Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 III 98



85 III 98

23. Auszug aus dem Entscheid vom 20. August 1959 i.S. Jacky, Maeder
& Co. Regeste

    Der Verzicht auf einen vollzogenen Arrest ist zulässig, doch ist
ein Gesuch um Aufhebung des Arrestbefehls, das der Gläubiger an die
Arrestbehörde richtet, nicht an das Betreibungsamt weiterzuleiten und
von diesem nicht zu beachten.

Sachverhalt

    Die Filiale La Chaux-de-Fonds der Firma Jacky, Maeder & Co. erwirkte
am 6. Februar 1959 für eine Schadenersatzforderung aus Transportvertrag
von Fr. 40'000.-- einen Arrestbefehl gegen die Königlich-niederländische
Luftverkehrsgesellschaft KLM. Am 9. Februar 1959 vollzog das Betreibungsamt
Zürich diesen Befehl.

    Am 14. Februar 1959 schrieb A.J. Maeder dem Audienzrichteramt des
Bezirksgerichtes Zürich (Arrestbehörde) auf Geschäftspapier der Zürcher
Filiale der Firma Jacky, Maeder & Co. was folgt:

    "Betrifft: Arrest Jacky, Maeder & Co., La Chaux-de-Fonds, gegen KLM
vom 6. Februar 1959, Forderungssumme Fr. 40'000.--.

    Wie mir die KLM mitteilt, ist gegen sie ein Arrestbefehl erwirkt
worden, bei welchem angeblich die Firma Jacky, Maeder & Co., La
Chaux-de-Fonds, als Gläubiger auftritt. In meiner Eigenschaft als
vertretungsberechtigter Gesellschafter der Firma Jacky, Maeder & Co. teile
ich Ihnen mit, dass meine Firma kein Verfahren gegen die KLM einzuleiten
wünschte. In dem Falle, um den es sich vermutlich handelt, hat die Firma
Jacky, Maeder & Co. ihre Ansprüche gegenüber der KLM im Sommer 1958 an
Herrn Dr. Max Lebedkin, Rechtsanwalt von Herrn Jules Hirsch cediert. Die
Firma Jacky, Maeder & Co., wünscht daher, dass der Arrestbefehl in ihrem
Namen aufgehoben werde."

    Der Substitut des Audienzrichteramtes schickte dieses Schreiben
"zur Kenntnisnahme" an das Betreibungsamt. Rechtsanwalt Dr. Lebedkin,
den der Arrestbefehl als Vertreter der Arrestgläubigerin bezeichnet,
teilte dem Betreibungsamt auf eine telephonische Anfrage hin mit, der
Arrest sei nicht aufzuheben; das Schreiben vom 14. Februar 1959 müsse
auf einem Irrtum beruhen. Deshalb liess das Amt die Beschlagnahme bestehen.

    Am 23. Februar 1959 schrieb A.J. Maeder dem Audienzrichteramt unter
Bezugnahme auf sein Schreiben vom 14. Februar:

    "Eben stelle ich fest, dass Ihnen das obige Schreiben irrtümlicherweise
zugestellt wurde. Da es sich um einen Irrtum in meinem Sekretariat handelt,
bitte ich Sie, das genannte Schreiben als annulliert zu betrachten und
ich hoffe, dass diese Null- und Nichtigerklärung dazu genügen wird.

    Die Firma Jacky, Maeder & Co. wünscht nicht, dass der Arrestbefehl
in ihrem Namen aufgehoben werde."

    Auch dieses Schreiben wurde zur Kenntnisnahme an das Betreibungsamt
weitergeleitet.

    Schon am 21. Februar 1959 hatte die Arrestschuldnerin Beschwerde
geführt mit dem Antrag, der Arrest sei auf Grund der Rückzugserklärung
Maeders vom 14. Februar 1959 aufzuheben. Diese Beschwerde ist von der
untern Aufsichtsbehörde abgewiesen, von der kantonalen Aufsichtsbehörde
dagegen am 26. Juni 1959 gutgeheissen worden.

    Das Bundesgericht schützt den Rekurs der Arrestgläubigerin und weist
die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Die Vorinstanz hat mit Recht angenommen, die Arrestschuldnerin
sei legitimiert gewesen, durch Beschwerde geltend zu machen, dass der
Arrestvollzug auf Grund des Schreibens der Gegenpartei vom 14. Februar
1959 aufzuheben sei. Ebenso ist der Vorinstanz darin beizustimmen,
dass der Arrestgläubiger auf einen bereits vollzogenen Arrest verzichten
kann mit der Folge, dass das Betreibungsamt den Arrestvollzug aufzuheben
hat. Im vorliegenden Falle hat jedoch die Arrestgläubigerin keine Erklärung
abgegeben, die dem Betreibungsamt hätte Anlass geben können, den zu ihren
Gunsten erfolgten Arrestvollzug aufzuheben.

    a) Das Schreiben vom 14. Februar 1959, auf das die Arrestschuldnerin
sich beruft, ist nicht an das Betreibungsamt, sondern an das
Audienzrichteramt, d.h. an die Arrestbehörde adressiert. Ausser in Fällen,
wo das Gesetz ausdrücklich das Gegenteil bestimmt (vgl. z.B. Art. 75 Abs. 2
OG), hat sich eine Behörde mit Eingaben, die nicht an sie, sondern an
jemand anders gerichtet sind, nicht zu befassen. Der Entscheid BGE 51 III
35 ff., der ein Betreibungsamt dazu anhielt, einen vom Schuldner gegenüber
dem Gläubiger erklärten Rückzug des Rechtsvorschlags zu berücksichtigen,
bestätigt diese Regel. Er beruht auf der Erwägung, dass der Schuldner
die Rückzugserklärung zuhanden des Betreibungsamtes ausgestellt und der
Gläubiger sie diesem als Bote des Schuldners übermittelt habe. Diese
Annahme war dadurch gerechtfertigt, dass der Schuldner seine Erklärung
auf dem Gläubigerdoppel des Zahlungsbefehls, das die Mitteilung des
Rechtsvorschlags enthielt, angebracht hatte und dass die Erklärung
ihrem Inhalte nach zweifellos für das Betreibungsamt bestimmt war. Im
vorliegenden Falle sind ähnliche Umstände nicht gegeben. Das Schreiben vom
14. Februar 1959 wendete sich ausdrücklich an die Arrestbehörde, nicht an
das Betreibungsamt, und sprach von der Aufhebung des Arrestbefehls, nicht
des Arrestvollzugs. Der Arrestbefehl konnte - wenn überhaupt - nur von der
Arrestbehörde, nicht vom Betreibungsamt aufgehoben werden. Aus dem Gesuch,
der Arrestbefehl sei aufzuheben, war nicht ohne weiteres zu schliessen,
dass die Gläubigerin auch die Aufhebung des allenfalls bereits erfolgten
Arrestvollzugs wünsche. Es lässt sich daher nicht sagen, das Schreiben vom
14. Februar 1959 sei, obwohl ausdrücklich an die Arrestbehörde gerichtet,
seinem Inhalt nach unzweifelhaft (auch) für das Betreibungsamt bestimmt
gewesen. Kein Gesetz verlangte, dass die Arrestbehörde dieses Schreiben
an das Betreibungsamt weiterleitete, und dieses war seinerseits nicht
verpflichtet, das ihm "zur Kentnnisnahme" übermittelte Schreiben zu
beachten. Die Korrespondenz zwischen Gläubiger und Arrestbehörde geht
das Betreibungsamt nichts an. Schon deswegen ist die von der Vorinstanz
gutgeheissene Beschwerde der Arrestschuldnerin unbegründet...