handlung ist, versteht sich die direkte
Schadenersatzpflicht jedoch von selbst. Zudem lässt sich die genannte
Bestimmung, namentlich auch hinsichtlich der Konventionalstrafe, als
Versprechen zu Lasten Dritter im Sinne des Art. 111 OR verstehen. Hätten
die Milchlieferanten den Vertrag auf dem dafür vorbehaltenen Raum des
Formulars mitunterzeichnet, so wären auch sie gegenüber Müller vertraglich
verpflichtet worden. Die Nichtunterzeichnung durch sie spricht gegen eine
solche Verpflichtung. Umsoweniger können die Lieferanten als Verkäufer
der Milch gegenüber Müller berechtigt sein. Der Kläger geht zu weit,
wenn er geltend macht, die Unterzeichnung durch die Lieferanten
sei unterblieben, weil Müller und der Beklagten klar gewesen sei,
dass der einzelne Lieferant auch ohne seine Unterschrift berechtigt
und verpflichtet werde. Eine Feststellung der Vorinstanz über einen
diesbezüglichen tatsächlichen Willen beider Vertragschliessenden fehlt,
und nach Treu und Glauben durfte keine Partei die Nichtunterzeichnung
durch die Lieferanten als Ausdruck dieses Willens auslegen, sonst wäre
es sinnlos gewesen, im Vertragsformular Raum für die Mitunterzeichnung zu
lassen. Nicht einmal die Mitunterzeichnung wäre ein schlüssiges Anzeichen
für die Verkäuferrolle der Lieferanten gegenüber Müller; sie könnte
einfach bedeuten, dass die Lieferanten die zu ihren Lasten abgegebenen
Versprechen als eigene Verpflichtungen anerkennten. Unterschriften werden
ja vorwiegend abgegeben, um Verpflichtungen einzugehen (vgl. Art. 13
Abs. 1 OR), nicht um Rechte zu erwerben. Dem Kläger ist auch nicht
beizupflichten, wenn er in Art. 20 Abs. 1 des Milchkaufvertrages einen
für direkte Stellvertretung sprechenden Umstand sieht. Gewiss fallen
Meinungsverschiedenheiten nur dann unter diese Bestimmung, wenn sie
"den Milchpreis oder den Hüttenzins betreffen", und fragt man sich
daher, weshalb sie "zwischen Käufer und Verkäuferin resp. einzelnen
Milchlieferanten oder Verband" sollen entstehen können, statt nur "zwischen
Käufer und Verkäuferin bzw. zwischen Pächter und Verpächterin". Es
war aber denkbar, dass auch Milchlieferanten Rechte aus dem Vertrag
ableiten würden, ohne sie wirklich zu haben. Auch solche Streitigkeiten
wollten die Vertragschliessenden von der in Art. 20 Abs. 1 vorgesehenen
"gemeinsamen Kommission" entschieden wissen. Das Wort "Verkäuferin" -
nicht "Verkäufer", wie der Kläger schreibt - zeigt deutlich, dass die
Verkäuferrolle der Genossenschaft, nicht den Milchlieferanten zukommt.

    e) Die Frage, ob es Müller gleichgültig gewesen sei, mit wem
er den Milchkaufvertrag abschliesse, würde sich nur stellen, wenn
feststände, dass die Beklagte den Willen hatte - und ermächtigt war -,
die Milchlieferanten zu Verkäufern zu machen. Die Gleichgültigkeit Müllers
hätte unter diesen Voraussetzungen die (ausdrückliche oder sich aus den
Umständen ergebende) Äusserung des Willens zur Stellvertretung seitens
der Beklagten entbehrrlich gemacht. Gleichgültigkeit des Käufers ist
dagegen nicht auch Ersatz für den innern Willen des Gegners, blosser
Stellvertreter zu sein. Der Käufer - oder an seiner Stelle seine
Konkursmasse oder sein Konkursgläubiger - kann nie mit der Behauptung,
es sei ihm gleichgültig gewesen, mit wem er den Vertrag schliesse, den
Gegner gegen dessen Willen in die Rolle eines blossen Stellvertreters
drängen. Dass die Beklagte den inneren Willen, den Vertrag als direkte
Stellvertreterin der Milchlieferanten abzuschliessen, gehabt habe, ist
nicht festgestellt. Gegen diesen Willen spricht der Umstand, dass die
Beklagte den Vertrag ausdrücklich im eigenen Namen einging, indem sie
sich selbst als Verkäuferin bezeichnete.

    Übrigens stellt der Kläger sich in der Berufung mit Recht nicht auf
den Standpunkt, es sei Müller gleichgültig gewesen, ob die Beklagte oder
die Lieferanten Vertragspartei seien.

    f) Gemäss Art. 18 OR ist bei der Beurteilung eines Vertrages nach
Form und Inhalt der übereinstimmende wirkliche Wille zu beachten,
nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise, die von den
Vertragschliessenden aus Irrtum oder in der Absicht, die wahre
Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen, gebraucht wird. Diese
Bestimmung setzt voraus, dass der übereinstimmende wirkliche Wille der
Vertragschliessenden vom Sinn abweiche, der sich aus ihren Äusserungen
ergibt. Ein vom Wortlaut des Vertrages abweichender innerer Wille
der Beklagten einerseits und Müllers anderseits ist indessen weder
festgestellt, noch vom Kläger im kantonalen Verfahren behauptet
worden. Art. 18 OR trifft daher nicht zu.

Erwägung 2

    2.- Der Kläger macht geltend, jedenfalls sei der zwischen der Beklagten
und Müller zustande gekommene Vertrag zugunsten der Milchlieferanten
abgeschlossen, und zwar in dem Sinne, dass diese die Zahlung des
Kaufpreises selbständig fordern könnten, weil es der Willensmeinung
der Vertragschliessenden entspreche. Die gegenteilige Auffassung des
Obergerichtes verletze Art. 112 Abs. 2 OR.

    a) Art. 2 Abs. 4 des Milchkaufvertrages bestimmt: "Die
Zahlung hat zweimonatlich bis zum 7. des folgenden Monats an die
Lieferanten stattzufinden, unter Abzug allfälliger Vorauszahlungen und
Naturallieferungen."

    Daraus ergibt sich, dass Müller der Beklagten Zahlung an Dritte
versprochen hat. Das reicht aber nicht aus, um im Sinne des Art. 112
Abs. 2 OR auf die Willensmeinung Müllers und der Beklagten zu schliessen,
die Lieferanten sollten die Erfüllung selbständig fordern können. Auch
der Hinweis des Klägers, dass die Milch von den Dritten geliefert wurde,
genügt nicht. Die Lieferung erfolgte auf Grund von Verpflichtungen, welche
die Lieferanten gegenüber der Beklagten zu erfüllen hatten, und begründete
Forderungen der Lieferanten gegen die Beklagte. Diese hatte ein Interesse
an einer vereinfachten Abwicklung der Zahlungen. Statt den Milchpreis
beim Milchkäufer einzufordern und ihn an die Lieferanten weiterzugeben,
liess sie sich Zahlung an die Lieferanten versprechen. Das konnte sie tun,
ohne den Lieferanten gegenüber Müller ein selbständiges Forderungsrecht
einräumen zu wollen.

    Das sowohl der Gründung der Beklagten als auch dem Milchkaufvertrag
zu Grunde liegende Bestreben, durch gemeinsame Verwertung der Milch
die Interessen der Bauern kollektiv zu wahren, steht der vom Kläger
vertretenen Auffassung im Wege. Die Geltendmachung der Milchpreisforderung
durch den einzelnen Lieferanten gegen Müller widerspräche diesem
Bestreben. Sie würde die Stellung der Beklagten gegenüber dem Milchkäufer
schwächen. Der Beklagten ist besser gedient, wenn sie selber, und nur sie,
forderungsberechtigt ist. Auch das Interesse des einzelnen Lieferanten
erheischt, dass dieser weder berechtigt noch verpflichtet sei, seine
Forderung gegen den Milchkäufer selbständig geltend zu machen. sondern dass
er sich an die Beklagte halten könne, für deren Verbindlichkeiten gemäss
Art. 11 der Statuten alle Genossenschafter persönlich und unbeschränkt
haften. Daran muss dem einzelnen Lieferanten und der Beklagten umsomehr
gelegen sein, als nicht jener, sondern diese den Milchkäufer auswählt.

    Der Beklagten, nicht dem einzelnen Milchlieferanten, hat Müller denn
auch die in Art. 2 Abs. 7 des Milchkaufvertrages vorgesehene Sicherheit
in der Höhe von Fr. 25'000.-- versprochen. Gewiss konnte ihr an sich
die Stellung einer Pfandhalterin eingeräumt werden. Aber sinnvoll wäre
es nicht gewesen, die Kaufpreisforderung für die Milch in selbständige
Forderungen der einzelnen Lieferanten aufzulösen und die Beklagte
bloss zur Pfandhalterin zu machen. Wirksamer konnten die Interessen der
Lieferanten und der Beklagten gewahrt werden, wenn Müller der Beklagten
schuldete und diese auf die Sicherheit greifen konnte. Dass die Sicherheit
in Wirklichkeit nicht geleistet wurde, ist unerheblich. Das Versprechen
gemäss Art. 2 Abs. 7 kann dennoch herbeigezogen werden, um zu beurteilen,
ob nach der Willensmeinung der Vertragschliessenden die Milchpreisforderung
in selbständige Forderungen der einzelnen Lieferanten aufgeteilt wurde.

    Dem Kläger hilft auch nicht der Hinweis darauf, dass von den Zahlungen
an die Milchlieferanten der Preis für Naturallieferungen abgezogen werden
sollte. Art. 2 Abs. 4 drückt diese Vereinbarung nicht durch den Ausdruck
"Verrechnung" aus, den der Kläger verwendet, sondern spricht vom "Abzug"
der Vorauszahlungen und Naturallieferungen. Es handelt sich um eine
Anrechnung der Bezüge auf die Zahlungen, die Müller gemäss Art. 2 Abs. 4
den Milchlieferanten machen sollte. Dass die Lieferanten die Zahlung
selbständig sollten fordern können, ergibt sich daraus nicht. Gegenteils
leuchtet die vorinstanzliche Erwägung ein, dass das Recht Müllers,
den Preis für die Naturallieferungen zu verrechnen, sich von selbst
verstanden hätte, wenn die Vertragschliessenden den Milchlieferanten ein
selbständiges Forderungsrecht hätten einräumen wollen. Ist dagegen auf
den Milchpreis nur die Beklagte forderungsberechtigt, so musste gesagt
werden, dass Müller dennoch den Preis der von den Lieferanten bezogenen
Käsereierzeugnisse abziehen dürfe.

    b) Nach Art. 112 Abs. 2 OR kann sich ein selbständiges Forderungsrecht
des Dritten auch aus einer Übung ergeben.

    Auch unter diesem Gesichtspunkt sind im vorliegenden Falle die
Milchlieferanten nicht zu fordern berechtigt. Das Obergericht führt aus,
es bestehe keine dahin gehende Übung. Darin liegt eine das Bundesgericht
bindende tatsächliche Feststellung; denn nichts spricht dafür, dass die
Vorinstanz von einem unzutreffenden Rechtsbegriff der Übung ausgehe (BGE 86
II 257 und dort erwähnte Entscheide). Der Kläger behauptet das auch nicht.

Erwägung 3

    3.- Die das selbständige Forderungsrecht der Milchlieferanten
widerlegenden Gründe stehen auch der vom Kläger in letzter Linie
vertretenen Auffassung im Wege, Müller habe die Schuld der Beklagten
gegenüber den Lieferanten intern durch Art. 2 Abs. 4 des Milchkaufvertrages
und extern durch schlüssiges Verhalten übernommen, womit die Lieferanten
sich durch fortwährende Annahme der Zahlungen Müllers stillschweigend
einverstanden erklärt hätten. Es widersprach den Interessen der Beklagten
und der Lieferanten, dass diese Schuldübernahme stattfinde. Zudem ist
nicht zu ersehen, was die Beteiligten, ohne es ausdrücklich zu sagen,
hätte veranlassen können, diesen lebensfremden Umweg zu beschreiten,
statt den Lieferanten ein selbständiges Forderungsrecht im Sinne des
Art. 112 Abs. 2 OR einzuräumen oder den Milchkaufvertrag in ihrem Namen
abzuschliessen. Der Kläger nennt keine Gründe.

Erwägung 4

    4.- Steht die Forderung auf den Milchpreis, inbegriffen die
Forderung auf Ablieferung der Rückbehalte, der Beklagten und nur ihr
allein zu, so ist die Verrechnung mit der Schuld der Beklagten für die
Schweinezuchtanlage unter dem Gesichtspunkt des Obligationenrechtes
zulässig. Dass Müller der Beklagten Auszahlung an die Lieferanten
versprochen hat, ändert nichts. Das geschah nicht in seinem Interesse,
sondern nur in jenem der Beklagten. Diese blieb daher berechtigt, Müller
der Auszahlung an die Milchlieferanten zu entbinden (vgl. Art. 112 Abs. 3
OR) und Zahlung an sie selbst zu verlangen oder mit einer eigenen Schuld
zu verrechnen.

    Gegen die Auffassung des Obergerichtes, dass auch die Bestimmungen
des Konkursrechtes der Verrechnung nicht im Wege stehen, wendet der Kläger
nichts ein.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des
Kantons Thurgau vom 19. Juni 1962 bestätigt.