Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 II 209



85 II 209

33. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Juli 1959
i.S. Panagra, Pan American-Grace Airways, Inc. gegen Nouvelle Fabrique
Election SA Regeste

    Art. 8 lit. e, 30 Abs. 3 Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über
die Beförderung im internationalen Luftverkehr, vom 12. Oktober 1929. Wer
ist erster Luftfrachtführer, insbesondere wenn das Gut auf einem Umweg
befördert wird, der vom Abgangsort weg und an diesen zurück führt?

Sachverhalt

    A.- Die Nouvelle Fabrique Election SA in La Chauxde-Fonds übergab der
am gleichen Orte niedergelassenen Spediteurin Goth & Cie SA am 1. April
1955 eine Kiste mit Uhren und Lederarmbändern und beauftragte sie,
dieses Gut durch die Koninklijke Luchtvaart Maatschappij N.V., den Haag,
Zweigniederlassung Zürich (KLM) auf dem Luftwege an die Firma Meyer Korn &
Cie in Arica (Chile) befördern zu lassen, und zwar so, dass es am 4. April
1955 in Zürich abfliege und am 11. April in Arica ankomme.

    Die Firma Goth & Cie SA füllte am 1. April 1955 ein von der KLM
ausgegebenes Formular eines Luftfrachtbriefes teilweise aus. Insbesondere
führte sie darin Zürich als Abgangs- und Arica als Bestimmungsort an,
bezeichnete den Empfänger und den Absender und machte Angaben über das
Frachtgut. In dem für die Bezeichnung des Gutes vorbehaltenen Raum
des Formulars bemerkte sie ausserdem: "Vol KL 645 du 4.4.55 et 687
PG 325 du 11.4.55." Die für die Angabe des Beförderungsweges und der
Luftfrachtführer in Verbindung mit den Frachtlöhnen bestimmten Zeilen
liess sie frei, ebenso das in der unteren rechten Ecke liegende Feld,
das für den Namen und die Adresse des ersten Luftfrachtführers sowie für
die Unterschrift des ausstellenden Frachtführers oder seines Agenten und
für Name und Adresse dieses Agenten vorbehalten ist.

    Die Firma Goth & Cie SA liess das Frachtgut samt dem Frachtbrief durch
ihre Zürcher Zweigniederlassung nach dem Flughafen Zürich-Kloten verbringen
und der KLM übergeben. Diese versah den Frachtbrief unten rechts mit
dem Stempel "KLM Freight Apr. 2 1955 Zurich-Airport". Sie füllte ferner
die für die Bezeichnung des Beförderungsweges, der Luftfrachtführer und
der Frachtlöhne bestimmten Rubriken aus. Sie gab daselbst Zürich als
Abgangsort und Amsterdam, Lima und Arica als Landungsorte an. Für die
Strecke bis Amsterdam füllte sie die für die Angabe des Luftfrachtführers
bestimmte Zeile mit "sr 120" aus, was bedeutete, dass das Frachtgut mit dem
Kurs Nr. 120 der Swissair, Schweizerische Luftverkehrs AG nach Amsterdam
befördert werde. Für die Strecke bis Lima wurde die "KLM" als Frachtführer
angegeben und für die Strecke von dort bis Arica die "Panagra", d.h. die
in New York niedergelassene Pan American-Grace Airways, Inc.

    Die KLM hätte das Frachtgut mit ihrem Kurs Nr. 645 vom 4. April 1955
von Zürich-Kloten unmittelbar nach Curaçao und von dort mit dem Kurs
Nr. 687 nach Panama und dem Kurs Nr. 705 nach Lima befördern können. Sie
zog jedoch vor, es schon in Amsterdam-Schiphol in die über Zürich nach
Curaçao fliegende Maschine des Kurses 645 zu laden, und liess es daher
am 2. April 1955 mit dem Kurs 120 der Swissair nach Amsterdam verbringen,
ohne den Frachtlohn zu erhöhen. Die KLM ging hin und wieder so vor, wenn
Frachtgut unfehlbar an einem bestimmten Tage befördert werden musste. Sie
wollte sich dadurch gegen den Fall sichern, dass das Flugzeug in Zürich
nicht landen könnte oder dort schon voll beladen wäre. Die Firma Goth &
Cie SA wusste, dass gelegentlich solche unentgeltliche U mwege gewählt
wurden, und stimmte ihnen jeweilen auf Anfrage der KLM zu. Dass sie auch am
2. April 1955 um ihr Einverständnis ersucht worden sei, steht nicht fest,
doch würde sie zugestimmt haben. Als sie am 4. April 1955 ein Doppel des
von der KLM ergänzten Frachtbriefes zurückerhielt, widersprach sie nicht.

    Das Frachtgut gelangte mit den vorgesehenen Kursen nach Arica, wurde
dort jedoch von der Panagra versehentlich nicht ausgeladen. Es kam am
25. April 1955 mit dem Flugzeug in La Paz an. Die Zollbehörden von Bolivien
nahmen es in Verwahrung, da es von keinen Papieren mehr begleitet war,
und liessen es trotz erhaltener Aufklärung gemäss Entscheid des nationalen
Zollgerichts als Schmuggelgut versteigern.

    B.- Goth & Cie SA trat ihre Rechte aus dem Verlust des Frachtgutes
am 31. Januar 1956 an die Nouvelle Fabrique Election SA ab. Diese klagte
beim Bezirksgericht Zürich gegen die KLM auf Bezahlung von Fr. 113'503.45
Schadenersatz nebst Zins und verkündete der Swissair den Streit.

    Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Sie machte unter
anderem geltend, sie sei nicht passiv legitimiert, weil sie nicht
erster Luftfrachtführer im Sinne des Art. 30 Abs. 3 des Abkommens vom
12. Oktober 1929 zur Vereinheitlichung der Regeln über die Beförderung
im internationalen Luftverkehr sei. Sie verkündete der Panagra den Streit.

    Das Bezirksgericht beschränkte die Verhandlung auf die Frage der
Passivlegitimation und bejahte diese mit Vorentscheid vom 20. Dezember
1957. Auf Berufung der Beklagten entschied das Obergericht des Kantons
Zürich am 3. März 1959 in gleichem Sinne.

    C.- Die Panagra hat die Berufung erklärt. Sie beantragt dem
Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Klage
mangels Passivlegitimation der Beklagten abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt, auf die Berufung sei nicht einzutreten,
eventuell sei diese abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 3

    3.- Das in Ausführung des Bundesgesetzes über die Luftfahrt erlassene
Lufttransportreglement vom 3. Oktober 1952 bestimmt in Art. 3, dass die
Rechtsbeziehungen der Verfrachter und Empfänger zum Luftfrachtführer
sich nach den Bestimmungen des in Warschau abgeschlossenen Abkommens zur
Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen
Luftverkehr vom 12. Oktober 1929 (WA) richten. Vorbehalten bleiben
die Bestimmungen des Lufttransportreglementes und die ergänzenden
Beförderungsbedingungen des Luftfrachtführers.

    Wenn das Gut durch ein während der Luftbeförderung eintretendes
Ereignis verloren geht, hat gemäss Art. 18 WA der Luftfrachtführer den
Schaden zu ersetzen. Ist das Gut durch mehrere "aufeinanderfolgende"
Luftfrachtführer zu befördern, so ist jeder in Bezug auf den unter
seiner Leitung auszuführenden Teil der Beförderung Partei des
Beförderungsvertrages und den Vorschriften des Warschauer Abkommens
unterworfen (Art. 30 Abs. 1 WA). Darnach müsste der Absender des Gutes
jenen Luftfrachtführer belangen, in dessen Obhut es sich zum Zwecke
der Beförderung befand, als es verloren ging. Art. 30 Abs. 3 WA erklärt
jedoch dem Absender gegenüber ausserdem den "ersten" Luftfrachtführer
als solidarisch ersatzpflichtig.

Erwägung 4

    4.- Name und Adresse des ersten Luftfrachtführers sollen
im Luftfrachtbrief angegeben werden (Art. 8 lit. e WA). Der erste
Frachtführer ist also grundsätzlich vom Absender zu bezeichnen; denn
dieser stellt normalerweise den Frachtbrief aus und übergibt ihn mit dem
Gute (Art. 6 Abs. 1 WA). Immerhin kann der Absender verlangen, dass der
Luftfrachtführer den Frachtbrief ausstelle; geschieht das, so wird bis zum
Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Luftfrachtführer als Beauftragter
des Absenders gehandelt habe (Art. 6 Abs. 5 WA). Diesfalls kommt also die
Bezeichnung des ersten Luftfrachtführers jenem Frachtführer zu, durch
den der Absender den Frachtbrief ausstellen lässt. Gleich verhält es
sich, wenn der Absender zwar selber einen Frachtbrief ausstellt, aber
von seinem Rechte der Bezeichnung des ersten Luftfrachtführers nicht
Gebrauch macht, vielmehr die diesbezügliche Ergänzung des Briefes dem
Frachtführer überlässt.

Erwägung 5

    5.- Bestimmen weder der Absender noch der mit der Ausstellung oder
Ergänzung des Frachtbriefes betraute Luftfrachtführer ausdrücklich, wer
"erster Luftfrachtführer" sei, so könnte darunter jener verstanden werden,
der das Gut vom Absender übernimmt und gemäss Art. 6 Abs. 2-4 WA den
Frachtbrief unterzeichnet oder mit seinem Stempel versieht. Natürrlicher
ist es jedoch, in der Reihe der "aufeinanderfolgenden Luftfrachtführer"
(Art. 30 Abs. 1 WA) jenen als den ersten zu betrachten, der die
Beförderung auf der ersten Teilstrecke des gesamten Weges zu besorgen
hat. Zöge das Abkommen die andere Möglichkeit vor, so spräche es nicht
vom "ersten", sondern z.B. von dem "das Gut annehmenden" oder von dem
"den Frachtbrief unterzeichnenden" Luftfrachtführer. Dieser ist mit
jenem nicht notwendigerweise identisch. Das Warschauer Abkommen bestimmt
nicht, der Absender müsse das Gut jenem Luftfrachtführer übergeben,
der es auf dem ersten Teil des Weges zu befördern hat. Es sagt auch
nicht, nur dieser könne den Frachtvertrag im eigenen Namen abschliessen,
so dass der Luftfrachtführer, der das Gut annimmt und den Frachtbrief
unterschreibt oder abstempelt, ohne sich als Vertreter eines anderen
auszugeben, notwendigerweise verpflichtet wäre, selber das Gut auf
der ersten Teilstrecke zu befördern. Der Frachtvertrag kann nicht nur
mit jenem Luftfrachtführer abgeschlossen werden, der das Gut auf der
ersten Teilstrecke zu befördern hat, sondern auch mit jedem, der mit
der Weiterbeförderung betraut wird; denn gemäss Art. 30 Abs. 1 WA gelten
ohnehin alle als Parteien des Vertrages. Unter diesen Umständen vermöchte
es nicht zu befriedigen, immer den das Gut annehmenden und den Frachtbrief
unterschreibenden oder abstempelnden Luftfrachtführer als den "ersten"
zu betrachten. Er handelt, ohne es zu sagen, notwendigerweise im Namen
aller. Mit der Beförderung des Gutes hat er zunächst noch nichts zu tun,
wenn sie auf der ersten Teilstrecke nicht ihm selber obliegt. Geht das Gut
auf dieser Strecke verloren oder wird es daselbst zerstört, so befördert er
selber es in diesem Falle überhaupt nie. Es liegt daher näher, dem Absender
das Klagerecht gegen jenen zu geben, der laut Frachtbrief die Beförderung
auf der ersten Teilstrecke zu besorgen hat und daher regelmässig einen
Teil des Vertrages auch tatsächlich erfüllt. Dieser Luftfrachtführer
steht dem Absender gewöhnlich auch örtlich am nächsten.

    Von diesem Grundsatz ist auch dann nicht abzuweichen, wenn
das Frachtgut laut Vertrag (Frachtbrief) einen Umweg zu machen hat,
insbesondere vom Abgangsort auf dem Luftweg nach einem anderen Flughafen
verbracht und von dort an den Abgangsort zurück (und über diesen hinaus)
befördert werden soll. Die vertragsgemässe Reise des Gutes beginnt
in diesem Falle schon mit dem ersten Verlassen des Abgangsortes; denn
die Beförderung von diesem Orte weg und an ihn zurück dient im ganzen
Reiseplan einem bestimmten Zweck, durch den die Erfüllung des Vertrages
sichergestellt werden soll. Gewöhnlich wollen die Parteien sich dadurch
gegen die Möglichkeit sichern, dass das Flugzeug des vereinbarten Kurses
am Abgangsort des Gutes nicht sollte landen können. Unterbleibt diese
Landung, so ist klar, dass die vereinbarte Beförderung schon mit dem
Verlassen des Abgangsortes begann. Daher kann es sich nicht anders
verhalten, wenn an diesem Orte auf dem Rückflug doch gelandet wird,
was unter dem Gesichtspunkt der vereinbarten Beförderung nur noch ein
zufälliges und daher bedeutungsloses Ereignis ist.

    Ob der Absender für die Beförderung vom Abgangsort weg und an
diesen zurück eine besondere Vergütung schuldet, ist grundsätzlich
unerheblich. Wird eine solche nicht verlangt, so kann daraus jedenfalls
der Regel nach nicht geschlossen werden, dass diese Beförderung nach dem
Willen der Vertragschliessenden nicht zu den vertraglichen Leistungen
des Luftfrachtführers gehören sollte. Steht zudem nach dem Inhalt des
Frachtbriefes fest, dass auch diese Beförderung als Bestandteil des
Vertrages betrachtet wurde, so kommt vollends nichts darauf an, ob die
Frachtführer sich dafür einen zusätzlichen Lohn versprechen liessen. Die
Stellung als erster Frachtführer hängt auch nicht davon ab, wie der im
ganzen vereinbarte Frachtlohn verteilt wird; die Verteilung beeinflusst
das Verhältnis zum Absender nicht.

    Es kommt auch nichts darauf an, wer der Urheber des Gedankens ist,
das Frachtgut vom Abgangsort weg und an diesen zurück zu befördern,
und ob daher der Absender nach dem Plan, den er selbst sich machte,
Anlass gehabt hätte, das Gut unmittelbar dem an diesem Umweg beteiligten
ersten Frachtführer zu übergeben. Es genügt, wenn der Absender den vom
Luftfrachtführer durch Vervollständigung des Frachtbriefes gemachten
Vorschlag ausdrücklich oder stillschweigend hinnimmt und damit zum
Bestandteil des Vertrages werden lässt. Nur ein Umweg, den der Absender
aus dem zurückerhaltenen Doppel des Luftfrachtbriefes (s. Art. 6 Abs. 2
WA) nicht ersehen kann oder gegen den er sofort Einspruch erhebt, fällt
allenfalls für die Bestimmung des ersten Frachtführers ausser Betracht.

    Wenn der Frachtbrief den ersten Luftfrachtführer nicht ausdrücklich als
solchen bezeichnet, kommt diese Stellung demnach jenem zu, der nach dem im
Frachtbrief verurkundeten Vertragsinhalt das Gut auf der ersten Teilstrecke
des gesamten Weges zu befördern hat, mag diese Strecke auch Bestandteil
eines Umweges sein, der vom Abgangsort weg und an diesen zurück führt.

    Dieser Grundsatz gilt jedenfalls dann, wenn dieser Luftfrachtführer
tatsächlich an der Beförderung des Gutes als erster teilnimmt. Ob er dem
Absender auch dann haftet, wenn er das Gut tatsächlich überhaupt nicht
oder nicht als erster befördert, kann dahingestellt bleiben. Sollte diese
Frage verneint werden müssen, so liefe der Absender freilich Gefahr, die
Klage gegen den Unrichtigen einzureichen, wenn er sich auf die Angaben
des Frachtbriefes verlässt und den tatsächlichen Verlauf der Beförderung
nicht kennt. Für den Nachteil, der ihm daraus entstände, hätte ihn aber
jener Luftfrachtführer schadlos zu halten, der das Gut vom Absender
entgegennahm, ohne es an jenen weiterzugeben, der laut Frachtbrief die
Beförderung auf der ersten Teilstrecke hätte besorgen sollen. Art. 9 WA
bestimmt nämlich, der Luftfrachtführer, der das Gut annimmt, entgehe der
Haftung laut Warschauer Abkommen nicht, wenn der Frachtbrief nicht alle in
Art. 8 lit. a-i und q vorgeschriebenen Angaben enthält. Um so mehr bleibt
er haftbar, wenn er den im Frachtbrief enthaltenen Angaben zuwider handelt,
insbesondere das Gut nicht jenem Luftfrachtführer aushändigt, der es laut
Frachtbrief als erster befördern müsste. Ist demnach der Absender auf alle
Fälle gegen die Folgen einer solchen Abweichung vom Vertrage gesichert,
so besteht kein Grund, auf sie in dem Sinne Rücksicht zu nehmen, dass der
das Gut und den Frachtbrief annehmende Luftfrachtführer sich selbst dann
als "erster" müsste belangen lassen, wenn er das Gut vertragsgemäss dem
für die erste Beförderungsstrecke vorgesehenen Frachtführer übergeben hat.

Erwägung 6

    6.- Die Firma Goth & Cie SA hat im Frachtbrief den ersten
Luftfrachtführer nicht bezeichnet. Den dafür vorgesehenen Raum im Eckfeld
unten rechts liess sie frei, und auch die Zeilen, die zur Bezeichnung
des Beförderungsweges und der Luftfrachtführer in Verbindung mit
den Frachtlöhnen bestimmt sind, füllte sie nicht aus. Sie setzte die
Weisung "vol KL 645 du 4.4.55 et 687 PG 325 du 11.4.55" in den für die
Bezeichnung des Gutes vorbehaltenen Raum. Dadurch gab sie zu erkennen,
dass ihr nur an der Benützung des Kurses 645 der Beklagten vom 4. April
1955 mit Anschluss an Kurs 687 und des Kurses 325 der Panagra vom
11. April 1955 gelegen war und dass sie im übrigen die Ausfüllung des
Formulars, auch die Bezeichnung des "ersten Frachtführers", der Beklagten
überliess. Diese durfte sich daher jedenfalls unter der Voraussetzung,
dass nicht ein höherer Frachtlohn gefordert werde, für berechtigt halten,
das Gut zwecks Verladung in das Flugzeug ihres Kurses 645 auf dem Luftwege
durch einen anderen Unternehmer nach Amsterdam verbringen zu lassen und
diesen als den "ersten Luftfrachtführer" zu bezeichnen. Das Obergericht
stellt denn auch fest, Goth & Cie SA habe gewusst, dass die Beklagte
in einigen Fällen Frachtgüter für interkontinentale Beförderung von
Zürich nach Amsterdam nahm, um sich gegen den Fall zu sichern, dass eine
Landung in Zürich nicht möglich oder das Flugzeug schon voll beladen wäre,
und die Absenderin habe sich jeweilen auf die Anfrage der Beklagten mit
diesem Vorgehen einverstanden erklärt. Es führt ferner aus, wenn Goth &
Cie SA auch im vorliegenden Falle angefragt worden wäre, hätte sie der
Beklagten geantwortet, diese solle machen was sie wolle, nur müsse die
Ware mit dem Kurs 645 vom 4. April fort. Unter diesen Umständen war es
der Absenderin auch gleichgültig, wer für die Strecke Zürich-Amsterdam
als Frachtführer eingeschaltet werde. Aus dem Exemplar des ergänzten
Frachtbriefes, das sie am 4. April 1955 von der Beklagten erhielt,
konnte sie ersehen, dass mit dieser Beförderung die Swissair betraut
wurde; denn nach verbindlicher Feststellung des Obergerichts war ihren
Speditionsfachleuten die Bedeutung der Abkürzung "sr" bekannt, welche
die Beklagte an der für die Bezeichnung des Frachtführers vorbehaltenen
Stelle eingesetzt hat. Indem Goth & Cie SA nach Empfang des Doppels des
Frachtbriefes nicht widersprach, anerkannte sie die Beförderung des Gutes
von Zürich nach Amsterdam mit dem Kurs 120 der Swissair stillschweigend als
Bestandteil des Vertrages. Freilich fordert Art. 8 lit. e WA, es müsse im
Luftfrachtbrief u.a. der Name und die Adresse des ersten Luftfrachtführers
angegeben werden. Da indessen unter den Beteiligten kein Zweifel darüber
obwalten konnte, dass die übliche Abkürzung "sr" Swissair bedeutet,
und welches die Adresse dieser Fluggesellschaft ist, kann diese bloss
summarische Angabe nach Treu und Glauben nicht beanstandet werden.

Erwägung 7

    7.- Es kann sich nur noch fragen, ob die Beklagte dadurch, dass sie im
Eckfeld unten rechts den Stempel "KLM Freight Apr. 2 1955 Zurich-Airport"
anbrachte, sich selbst zum "ersten Luftfrachtführer" erklärte oder ob diese
Stellung dem für die Beförderung von Zürich nach Amsterdam vorgesehenen
und sie tatsächlich besorgenden Unternehmer, d.h. der Swissair zukommt.

    Zu berücksichtigen ist, dass die Beklagte gemäss Art. 6 Abs. 2-4 WA
verpflichtet war, das für den Absender bestimmte Doppel des Frachtbriefes
unverzüglich nach der Annahme des Gutes zu unterzeichnen oder mit
ihrem Stempel zu versehen. Es ist offensichtlich, dass die Beklagte
ihren Stempel in Erfüllung dieser Pflicht in das rechte untere Eckfeld
setzte; denn der Frachtbrief trägt weder einen zweiten Stempelabdruck
noch eine Unterschrift. Das erwähnte Feld ist denn auch nicht nur
zur Angabe des Namens und der Adresse des "ersten Luftfrachtführers"
bestimmt, sondern enthält auch zwei Zeilen für die Unterschrift des
ausstellenden Frachtführers oder seines Agenten sowie für Namen und
Adresse dieses Agenten. Der Stempel füllt den freien Platz des Feldes
von oben bis unten aus, ja reicht unten sogar über das Feld hinaus. Die
Absenderin durfte daher nicht schliessen, er sei zur Bezeichnung des ersten
Luftfrachtführers hingesetzt worden. Dass die Buchstaben KLM ungefähr
auf der dafür vorbehaltenen Zeile stehen, ändert nichts; denn der Stempel
ist als Ganzes zu betrachten. Dazu kommt, dass die natürlichste Ordnung
darin besteht, jenen Unternehmer als ersten Frachtführer zu behandeln,
der mit der Beförderung auf der ersten Teilstrecke betraut wird. Wenn die
Vertragschliessenden davon abweichen wollen, haben sie daher allen Anlass,
es deutlich zu sagen, und zwar selbst dann, wenn nicht der für die erste
Beförderung ausersehene Frachtführer, sondern einer der nachfolgenden das
Gut und den Frachtbrief vom Absender übernimmt. Ferner ist zu bedenken,
dass es der Firma Goth & Cie SA gleichgültig war, wer erster Frachtführer
sei. Bei dieser Sachlage kann die Klägerin aus dem Stempelaufdruck der
Beklagten nichts zugunsten ihrer Auffassung ableiten, sondern muss sie
sich gefallen lassen, dass die der natürlichen Ordnung entsprechende
Stellung des ersten Frachtführers der Swissair zukommt.

    Die Beklagte haftet daher der Klägerin nicht.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil der I. Zivilkammer des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 3. März 1959 aufgehoben und die
Klage abgewiesen.