Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 I 162



85 I 162

27. Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. Mai 1959 i.S. Eggen gegen
Regierungsrat des Kantons Bern. Regeste

    1.  Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Formelle Legitimation und
Sachlegitimation. Art. 103 OG.

    2.  Grundbuchführung. Spezielle Rechtsbeschwerde (Art. 103 GBV)
und allgemeine Aufsichtsbeschwerde (Art. 104 GBV). Dem Käufer eines
Grundstücks steht weder die eine noch die andereBeschwerde zu, um gegen die
Weigerung des Grundbuchamtes, die vom Verkäufer nachgesuchte Eintragung
zu vollziehen, aufzutreten. Anders, wenn der Käufer sich das Eigentum am
Grundstück durch den Richter zusprechen liess und gestützt hierauf die
Anmeldung selber vornahm. Art. 665 Abs. 1 und 2, Art. 963 Abs. 1 und 2 ZGB.

Sachverhalt

    A.- Durch öffentlich beurkundeten Kaufvertrag vom 17.  Oktober
1958 verkaufte Rey seine Liegenschaft in Brügg (Grundbuch Nr. 539) an
Eggen. Der Vertrag wurde am 3. November 1958 beim Grundbuchamt Nidau
zur Eintragung angemeldet. Das Amt schrieb die Anmeldung (nach Angabe
des Beschwerdeführers sogleich) in das Tagebuch ein. Noch bevor es zur
Eintragung in das Hauptbuch kam, am 15. November 1958, erhielt es eine
superprovisorische richterliche Verfügung, wonach die Eintragung des
Kaufvertrages sistiert wurde. Später folgte die richterliche Anordnung
einer im Grundbuch vorzumerkenden Verfügungsbeschränkung im Sinne von
Art. 960 Ziff. 1 ZGB. Sie stützte sich auf einen vom Verkäufer Rey in einem
Eheschutzverfahren am 21. Dezember 1956 mit seiner Ehefrau abgeschlossenen
gerichtlichen Vergleich, wodurch er sich verpflichtet hatte, die in Frage
stehende Liegenschaft während der Dauer der Trennung der Ehegatten bis
zu einer allfälligen Scheidung (wozu es nicht gekommen ist) weder zu
veräussern noch zu belasten noch in anderer Weise darüber zu verfügen.

    B.- Der Grundbuchverwalter vollzog die ihm aufgegebene Vormerkung
und weigerte sich mit Berufung darauf, den Kaufvertrag zwischen Rey und
Eggen im Hauptbuch einzutragen.

    C.- Gegen diese Weigerung führte Eggen bei der kantonalen
Justizdirektion zuhanden des Regierungsrates Beschwerde. Der Verkäufer
Rey ersuchte seinerseits die Justizdirektion um Aufhebung der vorgemerkten
Verfügungsbeschränkung.

    D.- Mit Entscheid vom 17. Februar 1959 wies der Regierungsrat
des Kantons Bern die Beschwerde des Käufers ab. Er erklärte, eine
Rechtsbeschwerde gemäss Art. 103 der Grundbuchverordnung (GBV) wäre nur
gegen die förmliche Abweisung einer Anmeldung zulässig. Eine derartige
Verfügung habe das Grundbuchamt im vorliegenden Falle nicht getroffen. Im
übrigen wäre zu einer solchen Beschwerde nur der Verkäufer befugt, nicht
auch der Käufer, dem nur ein persönlicher Anspruch auf Erfüllung des
Kaufvertrages zustehe. Somit könne die vorliegende Beschwerde nur als
allgemeine Aufsichtsbeschwerde im Sinne von Art. 104 GBV berücksichtigt
werden. Sie sei unbegründet, denn die richterliche Verfügungsbeschränkung
gehe von einem sachlich zuständigen Richter aus und könne ihrem Inhalte
nach den Gegenstand der vom Richter angeordneten Vormerkung bilden
(HOMBERGER, N. 9 zu Art. 960 ZGB). Ob aber in der vertraglichen
Unterlassungspflicht des Verkäufers gegenüber seiner Ehefrau ein
gültiger Rechtsgrund einer solchen Verfügungsbeschränkung und der
Vormerkung derselben liege, sei eine Frage des materiellen Rechtes, die
im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht beurteilt werden könne. Somit
habe der Grundbuchführer die dem richterlichen Verbot entgegenstehende
positive Eintragung zu Recht abgelehnt und mit dieser Weigerung nicht
gegen seine Amtspflicht verstossen.

    Auf das Begehren des Verkäufers, die vollzogene Vormerkung sei zu
löschen, könne nicht eingetreten werden. Da keine Zustimmung der Ehefrau
des Verkäufers, zu deren Gunsten die Vormerkung bestehe, vorliege, könnte
nur der Richter die Löschung verfügen. Dem Verkäufer bleibe vorbehalten,
auf Löschung zu klagen, falls er behaupten wolle, durch die Vormerkung
in seinen dinglichen Rechten verletzt zu sein (Art. 975 Abs. 1 ZGB,
sog. Grundbuchberichtigungsklage).

    E.- Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende, vom Käufer
Eggen beim Bundesgericht erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit
dem Antrag, der Grundbuchverwalter von Nidau sei anzuweisen, den
Eigentumsübergang auf den Beschwerdeführer durch die dazu nötigen
Eintragungen in das Hauptbuch zu vollziehen.

    F.- Da die Beschwerde als zweifellos unbegründet erschien, wurde kein
Schriftenwechsel nach Art. 93/107 OG angeordnet und auch von der Einholung
einer Vernehmlassung des Bundesrates nach Art. 108 Abs. 2 OG abgesehen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die vorliegende Beschwerde ist nach Art. 99 Ziff. I lit. c und Art.
102 lit. b OG zulässig, und sie ist rechtzeitig und in gesetzlicher
Form eingereicht worden. Indessen erhebt sich vorweg die Frage nach der
Beschwerdebefugnis (Legitimation) des Beschwerdeführers. Fehlt sie in
formeller Hinsicht, so ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, während
das Fehlen der Sachlegitimation die Abweisung der Beschwerde eben wegen
dieses Mangels, ohne nähere Prüfung der Rechtmässigkeit des angefochtenen
Entscheides, nach sich zieht (vgl. KIRCHHOFER, Die Verwaltungsrechtspflege
beim Bundesgericht, S. 35; GEERING, Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
Schweiz. jur. Kartothek Nr. 891, Bem. 3 lit. c); BIRCHMEIER, Ziff. II,
1 zu Art. 103 OG; aus der Rechtsprechung namentlich BGE 75 I 381, 77 I
17 Erw. 2, 78 I 83, 84 I 84 Erw. 1).

Erwägung 2

    2.- Angesichts der vom Beschwerdeführer Eggen in dem von ihm selbst
angehobenen kantonalen Verfahren eingenommenen Parteistellung erscheint
er formell zur verwaltungsgerichtlichen Beschwerde als legitimiert.

    Was die Sachlegitimation betrifft, so ist von der Beschwerde
auszugehen, wie sie bei der Vorinstanz - als spezielle Grundbuchbeschwerde
gemäss Art. 103 GBV - geführt worden ist. Mit Recht erklärt der
Regierungsrat, zu einer solchen Beschwerde sei der Käufer nicht
legitimiert, da ihm der nicht eingetragene Kaufvertrag nur persönliche
Rechte gebe. Art. 103 GBV sieht denn auch ausdrücklich nur ein Recht des
Anmeldenden vor, sich über die Abweisung der Anmeldung zu beschweren,
und die Anmeldung ging im vorliegenden Falle, wie es ordentlicherweise zu
geschehen hat, vom Verkäufer als dem derzeit noch eingetragenen Eigentümer
aus (Art. 963 ZGB), nicht vom Käufer, der die Anmeldung nur hätte vornehmen
können, wenn ihm das Eigentum durch den Richter zugesprochen worden wäre
(Art. 665 Abs. 2 ZGB). In jenem Normalfall ermangelt der Käufer daher
auch der Sachlegitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde (vgl. BGE
60 I 139, Inhaltsangabe zu Nr. 21, und S. 142 Erw. 1 am Ende). Ist die
vorliegende Beschwerde somit aus diesem Grunde abzuweisen, so ist auf
die Frage nicht einzugehen, ob der Grundbuchverwalter den vom Verkäufer
angemeldeten, im Tagebuch eingeschriebenen Kaufvertrag nun infolge der
von der Ehefrau des Verkäufers erwirkten richterlichen Verfügungen nicht
mehr in das Hauptbuch eintragen durfte, ob er also diese Eintragung aus
zutreffenden Gründen verweigert hat.

Erwägung 3

    3.- Der Regierungsrat nimmt freilich einen andern Standpunkt
ein. Er hält dafür, da keine förmliche Abweisung der Anmeldung durch
das Grundbuchamt vorliege, komme eine Rechtsbeschwerde nach Art. 103
GBV nicht in Frage. Gerade deshalb bleibe nur die Anfechtung der
Eintragungsverweigerung durch die allgemeine Aufsichtsbeschwerde nach
Art. 104 GBV möglich, wozu dann aber nicht nur der Verkäufer, sondern
auch der Käufer legitimiert sei.

    Dieser Betrachtungsweise kann nicht beigetreten werden. Der
Grundbuchverwalter hatte allerdings seinerzeit die Anmeldung des
Kaufvertrages durch den Verkäufer widerspruchslos entgegengenommen
und in das Tagebuch eingeschrieben. Er gab dann aber dem richterlichen
Eingriff Folge, indem er die Sistierung der bevorstehenden Eintragung
beachtete und ferner die später vom Richter angeordnete Vormerkung einer
Verfügungsbeschränkung vornahm. Und indem er gestützt auf diese Massnahmen
nunmehr die Eintragung des Kaufvertrages in das Hauptbuch verweigerte, wies
er, wenn auch nicht förmlich und ausdrücklich, so doch der Sache nach die
Anmeldung des Kaufvertrages mit Rücksicht auf ein inzwischen eingetretenes
Eintragungshindernis ab. Es mag dahingestellt bleiben, warum er sich
auf eine unförmliche Weigerung beschränkte, und ob ihm dabei etwa bloss
eine Abweisung zur Zeit, d.h. für die Dauer der Verfügungsbeschränkung,
vorschwebte (was mit den grundbuchlichen Vorschriften kaum vereinbar wäre,
vgl. Art. 966 Abs. 1 ZGB, Art. 24 GBV; ANDERMATT, Die grundbuchliche
Anmeldung nach schweizerischem Recht, S. 206). Wie dem auch sein mag,
war niemand anderes als der (unter Vorbehalt der Beachtlichkeit der
richterlich angeordneten Verfügungsbeschränkung) nach materiellem Recht
verfügungsberechtigte derzeitige Eigentümer, also der Verkäufer, befugt,
seine Anmeldung auf dem Beschwerdeweg, und zwar nach Art. 103 GBV, zur
Geltung zu bringen. Der nicht anmeldeberechtigte Käufer war durch die
Weigerung des Grundbuchverwalters nicht in eigenen Rechten verletzt. Er
kann daher auch nicht mit Hinweis auf Art. 104 GBV ein Beschwerderecht
für sich in Anspruch nehmen. Weder können die beiden Beschwerdearten
miteinander verbunden oder nebeneinander geltend gemacht werden (Entscheid
des Bundesrates; ZBGR 14 S. 273 N. 78), noch lässt sich gegenüber der
vorliegenden Verfügung des Grundbuchamtes etwas zu Gunsten des Käufers der
Liegenschaft daraus herleiten, dass der Kreis der Beschwerdeberechtigten
bei der allgemeinen Aufsichtsbeschwerde des Art. 104 GBV weiter zu ziehen
ist als bei der speziellen Rechtsbeschwerde des Art. 103 GBV (vgl. BGE 58 I
131 und 334/35 sowie BGE 79 I 265; ZBGR 35 S. 16). Einem Dritten steht eben
nicht zu, mit allgemeiner Aufsichtsbeschwerde gegen die Abweisung (oder
Zurückstellung) der vom derzeitigen Liegenschaftseigentümer ausgehenden
Anmeldung aufzutreten. Wie dargetan, ist ausschliesslich der Anmeldende
selbst berechtigt, die in der Anmeldung enthaltene grundbuchliche Verfügung
über das Grundstück (der die blosse Anmerkung von Fahrnis als Zugehör,
worauf sich BGE 58 I 131 und 334/35 beziehen, nicht gleichzuachten ist) zu
verfechten. So gut wie er die Anmeldung, solange der Vertrag nicht in das
Hauptbuch eingetragen ist, noch zurückziehen kann (BGE 83 II 15), steht dem
Verkäufer auch frei, es bei deren Abweisung bewenden zu lassen. Dem Käufer
ist daher aus Gründen des materiellen Rechtes kein, auch nicht ein auf
Art. 104 GBV zu stützendes Beschwerderecht zuzuerkennen. Dementsprechend
ermangelt er auch der Sachlegitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde an
das Bundesgericht gegenüber dem die abweisende Verfügung des Grundbuchamtes
schützenden Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.