Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 III 55



88 III 55

11. Entscheid vom 7. Mai 1962 i.S. Pelet und v. Wogau. Regeste

    Widerspruchsverfahren (Art. 106 ff. SchKG) im Falle, dass ein Dritter
behauptet, der Schuldner habe ihm den gepfändeten Erbanteil abgetreten.
Parteirollenverteilung. Massgebendes Kriterium. Prüfungsbefugnis der
Betreibungsbehörden.

Sachverhalt

    In den Betreibungen Nr. 7238 und 3832 des Dr. Pelet bzw. der Frau
von Wogau gegen Frau von Grunelius pfändete das Betreibungsamt Zürich 7
den Liquidationsanteil der Schuldnerin am unverteilten Nachlass ihres am
29. Juli 1948 gestorbenen Ehemanns. Die RST Revisions-, Steuerberatungs-
und Treuhand AG in Basel machte geltend, die Schuldnerin habe ihre
Erbanspüche an sie abgetreten. Sie legte die folgende, von der Schuldnerin
am 2. November 1956 ausgestellte "Abtretung" vor:

    "Ich zediere hiermit alle meine Ansprüche samt zugehörigen Rechten und
Pflichten, insbesondere einschliesslich der Rechte aus der einstweiligen
Verfügung des Landgerichtes Frankfurt a.M. vom 21. Januar 1956, an die
Nachlässe der Frau Marie Beaumont geb. Tachard, sowie meines verstorbenen
Ehemannes Oscar von Grunelius unter Vorbehalt etwaiger Rechte betreibender
Gläubiger an die R.S.T. Revisions-, Steuerberatungs- und Treuhand AG
Basel."

    Hierauf merkte das Betreibungsamt in den Pfändungsurkunden vor, dass
die RST am gepfändeten Liquidationsanteil das Eigentumsrecht geltend mache,
und setzte den Gläubigern Frist zur Bestreitung gemäss Art. 106 SchKG. Die
Gläubiger bestritten die Ansprache und führten ausserdem Beschwerde mit
dem Antrag, sie sei als verspätet zurückzuweisen. Nachdem diese Beschwerde
letztinstanzlich abgewiesen worden war (Entscheid der Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer vom 31. August 1961), setzte das Betreibungsamt den
Gläubigern am 27. Oktober 1961 gemäss Art. 109 SchKG Frist zur Klage auf
Aberkennung der streitigen Ansprache. Die neue Beschwerde, mit welcher die
Gläubiger beantragten, dass die Klägerrolle nicht ihnen, sondern gemäss
Art. 107 SchKG der Drittansprecherin zuzuweisen sei, ist von der untern
Aufsichtsbehörde geschützt, von der kantonalen Aufsichtsbehörde dagegen
mit Entscheid vom 13. April 1962 abgewiesen worden.

    Mit dem vorliegenden Rekurs an das Bundesgericht erneuern die Gläubiger
ihr Beschwerdebegehren.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach BGE 67 III 51 ist der Streit, ob ein gepfändeter Erbanteil dem
Schuldner oder einem Dritten zustehe, im Widerspruchsverfahren auszutragen.

    Ob in diesem Verfahren die Klagefrist dem Drittansprecher oder dem
Gläubiger anzusetzen sei, entscheidet sich im Falle, dass (nicht in
einem Wertpapier verkörperte) Forderungen oder andere Rechte Gegenstand
der Drittansprache sind, gemäss ständiger Rechtsprechung darnach, ob
die Berechtigung des Schuldners oder diejenige des Drittansprechers
die grössere Wahrscheinlichkeit für sich habe (BGE 67 III 52, 71 III
107, 75 III 10, 79 III 163). Bei Anwendung dieses Kriteriums haben
sich die Betreibungsbehörden, wie die Vorinstanz in Erwägung 6 ihres
Entscheides zutreffend ausgeführt hat, nicht in eine nähere Untersuchung
der materiellen Rechtslage einzulassen, wie die Vorinstanz es in den
Erwägungen 3 - 5 selber getan hat. Vielmehr haben sie auf Grund einer
summarischen Prüfung der Akten zu entscheiden. Im vorliegenden Falle
muss für sie massgebend sein, dass die Drittansprecherin eine zu ihren
Gunsten ausgestellte schriftliche Abtretung vorzulegen vermag, die sich
im Gegensatz zu derjenigen, auf die sich der Dritte im Falle BGE 67 III
49 ff. berufen hatte, nicht schon auf den ersten Blick als ungültig
erweist. Welche Tragweite der in die Abtretungsurkunde aufgenommene
Vorbehalt etwaiger Rechte betreibender Gläubiger habe, ist umstritten und
nicht ohne weiteres liquid. Die RST macht u.a. geltend und anerbietet den
Beweis dafür, dass dieser Vorbehalt nicht für solche Gläubiger gelte, deren
Forderungen erst nach der Abtretung entstanden sind. Über solche Fragen zu
befinden, muss dem Richter vorbehalten bleiben. Die Klägerrolle ist daher
ohne Rücksicht auf den erwähnten Vorbehalt den Gläubigern zuzuweisen. Ob
die Abtretung den Miterben der Schuldnerin oder dem Erbschaftsverwalter
mitgeteilt worden sei, wie das Betreibungsamt dies annimmt, ist unter
dem Gesichtspunkte von Art. 106 ff. SchKG entgegen der Auffassung des
Betreibungsamtes unerheblich (BGE 67 III 53; über die Bedeutung einer
solchen Anzeige vgl. im übrigen BGE 87 II 225/226).

Erwägung 2

    2.- In BGE 87 II 223 ff. hat die II. Zivilabteilung des Bundesgerichts
erklärt, die Abtretung eines angefallenen Erbanteils an einen Dritten
gewähre diesem nach schweizerischem Recht "nur einen obligatorischen
Anspruch gegen den Veräusserer, dahingehend, dass dieser die Gegenstände,
die er bei der Teilung erhalten wird, an ihn übertrage" (S. 224); wegen
der bloss obligatorischen Wirkung der "Abtretung" eines Erbanteils bleibe
"ein Zugriff der Gläubiger des Veräusserers auf dessen Erbanteil bzw. die
ihm zugewiesenen Gegenstände möglich, solange diese nicht an den Erwerber
übertragen worden sind" (S. 225). Man könnte sich fragen, ob angesichts
dieser Feststellungen noch angenommen werden dürfe, der Dritte, der
sich darauf beruft, dass der betriebene Schuldner ihm seinen Erbanteil
abgetreten habe, mache damit ein die Pfändung ausschliessendes (oder doch
bei der Verwertung und Verteilung zu berücksichtigendes) Recht geltend,
wie dies die Voraussetzung für die Einleitung eines Widerspruchsverfahrens
bildet (BGE 78 III 10/11, 80 III 71/72 mit Hinweisen). Diese Frage von
Amtes wegen aufzugreifen und allenfalls in Abweichung von BGE 67 III
51 die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens in einem solchen Falle
als unzulässig zu erklären, besteht jedoch kein genügender Anlass; dies
umso weniger, als streitig zu sein scheint, ob die Erbschaft des Oscar
von Grunelius dem schweizerischen Recht unterstehe. Es kann dem Richter
überlassen werden, gegebenenfalls zu prüfen, ob die Eigentumsansprache
der RST etwa schon mit der Begründung abzuweisen sei, dass die Abtretung
ihr nur ein rein obligatorisches Recht gegen die Schuldnerin verleihe.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.