Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 I 56



85 I 56

8. Auszug aus dem Urteil vom 11. März 1959 i.S. S. Regeste

    Art. 161 OG. Zwingender Charakter; Unzulässigkeit der Unterwerfung
unter ein Schiedsgericht. Unanwendbarkeit bei Vereinbarung der Parteien
über die Höhe des Anspruchs oder bei Zahlung.

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Gesuchsteller verlangt die gerichtliche Festsetzung
(Moderation) der Anwaltsrechnung, die ihm der Gesuchsgegner für die
Bemühungen und Auslagen im staatsrechtlichen Verfahren stellt, das zum
Urteil des Bundesgerichtes vom 25. Juni 1958 führte.

    Der Gesuchsgegner bestreitet zunächst die Zuständigkeit des
Bundesgerichtes zur Moderation unter Hinweis auf die Vereinbarung,
welche von den Parteien abgeschlossen worden und in der Vollmachtsurkunde
dahin formuliert ist, dass im Falle von Streitigkeiten über die Höhe der
Ansprüche der Bevollmächtigten, mit Einschluss solcher aus Prozessführung
vor dem Bundesgericht, Vollmachtgeber und Bevollmächtigte sich dem
endgültigen Entscheid der Moderationskommission der Basler Advokatenkammer
unterwerfen (Vollmachtsurkunde vom 21. Juni 1957).

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 161 OG setzt das Bundesgericht, wenn das von einer
Prozesspartei ihrem Anwalt für das Verfahren vor Bundesgericht geschuldete
Honorar streitig ist, dessen Betrag nach schriftlicher Vernehmlassung
des Anwaltes oder der Partei ohne Parteiverhandlung fest.

    Die Vorschrift ändert nichts am Grundsatz, dass Anstände über die
Rechte und Pflichten der Parteien aus einem Auftragsverhältnis, in
dem die Partei und ihr Anwalt stehen, insbesondere über die rechtliche
Begründetheit der Forderung des Beauftragten, im gewöhnlichen Verfahren
vor dem zuständigen Richter auch dann auszutragen sind, wenn das
Auftragsverhältnis ein Verfahren vor dem Bundesgericht zum Gegenstand
hatte. Auch die Frage bleibt davon unberührt, ob die Parteien über die
Honorarforderung eine Vereinbarung getroffen haben und von welcher
Art. Denn das betrifft den Bestand der Honorarforderung. Wenn diese
zum vornherein festgelegt, oder wenn sie nachträglich ausdrücklich
oder durch konkludentes Verhalten anerkannt worden ist, ist über
deren Höhe ein Verfahren nach Art. 161 OG nicht mehr möglich.
Die Vorschrift gibt dem Bundesgericht für Prozesse, welche vor einer
seiner Kammern durchgeführt wurden, lediglich die Kompetenz, unter
Wahrung der dem Zivilrichter zukommenden Befugnisse zivilrechtlicher
Art in einem besondern Verfahren die Höhe des Honorars für die Parteien
(und allfällig auch für den Zivilrichter) verbindlich festzusetzen. Der
gesetzgeberische Grund dafür liegt in der Einsicht, dass es unzweckmässig
wäre, die Parteien für die Erledigung eines Anstandes über die Höhe der
Forderung des Anwaltes vor einen andern Richter zu verweisen, dem Art
und Umfang der Bemühungen nicht bekannt wären, und zu verhindern, dass
das Honorar uneinheitlich bemessen werden könnte. Der mit der Vorschrift
verfolgte Zweck der Vermeidung eines neuen Prozesses über die Höhe des
Honorars für ein bundesgerichtliches Verfahren und dessen einheitliche
Festsetzung verlangt aber, dass der Entscheid dem Bundesgericht selbst
zukomme. Das folgt übrigens auch aus dem Wortlaut von Art. 161 OG, der den
Parteien nicht überlässt, wem sie die Bestimmung des streitigen Honorars
übertragen wollen, sondern bestimmt, dass, sofern darüber ein Anstand
entsteht, das Bundesgericht den Betrag festsetzt. Kommt aber danach den
Parteien darüber kein freies Verfügungsrecht zu, vom Falle abgesehen, wo
sie sich, auch für den Zivilrichter verbindlich, ausdrücklich oder durch
konkludentes Verhalten über die Höhe der Forderung des Anwaltes verständigt
haben, so können sie sich für die Festsetzung nicht dem ordentlichen
Richter, einem Schiedsgericht oder einer schiedsgerichtsähnlichen
Instanz unterwerfen (BIRCHMEIER, Organisation der Bundesrechtspflege
zu Art. 161 S. 531). Ob die vereinbarte Instanz an sich geeignet wäre,
die Bemühungen des Anwaltes zu bewerten, etwa weil sie zur Behandlung von
Moderationsgesuchen für kantonale Prozesse zuständig oder vereinbart ist,
ist nicht entscheidend. Jedenfalls ist eine Verfügung der Parteien über
den Anspruch nicht zum voraus möglich; ob sie über ihn nachträglich, nach
Erledigung des Prozesses verfügen könnten, kann dahingestellt bleiben. Das
Bundesgericht hat schon bisher die gleichlautende Vorschrift von Art. 222
Abs. 3 aoG dahin ausgelegt, dass sie nicht dispositiver Natur, sondern
der freien Verfügung der Parteien entzogen sei und das darin vorgesehene
Verfahren nicht durch eine in die Vollmacht des Anwaltes aufgenommene
Kompromissklausel ausgeschlossen werden könne (BGE 29 II 588; dazu
FICK, die Festsetzung des Honorars des Anwaltes durchdas Bundesgericht
in ZSR Bd. 14 S. 21 ff.; abw. KELLER, Die Zivilprozessordnung für den
Kanton Aargau zu § 61 bis, wo die Übertragung an ein Schiedsgericht als
zulässig bezeichnet wird, also wohl auch für den Fall, dass nicht über
zivilrechtliche Einwendungen zu befinden ist).

    Die Vereinbarung der Parteien stellt eine Schiedsklausel dar,
will Anstände über die Höhe des Honorars des Gesuchsgegners der
Moderationskommission der Basler Advokatenkammer übertragen und vermag
daher die Zuständigkeit des Bundesgerichtes zum Entscheid über das
vorliegende Gesuch nicht auszuschliessen.