Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 III 20



88 III 20

4. Auszug aus dem Entscheid vom 29. März 1962 i.S. Vogel. Regeste

    1.  Vor der Konkurseröffnung angehobene Betreibungen auf
Pfandverwertung können nach Einstellung und Schliessung des Konkurses
mangels Aktiven (Art. 230 SchKG) weitergeführt werden (Art. 206 SchKG).

    2.  Der Aufschub der Verwertung (Art. 123 SchKG) fällt bei
nicht pünktlicher Leistung einer Abschlagszahlung (vom Falle des
Rechtsstillstandes abgesehen) ohne weiteres dahin, gleichgültig ob der
Schuldner die Zahlung aus Nachlässigkeit oder mangels der nötigen Mittel
oder infolge Konkurseröffnung unterlassen hat. Ein neuer Aufschub darf
in derselben Betreibung nicht bewilligt werden.

Sachverhalt

    Der auf Verwertung von Faustpfändern betriebene Eugen Vogel fiel am 4.
Oktober 1961 in Konkurs, doch wurde das Verfahren am 30. November 1961
mangels genügender freier Aktiven eingestellt und auf den 31. Dezember
1961 als geschlossen erklärt. Das Betreibungsamt Waldenburg ordnete
hierauf in den Faustpfandbetreibungen die Steigerung an, erteilte dem
Schuldner aber am 7. Februar 1962 eine Aufschubsbewilligung im Sinne von
Art. 123 SchKG. Die kantonale Aufsichtsbehörde hat diese Bewilligung auf
Beschwerde der Gläubigerin hin aufgehoben. Das Bundesgericht weist den
Rekurs des Schuldners ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Schuldner hat sich im Anschluss an die Steigerungsanzeigen
nicht darüber beschwert, dass die streitigen Betreibungen nach der mangels
genügender Aktiven erfolgten Einstellung und Schliessung des Konkurses
weitergeführt wurden. Er macht auch heute nicht geltend, dass diese
Betreibungen infolge der Konkurseröffnung vom 4. Oktober 1961 endgültig
dahingefallen und daher entgegen der Auffassung der Vorinstanz nach der
Einstellung und Schliessung des Konkurses nicht wieder aufgelebt seien.
Selbst wenn das Bundesgericht zum Schlusse käme, die Auffassung der
Vorinstanz sei unrichtig, könnte es also die streitigen Betreibungen nur
dann gänzlich aufheben, wenn anzunehmen wäre, dass die Fortsetzung einer
gemäss Art. 206 SchKG dahingefallenen Betreibung wie die Fortsetzung einer
wegen Zeitablaufs erloschenen Betreibung (vgl. BGE 62 III 153, 77 III
58, 84 III 102 oben) nicht bloss innert der Beschwerdefrist anfechtbar,
sondern schlechthin nichtig sei. Wie es sich damit verhalte, kann jedoch
dahingestellt bleiben, da der Vorinstanz darin beizustimmen ist, dass
die streitigen Betreibungen nach der Einstellung und Schliessung des
Konkurses mangels Aktiven wieder in Kraft getreten sind.

    Im BGE 75 III 70 ff. wurde freilich in Bestätigung von BGE 40
III 344 und 42 III 14 entschieden, dass die vor der Konkurseröffnung
angehobenen Betreibungen nach Einstellung und Schliessung des Konkurses
mangels Aktiven grundsätzlich nicht fortgesetzt werden können. Ob die
früher anerkannten Ausnahmen (für Betreibungen auf Pfandverwertung:
BGE 27 I 373 und 32 I 369 = Sep. ausg. 4 S. 137 und 9 S. 139; für die
Pfändung eines zufolge Anfechtungsklage zurückgewährten Vermögenswertes:
BGE 51 III 217; für Lohnpfändungen: BGE 35 I 215 = Sep. ausg. 12 S. 15)
weiterhin gelten sollten, wurde damals offen gelassen (BGE 75 III 63
oben). Seither hat jedoch das Bundesgericht wiederholt angenommen, dass
diese Frage zu bejahen sei (BGE 79 III 168/169, 87 III 75 Erw. 2). Es
hat gestützt hierauf eine weitere Ausnahme von dem eingangs erwähnten
Grundsatze für den Fall zugelassen, dass in der Betreibung gegen eine
Erbschaft vor Eröffnung der konkursamtlichen Liquidation eine Pfändung
vollzogen worden war (vgl. die zuletzt angeführten Präjudizien). An dieser
Rechtsprechung ist festzuhalten. Sie lässt sich damit rechtfertigen, dass
in allen diesen Ausnahmefällen die Fortsetzung der Betreibung nach der
Einstellung und Schliessung des Konkurses nicht gegen die Interessen der
Gesamtheit der Gläubiger verstösst, die der erwähnte Grundsatz schützen
will, und dass dessen Anwendung in diesen Fällen ausgesprochen unbillige
Folgen hätte (vgl. BGE 79 III 168/169, 87 III 75/76). Die streitigen
Faustpfandbetreibungen konnten also nach der am 31. Dezember 1961 mangels
Leistung des Kostenvorschusses erfolgten Schliessung des Konkurses über
den Rekurrenten weitergeführt werden.

Erwägung 3

    3.- Folgt man der tatsächlichen Feststellung der Vorinstanz, dass
das Betreibungsamt dem Rekurrenten schon vor der Konkurseröffnung einen
Aufschub der Verwertung im Sinne von Art. 123 SchKG bewilligt habe und
dass gemäss dieser Bewilligung am 6. Oktober 1961 in beiden Betreibungen
die zweite Abschlagszahlung hätte geleistet werden sollen, so ist der
Vorinstanz darin beizustimmen, dass das Ausbleiben dieser Zahlung den
Aufschub dahinfallen liess und dass dem Rekurrenten nach der Einstellung
und Schliessung des Konkurses nicht nochmals ein Aufschub bewilligt werden
durfte. Von dem in Art. 123 Abs. 2 behandelten Falle des Rechtsstillstandes
abgesehen, fällt die Aufschubsbewilligung nach Art. 123 Abs. 5 SchKG ohne
weiteres dahin, wenn eine Abschlagszahlung nicht pünktlich geleistet
wird. Ob die pünktliche Zahlung (vgl. zu diesem Erfordernis BGE 52 III
139 Erw. 3, 62 III 13, 73 III 94) wegen Nachlässigkeit des Schuldners
oder wegen Fehlens der nötigen Mittel oder deswegen unterbleibt, weil
der Schuldner in Konkurs fällt und deshalb über sein Vermögen nicht
mehr verfügen darf (Art. 204 SchKG), ist unter dem Gesichtspunkte von
Art. 123 Abs. 5 unerheblich. Ist der Aufschub dahingefallen, so ist nach
dem Sinne dieser Bestimmung sogleich nach dem Verfalltermin der nicht
geleisteten Abschlagszahlung (vgl. BGE 53 III 140 unten) bzw. (im Falle
der Nichtleistung wegen Konkurseröffnung) sogleich nach der Schliessung des
Konkurses mangels Aktiven zur Verwertung zu schreiten. Ein neuer Aufschub
kommt nicht in Frage, weil, wie die Vorinstanz zutreffend angenommen
hat, die Verwertung im Laufe einer und derselben Betreibung nur einmal
aufgeschoben werden darf (BGE 67 III 82). Von dieser Regel darf im Falle,
dass eine Abschlagszahlung wegen Konkurseröffnung ausbleibt, um so weniger
abgewichen werden, als sonst dem Missbrauch der Aufschubsmöglichkeit die
Türe geöffnet wäre. Ein Schuldner könnte mehrmals den Konkurs und dessen
Einstellung mangels Aktiven eintreten lassen und dann jeweils in bereits
hängigen Betreibungen von neuem einen Aufschub verlangen. Auf Grund der
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz muss der vorliegende Rekurs
somit abgewiesen werden.