Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 I 115



85 I 115

19. Urteil vom 15. Mai 1959 i.S. X. gegen Wehrsteuer-Rekurskommission
des Kantons Zürich. Regeste

    Wehrsteuer:

    1.  Der Bezug von Gratisaktien unterliegt der Wehrsteuer für Einkommen
(Bestätigung der Rechtsprechung).

    2.  Wem ist dieses Einkommen zuzurechnen, wenn die Aktien in
Nutzniessung stehen oder Gegenstand eines nach angelsächsischem Recht
begründeten Treuhandverhältnisses (Trust) sind? Auslegung von Art. 21
Abs. 5 WStB.

Sachverhalt

    A.- Y. errichtete in England im Jahre 1936, kurz vor seinem Tode, durch
Testament einen Trust zugunsten seines Bruders Z. und seiner in der Schweiz
lebenden Schwester, der Beschwerdeführerin X., sowie der Nachkommen dieser
beiden. Die Beschwerdeführerin hat Anspruch auf den Ertrag der Hälfte des
Trustvermögens, während die andere Hälfte den Nachkommen des im Jahre 1952
verstorbenen Bruders Z. verhaftet ist. Nach dem Tode der Beschwerdeführerin
wird der ihr zustehende Ertragsanteil ihren Kindern zukommen.

    Zu der für den Stamm der Beschwerdeführerin bestimmten Hälfte des
Trustkapitals gehörten Aktien einer englischen Gesellschaft, welche im
Jahre 1954 Gratisaktien abwarfen. Die neuen Aktien wurden dem von den
Trustees in England verwalteten Wertschriftenportefeuille einverleibt.

    B.- Bei der Einschätzung der Beschwerdeführerin für die
8. Wehrsteuerperiode sind diese Gratisaktien als Kapitalertrag der
Einkommenssteuer unterworfen worden. Die kantonale Rekurskommission
hat diese Veranlagung bestätigt. Sie nimmt an, die in Frage stehenden
Gratisaktien gehörten zum Ertrag aus dem Trustvermögen, auf den die
Beschwerdeführerin Anspruch habe. Sie seien gemäss Art. 21 Abs. 1
lit. c und Abs. 5 WStB in die Berechnung des steuerbaren Einkommens der
Beschwerdeführerin einzubeziehen, da das Einkommen aus dem Trust sich
mit demjenigen aus Nutzniessung im Sinne des schweizerischen Rechts
(Art. 745 ff. ZGB) vergleichen lasse.

    C.- Gegen den Entscheid der Rekurskommission richtet sich
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Es wird geltend gemacht, die
erwähnten Gratisaktien fielen nicht in die Berechnung der von der
Beschwerdeführerin geschuldeten Wehrsteuer für Einkommen. Sie seien
nicht der Beschwerdeführerin, sondern dem Trust zugekommen. Es gehe
auch nicht an, den Benefizianten eines Trusts einem Nutzniesser
gleichzustellen. Übrigens sei nach der gesetzlichen Ordnung der Bezug
von Gratisaktien der Wehrsteuer vom Einkommen überhaupt nicht unterworfen.

    D.- Die kantonalen Behörden beantragen Abweisung, die eidgenössische
Steuerverwaltung Gutheissung der Beschwerde.- Das Bundesgericht schützt
die Beschwerde

Auszug aus den Erwägungen:

                          in Erwägung:

    1. - Nach Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB fällt in die Steuerberechnung
jedes Einkommen aus beweglichem Vermögen, mit Einschluss der Gewinnanteile
aus Beteiligungen. Als solche Anteile gelten alle nicht eine Rückzahlung
bestehender Kapitalanteile darstellenden geldwerten Leistungen einer
Gesellschaft an die Inhaber gesellschaftlicher Beteiligungsrechte. Dazu
gehört nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts die Zuteilung
von Gratisaktien an die Aktionäre (BGE 70 I 319, 80 I 40; Urteil G. vom
8. März 1957, wiedergegeben im Archiv für schweiz. Abgaberecht Bd. S. 492,
und heutiges Urteil K.).

    Gewinnanteile aus Beteiligungen sind bei demjenigen als Einkommen
zu erfassen, der sie empfängt. In der Regel ist dies der Inhaber des
Beteiligungsrechts im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB, also der
Aktionär im Falle, wo die Gewinnanteile von einer Aktiengesellschaft
ausgerichtet werden. Vorbehalten bleibt Art. 21 Abs. 5 WStB, wonach
"Einkommen aus Vermögen (Abs. 1, lit. b und c), an dem eine Nutzniessung
bestellt ist", dem Nutzniesser zugerechnet wird - wie er nach Art. 27
Abs. 2 WStB auch die Steuer für dieses Vermögen zu entrichten hat.

    2. - Nach dem Zivilgesetzbuch gehören dem Nutzniesser ausser den
natürlichen Früchten (Art. 756) "Zinsen von Nutzniessungskapitalien und
andere periodische Leistungen" (Art. 757). Nicht periodische Leistungen
fallen dem Eigentümer des in Nutzniessung stehenden Vermögens zu. Als
solche Leistung gilt auch die Ausgabe von Gratisaktien. Zum Bezug dieser
Aktien ist der Eigentümer der alten Aktien berechtigt; die neuen Titel
werden Bestandteil des Nutzniessungskapitals, und der Nutzniesser erhält
lediglich den periodischen Ertrag, den sie abwerfen (BGE 46 II 475).

    Dem Nutzungsrecht des Nutzniessers steht seine Verpflichtung gegenüber,
gewisse Lasten auf sich zu nehmen (Art. 764-767 ZGB). Die Ordnung der
Lastentragung geht von der Erwägung aus, dass der Nutzniesser nur auf den
Nettoertrag der Sache Anspruch hat. Er hat demgemäss nicht für sämtliche
Lasten der Sache aufzukommen, sondern nur für diejenigen, die dem Vorteil
der Nutzungen entsprechen (LEEMANN, Kommentar zu Art. 764 ZGB, N. 1). So
hat er die Steuern zu tragen, wenn sie periodisch sind (Art. 765 ZGB)
und als Last, welche aus den ihm zukommenden Erträgnissen zu bestreiten
ist, anzusehen sind (LEEMANN, N. 12 zu Art. 765 ZGB). Zu dieser Kategorie
gehören die Liegenschaftensteuern und ähnliche periodische Abgaben, selbst
wenn sie auf dem Vermögen erhoben werden, und erst recht Einkommenssteuern,
welchen unmittelbar die dem Nutzniesser zufallenden, zu seiner Verfügung
stehenden Erträgnisse der Sache unterliegen.

    Die Steuer, die gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB auf die Verteilung
von Gratisaktien (und des das einbezahlte Grundkapital übersteigenden
Ergebnisses der Liquidation der Aktiengesellschaft) gelegt ist,
belastet einen einmaligen, ausserordentlichen Vorgang, einen Zuwachs,
den das Vermögen des Aktieneigentümers erfährt, und ist insofern nicht
periodisch. Sie ist daher nach dem Zivilgesetz vom Aktieneigentümer zu
tragen, nicht vom Nutzniesser, der nicht die Verfügung über den neuen
Vermögensbestandteil hat, sondern nur den periodischen Ertrag daraus
erhält.

    3. - Die Ordnung der Wehrsteuer und, im Zusammenhang damit, des neuen
Wehropfers entspricht der im Zivilgesetzbuch vorgesehenen Verteilung
der Steuerlasten zwischen Eigentümer und Nutzniesser. Sie beruht auf
dem Gedanken, dass jeder der beiden Beteiligten dem Staate diejenigen
Steuern zu entrichten hat, die er gemäss Zivilrecht im Verhältnis zum
anderen Beteiligten zu tragen verpflichtet ist, und nur diese. Daher wird
für das - einmal erhobene - neue Wehropfer das Nutzniessungsvermögen dem
Eigentümer zugerechnet (Art 5 Abs. 4 WOB II), während die - periodische -
Wehrsteuer für dieses Vermögen und dessen periodische Erträgnisse beim
Nutzniesser erhoben wird (Art. 27 Abs. 2, Art. 21 Abs. 5 WStB). Zwar
unterscheidet Art. 21 Abs. 5 WStB nicht zwischen den wiederkehrenden
Erträgnissen, die dem Nutzniesser zufliessen, und den ausserordentlichen
Erträgen (Gratisaktien und dgl.), die dem Nutzniessungsvermögen zuwachsen;
die Bestimmung rechnet schlechthin das "Einkommen aus Vermögen (Abs. 1,
lit. b und c), an dem eine Nutzniessung bestellt ist", dem Nutzniesser
zu. Daraus darf jedoch nicht geschlossen werden, die Zuteilung von
Gratisaktien sei im Hinblick darauf, dass sie nach Art. 21 Abs. 1 lit. c
WStB ebenfalls als Einkommen gilt, beim Nutzniesser und nicht beim
Eigentümer zu besteuern. Die abweichende Auffassung der zürcherischen
Behörden ist nicht vereinbar mit dem System des Art. 21 WStB, nämlich
mit dem Grundsatz, dass die Einkommenssteuer von der Person geschuldet
ist, die das Einkommen erzielt. Dieser Grundsatz muss auch für das
Nutzniessungsverhältnis gelten. Art. 21 Abs. 5 WStB kann keinen anderen
Sinn haben. Die Bestimmung ist insofern zu weit gefasst, als sie ohne
Einschränkung auf Abs. 1 lit. b und c verweist; richtigerweise hätte für
Leistungen, die nicht dem Nutzniesser, sondern dem Eigentümer zukommen,
eine Ausnahme gemacht werden sollen. Art. 21 Abs. 5 weist eine Lücke auf,
die vom Richter auszufüllen ist. Daher muss angenommen werden, dass die
Wehrsteuer für das durch Ausgabe von Gratisaktien begründete Einkommen
auch im Falle der Nutzniessung beim Aktieneigentümer und nicht beim
Nutzniesser zu erheben ist.

    4. - Die Beschwerdeführerin ist im Treuhandverhältnis (Trust), welches
ihr Bruder Y. nach englischem Recht begründet hat, lediglich Begünstigte
(Beneficiary). Als solche hat sie bis zu ihrem Ableben Anspruch auf
die periodischen Erträgnisse der ihrem Stamm verhafteten Hälfte des
Trustvermögens. Dagegen kann sie über dieses Vermögen nicht wie ein
Eigentümer (im Sinne der kontinentalen Rechtsauffassung) verfügen. Es ist
in der Hand der Trustees gewissermassen verselbständigt. Sie verwalten es
treuhänderisch zum Nutzen der begünstigten Personen, solange der Trust
besteht (vgl. Referate GUBLER und REYMOND an der Jahresversammlung 1954
des Schweizerischen Juristenvereins, ZSR n.F. 73 S. 121 a ff., 215 a
ff.). Der Trust wird auf jeden Fall über den Zeitpunkt des Ablebens der
Beschwerdeführerin hinaus dauern. Wegen der Anwartschaft ihrer Kinder und
wegen der Rechte der Nachkommen des Bruders Z. wird die Beschwerdeführerin
nicht erwirken können, dass der Trust vorzeitig aufgelöst und ihr die
Hälfte des Treugutes zu freier Verfügung herausgegeben wird.

    Angesichts dieser Rechtslage kann die Beschwerdeführerin nicht
als Eigentümerin der ihrem Stamm zugewiesenen Hälfte des Trustkapitals
angesehen werden. Insbesondere sind die streitigen Gratisaktien nicht
in ihr Eigentum übergegangen, sondern wie die alten Aktien, auf die
sie entfallen sind, Bestandteil des Trustvermögens geworden. Hat
die Beschwerdeführerin also diese neuen Aktien nicht erhalten,
so kann deren Zuteilung nicht bei ihr der Wehrsteuer für Einkommen
unterworfen werden, auch dann nicht, wenn es zutrifft, dass das Institut
der angelsächsischen Treuhand gewisse Merkmale der Nutzniessung des
schweizerischen Rechts aufweist (vgl. ZSR n.F. 73, S. 157 a, 438 a, 527 a;
Urteil der staatsrechtlichen Kammer vom 11. Mai 1942, ZR 41 S. 127). Die
angefochtene Besteuerung ist mit Art. 21 WStB nicht vereinbar; sie lässt
sich insbesondere nicht auf Abs. 5 dieses Artikels stützen.

    Die Zuteilung der streitigen Gratisaktien könnte nur dann dem
steuerbaren Einkommen der Beschwerdeführerin zugerechnet werden, wenn
angenommen werden müsste, der Trust sei zum Zwecke der Steuerumgehung
errichtet worden. Dafür, dass es sich so verhält, bestehen jedoch keine
Anhaltspunkte, so dass das Bestehen des Trusts vom Gesichtspunkte des
Steuerrechts aus nicht ignoriert werden kann.