Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 IV 173



85 IV 173

46. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. Oktober 1959
i.S. Bleuer gegen Generalprokurator des Kantons Bern. Regeste

    Widerhandlungen der Müller gegen die kriegswirtschaftliche
Buchführungs- und Meldepflicht, die zugleich den Tatbestand des Betruges
(Art. 148 StGB) und der Urkundenfälschung (Art. 251 StGB) erfüllen, sind
ausschliesslich nach den Strafbestimmungen des Kriegswirtschaftsrechts
und der nachfolgenden Übergangsordnung zu ahnden.

Sachverhalt

    A.- Bleuer, der eine Mühle betreibt, täuschte den mit der Überwachung
der Brotgetreideversorgung betrauten Bundesstellen einen geringeren
Ausstoss und Verkauf an Weissmehl und einen höheren Ausstoss an
Halbweissmehl und Ruchmehl vor, als er der Wirklichkeit entsprach,
indem er von anfangs 1944 bis September 1954 in der vorgeschriebenen
Mahl- und Verkaufskontrolle und in den Monatsberichten unrichtige
Angaben machte. Er hinterzog dadurch die dem Bund für den Mehrauszug von
Weissmehl geschuldeten Abgaben und erwirkte unrechtmässig die Auszahlung
von Rückvergütungen für nicht hergestellte Ruchmehlmengen, zusammen im
Gesamtbetrag von rund Fr. 340'000.--. Um der Entdeckung zu entgehen,
fälschte er ausserdem Lieferscheine und Rechnungen und dementsprechend
die Buchhaltung.

    B.- Gestützt auf diesen Sachverhalt verfällte die Eidg.
Getreideverwaltung Bleuer am 30. September 1957 wegen Widerhandlung
gegen das Getreidegesetz vom 7. Juli 1932 und der dazu gehörenden
Vollziehungsverordnung sowie wegen Widerhandlung gegen den Bundesbeschluss
vom 19. Juni 1953 über die Brotgetreideversorgung des Landes in eine
Busse von Fr. 13'500.--. Bleuer erhob Einspruch und verlangte gerichtliche
Beurteilung.

    Daneben wurde auf Veranlassung der Getreideverwaltung gegen Bleuer
eine gerichtliche Strafuntersuchung wegen Betruges und Urkundenfälschung
durchgeführt.

    C.- Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte am 17.  Dezember 1958
Bleuer wegen Urkundenfälschung und Betruges und wegen Widerhandlung gegen
kriegswirtschaftliche Vorschriften, fortgesetzt begangen vom 1. März 1947
bis Ende September 1954, sowie wegen Widerhandlung gegen Bestimmungen des
Getreidegesetzes, fortgesetzt begangen vom 1. Januar 1944 bis Ende Februar
1947, zu zwei Jahren Gefängnis und zu einer Busse von Fr. 13'500.--.

    D.- Bleuer ficht mit der Nichtigkeitsbeschwerde das Urteil des
Obergerichts insoweit an, als es ihn gleichzeitig auf Grund des
gemeinen Strafrechts und der Spezialgesetze bestrafte. Er beantragt,
es sei ausschliesslich die Nebenstrafgesetzgebung, eventuell bloss das
Strafgesetz anzuwenden.

    Der Generalprokurator des Kantons Bern führt Nichtigkeitsbeschwerde
mit dem Antrag, Bleuer sei auch für die Zeit vom 1. Januar 1944 bis Ende
Februar 1947 nach den Strafbestimmungen des Kriegswirtschaftsrechts und
daneben in Idealkonkurrenz nach Art. 148 und 251 StGB zu beurteilen.

    E.- Bleuer beantragt Abweisung der Beschwerde des Generalprokurators,
soweit sie seinem eigenen Rechtsbegehren widerspreche. Der
Generalprokurator schliesst auf Abweisung der Beschwerde Bleuers.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Pflicht der Müller, über die Herstellung der Mehlsorten und
den Auszug von Weissmehl wahrheitsgetreu Buch zu führen und periodisch
Meldung zu erstatten, geht auf die dem Bundesrat durch Bundesbeschluss
vom 30. August 1939 erteilten ausserordentlichen Vollmachten und
die gestützt auf die Bundesratsbeschlüsse vom 1. September und
17. Oktober 1939 auf dem Gebiet der Brotgetreideversorgung erlassenen
kriegswirtschaftlichen Verfügungen des Eidg. Volkswirtschaftsdepartementes
und Kriegsernährungsamtes zurück (Art. 11 der Verfügung des EVD vom
22. September 1939, Art. 8 der Verfügung des EVD vom 23. September
1942, Art. 4 der Verfügungen Lll und LX des KEA vom 15. Februar 1943
und 19. Juli 1944, Art. 3 der Verfügungen Nr. 137 und 143 des KEA vom
5. Juli und 12. Oktober 1945, Art. 4 und 7 der Verfügung Nr. 176 des
KEA vom 18. Februar 1947, Art. 4 und 7 der Verfügung Nr. 60 des EVD
vom 23. November 1949). Auf Vollmachtenrecht beruht auch die Abgabe auf
Weissmehl. Der Bundesrat ermächtigte am 17. Oktober 1939 das EVD bzw. KEA,
Vorschriften zur Durchführung einer wirtschaftlichen Verbrauchslenkung zu
erlassen und Gebühren auf Lebensmitteln zu erheben. Gestützt darauf wurde
der Weissmehlpreis gegenüber den Backmehlpreisen erhöht und die Differenz
als Weissmehlabgabe erhoben, welche im Umfange des vom KEA als zulässig
erklärten Weissmehlauszuges im Brotgetreidepreis eingeschlossen und für
den Mehrauszug nachträglich zu bezahlen war. Auf den gleichen Grundlagen
fusst auch die aus der Weissmehlabgabe finanzierte Rückvergütung, welche
den Müllern seit 1. März 1947 als Ausgleich für die vorgeschriebene Abgabe
verbilligten Ruchmehls ausbezahlt wurde (Art. 2 der Verfügung Nr. 176 des
KEA vom 18. Februar 1947, Art. 1 Abs. 2 der Verfügung Nr. 12 des EVD vom
18. Februar 1947, Verfügungen Nr. 14 und 60 des EVD vom 23. November 1949).

    Durch Verfassungszusatz vom 26. September 1952 wurde die
Geltungsdauer der Ende 1952 auf dem Gebiet der Brotgetreideversorgung
noch in Kraft stehenden Vorschriften bis Ende 1953 verlängert. Auch der
seit 1. Januar 1954 geltende und noch bis zum Inkrafttreten des neuen
Getreidegesetzes gültige Bundesbeschluss vom 19. Juni 1953 über die
Brotgetreideversorgung des Landes übernahm das System der Weissmehlabgabe
und Ruchmehlrückvergütung und die Kontrollbestimmungen über den Auszug
von Weissmehl.

Erwägung 2

    2.- Im Getreidegesetz vom 7. Juli 1932 fehlen dagegen Vorschriften
über den Ausmahlungsgrad des Brotgetreides und die Zusammensetzung der
Mehlsorten, insbesondere solche über die Beschränkung des Weissmehlauszuges
und die Erhebung -einer Weissmehlabgabe. Die dort geregelte Buchführungs-
und Meldepflicht wurde nicht zur Durchführung kriegswirtschaftlicher
Massnahmen aufgestellt, sondern zur Gewährleistung der im Getreidegesetz
vorgesehenen Ordnung. Das Kriegswirtschaftsrecht verwendet freilich
die bereits bestehenden Kontrolleinrichtungen des Getreidegesetzes,
ordnet jedoch Inhalt und Zweck der Buchführungs- und Meldepflicht
neu. Diese hat daher in den kriegswirtschaftlichen Erlassen selbständige
Bedeutung, was auch daraus hervorgeht, dass Widerhandlungen ausdrücklich
den kriegswirtschaftlichen Strafbestimmungen unterstellt werden (Art. 11
der Verfügung Nr. 36 des EVD vom 23. September 1942, Art. 8 der Verfügung
Nr. 137 des KEA vom 5. Juli 1945, Art. 12 der Verfügung Nr. 176 des KEA vom
18. Februar 1947 und der Verfügung Nr. 60 des EVD vom 23. November 1949).

    Die falschen Angaben über den Auszug von Weissmehl, die Bleuer
seit 1. Januar 1944 in den vorgeschriebenen Kontrollen und Meldungen
machte, verstossen deshalb nicht gegen die im Getreidegesetz normierte
Buchführungs- und Meldepflicht, sondern ausschliesslich gegen die
kriegswirtschaftliche, welche entgegen der Annahme im angefochtenen
Urteil schon vor 1944 und nicht erst seit 1. März 1947 bestand. Das
Obergericht hat daher auf die vom 1. Januar 1944 bis März 1947 begangenen
Widerhandlungen zu Unrecht das Getreidegesetz angewendet.

Erwägung 3

    3.- Die Widerhandlungen gegen die kriegswirtschaftliche Buchführungs-
und Meldepflicht fallen, soweit sie vor dem 15. November 1944 begangen
wurden, unter die Strafdrohung des Art. 2 des BRB vom 24. Dezember
1941 über die Verschärfung der kriegswirtschaftlichen Strafbestimmungen
und deren Anpassung an das schweizerische Strafgesetzbuch, welche auf
Busse bis zu Fr. 30'000.-- oder Gefängnis bis zu zwei Jahren lautet,
und, soweit sie später verübt wurden, unter die Strafbestimmungen des
BRB vom 17. Oktober 1944 über das kriegswirtschaftliche Strafrecht und
die kriegswirtschaftliche Strafrechtspflege, dessen Art. 7 Gefängnis
bis zu drei Jahren oder (und) Busse bis zu Fr. 30'000.-- bzw. bei
bedeutender Schädigung der schweizerischen Volkswirtschaft eine solche von
unbeschränkter Höhe vorsieht. Die in den Jahren 1953 und 1954 begangenen
Widerhandlungen werden nach Art. 1 des BRB vom 30. Dezember 1952 über
Strafbestimmungen auf dem Gebiet der Brotgetreideversorgung bzw. nach
Art. 29 des BB vom 19. Juni 1953 über die Brotgetreideversorgung des
Landes mit Busse bis zu Fr. 30'000.-- oder mit Gefängnis bis zu drei
Jahren bestraft.

    Die unrichtigen Eintragungen und Meldungen, durch welche Bleuer dem
Bund geschuldete Weissmehlabgaben hinterzogen und seit 1947 zu Unrecht
Ruchmehlrückvergütungen erwirkt hat, erfüllen nach den Feststellungen des
Obergerichts neben den Tatbeständen des Kriegswirtschaftsrechts zugleich
auch die Merkmale des Betruges und der Urkundenfälschung im Sinne von
Art. 148 und 251 StGB. Es frägt sich daher, ob die Strafbestimmungen des
Kriegswirtschaftsrechts neben denjenigen des Strafgesetzbuches anwendbar
sind oder ob die eine Ordnung die Anwendung der anderen ausschliesst. Die
Vorinstanz nimmt an, dass die besonderen und die gemeinrechtlichen
Bestimmungen im Verhältnis der Idealkonkurrenz zueinander stehen. Dieser
Auffassung ist nicht zuzustimmen.

    Im BRB vom 24. Dezember 1941 wie im BRB vom 17. Oktober 1944
fehlt eine ausdrückliche Kollisionsnorm. Beide Beschlüsse erklären die
allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches als subsidär anwendbar,
behalten aber die Anwendung des besonderen Teils des StGB nirgends
ausdrücklich vor. In einem Gesetz, das wie der BRB vom 17. Oktober 1944 in
zahlreichen Erlassen verstreute kriegswirtschaftliche Strafbestimmungen
durch eine einheitliche und eingehend geregelte Ordnung ersetzt, hätte
ein Vorbehalt zugunsten des gemeinen Strafrechts, wenn er gewollt gewesen
wäre, ohne Zweifel seinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden, und zwar
im ersten Teil, der das materielle Strafrecht regelt. Art. 15 Abs. 2
dieses Beschlusses, der bestimmt, dass im Falle des Zusammentreffens
kriegswirtschaftlicher mit nicht kriegswirtschaftlichen Strafbestimmungen
getrennte Verfahren durchzuführen sind, ist, wie die Einreihung unter
die im zweiten Teil aufgestellten Regeln über die kriegswirtschaftliche
Strafrechtspflege zeigt, bloss eine prozessuale Bestimmung. Sie steht
unter dem Untertitel der Strafverfolgung und bedeutet lediglich, dass die
Organe der kriegswirtschaftlichen Strafrechtspflege nicht zur Verfolgung
und Beurteilung von Handlungen befugt sind, die in die Zuständigkeit der
ordentlichen oder der Militärgerichte fallen. Mit dieser Ausscheidung
der Strafverfolgungskompetenz wird die Frage, welches materielle Recht
anwendbar sei, wenn eine kriegswirtschaftliche Widerhandlung zugleich
einen gemeinrechtlichen Tatbestand erfüllt, nicht gelöst. Aus Art. 15
Abs. 2 des BRB vom 17. Oktober 1944 kann infolgedessen nicht geschlossen
werden, dass das gemeine Strafrecht anwendbar sei. Viel eher führt
das Fehlen eines entsprechenden Vorbehaltes zum Schluss, dass eine
kriegswirtschaftliche Widerhandlung im Sinne von Art. 1 dieses BRB
nur nach dessen Sonderbestimmungen geahndet werden soll, auch wenn sie
zugleich einen gemeinrechtlichen Tatbestand erfüllt. Nach den Auskünften,
die der Kassationshof am 24. Juni 1959 von der Eidg. Getreideverwaltung
und am 7. September 1959 vom Generalsekretariat des EVD erhalten hat,
ist das kriegswirtschaftliche Strafrecht während seiner Herrschaft in
der Tat so ausgelegt und der Täter in solchen Konkurrenzfällen einzig
den kriegswirtschaftlichen Strafgerichten zur Beurteilung überwiesen
worden. Dem widersprechen freilich die Zirkularschreiben der Sektion für
Getreideversorgung vom 9. Mai 1946 und 27. Februar 1947, in denen den
Müllern, welche sich der betrügerischen Hinterziehung der Weissmehlabgabe
und der unrechtmässigen Erwirkung der Ruchmehlrückvergütung schuldig
machen, neben der Eröffnung eines kriegswirtschaftlichen Strafverfahrens
auch die Verfolgung durch den ordentlichen Richter wegen Betruges angedroht
wird. Getreideverwaltung und EVD erklären aber in den erwähnten Schreiben
übereinstimmend, dass diese Warnung nie verwirklicht wurde und ohne
jede praktische Bedeutung geblieben ist. Muss demnach gestützt auf
die genannten Berichte der Verwaltung davon ausgegangen werden, dass
die kriegswirtschaftlichen Behörden in Fällen wie dem vorliegenden eine
Überweisung des Beschuldigten an den ordentlichen Richter zur Bestrafung
nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches nicht vorgenommen haben,
so hat auch der im BRB vom 30. Dezember 1952 und im BB vom 19. Juni
1953 enthaltene ausdrückliche Vorbehalt zugunsten des gemeinen
Strafrechts nicht die Tragweite, die ihm im unveröffentlichten Urteil
des Kassationshofes i.S. Geiser vom 20. Juni 1958 beigemessen wurde. Die
dort vertretene Auffassung, diese Vorbehalte hätten offenbar nur den Sinn
einer Bestätigung dessen, was schon zur Zeit des BRB vom 17. Oktober 1944
als anerkannt gegolten habe, kann nicht aufrechterhalten werden. Aus der
damaligen Handhabung des kriegswirtschaftlichen Strafrechts muss vielmehr
umgekehrt geschlossen werden, dass die Vorbehalte in den Beschlüssen
von 1952 und 1953 nicht nach ihrem Wortlaut ausgelegt werden dürfen,
dies umsoweniger, als feststeht, dass mit diesen Beschlüssen an der
bisherigen Ordnung materiell nichts geändert werden wollte (Botschaft
vom 31. Juli 1951, BBl 1951 II 581). Ein vernünftiger Grund, der eine
Verschärfung der Strafdrohung hätte rechtfertigen können, wäre nach dem
allgemeinen Abbau der Zwangswirtschaft und bei der damals normalisierten
Versorgungslage auch nicht zu ersehen. Der Vorbehalt, den der Bundesrat
1952 aus der früheren Ordnung zu übernehmen glaubte, während er ihn in
Wirklichkeit neu einführte, beruht somit auf einer irrtümlichen Annahme,
die mindestens teilweise durch die Praxis der Getreideverwaltung erklärt
werden kann, welche seit 1948 Widerhandlungen gegen die Buchführungs- und
Meldepflicht immer nach dem Getreidegesetz mit Busse ahndete und daneben
vereinzelt die Bestimmungen des StGB durch den ordentlichen Richter
anwenden liess. Hätte die Verwaltung auch in diesen Jahren wie in den
vorangehenden an Stelle der als ungenügend erachteten Strafsanktion des
Getreidegesetzes die kriegswirtschaftlichen Strafbestimmungen angewendet,
so wäre der Vorbehalt in den Beschlüssen von 1952 und 1953 offenbar
unterblieben. Dies wird durch die Tatsache bestätigt, dass der Gesetzgeber
im neuen Getreidegesetz vom 20. März 1959, das den Tatbestand der falschen
Buchführung und Rapportierung zum Zwecke der Hinterziehung von Abgaben oder
der unrechtmässigen Erwirkung von Leistungen seitens des Bundes gleich
wie im Kriegswirtschaftsrecht mit Busse bis zu Fr. 30'000.-- oder mit
Gefängnis bis zu drei Jahren bedroht, auf den Vorbehalt zugunsten des StGB
verzichtet hat, in der Meinung, dass ausschliesslich das Getreidegesetz
anzuwenden sei (Botschaft vom 16. Juni 1958, BBl 1958 II 207).

    Demgegenüber fällt nicht ins Gewicht, dass in den weit gefassten
kriegswirtschaftlichen Tatbeständen die besonderen Merkmale des Betruges
und der Urkundenfälschung nicht genannt werden. Es ist kaum denkbar, dass
der Täter mit der unrichtigen Führung der Bücher und mit der Erstattung
falscher Meldungen einen anderen Zweck als die betrügerische Hinterziehung
oder Erwirkung öffentlichrechtlicher Leistungen verfolgt und dass dabei
die Merkmale der Arglist, der Vermögensschädigung und der Absicht,
sich unrechtmässig zu bereichern oder einen unrechtmässigen Vorteil zu
verschaffen, nicht erfüllt wären. Entscheidend ist auch nicht, dass die
Vorschriften des Kriegswirtschaftsrechts nicht die gleichen Rechtsgüter
schützen wie Art. 148 und 251 StGB. Wäre immer auf die Verschiedenheit
der Rechtsgüter abzustellen, so müsste zwischen den Strafbestimmungen der
Sondergesetze und des gemeinen Rechts fast ausnahmslos Idealkonkurrenz
angenommenwerden. Die kumulative Anwendungderkriegswirtschaftlichen
Strafbestimmungen und derjenigen über den Betrug und die Urkundenfälschung
wäre aber in Fällen wie dem vorliegenden umso stossender, als sie
daraufhinausliefe, den Täter wegen betrügerischer Handlungen, die gegen
den Staat gerichtet sind, strenger zu bestrafen, als wenn er sich im
Sinne von Art. 148 und 251 StGB gegen Private vergangen hätte. Dazu
kommt, dass der im Kriegswirtschaftsrecht und in der Übergangsordnung
vorgesehene Strafrahmen, Gefängnis bis zu drei Jahren, ausreichend ist,
um die staatlichen Interessen zu schützen und den Täter angemessen zu
bestrafen, und zwar, wie gerade das angefochtene Urteil zeigt, auch dann,
wenn sich die strafbare Tätigkeit über einen längeren Zeitraum erstreckt.

    Die Bleuer vorgeworfenen Handlungen werden durch die
kriegswirtschaftlichen Tatbestände in vollem Umfange erfasst. Zur Anwendung
des StGB besteht daher kein Raum, auch nicht insoweit, als Bleuer ausser
den vorgeschriebenen Büchern auch noch Fakturen und Lieferscheine gefälscht
und als Belege verwendet hat. Wie schon im Falle Geiser ausgeführt wurde,
bilden diese und die übrigen zum gleichen Zwecke gefälschten Belege
sachlich eine untrennbare Einheit, müssen also auch rechtlich gleich
behandelt werden. Bleuer ist demnach für alle in der Zeit von anfangs 1944
bis September 1954 begangenen Widerhandlungen nur nach den Bestimmungen
des Kriegswirtschaftsrechts und der Übergangsordnung zu bestrafen.