Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 IV 67



85 IV 67

17. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. März 1959
i.S. Hulmann gegen Statthalteramt Zürich. Regeste

    Art. 2 lit. f der Mietzinskontrollverordnungen des Bundesrates vom
30. Dezember 1953 und 28. Dezember 1956.

    1.  Der Entscheid der Verwaltungsbehörde über die Frage, ob möblierte
Einzelzimmer in üblicher Weise vermietet seien oder nicht, ist vom
Strafrichter frei zu überprüfen (Erw. 1).

    2.  Es ist nicht üblich, alle oder den grösseren Teil der Zimmer
eines Privathauses einzeln möbliert zu vermieten (Erw. 1).

    3.  Die Unterstellung der nicht in üblicher Weise vermieteten
möblierten Einzelzimmer unter die Preiskontrolle ist gesetzmässig (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Hulmann ist seit Ende 1955 Eigentümer der Liegenschaft
Turnerstrasse 40 in Zürich 6. Er bewohnte zwei der zehn Zimmer und
vermietete die übrigen acht. Im Juli 1956 zog er in das dazu erworbene
Einfamilienhaus Bucheggstrasse 154 in Zürich 6 um. Er vermietete dort
vier der sechs Zimmer sowie die beiden, die er an der Turnerstrasse 40
nicht mehr selber benützte.

    Hulmann gab jedes der Zimmer einzeln und möbliert an zwei oder mehrere
Mieter ab und setzte die Mietzinse fest, ohne dass er die Bewilligung
der zuständigen Behörde eingeholt hatte.

    Am. 8. November 1956 und 27. Februar 1957 bestimmte die städtische
Preiskontrolle Zürich die höchstzulässigen Mietansätze, die durchwegs
niedriger waren als die von den Mietern verlangten und bezogenen
Beträge. Die gegen die Mietzinsfestsetzung geführten Beschwerden Hulmanns
wurden, in letzter Instanz von der Eidg. Mietzinsrekurskommission,
abgewiesen.

    B.- Am 5. November 1958 verfällte das Statthalteramt des Bezirkes
Zürich Hulmann in eine Busse von Fr. 100.-- wegen Übertretung des Art. 14
Abs. 1 der Verordnung über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung
des Kündigungsrechts vom 30. Dezember 1953 und des Art. 16 Abs. 1 dieser
Verordnung in der Fassung vom 28. Dezember 1956.

    Auf Einsprache des Verurteilten bestätigte der Einzelrichter
in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich am 15. Dezember 1958 den
angefochtenen Entscheid, mit dem Zusatz, dass die Busse im Strafregister
nicht eingetragen wird.

    C.- Hulmann beantragt mit der Nichtigkeitsbeschwerde, er sei
freizusprechen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 14 Abs. 1 der Mietzinskontrollverordnung (VMK) vom 30.
Dezember 1953 und Art. 16 Abs. 1 VMK vom 28. Dezember 1956 darf für
Objekte, die am 31. August 1939 nicht oder in anderer Zusammensetzung
vermietet waren und für welche ein höchstzulässiger Mietzins noch
nicht behördlich festgesetzt wurde, ein Mietzins nur mit Bewilligung
der zuständigen Amtsstelle gefordert oder angenommen werden. Der
Beschwerdeführer macht nicht geltend, dass die Voraussetzungen zur
Anwendung dieser Bestimmungen nicht erfüllt seien. Er beruft sich dagegen
auf Art. 2 Abs. 2 der Bundesbeschlüsse über die Durchführung einer
beschränkten Preiskontrolle (PKB) vom 10. Juni 1953 und 28. September
1956, um darzutun, dass Mietzinse für möblierte Einzelzimmer nicht der
Preiskontrolle unterstellt seien.

    Art. 2 Abs. 2 PKB vom 10. Juni 1953 bestimmt, dass möblierte
Einzelzimmer von der Mietzinskontrolle ausgenommen sind. Art. 2 lit. f
VMK vom 30. Dezember 1953 beschränkt diese Ausnahme auf die in üblicher
Weise vermieteten möblierten Einzelzimmer. Diese Ordnung wurde auch nach
1956 beibehalten, einerseits durch Art. 2 Abs. 2 PKB vom 28. September
1956, wonach die bis zum 31. Dezember 1956 frei gegebenen Objekte von
der Mietzinskontrolle ausgenommen bleiben, anderseits gemäss Art. 2
lit. f VMK vom 28. Dezember 1956, dessen Text mit Art. 2 lit. f VMK vom
30. Dezember 1953 wörtlich übereinstimmt. Im vorliegenden Falle haben
die Preiskontrollbehörden festgestellt, das der Beschwerdeführer seine
Zimmer nicht in üblicher Weise vermietet habe und dass sie demzufolge
der Mietzinskontrolle unterworfen seien.

    Dieser Entscheid der Verwaltungsbehörden ist entgegen der Auffassung
der Vorinstanz für den Strafrichter nicht verbindlich. Abgesehen
von dem hier nicht zutreffenden Fall, dass ein Verwaltungsakt
rechtsgestaltende Wirkung hat oder nach gesetzlicher Vorschrift von
den Gerichten als Tatbestand hinzunehmen ist, steht dem Zivil- und
Strafrichter grundsätzlich das Recht zu, unabhängig von der Verwaltung
zu entscheiden und vorfrageweise auch solche Rechtsfragen zu lösen,
die dem Erkenntnisgebiet der Verwaltung angehören. Ob ihn im letztern
Fall eine bereits ergangene Entscheidung des Präjudizialpunktes durch die
zuständige Verwaltungsbehörde binde, stehe dahin (BGE 79 I 285). Die Frage,
ob Einzelzimmer der Mietzinskontrolle unterstehen, d.h. ob sie in üblicher
Weise vermietet seien oder nicht, ist weder in den Preiskontrollbeschlüssen
noch in den Mietzinskontrollverordnungen von 1953 und 1956 dem Entscheid
der Verwaltungsbehörden vorbehalten worden. Der Richter kann und muss
sie daher frei überprüfen.

    Dem Entscheid der Verwaltungsbehörden ist jedoch beizupflichten. Dass
ein Hauseigentümer ein oder zwei Zimmer, die er für den eigenen Gebrauch
nicht benötigt, einzeln vermietet, kommt häufig vor und entspricht der
Gewohnheit. Dagegen muss als aussergewöhnlich bezeichnet werden, dass
in einem dreistöckigen Haus, das nach seiner baulichen Einrichtung die
Vermietung ganzer Wohnungen zuliesse, sämtliche und in einem andern Haus
der Grossteil der Zimmer einzeln vermietet werden und dass überdies jedes
dieser Zimmer von zwei oder mehreren Mietern benützt wird. Fällt somit das
Vorgehen des Beschwerdeführers nicht unter die übliche Art der Vermietung
von Einzelzimmern im Sinne von Art. 2 lit. f der VMK von 1953 und 1956,
so kann er sich auch nicht auf die Ausnahmebestimmungen der Art. 2 Abs. 2
der PKB von 1953 und 1956 berufen.

Erwägung 2

    2.- Hulmann bestreitet die Gesetzmässigkeit der Art. 2 lit. f
der VMK von 1953 und 1956, indem er geltend macht, der Bundesrat sei
nicht befugt gewesen, die in den Bundesbeschlüssen von 1953 und 1956
vorgesehene Freigabe möblierter Einzelzimmer auf dem Verordnungsweg wieder
einzuschränken. Die Rüge betrifft aus den bereits angeführten Gründen
ein Sachgebiet, das in die Entscheidungskompetenz des Richters fällt. Sie
ist daher zu überprüfen, und zwar, da in Art. 14 Abs. 1 PKB vom 10. Juni
1953 und in Art. 15 Abs. 1 PKB vom 28. September 1956 dem Bundesrat die
Ermächtigung zum Erlass der erforderlichen Ausführungsvorschriften
vorbehaltlos erteilt wurde, nur unter dem Gesichtspunkt, ob die
beanstandeten Verordnungsvorschriften objektiv geeignet sind, das von
der Delegationsnorm gesetzte Ziel zu erreichen (BGE 84 IV 76).

    Diese Frage ist zu bejahen. Eine Preiskontrolle, auch eine beschränkte,
kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie wirksam ist, d.h. wenn die
Bestimmungen, auf der sie beruht, eingehalten werden. Wäre es nach der
Freigabe der Vermietung von Einzelzimmern gestattet, ein Haus ganz oder
zum grössern Teil einzelzimmerweise zu vermieten, so würden diese Objekte
der behördlichen Mietzinskontrolle entzogen, und der Vermieter wäre in der
Festsetzung der Mietzinse frei, während der Eigentümer, der sein Haus als
Ganzes oder wohnungsweise vermietet, der Preiskontrolle unterstellt bliebe.
Als Folge dieser Ungleichheit wäre zu befürchten, dass viele der von der
Preiskontrolle betroffenen Hauseigentümer der Versuchung nicht widerstehen
könnten, ihr Haus oder ihre Wohnungen ebenfalls einzelzimmerweise zu
vermieten, um sich der behördlichen Bewilligungspflicht zu entziehen. Dass
eine solche Umgehung der Mietzinskontrollvorschriften dem Zweck der
Preiskontrolle zuwiderlaufen, ja dessen Erreichung in erheblichem
Umfange in Frage stellen würde, ist offensichtlich. Die beanstandeten
Verordnungsvorschriften, deren Sinn gerade darin besteht, dieser Gefahr
zu begegnen, stehen somit im Einklang mit den Absichten des Gesetzgebers
und können nicht als gesetzwidrig bezeichnet werden.

Entscheid:

               Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.