Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 IV 101



85 IV 101

26. Urteil des Kassationshofes vom 25. März 1959 i.S. Walther gegen
Dobiaschofsky und Generalprokurator des Kantons Bern. Regeste

    Mietzinskontrolle.

    a)  Begriff des Mietzinses im preiskontrollrechtlichen Sinne
(Erw. 1 lit. a).

    b)  Art. 2 Abs. 1 PKB 1953 und Art. 4 Abs. 1 VMK 1953 untersagen jede,
von der zuständigen Behörde nicht genehmigte Erhöhung des Mietzinses
(Erw. 1 lit. b).

    c)  Art. 41 ff. und Art. 62 ff. OR. Steht dem Mieter, der
für die Überlassung der Mieträumlichkeiten mehr als den von der
Preiskontrollstelle festgesetzten Zins bezahlt, obwohl er sich der
Widerrechtlichkeit der Mietzinserhöhung bewusst ist, gegen den Vermieter
eine Schadenersatzforderung oder ein Anspruch aus ungerechtfertigter
Bereicherung zu? (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Hardy Walther, der seit anfangs 1953 an der Hofmeisterstrasse
in Bern ein Elektroinstallationsgeschäft betreibt, mietete, weil er den
Betrieb in das Stadtzentrum verlegen wollte, im gleichen Jahre in der
Liegenschaft Hirschengraben 10 ein weiteres Ladenlokal. Durch Vertrag
vom 30. April 1954 räumte er dem bisherigen Mieter, dem Kunsthändler A.
Dobiaschofsky, das Recht ein, das Ladenlokal als Untermieter weiter
zu benützen, wogegen sich dieser verpflichtete, über den von der
Preiskontrollstelle bewilligten Mietzins (Fr. 7200.-- pro Jahr) hinaus
ein halbjährliches Entgelt von Fr. 750.-- zu bezahlen. Am 24. Oktober 1955
kündigte Walther dem Dobiaschofsky auf den 30. April 1956, erklärte sich
am 7. Dezember 1955 aber bereit, dem Untermieter die Frist zum Auszug bis
längstens am 30. August 1956 zu erstrecken, worauf dieser am 15. Dezember
1955 versprach, die Mieträume auf den 30. Juni 1956 zu verlassen. Da
Dobiaschofsky inzwischen von der Preiskontrollstelle erfahren hatte, dass
der halbjährliche Zuschlag von Fr. 750.-- zum Mietzins nicht bewilligt
werde, leistete er ab Dezember 1955 die vereinbarten Mietzinsraten nicht
mehr. Als Walther ihn deswegen mahnte, antwortete er mit Schreiben vom
22. Februar 1956, dass er seit 1. Mai 1954 jährlich Fr. 1500.-- zuviel
bezahlt habe und diese Leistungen mit den laufenden Mietzinsen verrechne.

    Am 25. Juni 1956 willigte Walther auf Drängen DobiaschofskYS in eine
weitere Verlängerung des Mietvertrages bis Ende April 1957 ein, da dieser
auf 1. Mai 1957 andere, für die Fortführung seines Geschäftes geeignete
Räume mieten konnte. Dieses Entgegenkommen hatte er davon abhängig gemacht,
dass Dobiaschofsky sich verpflichtete, die rückständigen Mietzinse im
Betrage von Fr. 3000.-- (fünf Monate à Fr. 600.--) und zusätzlich noch
Fr. 5000.-- zu bezahlen. Jenen Betrag erbrachte Dobiaschofsky am 20. August
1956, und die Fr. 5000.-- bezahlte er anfangs Oktober 1956.

    B.- Am 18. Juni 1958 verurteilte das Obergericht des Kantons Bern
Walther gemäss Art. 15 des Bundesbeschlusses über die Durchführung einer
beschränkten Preiskontrolle vom 10. Juni 1953 (PKB 1953), sowie Art. 4
und 42 der Verordnung des Bundesrates über die Mietzinskontrolle und
die Beschränkung des Kündigungsrechtes vom 30. Dezember 1953 (VMK 1953)
zu Fr. 1000.-- Busse und zur Leistung von Fr. 3330.-- Schadenersatz
an Dobiaschofsky. Es ging davon aus, dass es - wegen entsprechender
Beschränkung der Überweisung - einzig das Verhalten Walthers in
den Monaten Juni bis Oktober 1956 zu beurteilen habe, und nahm an,
der Verurteilte habe sich dadurch über das Verbot, die Mietzinse ohne
Genehmigung der zuständigen Amtsstelle zu erhöhen, hinweggesetzt, dass er
für die Überlassung des Ladenlokals an Dobiaschofsky über den 30. Juni
1956 hinaus ausser dem behördlich festgesetzten Mietzins die Bezahlung
von Fr. 5000.-- verlangt und auch entgegengenommen habe.

    C.- Der Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen,
das Urteil sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen,
damit sie ihn freispreche und die Zivilklage abweise.

    Mit Anschlussbeschwerde beantragt der Zivilkläger Dobiaschofsky,
Walther sei zu verurteilen, als Schadenersatz einen Fr. 4000.--
übersteigenden Betrag zu bezahlen.

    Jede dieser Parteien beantragt ferner die Abweisung der Beschwerde
der Gegenpartei.

    Der Generalprokurator des Kantons Bern hat auf Gegenbemerkungen
verzichtet.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Nach der tatsächlichen Feststellung des Obergerichtes,
an die der Kassationshof gemäss Art. 277 bis Abs. 1 BStP gebunden ist,
hat Walther am 25. Juni 1956 die Verlängerung des Mietvertrages bis Ende
April 1957 u.a. davon abhängig gemacht, dass Dobiaschofsky über den von der
Preiskontrollstelle auf Fr. 7200.-- pro Jahr festgesetzten Mietzins hinaus
weitere Fr. 5000.-- bezahle. Um die von Walther gemieteten Räume bis Ende
April 1957 benützen zu können, musste Dobiaschofsky also den ursprünglich
vereinbarten Mietzins und diesen Betrag erbringen. Die Fr. 5000.-- waren
daher ein Teil des Entgeltes für die Überlassung der Mieträumlichkeiten
und bildeten im preiskontrollrechtlichen Sinne einen Teil des Mietzinses
(vgl. Botschaft des Bundesrates über die Durchführung einer beschränkten
Preiskontrolle, BBl 1953 I S. 294).

    b) Art. 2 Abs. 1 PKB 1953 und Art. 4 Abs. 1 VMK 1953 untersagten,
die Mietzinse ohne Bewilligung der zuständigen Behörde zu erhöhen. Nach
der Rechtsprechung fällt unter dieses Verbot nicht nur die Vereinbarung,
sondern auch das Fordern und Anbieten, sowie die Leistung und Annahme
eigenmächtig erhöhter Mietzinse (BGE 85 IV 61 ff. und dort angeführte
Entscheidungen). Indem Walther für die Überlassung der Mieträumlichkeiten
über den von der Preiskontrollstelle festgesetzten Zins hinaus weitere
Fr. 5000.-- forderte, mit dem Mieter eine dahingehende Vereinbarung
abschloss und die vereinbarte Leistung entgegennahm, hat er im Sinne
der angeführten Bestimmungen den Mietzins erhöht. Da er die dafür
vorgeschriebene behördliche Bewilligung nicht eingeholt hatte, tat er es
widerrechtlich. Daran ändert nichts, dass die zusätzliche Leistung dazu
bestimmt war, den Gewinnausfall auszugleichen, den Walther erlitt, indem
er darauf verzichtete, sein eigenes Geschäft in die Mieträumlichkeiten zu
verlegen. Art. 2 Abs. 1 PKB 1953 und Art. 4 Abs. 1 VMK 1953 untersagen
jede, von der zuständigen Behörde nicht genehmigte Erhöhung des
Mietzinses, ohne zu unterscheiden, aus welchem Grunde sie vorgenommen
wird. Der Entscheid darüber, ob eine Erhöhung nach den Vorschriften
des PKB 1953 und der VMK 1953 begründet sei, steht ausschliesslich den
Preiskontrollbehörden zu. Solange sie eine Erhöhung nicht bewilligt haben,
sei es weil kein dahingehendes Gesuch gestellt oder dieses abgewiesen
wurde, ist sie im preiskontrollrechtlichen Sinne widerrechtlich. Nach der
tatsächlichen (vgl. BGE 74 IV 205 Erw. 3; 75 IV 75/6, 152 Erw. 3) und daher
verbindlichen Feststellung des Obergerichtes war sich der Verurteilte
der Widerrechtlichkeit seines Vorgehens auch durchaus bewusst. Da er
die zusätzliche Leistung von Fr. 5000.-- bewusst und gewollt gefordert,
mit Dobiaschosfky vereinbart und von diesem entgegengenommen hat, hat er
sich vorsätzlich über das Verbot der Art. 2 Abs. 1 PKB 1953 und Art. 4
Abs. 1 VMK 1953 hinweggesetzt.

Erwägung 2

    2.- a) Durch die am 25. Juni 1956 zwischen Walther und Dobiaschofsky
getroffene Abmachung, dass dieser als Entgelt für die weitere Überlassung
der Mieträumlichkeiten über den von der Preiskontrolle festgesetzten Zins
hinaus Fr. 5000.-- bezahlen werde, haben die Parteien im Sinne von Art. 39
Abs. 2 VMK 1953 für den Mieter ungünstigere Bedingungen vereinbart, als
sie nach dieser Verordnung zulässig waren. Nach der angeführten Bestimmung
war diese Vereinbarung nichtig. Indem Dobiaschofsky sie dennoch erfüllte,
hat er eine Nichtschuld bezahlt (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil der
I. Zivilabteilung vom 6. November 1956 i.S. Gubler).

    Gemäss Art. 63 Abs. 1 OR könnte er das Geleistete, um das Walther
ungerechtfertigt bereichert worden ist, nur zurückfordern, wenn er
nachzuweisen vermöchte, dass er bei der Bezahlung der zusätzlichen
Vergütung in einem Irrtum über seine Schuldpflicht befangen war. Dass
dies der Fall gewesen sei, behauptet Dobiaschofsky mit Recht selber
nicht. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Obergerichtes, an die der
Kassationshof gebunden ist, war er sich der Widerrechtlichkeit solcher
Abmachungen und damit der Unverbindlichkeit der durch sie abgegebenen
Zahlungsversprechen schon anfangs 1956, also längst vor der Bezahlung
der Nichtschuld, bewusst. Das ergibt sich übrigens auch aus dem von ihm
am 22. Februar 1956 an Walther gerichteten Brief, worin er sich darauf
berief, dass er nach den angestellten Erhebungen jährlich Fr. 1500.--
(d.h. den über den behördlich bewilligten Mietzins hinausgehenden Betrag)
zuviel bezahlt habe, ferner aus dem Schreiben des von Dobiaschofsky mit der
Wahrng seiner Interessen beauftragten Anwaltes vom 18. April 1956, worin
dieser gegenüber der Hauseigentümerin ausdrücklich feststellte, er habe
von der Preiskontrollstelle erfahren, dass die (am 30. April 1954 über den
behördlich bewilligten Mietzins hinaus versprochenen) Fr. 1500.-- in klarer
Umgehung gesetzlicher Vorschriften geleistet worden seien. Dobiaschofsky
war demnach auf Grund der ihm von der Preiskontrollstelle erteilten
Auskünfte spätestens vom 22. Februar 1956 an nicht im Zweifel darüber,
dass Vereinbarungen, wonach er als Gegenleistung für die Verlängerung
des Mietvertrages über den ordentlichen Mietzins hinausgehende Zahlungen
erbringen werde, widerrechtlich seien und damit keine Zahlungspflicht zu
begründen vermochten.

    Ist die Rückforderung demnach schon nach Art. 63 Abs. 1 OR
ausgeschlossen, so kann dahin gestellt bleiben, ob nicht der Forderung
aus ungerechtfertigter Bereicherung auch Art. 66 OR entgegenstehen würde.

    b) Zufolge der widerrechtlichen, vom Verurteilten vorsätzlich
vorgenommenen Mietzinserhöhung musste Dobiaschofsky für die Überlassung
der Mieträumlichkeiten über den 30. Juni 1956 hinaus Fr. 5000.-- mehr
bezahlen, als der Vermieter auf Grund der verbindlichen Verfügung der
Preiskontrollstelle vom 3. August 1950 hätte fordern dürfen. Um diesen
Betrag wurde Dobiaschofsky somit durch das (schuldhafte) Vorgehen des
Verurteilten widerrechtlich geschädigt. Gemäss Art. 41 Abs. 1 OR ist
dieser daher grundsätzlich zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

    Durch die Mietzinserhöhung, die Voraussetzung für die Verlängerung des
Mietvertrages über den 30. Juni 1956 hinaus war, hat Dobiaschofsky jedoch
nicht nur einen Schaden erlitten, sondern es ist ihm dadurch auch ein
Vorteil erwachsen, indem er die Mieträume, die er zufolge rechtsgültiger
Kündigung auf jenen Zeitpunkt hätte verlassen müssen, weiterhin
benützen und dort sein Geschäft weiter betreiben konnte, das er sonst
in ungeeignetere und ungünstiger gelegene Räumlichkeiten hätte verlegen
oder aufgeben müssen. Es ist ein anerkannter Grundsatz im schweizerischen
Schadenersatzrecht, dass eine Vorteilsanrechnung stattzufinden hat, da
sonst der Geschädigte bereichert würde (BGE 71 II 89). Voraussetzung für
die Vorteilsanrechnung ist einzig, dass Nachteil und Vorteil begründet
wurden durch unter sich in innerm Zusammenhang stehende Handlungen.

    Das trifft hier zu. Der Dobiaschofsky erwachsene Schaden und die für
ihn vorteilhafte Belassung in den Mieträumlichkeiten waren Wirkungen ein
und desselben Verhaltens, nämlich der (widerrechtlichen) Mietzinserhöhung.

    Wie gross der auf den Schaden anzurechnende Vorteil war, ist nicht
ziffermässig festgestellt. Es liegt jedoch auf der Hand, dass Dobiaschofsky
als erfahrener Geschäftsmann im Frühling 1956 sich nicht wiederholt an
Walther gewendet hätte, um gegen zusätzliche Leistungen eine Verlängerung
des Mietvertrages über den 30. Juni 1956 hinaus zu erwirken, wenn die
Räumung des Geschäftslokals auf diesen Zeitpunkt für ihn nicht erheblich
grössere Nachteile zur Folge gehabt hätte. Das ist offenbar auch der
Sinn der vorinstanzlichen Feststellung, dass Dobiaschofsky, wenn er nicht
bis zum Bezug der Räume an der Laupenstrasse (d.h. bis Ende April 1957)
in den bisherigen Lokalitäten am Hirschengraben hätte bleiben können,
erhebliche finanzielle Einbussen erlitten hätte und sich unter dem Drucke
dieser Verhältnisse bereit erklärt habe, den zusätzlichen Betrag von
Fr.5000.-- zu bezahlen. Darnach hat Dobiaschofsky, vor die Entscheidung
gestellt, gegen Leistung eines Mehrzinses bis zum 30. April 1957 in den
bisherigen Lokalitäten bleiben zu können oder es bei der Kündigung auf den
30. Juni 1956 bleiben zu lassen und die daraus sich ergebenden finanziellen
Einbussen auf sich zu nehmen, das kleinere Übel gewählt. Das ergibt sich
übrigens auch aus dem Schreiben, das Dobiaschofsky am 18. April 1956 der
Hauseigentümerin zugehen liess und worin er feststellte, dass durch das
Festhalten an der Kündigung die Existenz seiner Familie schwer erschüttert
würde. Ist demnach davon auszugehen, dass Dobiaschofsky durch die Leistung
des Mehrzinses grösseren Schaden abgewendet hat, so bleibt, da er sich
diesen Vorteil anrechnen lassen muss, für einen Schadenersatzanspruch
aus Art. 41 OR kein Raum.

    Dobiaschofsky könnte aber auch kein Schadenersatz zugesprochen werden,
wenn davon auszugehen wäre, dass er für die Verlängerung des Mietvertrages
mehr aufgewendet hat, als ihm dadurch an Verlusten erspart blieb. Nach Art.
44 Abs. 1 OR kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich
von ihr entbinden, wenn der Geschädigte in die schädigende Handlung
eingewilligt hat. Dobiaschofsky hat in die Mietzinserhöhung nicht nur
eingewilligt, sondern den entscheidenden Anstoss zu der rechtswidrigen
Vereinbarung gegeben, indem er sich, um eine Verlängerung des Mietvertrages
zu erwirken, die vor allem in seinem Interesse lag, wiederholt anerbot,
einen Mehrzins zu bezahlen. Durch das Anbieten, wie auch durch die
Vereinbarung und die Leistung des über dem höchstzulässigen Stand
liegenden Mietzinses hat er sich zudem gleichfalls über das Verbot der
Mietzinserhöhung hinweggesetzt und nach Art. 42 VMK 1953 bzw. Art. 15
PKB 1953 strafbar gemacht (vgl. BGE 85 IV 61 ff.). Wenn schon die blosse
Einwilligung des Geschädigten zur Entbindung von der Ersatzpflicht führen
kann, so drängt sich dieser Ausschluss geradezu auf, wenn der Geschädigte
nicht nur die unerlaubte Handlung, durch die der Schaden herbeigeführt
wurde, veranlasst hat, sondern daran auch beteiligt war und erst noch
erhebliche Vorteile daraus zog.

Entscheid:

               Demnach erkennt der Kassationshof:

    1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde des Hardy Walther wird dahin teilweise
gutgeheissen, dass Spruch 2 des angefochtenen Urteils aufgehoben und die
Zivilklage des Hans Dobiaschofsky abgewiesen wird. Im übrigen wird die
Nichtigkeitsbeschwerde des Hardy Walther abgewiesen.

    2.- Die Nichtigkeitsbeschwerde des Hans Dobiaschofsky wird abgewiesen.