Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 88 III 140



88 III 140

22. Entscheid vom 22. Dezember 1962 i.S. Mantello. Regeste

    Arrestvollzug. Der Anspruch auf einen Anteil am Liquidationserlös
einer Aktiengesellschaft, der dem Arrestschuldner als Aktionär zusteht,
kann im Falle, dass die Gesellschaft Inhaberaktien ausgegeben hat, nicht
getrennt von diesen arrestiert werden. Dabei bleibt es auch, wenn sich
die Gesellschaft im Konkurs befindet.

Sachverhalt

    In Vollziehung eines Arrestbefehls (Nr. 139/62), den F. Marti für eine
Verlustscheinsforderung von Fr. 112'028.-- auf Grund von Art. 271 Ziff. 5
SchKG gegen G. Mantello in Rom erwirkt hatte, erliess das Betreibungsamt
Basel-Stadt am 7. September 1962 folgende Verfügung:

    "Auf Begehren des Arrestgläubigers werden arrestiert bei:

    a) Hans Seligman-Schurch & Co., ..., Basel,

    b) E. Gutzwiller & Cie., ..., Basel,

    c) Schweiz. Bankgesellschaft, ..., Basel,

    d) Schweiz. Kreditanstalt, ..., Basel,

    e) Schweiz. Bankverein, ..., Basel,

    f) Schweiz. Volksbank, ..., Basel,

    20 Aktien der Parkhof AG, Basel, à nom. Fr. 1000.--, bzw.

    bei Herrn Dir. Eugen D. Merki, RST-Treuhand AG, Basel, a.a.
Konkursverwalter der Parkhof AG, eventuell bei der Gerichtskasse
Basel-Stadt

    Anteil am Liquidationserlös der Parkhof AG, Basel, auf Grund des
vom Gläubiger behaupteten Besitzes des Schuldners von 20 Aktien, bis zur
Deckung von Fr. 120'000.--".

    Gegen diese ihm am 12. Oktober 1962 zugegangene Verfügung führte der
Schuldner am 22. Oktober 1962 Beschwerde mit dem Begehren, "es sei die
Arrestierung des Anteils des Arrestschuldners am Liquidationserlös der
Parkhof AG Basel aufzuheben". Den abweisenden Entscheid der kantonalen
Aufsichtsbehörde vom 3. Dezember 1962 hat er an das Bundesgericht
weitergezogen.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerde richtet sich nicht gegen den von der Arrestbehörde
erlassenen Arrestbefehl, sondern gegen dessen Vollzug durch das
Betreibungsamt. Es wird damit eine Verletzung der beim Arrestvollzug zu
beobachtenden Vorschriften geltend gemacht. Eine solche Beschwerde ist nach
ständiger Rechtsprechung zulässig (BGE 64 III 129, 75 III 26, 82 III 69).

Erwägung 2

    2.- Die Verfügung des Betreibungsamtes vom 7. September 1962 hat
nach der Auslegung, welche die kantonale Aufsichtsbehörde ihr auf Grund
der Vernehmlassung des Betreibungsamtes gegeben hat, den Sinn, dass der
Arrestbeschlag je nachdem, ob der Konkurs der Parkhof AG widerrufen werden
wird oder nicht, entweder die 20 dem Schuldner gehörenden Inhaberaktien
dieser Gesellschaft (sofern bei einer der genannten Banken in Basel
befindlich) oder aber (ohne Rücksicht darauf, ob diese Titel in Basel
arrestierbar seien) den darauf entfallenden Liquidationsanteil erfassen
soll. Die Aktien und der Liquidationsanteil wurden somit je für einen
bestimmten Eventualfall (alternativ) arrestiert.

    Es kann dahingestellt bleiben, ob eine eventuelle (alternative)
Arrestierung an sich zulässig sei (vgl. BGE 74 III 8, wo für einen
besondern Fall der Lohnpfändung die alternative Pfändung zweier
verschiedener Lohnquoten angeordnet wurde). Sicher ist nämlich auf jeden
Fall, dass das Betreibungsamt den Anspruch auf einen Anteil am Erlös aus
der Liquidation der Parkhof AG, der dem Schuldner gemäss Art. 660 Abs. 2
und Art. 745 Abs. 1 OR zusteht, aus Gründen des Wertpapierrechts nicht
unabhängig von den Aktien arrestieren durfte.

    a) Inhaberaktien sind Wertpapiere (BGE 67 III 11; JÄGGI N. 279
zu Art. 965 OR), d.h. die Rechte der Aktionäre sind damit in der Weise
verknüpft, dass sie ohne die Urkunde weder geltend gemacht noch auf andere
übertragen werden können. Insbesondere darf die Aktiengesellschaft ohne
Vorweisung der Aktientitel keinen Anteil am Liquidationserlös auszahlen
(JÄGGI aaO). Ein von den Inhaberaktien losgelöster Anspruch auf einen
Anteil am Liquidationserlös, der ohne die Titel selber arrestiert,
gepfändet und verwertet werden könnte, besteht daher nicht. Soweit der
Arrestvollzug nach der Verfügung vom 7. September 1962 den Anteil des
Schuldners am Liquidationserlös der Parkhof AG unabhängig von seinen
Aktien erfassen soll, ist er folglich nichtig.

    b) In BGE 77 III 91 wurde vom Grundsatz, dass die in einem Wertpapier
verbrieften Rechte der Aktionäre nicht losgelöst von diesen Titeln
arrestiert und gepfändet werden können, entgegen der Auffassung der
Vorinstanz keine Ausnahme gemacht. In diesem Entscheide wurde lediglich
erklärt, dass dann, wenn eine Aktiengesellschaft noch keine Aktien oder
Interimsscheine ausgegeben hat, einer Arrestierung und Pfändung der
Aktionärrechte selber in dem auf die Pfändung von Forderungen anwendbaren
Verfahren nichts im Wege stehe. Dieser Feststellung fügte aber das
Bundesgericht sogleich bei, das Betreibungsamt habe sich im Falle,
dass zur Zeit des Arrestvollzugs bereits Aktien oder Interimsscheine
ausgegeben waren, "natürlich" die vom Schuldner gezeichneten Titel
aushändigen zu lassen.

    c) Zu Unrecht sucht die Vorinstanz die Zulässigkeit der gesonderten
Arrestierung des Anspruchs auf den Liquidationsanteil damit zu begründen,
dass "zufolge der konkursbedingten Auflösung einer Aktiengesellschaft
deren Aktientitel in ihrem Wertpapiercharakter lahmgelegt" seien und dass
die Inhaberaktie der konkursiten Gesellschaft für den Aktionär praktisch
nur noch die Eigenschaft einer Urkunde zum Nachweis seiner Beteiligung
am Grundkapital habe, welche Beteiligung gemäss Statuten und Gesetz
(Art. 745 OR) für die Verteilung eines Liquidationsüberschusses unter die
Aktionäre massgebend sei. Die Aktien einer Gesellschaft, die gemäss Art.
736 Ziff. 3 OR durch die Eröffnung des Konkurses aufgelöst worden ist,
können, solange nicht alle damit verbundenen Rechte erloschen sind,
weiterhin wertpapiermässig übertragen werden. Diese Möglichkeit ist im
vorliegenden Falle, wo nach den Ausführungen der Vorinstanz ernstlich
mit einem Liquidationsüberschuss zu rechnen ist, nicht etwa bloss
theoretischer Natur. Hievon abgesehen bleibt den Inhaberaktien einer
durch die Konkurseröffnung aufgelösten Gesellschaft der Charakter
von Wertpapieren auch insofern erhalten, als der Liquidationsanteil
gegebenenfalls nur gegen Vorweisung der Aktien bezogen werden kann.

    d) Die Billigkeitserwägungen, die dem angefochtenen
Entscheid wahrscheinlich zugrunde liegen, vermögen diesen nicht zu
rechtfertigen. Gelingt es nicht, die Aktien des Schuldners wirksam zu
arrestieren, so wird der Gläubiger freilich nicht auf den dem Schuldner
voraussichtlich zukommenden Liquidationsanteil greifen können, wenn man
dessen gesonderte Arrestierung als unzulässig betrachtet. Diesem für den
Gläubiger unerfreulichen Ergebnis lässt sich jedoch nicht dadurch abhelfen,
dass man einen solchen Arrest in gesetzwidriger Weise gestattet. Dem
Konkursverwalter wäre es auf Grund eines solchen Arrestes und der
nachfolgenden Pfändung nicht erlaubt, aus dem Liquidationsüberschuss
irgendeine Zahlung zuhanden des Gläubigers an das Betreibungsamt zu
leisten, da einzig die Inhaber der Aktien gegen Vorweisung derselben
auf einen Anteil an diesem Überschuss Anspruch erheben können. Würde
der Konkursverwalter gleichwohl eine solche Zahlung leisten, obwohl beim
Schuldner die Aktien selber nicht arrestiert werden konnten, so könnte
seine Verfügung mit Erfolg durch Beschwerde angefochten werden. Unter
diesen Umständen ist unerheblich, dass der Konkursverwalter in seinem
Schreiben an das Betreibungsamt vom 17. September 1962 erklärt hat, er
werde den auf die Aktien des Schuldners entfallenden Liquidationserlös
nach Abschluss des Konkursverfahrens bis zum Betrage von Fr. 120'000.--
dem Betreibungsamt zukommen lassen.

Erwägung 3

    3.- Ist demnach der zweite, auf den Anteil am Liquidationserlös
bezügliche Teil der Arrestierungsverfügung des Betreibungsamtes vom 7.
September 1962 aufzuheben, so muss vernünftigerweise angenommen werden,
dass der erste Teil dieser Verfügung (Arrestierung der Aktien selber)
nicht nur für den Fall des Konkurswiderrufs, sondern auch für den Fall der
Durchführung des Konkurses bis zum normalen Abschluss gelte. Sofern sich
die Aktien des Schuldners bei einer der genannten Banken befinden und in
der Arrestbetreibung gepfändet werden können, wird also das Betreibungsamt
bei Durchführung des Konkurses gegen Ablieferung der Titel den darauf
entfallenden Liquidationsanteil beziehen können. Andernfalls (wenn die
Aktien nicht bei einer jener Banken liegen) ist der Arrest gegenstandslos.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    In Gutheissung des Rekurses werden der angefochtene Entscheid und der
Arrest Nr. 139/62 des Betreibungsamtes Basel-Stadt, soweit er sich auf den
"Anteil am Liquidationserlös der Parkhof AG" bezieht, aufgehoben.