Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 I 62



85 I 62

10. Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Februar 1959 i.S. René Akerman
G.m.b.H. gegen Eidgenössisehes Amt für das Han- delsregister. Regeste

    1.  Art. 940 OR, Art. 21 HRegV, Prüfungspflicht des
Handelsregisterführers. Ein Vorgang ist auch dann in das Handelsregister
einzutragen, wenn sich darüber streiten lässt, ob das materielle Zivilrecht
ihn gestatte (Erw. 1).

    2.  Art. 807 Abs. 2 OR. Die Auffassung, die Gesellschaft mit
beschränkter Haftung dürfe ihr Stammkapital unmittelbar zulasten ihrer
freien Rücklagen erhöhen, ist nicht offensichtlich unhaltbar (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Das Handelsregisteramt des Kantons Zürich verurkundete am
30. September 1958 im Tagebuch, die Gesellschafterversammlung der René
Akermann G.m.b.H. habe durch Statutenänderung vom 19. August 1958 das
Stammkapital der Gesellschaft von Fr. 20'000.-- aufFr. 150'000.-- erhöht;
die Stammeinlage des René Emil Akermann sei auf Fr. 40'000.-- heraufgesetzt
worden, Suzanne Akermann geb. Lüdi sei mit einer Stammeinlage von Fr.
10'000.-- als neue Gesellschafterin eingetreten und die Gesellschaft habe
eine weitere neue Stammeinlage von Fr. 100'000.-- geschaffen und sie aus
freien Reserven liberiert; diese Einlage gehöre der Gesellschaft selber.

    Am 2. Oktober 1958 teilte das Eidgenössische Amt für das
Handelsregister dem Handelsregisteramt des Kantons Zürich mit, es
könne jenen Teil der Eintragung, der sich auf die Schaffung einer
neuen Stammeinlage zu Fr. 100.000.-- auf den Namen der Gesellschaft
beziehe, nicht genehmigen, denn die Gesellschaft könne nicht ihre eigene
Gesellschafterin sein. Das kantonale Handelsregisteramt gab der René
Akermann G.m.b.H. am 4. Oktober 1958 von dieser Verfügung Kenntnis.

    B.- Die René Akermann G.m.b.H. führt mit Eingabe vom 16.  Oktober 1958
gemäss Art. 97 ff. OG beim Bundesgericht Beschwerde. Sie beantragt, die
Eintragung über die Schaffung einer neuen Stammeinlage zu Fr. 100'000.--
auf den Namen der Gesellschaft sei zu genehmigen und im Schweizerischen
Handelsamtsblatt zu veröffentlichen. Sie beruft sich auf Art. 807 Abs. 2
OR.

    C.- Das Eidgenössische Amt für das Handelsregister beantragt, die
Beschwerde sei abzuweisen. Es macht geltend, Art. 807 OR erlaube nur
den abgeleiteten Erwerb von eigenen Gesellschaftsanteilen durch die
Gesellschaft und dürfe nicht ausdehnend ausgelegt werden.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist ein Vorgang
nicht schon dann ungeeignet, in das Handelsregister eingetragen und
veröffentlicht zu werden, wenn seine Zulässigkeit vom Standpunkt
des materiellen Zivilrechts aus zweifelhaft ist, sondern nur dann,
wenn er diesem offensichtlich widerspricht. Denn im Handelsregister
sind nicht nur die zweifellos statthaften, sondern auch solche
Vorgänge offenkundig zu machen, über deren Zulässigkeit sich streiten
lässt. Solche Streitigkeiten zu entscheiden, ist Sache des ordentlichen
Richters, nicht der Handelsregisterbehörden und des Bundesgerichts
als Verwaltungsgericht. Diese haben nur darüber zu wachen, dass das
Handelsregister nicht zur Bekanntgabe von Vorgängen missbraucht werde,
die vom ordentlichen Richter unmöglich geschützt werden könnten.
Registerbehörden und Verwaltungsgericht haben daher nicht eingehend
zu prüfen, ob ein Vorgang, um dessen Eintragung nachgesucht wird,
nach materiellem Zivilrecht zulässig sei, sondern nur, ob er ihm nicht
offensichtlich widerspreche (BGE 67 I 113 f., 345, 78 I 450).

    In diesem Sinne ist das Prüfungsrecht auch im vorliegenden Falle
beschränkt, denn die Streitfrage, ob eine Gesellschaft mit beschränkter
Haftung sich unter Verwendung freier Rücklagen an der Erhöhung ihres
Stammkapitals beteiligen dürfe, gehört dem materiellen Gesellschaftsrecht,
nicht dem Registerrecht an.

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 807 Abs. 2 OR darf die Gesellschaft mit beschränkter
Haftung voll einbezahlte eigene Gesellschaftsanteile erwerben, aber nur aus
dem über das Stammkapital hinaus vorhandenen Gesellschaftsvermögen. Das
Eidgenössische Amt für das Handelsregister glaubt, diese Bestimmung
sei erlassen worden, um einem Gesellschafter den Austritt aus
der Gesellschaft zu erleichtern. Das mag zutreffen. Daraus folgt
jedoch nicht zwingend, Art. 807 Abs. 2 OR sei eine Ausnahmebestimmung,
die auf einen anderen Tatbestand nicht entsprechend angewendet werden
dürfe. Wenn um des erwähnten Zweckes willen die vom Eidgenössischen Amt
für das Handelsregister so genannte "Monstruosität", die Gesellschaft
zum eigenen Gesellschafter werden zu lassen, in Kauf genommen wurde, kann
sie auch tragbar sein, wenn sie darauf beruht, dass die Gesellschaft das
Stammkapital zulasten ihrer freien Rücklagen erhöht. Für die Zulässigkeit
dieses Vorgehens spricht, dass das Endergebnis auf dem in Art. 807 Abs. 2
OR vorgesehenen Wege ohnehin erreicht werden könnte, da der Gesellschaft
nicht verboten ist, einen Dritten zur Zeichnung und Einzahlung der neuen
Stammeinlage zu veranlassen und ihm den so geschaffenen Gesellschaftsanteil
zulasten der freien Rücklage abzukaufen. Es müssten schon triftige Gründe
vorgebracht werden können, die dafür sprächen, dass das Gesetz zwar
diesen Umweg gestattet, aber die unmittelbare Erhöhung des Stammkapitals
zulasten der freien Rücklage verbieten wolle. Solche Gründe nennt das
Eidgenössische Amt für das Handelsregister keine. In steuerrechtlichen
Gesichtspunkten, die es glaubt berücksichtigen zu müssen, können sie nicht
liegen, da solchen nicht vom Zivilgesetzgeber Rechnung getragen wird. Die
Auffassung, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung dürfe zulasten
ihrer freien Rücklagen neue Stammeinlagen schaffen, wird denn auch in
der Rechtsprechung und im Schrifttum zum deutschen Recht, das in § 33
Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
eine dem Art. 807 Abs. 2 OR entsprechende Norm enthält, nicht einhellig
abgelehnt. Sie wird unter Hinweis auf Gerichtsentscheide z.B. von SCHMIDT
in der sechsten Auflage von HACHENBURGS Kommentar zum erwähnten Gesetze,
Anmerkung 20 zu § 33, vertreten. Da sie auch für das schweizerische Recht
nicht offensichtlich unhaltbar ist, kann der Beschwerdeführerin die
Eintragung und Veröffentlichung ihrer Beteiligung am erhöhten eigenen
Stammkapital nicht verwehrt werden. Dass diese Beteiligung aus der
freien Rücklage gedeckt wurde, das erhöhte Stammkapital also im vollen
Umfange tatsächlich vorhanden ist, wird vom Eidgenössischen Amt für das
H andelsregister nicht bestritten.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    In Gutheissung der Beschwerde wird die vom Handelsregisteramt des
Kantons vorgenommene Eintragung über die Schaffung einer neuen Stammeinlage
zu Fr. 100'000.-- auf den Namen der René Akermann G.m.b.H. genehmigt
und ihre Veröffentlichung im Schweizerischen Handelsamtsblatt angeordnet.