Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 III 98



88 III 98

14. Entscheid vom 18. Juli 1962 i.S. Fayer. Regeste

    Kann ein Blankowechsel (Blankoakzept) als Wertpapier gelten und am
Ort, wo es aufgefunden wird, arrestiert werden? Rechtlicher Charakter
der Ausfüllungsbefugnis.

Sachverhalt

    A.- Das Betreibungsamt Zürich 2 vollzog beim Rekurrenten einen
"Taschenarrest" durch Beschlagnahme von 24 in seinem Besitz befindlichen
Wechselakzepten der als Bezogene bezeichneten Kommanditgesellschaft
Hermann Blass in Aschaffenburg. Als Ort und Tag der Ausstellung ist in
den 24 Wechselformularen angegeben "Aschaffenburg den 13. März 1962"
und als Zahlungsort "Aschaffenburg, Dresdner Bank". Es fehlt jedoch die
Unterschrift und Adresse des Ausstellers. Als Verfalltag ist je der
15. eines Monats bezeichnet, beim ersten Wechsel der 15. April 1962,
beim 24. der 15. März 1964. Die Wechselsumme beträgt bei 23 Wechseln je
DM 1000.--; beim 24. Wechsel fehlt diese Angabe.

    B.- Auf Beschwerde des Arrestschuldners hob die untere Aufsichtsbehörde
diese Arrestnahme auf, weil die unvollständigen Wechsel keine
wechselrechtlichen Verpflichtungen zu begründen vermöchten, sondern als
blosse Beweisurkunden zu betrachten und daher nicht verwertbar und somit
auch nicht arrestierbar seien. Auf Rekurs des Arrestgläubigers hielt dann
aber die obere kantonale Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom 29. Juni
1962 die Beschlagnahme aufrecht. Sie führte aus, nach dem anwendbaren
deutschen Recht habe man es nicht mit blossen Beweisurkunden, sondern mit
(verwertbaren, somit auch arrestierbaren) Wertpapieren zu tun. Zwar seien
keine gültigen Wechselverpflichtungen vorhanden, solange die Urkunden nicht
durch Einsetzung der noch fehlenden Erfordernisse zu gültigen Wechseln
gemacht worden seien. Das Ausfüllungsrecht sei jedoch frei übertragbar
und könne dem Inhaber des Papiers auf dem Wege der Zwangsvollstreckung
auch gegen seinen Willen entzogen werden. Es sei daher gleichgültig, dass
der Arrestschuldner anscheinend nicht gewillt sei, dieses Recht während
der Dauer der Beschlagnahme auszuüben. Dass den Akzepten keine ernst
gemeinte Wechselverpflichtung ihm gegenüber zu Grunde liege oder sich
die Urkunden nur in treuhänderischem Sinn in seinem Besitze befinden,
habe er nicht behauptet, obwohl gemäss Art. 91 SchKG Gelegenheit und
Pflicht zur Angabe wesentlicher Umstände bestanden hätten. Er müsse
daher als der alleinige Inhaber der wechselrechtlichen Ansprüche und des
Ausfüllungsrechtes betrachtet werden.

    C.- Mit vorliegendem Rekurs an das Bundesgericht hält der
Arrestschuldner am Antrag auf unbeschwerte Herausgabe der beschlagnahmten
Wechselformulare fest.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Ob die das Akzept des Bezogenen und die erwähnten weitern Angaben,
nicht dagegen Namen und Unterschrift des Ausstellers und bei einem Exemplar
auch nicht die Wechselsumme enthaltenden Papiere als verwertbare und daher
arrestierbare Vermögensstücke zu gelten haben, hängt in erster Linie
von den aus solchen nicht vollständigen Wechselurkunden hervorgehenden
Rechten ab. Die Vorinstanz hat dies auf Grund der deutschen Gesetzgebung
untersucht, deren Anwendbarkeit an und für sich nicht bestritten
ist und sich denn auch angesichts der geltenden Normen betreffend
das "internationale Wechselprivatrecht" nicht wohl verneinen liesse
(vgl. Art. 4 des betreffenden Abkommens vom 7. Juni 1930, S. 868 ff. des
Bandes 11 der Bereinigten Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen
1848-1947, ferner die auf diesem Abkommen beruhenden Bestimmungen des
Art. 93 des deutschen Wechselgesetzes vom 21. Juni 1933/5. Juli 1934 und
des Art. 1090 des schweizerischen OR). Wie die Vorinstanz ausführt, liegen
sog. Blankowechsel vor, die der Inhaber gemäss den mit dem Akzeptanten
getroffenen Abreden, vermutungsweise nach seinem Belieben, ausfüllen
darf. Es handelt sich dabei nicht um ein höchstpersönliches Recht, so dass
die Ausfüllung auch einem Organ der Zwangsvollstreckung zusteht und ferner
durch Zwangsverwertung des Papiers auf den Erwerber übertragen werden kann.

    Bei dieser Rechtslage - die, weil sie von der ausländischen
Gesetzgebung beherrscht wird, das Bundesgericht nicht nachzuprüfen hat
(Art. 81 in Verbindung mit Art. 43 OG) - sind die beim Rekurrenten
vorgefundenen Papiere in der Tat arrestierbar. Seine Einwendung, um
der Ausfüllung durch den Inhaber fähig zu sein, müssten die Papiere "ein
Mindestmass von Skripturen", nämlich mindestens Namen und Unterschrift des
Ausstellers enthalten, ist angesichts der von der Vorinstanz gewürdigten
Normen des deutschen Rechtes nicht begründet. Als Beispiel eines der
Ausfüllung fähigen Blankowechsels ist denn auch gerade das Blankoakzept
im deutschen wie übrigens auch im schweizerischen Recht gemäss einem seit
langer Zeit bestehenden Gewohnheitsrecht anerkannt (vgl. die weite Fassung
des Art. 10 des "Einheitlichen Wechselgesetzes", BS Band 11 S. 841, des
Art. 10 des deutschen Wechselgesetzes und des Art. 1000 des schweizerischen
OR; E. JACOBI, Wechsel- und Scheckrecht, Berlin 1955, S. 479; E. JAEGER,
Kommentar zur deutschen Konkursordnung, 8. Auflage, Berlin 1958, Anm. 16
zu § 1; BGE 13 S. 207 Erw. 4; R. ROSENDORFF, Das Wechselblankett, S. 1:
"... Namensunterschrift des Ausstellers resp. des Acceptanten ...";
A. MARCIONELLI, La cambiale in bianco, Diss. 1936'S. 16 ff.; GUHL,
Das schweiz. Obligationenrecht, § 91 II a). Da den Betreibungsbehörden
nichts Abweichendes bekannt geworden ist, darf jedenfalls vorderhand
angenommen werden, der Inhaber (und somit im Verwertungsstadium auch
das Betreibungsamt oder gegebenenfalls ein Erwerber des Papiers) sei
zur Ausfüllung befugt (vgl. M. STRANZ, Wechselgesetz, Berlin 1952,
Anm. 4 ff. zu Art. 10; P. CARRY, Lettres de change et billets à ordre,
Schweiz. Jur. Kart. Nr. 444 V).

    Daraus, dass der unausgefüllte Blankowechsel noch nicht
zur Geltendmachung der wechselrechtlichen Ansprüche tauglich ist,
folgt auch nicht etwa, dass Gegenstand der Beschlagnahme bloss das
Ausfüllungsrecht als solches sein könnte, hiefür aber die örtliche
Zuständigkeit des Betreibungsamtes Zürich 2 und überhaupt der
schweizerischen Betreibungsämter fehle, weil ein solches persönliches
Recht als am Wohnort des Berechtigten (also des Rekurrenten) oder
allenfalls des Verpflichteten (also des Akzeptanten) gelegen gelte. Die
Ausfüllungsbefugnis ist vielmehr als Nebenrecht mit dem unfertigen Papier
verbunden, das bereits eine unwiderrufliche wechselrechtliche Erklärung
(das Akzept) enthält; es handelt sich um eine unvollständige, aber "mit der
Bestimmung der Vervollständigung in Verkehr gegebene Wechselurkunde" (E.
JAEGER, aaO; vgl. auch GUHL, aaO). Gegenstand der Beschagnahme war also
in der Tat das Papier, die Wechselurkunde, wie sie am Ort des verfügenden
Betreibungsamtes vorgefunden wurde.

    Damit erweist sich die Arrestierung als gerechtfertigt. Ob und in
welcher Weise sich das Betreibungsamt über die zwischen dem Akzeptanten und
dem Inhaber allenfalls getroffenen Abreden zu gegebener Zeit im Hinblick
auf eine Geltendmachung oder Verwertung der Papiere zu erkundigen und
wie es derartigen Abreden Rechnung zu tragen habe, ist heute nicht zu
entscheiden. Zu bemerken ist bloss noch, dass der Rekurrent, selbst wenn
die Auslegung der Vorinstanz unrichtig sein sollte, durch die Beschlagnahme
nicht in rechtserheblicher Weise beschwert wäre. Einerseits hat man es
nicht mit Urkunden zu tun, die - wie etwa Familienbriefe - ihm aus Gründen
des Persönlichkeitsrechts nicht entzogen werden dürften. Anderseits sind
nur eben die Papiere mit den normalerweise damit verbundenen Nebenrechten,
nicht irgendwelche von den Papieren unabhängige Forderungen oder andere
Rechte beschlagnahmt worden.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.