Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 I 289



85 I 289

47. Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. November 1959 i.S. M. gegen
Bern, Regierungsrat. Regeste

    Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Formelle Beschwerdelegitimation
(Art. 103 Abs. 1 OG). Anforderungen an die Beschwerdebegründung (Art. 107
und 90 Abs. 1 OG). Sachlegitimation.

    Zivilstandsregister. Nennung des frühern Ehegatten im Eheregister,
Familienregister und Familienbüchlein (Art. 94, 117 und 146 ZStV). Rüge
der Gesetzwidrigkeit von Vorschriften der ZStV. Bedeutung des
Familienbüchleins.

Sachverhalt

    Der im Kanton Bern heimatberechtigte M. heiratete am 12. April 1958
in Reno, Staat Nevada (U.SA) eine amerikanische Staatsangehörige, die
am 23. Januar 1957 in einem andern Lande von P. I. geschieden worden war.
Diese Eheschliessung wurde mit Bewilligung der kantonalen Aufsichtsbehörde
(Art. 137 der Verordnung über das Zivilstandswesen vom 1. Juni 1953
= ZStV) in das Familienregister seiner Heimatgemeinde eingetragen,
wobei gemäss Art. 117 Abs. 1 lit. A Ziff. 4 ZStV auch der Familien- und
Vorname des frühern Ehemanns von Frau M. mit dem Datum der Scheidung der
frühern Ehe angegeben wurde. Diese Angabe ("geschieden von P. I. seit
23. Januar 1957") wurde auch im Abschnitt "Ehefrau", Unterabschnitt
"Zivilstand (bei der Trauung)" des Familienbüchleins eingetragen,
das sich M. nach der in der Schweiz erfolgten Geburt eines Kindes
ausstellen liess. Hierauf verlangte M. auf dem Beschwerdeweg, es sei
ihm ein neues Familienbüchlein ohne Nennung von P. I. auszustellen. Vom
Regierungsrat des Kantons Bern abgewiesen, führt er beim Bundesgericht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Er macht im wesentlichen geltend, die ZStV
sei gesetzwidrig, soweit sie verlange, dass der Name des frühern Ehegatten
im Ehe- und Familienregister anzugeben sei. Dieser Name gehöre erst
recht nicht ins Familienbüchlein. P. I. habe mit seiner Familie nichts zu
tun. Die Nennung dieses Dritten gefährde seine Familie und verletze seine
Ehre als Haupt der Familiengemeinschaft. Im übrigen unterstehe seine Ehe
gemäss Art. 31 Abs. 3 NAG dem Rechte von Nevada und habe seine Ehefrau,
die Bürgerin der U.SA geblieben sei, als Gast in unserm Lande Anspruch
auf zuvorkommende Behandlung.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gegen den Entscheid, den der Regierungsrat des Kantons Bern in
seiner Eigenschaft als kantonale Aufsichtsbehörde in Zivilstandssachen
gefällt hat, ist nach Art. 99 I lit. a OG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
zulässig.

    M. ist gemäss Art. 103 Abs. 1 OG zur Beschwerdeführung formell
legitimiert, da er in dem von ihm selber angehobenen kantonalen Verfahren
Parteistellung hatte (BGE 84 I 85, 85 I 165/66).

    (Feststellung, dass die Beschwerdeschrift den gemäss Art. 107 OG
auch für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltenden Anforderungen von
Art. 90 Abs. 1 OG genügt, da daraus mit hinlänglicher Deutlichkeit
hervorgeht, dass und weshalb der Beschwerdeführer den angefochtenen
Entscheid als bundesrechtswidrig betrachtet). Wenn der Beschwerdeführer
vor Bundesgericht, abgesehen von Art. 94 Ziff. 3 und 4 der ZStV vom
18. Mai 1928, keine unmittelbar auf die Registerführung bezügliche
Bundesrechtsvorschrift anruft, so darf darin um so weniger ein
Nichteintretensgrund erblickt werden, als der angefochtene Entscheid
seinerseits keine derartige Bestimmungen anführt, sondern zur Begründung
dafür, dass das streitige Familienbüchlein vorschriftsgemäss erstellt
worden sei, nur auf das Musterbeispiel Nr. 1322 in dem vom Eidg. Justiz-
und Polizeidepartement im Jahre 1954 herausgegebenen, keine Rechtsquelle
darstellenden "Handbuch für das Zivilstandswesen" sowie darauf hinweist,
dass den Zivilstandsbeamten auf Veranlassung dieses Departements
in besondern Kursen empfohlen worden sei, sich an die im "Handbuch"
enthaltenen Musterbeispiele zu halten.

    Auf die - rechtzeitige - Beschwerde ist daher einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Die Sachlegitimation (die nach den in Erw. 1 angeführten
Entscheiden von der formellen Beschwerdelegitimation zu unterscheiden ist)
kann dem Beschwerdeführer nicht abgesprochen werden, obwohl der von ihm
beanstandete Vermerk im Familienbüchlein wenigstens unmittelbar nicht ihn
selber, sondern seine Ehefrau betrifft. Er hat ein eigenes rechtliches
Interesse daran, dass das für seine Familie bestimmte Familienbüchlein
korrekt ausgestellt wird, zumal da er nach Art. 147 Abs. 1 ZStV als
Ehemann zum Bezug dieses Büchleins verpflichtet ist.

Erwägung 3

    3.- Die Frage, welche Angaben ein von einem schweizerischen
Zivilstandsamt ausgestelltes Familienbüchlein zu enthalten hat, beurteilt
sich selbstverständlich ausschliesslich nach schweizerischem Recht. Die
Vorschrift von Art. 31 Abs. 3 NAG, aus welcher der Beschwerdeführer im
kantonalen Verfahren die Anwendbarkeit des Rechts des amerikanischen
Staates Nevada herzuleiten suchte, hat, wie im angefochtenen Entscheide
zutreffend festgestellt, mit dem Zivilstandswesen nichts zu tun. Sie
bezieht sich vielmehr, wie aus dem darin enthaltenen Hinweis auf Art. 20
und Art. 19 Abs. 2 NAG sowie aus dem Zusammenhang mit Art. 31 Abs. 1
und 2 NAG hervorgeht, einzig und allein auf das eheliche Güterrecht. Die
Tatsache, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers nach dessen Darstellung
amerikanische Staatsangehörige geblieben ist, erweist sich im vorliegenden
Falle schon deshalb als unerheblich, weil Frau M. als Ehefrau eines
Schweizers in der Schweiz grundsätzlich als Schweizerin zu behandeln ist.

Erwägung 4

    4.- Dass der Familien- und der Vorname des frühern Ehegatten von
Frau M. im Familienregister auf dem für den Beschwerdeführer eröffneten
Blatt anzugeben waren, ergibt sich klar aus Art. 117 Abs. 1 lit. A Ziff. 4
der ZStV von 1953, der in diesem Punkte mit der für das Eheregister
massgebenden Vorschrift von Art. 94 Ziff. 4 (in Verbindung mit Ziff. 3)
der gleichen Verordnung übereinstimmt. Diese Verordnungsbestimmungen können
vom Bundesgericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie sich im Rahmen
der Ermächtigung halten, die das ZGB dem Bundesrat in Art. 39 Abs. 2 und
Art. 119 ZGB erteilt hat (vg. BGE 75 IV 79 und dortige Hinweise, 76 IV
289/90, 81 I 371, 82 I 27 oben, 84 I 144). Diese Frage ist zweifellos zu
bejahen. Indem die ZStV verlangt, dass im Ehe- und Familienregister der
Familienname und die Vornamen des früheren Ehegatten der Ehefrau anzugeben
seien, will sie für eine möglichst genaue Identifizierung der Ehefrau
sorgen und insbesondere die namentlich in Erbfällen nötigen Nachforschungen
nach allfälligen Kindern aus früherer Ehe erleichtern. Dieses Bestreben
steht mit den Zwecken, denen die vom Bundesrat näher zu regelnde Führung
von Zivilstandsregistern zu dienen hat, durchaus im Einklang. Unter der
Herrschaft des Zivilstands- und Ehegesetzes vom 24. Dezember 1874 (ZEG)
schrieb denn auch das Gesetz selber vor, dass das Eheregister "Familien-
und Personennamen des verstorbenen oder geschiedenen Gatten" enthalten
solle, "wenn eines der Ehegatten bereits verheiratet war" (Art. 42 lit. c
ZEG). Wenn diese Vorschrift bei Erlass des ZGB nicht in das Gesetz, sondern
bloss in die Verordnung über die Zivilstandsregister vom 25. Februar 1910
(§ 92 lit. d) aufgenommen wurde, so einfach deswegen, weil das ZGB das
Eheregister nicht im einzelnen regelte, sondern in Art. 119 bestimmte, dass
der Bundesrat (und im Umfang ihrer Zuständigkeit die kantonalen Behörden)
über die Führung dieses Registers die nähern Vorschriften aufstellen
werden. Damit, dass die Verordnung über den Zivilstandsdienst vom 18. Mai
1928 in Art. 94 Ziff. 3 und 4 nur noch vorschrieb, das Eheregister solle
bei bereits verheiratet gewesenen Ehegatten das Datum der Auflösung der
Ehe enthalten, war offenbar keine Abänderung des seit 1874 bestehenden
Rechtszustandes bezweckt. Nach den Musterbeispielen zu dieser Verordnung
waren der Familiennamen und die Vornamen des frühern Ehegatten nach wie
vor im Eheregister anzugeben (vgl. z.B. Beispiel Nr. 52 auf S. 146 der
vom Eidg. Justiz- und Polizeidepartement im Jahre 1928 herausgegebenen
"Sammlung der Vorschriften für den Zivilstandsdienst"). Auch die
Musterbeispiele zu dem durch die Verordnung von 1928 als eidgenössisches
Register neu eingeführten Familienregister sehen die fragliche Angabe vor,
obwohl Art. 116 dieser Verordnung nur bestimmte, dass im Familienregister
(neben hier nicht interessierenden Angaben) der "Name und Stand des
Familienhauptes unter Angabe der Namen seiner Eltern und der übrigen die
Familie bildenden Personen" sowie "Ort und Zeit der Geburt der die Familie
bildenden Personen" und "Ort und Zeit der Trauung des Familienhauptes
und der Kinder" einzutragen seien (Beispiel Nr. 64 auf S. 162 der eben
erwähnten Sammlung). Die Art. 94 und 117 der ZStV von 1953 bestätigen
also nur, was nach Gesetz bzw. Verordnung oder doch nach der Praxis schon
seit der Schaffung der in Frage stehenden Register galt. Die Behauptung
des Beschwerdeführers, dass diese Vorschriften gegen Art. 11 Abs. 2 ZGB
verstossen, ist unverständlich.

    Über die Bezeichnung der Ehegatten im Familienbüchlein sagt
Art. 146 der ZStV von 1953 nur, dieses enthalte "die Personalangaben
der Ehegatten". Art. 142 der ZStV von 1928, die das Familienbüchlein
als eidgenössische Zivilstandsurkunde einführte, war in dieser Hinsicht
nicht deutlicher, sondern bestimmte nur, das Familienbüchlein habe als
Ausweis im Zivilstandsdienst zu dienen und enthalte zu diesem Zweck
"die Angaben, die den Stand des Familienhauptes und den Bestand seiner
Familie betreffen". Die Verwaltungspraxis zur ZStV von 1928 hat anfänglich
geschwankt. Nachdem im Musterbeispiel Nr. 148 auf S. 288 der "Sammlung"
von 1928 die 3. Ehefrau als "geschieden von Ephraim Kunz" bezeichnet worden
war, erklärte sich das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement laut seinem
Kreisschreiben an die kantonalen Aufsichtsbehörden in Zivilstandssachen
vom 21. November 1930 damit einverstanden, dass in Zukunft in der für
die Personalien der Ehefrau bestimmten Rubrik des Familienbüchleins
die Tatsache der Scheidung nicht mehr erwähnt werde, und ordnete
dementsprechend an, dass der erwähnte Vermerk im Musterbeispiel Nr. 148
zu streichen sei (BBl 1930 II 928 Ziff. 5). In seinem Kreisschreiben vom
10. September 1937 (BBl 1937 III 138 Ziff. 2) widerrief dann aber das
Departement diese Anordnung, indem es ausführte:

    "Die Unterdrückung des richtigen Zivilstandes der Ehefrau im
Familienbüchlein hat jedoch, wie von kantonalen Aufsichtsbehörden
mehrfach dargetan wurde, Nachteile in sich. Da das Familienbüchlein und
der Familienschein gleichwertige Ausfertigungen aus dem Familienregister
sein müssen, und Registerauszüge mit Rücksicht auf ihre Beweiskraft
grundsätzlich von der Registereintragung nicht abweichen, dürfen solche
Ausnahmen nicht gestattet werden. Dass ,der Ehefrau unleidlich sein
kann', als geschieden bezeichnet zu werden, ist kein genügender Grund,
den richtigen Zivilstand der Ehefrau verbergen zu wollen."

    Bei dieser Stellungnahme ist das Departement bis zum Erlass der ZStV
von 1953 geblieben. Die Auslegung, die es der Bestimmung von Art. 146 der
ZStV von 1953 gegeben hat, indem es im Musterbeispiel Nr. 1322 ("Handbuch"
von 1954, II S. 387) den Zivilstand der Ehefrau bei der Trauung mit dem
Vermerk "geschieden von Gutschmied, Othmar. .." bezeichnete, bedeutet
also keine Neuerung, sondern stimmt mit der schon vorher während längerer
Zeit geübten Praxis überein. Mag diese Auslegung auch nicht die einzig
vertretbare sein, so lässt sich doch nicht mit Grund behaupten, dass
sie dem Wortlaut und dem Sinne von Art. 146 ZStV widerspreche. Zu den
"Personalangaben der Ehegatten", die das Familienbüchlein nach dieser
Vorschrift enthalten muss, kann nach allgemeinem Sprachgebrauch zwanglos
auch die Angabe eines allfälligen frühern Ehegatten des Ehemannes oder
der Ehefrau gerechnet werden. Natur und Zweck des Familienbüchleins
stehen der Auffassung, dass diese Angabe zu jenen Personalangaben gehöre,
nicht im Wege. Das Familienbüchlein ist zwar entgegen der Ansicht, die
das Departement im erwähnten Kreisschreiben vom 10. September 1937
vertreten hat, dem Familienschein im Sinne von Art. 134 der ZStV von
1928 bzw. Art. 138 der ZStV von 1953 nicht gleichwertig. Es ist nach der
zutreffenden Feststellung des Departements in Ziff. 6 der Vorbemerkungen
zu den Familienbüchlein-Beispielen im "Handbuch" von 1954 (II S. 382)
"grundsätzlich keine Abschrift des Familienregisters". Von diesem
unterscheidet es sich inhaltlich vor allem dadurch, dass darin gemäss Art.
146 der ZStV von 1953 die legitimierten Kinder ohne Hinweis auf die
Legitimation und die ausserehelichen Kinder überhaupt nicht eingetragen
werden. Es ist, wie im "Handbuch" (aaO) weiter bemerkt, "auch keine
vollbeweiskräftige zivilstandsamtliche Urkunde" und "eignet sich deshalb
als Beweisurkunde in Scheidungsprozessen oder beim Erbgang nicht". Im
Gegensatz zum Familienschein gehört es, wie schon aus der Gliederung des
zehnten Abschnittes der ZStV hervorgeht, nicht zu denjenigen "Auszügen
und Abschriften", die gemäss Art. 145 Abs. 2 der ZStV von 1953 (Art. 141
Abs. 2 der ZStV von 1928) die nämliche Beweiskraft wie die ihnen zugrunde
liegenden Register haben (vgl. hiezu E. GÖTZ, Die neue ZStV, Heft 34
der von der Schweiz. Staatsschreiberkonferenz herausgegebenen Beiträge
zur schweiz. Verwaltungskunde, 1954, S. 51/52). Das im Kreisschreiben
vom 10. September 1937 verwendete Argument, dass das Familienbüchlein als
dem Familienschein gleichwertiger Registerauszug die im Familienregister
enthaltenen Angaben ausnahmslos wiedergeben müsse, ist daher nicht
stichhaltig. Dies ändert jedoch nichts daran, dass es einem praktischen
Bedürfnis entspricht, wenn wie das Familienregister und der Familienschein,
so auch das Familienbüchlein den Familien- und die Vornamen eines frühern
Ehegatten angibt. Diese Angabe kann namentlich auch für die mit der
Einwohnerkontrolle betrauten Behörden von Nutzen sein (z.B. dann, wenn in
einem Haushalt Kinder aus früherer Ehe der Frau leben). Ernstzunehmende
Nachteile verursacht diese Angabe dem Inhaber des Familienbüchleins und
seinen Angehörigen nicht. Wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat,
sind die Beamten, denen das Familienbüchlein als Ausweis vorgelegt wird,
zur Verschwiegenheit verpflichtet. Unberufenen Dritten kann der Inhaber
die Einsicht durch geeignete Aufbewahrung ohne weiteres verwehren. Unter
diesen Umständen lässt sich nicht sagen, der angefochtene Entscheid
habe Bundesrecht verletzt, indem er das dem Musterbeispiel Nr. 1322
entsprechende Vorgehen des Zivilstandsamtes billigte.