Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 IV 130



85 IV 130

34. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. Juni 1959 i. S. Schmid
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn. Regeste

    1.  Art. 221 StGB. Begriff der Gemeingefahr (Abs. 1) und der
wissentlichen Gefährdung von Menschen (Abs. 2); Voraussetzungen des
subjektiven Tatbestandes (Erw. 1 und 2).

    2.  Mittäterschaft setzt nicht Beteiligung an der Ausführungshandlung
voraus (Erw. 3).

    3.  Art. 68 Ziff. 1 StGB. Begeht der Mittäter, der einen anderen
zur Tat anstiftet, zwei strafbare Handlungen, die realiter miteinander
konkurrieren? (Erw. 4).

    4.  Art. 24 Abs. 2 StGB. Akzessorietät der Anstiftung (Erw.  5).

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 221 Abs. 1 StGB wird mit Zuchthaus bestraft, wer
vorsätzlich zum Schaden eines andern oder unter Herbeiführung einer
Gemeingefahr eine Feuersbrunst verursacht, und nach Abs. 2 ist die Strafe
Zuchthaus nicht unter drei Jahren, wenn der Täter wissentlich Leib und
Leben von Menschen in Gefahr bringt.

    Der Beschwerdeführer hält Art. 221 Abs. 2 nicht für anwendbar, weil er
es nur auf die Erlangung finanzieller Vorteile abgesehen, die Gefährdung
von Leib und Leben von Drittpersonen dagegen nicht direkt gewollt, sondern
höchstens in Kauf genommen habe. Das sei aber auch Merkmal der einfachen
Brandstiftung nach Abs. 1, die immer eine Gemeingefahr voraussetze und
damit die Gefährdung anderer in sich schliesse. Qualifizierte Brandstiftung
im Sinne des Abs. 2 liege deshalb nur vor, wenn der Vorsatz des Täters
primär darauf gerichtet sei, für bestimmte Personen eine unmittelbare
Lebensgefahr zu schaffen, wie es beispielsweise der Fall sei, wenn ein
Knecht den Hof des ihm verhassten Meisters in Brand stecke.

    Daran ist schon die Auffassung unrichtig, dass Brandstiftung
notwendig zu einer Gefährdung von Drittpersonen führen müsse, damit
die Tat unter Art. 221 Abs. 1 falle. Das Gesetz nennt die objektiven
Merkmale der Schädigung eines anderen und der Herbeiführung einer
Gemeingefahr alternativ, setzt also nicht voraus, dass beide erfüllt
seien, sondern verlangt nur, dass entweder das eine oder das andere zum
grundlegenden Tatbestandsmerkmal der Verursachung einer Feuersbrunst
hinzutrete. Auch bedeutet der Ausdruck Gemeingefahr nicht das gleiche wie
das in Abs. 2 genannte Tatbestandsmerkmal der Gefahr für Leib und Leben
von Menschen. Gemeingefahr ist als weiterer Begriff ein Zustand, der
die Verletzung von Rechtsgütern in einem nicht zum voraus bestimmten und
abgegrenzten Umfange wahrscheinlich macht (THORMANN/OVERBECK, N. 10 zu Art.
221 und Vorbemerkungen N. 1 zu Art. 221-230 StGB; HAFTER, Bes. Teil II, S.
491, 495). Dabei wird nicht vorausgesetzt, dass auch Personen gefährdet
seien; es genügt schon die Gefahr, dass das Feuer auf benachbarte Gebäude
oder andere Sachen übergreife. Unter Gefahr für Leib und Leben von Menschen
im Sinne des Abs. 2 ist dagegen die Gefährdung individuell bestimmter
Personen, namentlich der Bewohner des angezündeten Gebäudes, zu verstehen.

    Aus welchem Beweggrunde der Beschwerdeführer sodann gehandelt hat,
ob zur Erlangung der Versicherungsentschädigung oder zur Erreichung eines
anderen Zweckes, ist ohne Belang. Eine besondere Absicht wird vom Gesetze
nicht gefordert. Zum subjektiven Tatbestand des Art. 221 Abs. 2 StGB
gehört bloss, dass der Täter die objektiven Tatbestandsmerkmale des Abs. 1
mit Wissen und Willen (vorsätzlich) erfüllt und darüber hinaus weiss,
dass er Leib und Leben von Menschen in konkrete Gefahr bringt. Nach der
Rechtsprechung zu Art. 237 Ziff. 1 und anderen Bestimmungen des StGB,
in denen wie in Art. 221 Abs. 2 ausdrücklich bloss von wissentlicher
Gefährdung die Rede ist, genügt es, dass der Täter die durch seine Tat
herbeigeführte Gefahr für Leib und Leben von Menschen kennt; zu wollen
braucht er sie nicht (BGE 73 IV 229 Erw. 1).

Erwägung 2

    2.- Die Vorinstanz hat die Frage der konkreten Gefährdung von Leib
und Leben von Personen bejaht, mit Recht. Nach ihren verbindlichen
Feststellungen fand das im rund 24 m langen Mitteltrakt zwischen 22.30
und 23.00 Uhr gelegte Feuer in der leichten Holzkonstruktion der Baracke
reichlich Nahrung, und es breitete sich rasch aus; Mitteltrakt und ein
Teil des Ostflügels brannten innert kurzer Zeit nieder. Griff aber das
Feuer mit sehr grosser Geschwindigkeit um sich und konnte der Brand, wie
ebenfalls feststeht, nur dank eines Zufalles verhältnismässig frühzeitig
bemerkt und durch die Feuerwehr bekämpft werden, so lag nach menschlicher
Erfahrung die Wahrscheinlichkeit nahe, dass das Feuer sich auf das
ganze Barackengebäude ausdehnte und dass die in den beiden angebauten
Seitenflügeln untergebrachten Bewohner, die zum Teil bereits schliefen,
der ernsthaften Gefahr ausgesetzt waren, getötet, verletzt oder an der
Gesundheit geschädigt zu werden, sei es durch Feuer oder einstürzende
Gebäudeteile, sei es durch Rauch oder Brandgase, ist doch festgestellt
worden, dass der Asphalt auf dem Dachboden in Flammen stand und von der
Decke tropfte. Die Gefahr für Leib und Leben der Barackenbewohner wird
auch durch die Tatsache bestätigt, dass die Italiener, die im Ostflügel
wohnten, sich durch die Fenster ins Freie flüchten und einen Teil ihrer
Habe in den Flammen zurücklassen mussten.

    Nach der verbindlichen Feststellung des Schwurgerichts hat der
Beschwerdeführer, der über die Verhältnisse genau im Bilde war, gewusst,
dass durch die Brandlegung Personen an Leib und Leben gefährdet werden. Der
Tatbestand des Art. 221 Abs. 2 StGB ist damit objektiv und subjektiv
erfüllt.

Erwägung 3

    3.- Die Vorinstanz betrachtet den Beschwerdeführer als Mittäter, weil
er die Initiative zur Brandstiftung ergriff, den Plan zur Tat entwarf,
die Rollen verteilte, seinem Bruder Gottfried Weisungen über die Art
des Vorgehens bei der Brandlegung erteilte und die Ausführung der Tat
erleichterte. Damit hat sie den Begriff der Mittäterschaft nicht verkannt.
Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht so sehr auf die Beteiligung an der
Ausführungshandlung, sondern entscheidend auf das Mass des schuldhaften
Willens abzustellen (vgl. BGE 69 IV 98; 70 IV 102; 77 IV 91; 81 IV 62,
149). Wenn sich der Beschwerdeführer auch nicht am Entfachen des Feuers
beteiligt hat, so beschränkte sich sein Wille auch nicht bloss auf die
Anstiftung seiner Brüder, wie er zu Unrecht geltend macht. Er war darüber
hinaus an der Organisation und Vorbereitung der Tat massgebend beteiligt
und spielte als geistiger Urheber des Planes die führende Rolle beim
ganzen Unternehmen.

Erwägung 4

    4.- Das Schwurgericht verurteilte den Beschwerdeführer als Mittäter
der qualifizierten Brandstiftung und zugleich als Anstifter zu diesem
Verbrechen, davon ausgehend, dass er zwei voneinander unabhängige
Handlungen begangen habe, die im Sinne von Art. 68 Ziff. 1 StGB realiter
miteinander konkurrierten. Eine solche Konkurrenz zwischen Mittäterschaft
und Anstiftung ist z.B. möglich, wenn der Anstifter sich erst nachträglich
entschliesst, sich an der Tat zu beteiligen, zu der er angestiftet hat. Ob
indessen zwei konkurrierende Handlungen auch vorliegen, wenn der Mittäter,
wie es hier zutrifft, schon im Zeitpunkt der Anstiftung den Willen hat,
an der Planung und Vorbereitung der Tat in massgebender Weise mitzuwirken,
oder ob in einem solchen Falle die Anstiftung nicht eher als Ausfluss
eines einheitlichen, auf die Haupttat gerichteten Willensentschlusses
in der Mittäterschaft aufgehe, ist umstritten (vgl. THORMANN/OVERBECK,
Vorbemerkungen N. 11 zu Art. 24 StGB; GERMANN, Das Verbrechen, S. 87,
197 Ziff. 5; SCHWANDER, Das schweiz. Strafgesetzbuch, S. 124/5 Nr. 317;
SCHULTZ, ZStR 1956, S. 290). Die Frage braucht jedoch nicht entschieden
zu werden. Die Vorinstanz erklärt nämlich, dass sie ohne Annahme einer
Konkurrenz die Anstiftung im Rahmen des Art. 63 StGB berücksichtigt hätte
und dass sie auf diesem Wege zum gleichen Ergebnis gelangt wäre. Steht
aber fest, dass im Falle der Nichtanwendung von Art. 68 Ziff. 1 an der
ausgesprochenen Strafe nichts geändert würde, so ist die Beschwerde in
diesem Punkt unbegründet (BGE 81 IV 76).

Erwägung 5

    5.- Der Beschwerdeführer wollte seinen Bruder Rudolf zur Gehilfenschaft
bei qualifizierter Brandstiftung anstiften. Rudolf Schmid, dem die Gefahr
für Leib und Leben von Menschen nicht bekannt war, hat sich jedoch bloss
der einfachen Brandstiftung schuldig gemacht. Der Beschwerdeführer wendet
daher zu Recht ein, dass seine Schuldigerklärung wegen Anstiftung
zur Gehilfenschaft zum Tatbestand des Art. 221 Abs. 2 StGB nicht
standhält. Nach dem Grundsatze der Akzessorietät der Anstiftung kann ihm
an sich nur Anstiftung zur Gehilfenschaft bei einfacher Brandstiftung
zugerechnet werden. Daneben erfüllt die Tat aber gleichzeitig den nach
Art. 24 Abs. 2 StGB selbständigen Straftatbestand der versuchten Anstiftung
zur Gehilfenschaft bei qualifizierter Brandstiftung, da dieses Delikt mit
Zuchthaus bedroht und somit Verbrechen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 StGB ist.

    Das hat indessen nicht die Aufhebung des angefochtenen Urteils
zur Folge. Die Vorinstanz hat die vom Beschwerdeführer aufgeworfene
Frage nicht übersehen, sie aber aus prozessualen Gründen offen gelassen
mit der Begründung, dass sie angesichts der übrigen dem Beschwerdeführer
zur Last gelegten Handlungen für die Strafzumessung völlig bedeutungslos
sei. Damit gibt sie zu erkennen, dass eine Berichtigung des Schuldspruches
an den ausgesprochenen Rechtsfolgen nichts zu ändern vermöchte. Nur zur
Änderung der Urteilsgründe, zu denen auch der Schuldspruch gehört, ist
jedoch die Nichtigkeitsbeschwerde nicht gegeben (BGE 81 IV 76 und dort
erwähnte Entscheidungen).