Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 III 93



85 III 93

22. Auszug aus dem Entscheid vom 24. August 1959 i.S. Handelsbank Luzern
AG Regeste

    Kollokationsplan im Konkurs. Die Frist für seine Anfechtung durch
Klage (Art. 250 SchKG) oder durch Beschwerde wegen formeller Mängel
läuft grundsätzlich für alle Beteiligten (auch für Gläubiger, welche die
Spezialanzeige gemäss Art. 249 Abs. 3 SchKG nicht oder zu spät erhalten
haben) von der öffentlichen Bekanntmachung seiner Auflegung an. Hat jedoch
die Konkursverwaltung über die Zulassung oder Abweisung einer angemeldeten
Forderung keine klare Entscheidung getroffen, so kann deswegen noch im
Anschluss an die Spezialanzeige über die Auflegung der Verteilungsliste
(Art. 263 Abs. 2 SchKG) Beschwerde geführt werden.

Sachverhalt

    A.- Am 24. Dezember 1957 wurde über Leo Lippuner in Flums der Konkurs
eröffnet. Am 28. Dezember 1957 fiel auch die Pharmexa AG, deren einziger
Verwaltungsrat Leo Lippuner war, in Konkurs. Am 17. Januar 1958 meldete
die Handelsbank Luzern AG auf Grund eines von Lippuner ausgestellten und
von der Pharmexa AG akzeptierten Wechsels im Konkurs über Lippuner eine
Forderung von Fr. 7723.25, im Konkurs über die Pharmexa AG eine solche von
Fr. 7704.25 an. (Die Differenz der Forderungsbeträge erklärt sich daraus,
dass ein Kostenbetrag von Fr. 19.- nur im Konkurs über Lippuner geltend
gemacht wurde.) Gemäss Veröffentlichung im Schweiz. Handelsamtsblatt
Nr. 166 vom 19. Juli 1958 legte das Konkursamt Sargans in beiden
Konkursen den Kollokationsplan vom 21. bis zum 30. Juli 1958 zur
Einsicht auf. Im Kollokationsplan für den Konkurs über Lippuner ist die
Forderung der Handelsbank Luzern AG unter der Ordnungsnummer 14 als in
5. Klasse zugelassen eingetragen. Im Kollokationsplan für den Konkurs
über die Pharmexa AG ist diese Forderung unter Nr. 13 lediglich als
angemeldet vorgemerkt. An der Stelle, wo der zugelassene Betrag anzugeben
gewesen wäre, findet sich ein Querstrich. In der Kolonne "Bemerkungen"
heisst es mit Bezug auf diese Forderung: "pro memoria in Konkurs Leo
Lippuner, berücksicht." (sic). Am Ende des Kollokationsplans wird unter
"Bestreitungen" nur die Forderung Nr. 23 (Schwegler) aufgeführt mit dem
Beifügen: "Im übrigen werden sämtliche Ansprachen, mit Einschluss der auf
einzelnen Massegegenständen haftenden dinglichen Rechte (Pfandrechte
und Dienstbarkeiten) nach Bestand, Höhe und Rang anerkannt". Eine
Spezialanzeige im Sinne von Art. 249 Abs. 3 SchKG wurde der Handelsbank
Luzern AG nicht zugestellt.

    B.- Am 8. Juni 1959 sandte das Konkursamt der Handelsbank AG die
Spezialanzeige über die Auflegung der Verteilungsliste (Art. 263 Abs. 2
SchKG). Darin stand mit Bezug auf die ihr zukommenden Dividenden:

    "1.  Konkurs Leo Lippuner ...

    Zugelassene Forderung, Zinsen & Kosten Fr. 7723.25

    Treffnis   Fr.  828.10

    Verlust   Fr. 6895.15

    2.  Konkurs Pharmexa AG

    Zugelassene Forderung, Zinsen & Kosten Fr. - - -

    Treffnis   Fr. - - -

    Verlust   Fr. - - -."

    C.- Hierauf führte die Handelsbank Luzern AG am 13.  Juni 1959
Beschwerde, mit der sie im wesentlichen beantragte, der Kollokationsplan
und die Verteilungsliste im Konkurs Pharmexa AG seien aufzuheben und das
Konkursamt sei anzuweisen, den Kollokationsplan und die Verteilungsliste
neu zu erstellen und dabei ihre Forderung gemäss Anmeldung zu kollozieren
und als dividendenberechtigt zu erklären.

    Die kantonale Aufsichtsbehörde hat die Beschwerde am 6. Juli
1959 abgewiesen mit der Begründung, der Verteilungsplan entspreche dem
Kollokationsplan, der rechtskräftig geworden sei, da die Beschwerdeführerin
es versäumt habe, ihn binnen der Frist von Art. 250 Abs. 1 SchKG durch
Klage anzufechten.

    D.- Diesen Entscheid hat die Beschwerdeführerin unter Erneuerung ihres
Beschwerdebegehrens an das Bundesgericht weitergezogen. Dieses schützt
ihren Rekurs im Sinne der nachfolgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Vorinstanz hat mit Recht angenommen, dass die im
Kollokationsplan enthaltenen Entscheidungen über die Konkursforderungen mit
dem unbenützten Ablauf der Frist von Art. 250 Abs. 1 SchKG rechtskräftig
werden, selbst wenn ein Gläubiger, dessen Forderung ganz oder teilweise
abgewiesen wurde, die in Art. 249 Abs. 3 SchKG vorgesehene Spezialanzeige
nicht oder zu spät erhalten hat (BGE 24 I 385 Erw. 3, 34 I 606 =
Sep.ausg. 1 S. 117 Erw. 3, 11 S. 176; BGE 68 III 143). Die eindeutige
Vorschrift von Art. 250 Abs. 1 SchKG will die Frist für die Anfechtung
des Kollokationsplans so regeln, dass sie an einem auf einfache Weise
feststellbaren Termin für alle Gläubiger zugleich abläuft. Das verbietet
die Annahme, dass die Klagefrist für die abgewiesenen Gläubiger erst
mit dem Empfang der Spezialanzeige im Sinne von Art. 249 Abs. 3 SchKG zu
laufen beginne. Bei dieser Bestimmung kann es sich vielmehr nur um eine
Ordnungsvorschrift handeln, deren Verletzung bloss Schadenersatzansprüche
begründen kann (vgl. die beiden zuerst angeführten Entscheide). Wäre
die Forderung der Rekurrentin im Kollokationsplan für den Konkurs über
die Pharmexa AG abgewiesen worden, so müsste sich die Rekurrentin, die
innert der erwähnten Frist nichts vorgekehrt hat, also damit abfinden,
dass sie in diesem Konkurse leer ausgeht.

    Es kann jedoch keine Rede davon sein, dass das Konkursamt die von
der Rekurrentin im Konkurs über die Pharmexa AG angemeldete Forderung
abgewiesen habe. Angesichts der im tatsächlichen Teil dieses Urteils unter
A wiedergegebenen Bemerkungen am Ende des Kollokationsplans könnte man sich
eher fragen, ob das Amt diese - zunächst nur pro memoria vorgemerkte -
Forderung schliesslich doch noch zugelassen habe. In Wirklichkeit fehlt
es jedoch an einer Entscheidung über die Anerkennung dieser Forderung,
wie Art. 245 SchKG sie verlangt. Als Entscheidung im Sinne dieser
Bestimmung kann nur eine Erklärung der Konkursverwaltung gelten, die
in unmissverständlicher Weise zu erkennen gibt, ob der betreffende
Gläubiger am Konkursergebnis teilnehmen soll oder nicht. Eine solche
Erklärung hat das Konkursamt im Konkurs über die Pharmexa AG bezüglich
der Forderung der Rekurrentin nicht abgegeben. Man weiss nicht sicher,
ob es diese Forderung im Konkurse über die Pharmexa AG endgültig oder
allenfalls "zur Zeit" (vgl. BGE 51 III 200 f.) abweisen oder im Gegenteil
grundsätzlich zulassen oder sich vorbehalten wollte, den Kollokationsplan
mit Bezug auf diese Forderung je nach dem Ergebnis des Konkurses über Leo
Lippuner gemäss Art. 59 Abs. 2 KV zu ergänzen. Lag somit hinsichtlich
dieser Forderung keine eindeutig auf Zulassung oder Abweisung lautende
Verfügung vor, so fehlte in diesem Punkte die Grundvoraussetzung für
eine von der Rekurrentin oder einem andern Gläubiger anzuhebende Klage
auf Anfechtung des Kollokationsplans gemäss Art. 250 SchKG, sodass die
Unterlassung einer solchen Klage der Rekurrentin nicht schaden kann. Dass
das Konkursamt die Forderung der Rekurrentin im Konkurs über die Pharmexa
AG zwar als angemeldet vormerkte, aber nicht in klarer Weise über ihre
Zulassung oder Abweisung verfügte, bedeutet einen formellen Mangel des
Kollokationsplans, der nicht durch Klage, sondern durch Beschwerde geltend
zu machen ist (vgl. BGE 41 III 280, 53 III 140, 54 III 275, 83 III 44, 81).

    Für die Beschwerde gegen den Kollokationsplan gilt nun allerdings
grundsätzlich die gleiche Frist wie für die Klage gemäss Art. 250
SchKG, d.h. die zehntägige Frist für diese Beschwerde ist für alle
Beteiligten vom Tage der öffentlichen Bekanntmachung der Auflegung des
Kollokationsplans an zu berechnen, sofern wenigstens der Plan an diesem
Tage aufgelegt worden ist (BGE 71 III 182/183 und dortige Hinweise). Die
so berechnete Frist war längst abgelaufen, als die Rekurrentin Beschwerde
führte. In Fällen wie dem vorliegenden kann diese Befristung der
Beschwerde jedoch nicht gelten. Der Umstand, dass der Kollokationsplan
im Konkurs über die Pharmexa AG mit Bezug auf die darin als angemeldet
eingetragene Forderung der Rekurrentin keine klare Entscheidung enthält,
hat zur Folge, dass dieser Plan als Grundlage für die Erstellung der
Verteilungsliste schlechterdings untauglich ist; denn es lässt sich daraus
eben nicht entnehmen, ob die Forderung der Rekurrentin bei der Verteilung
berücksichtigt werden soll oder nicht. Weist der Kollokationsplan einen
solchen Mangel auf, so muss die Beschwerde auch noch im Anschluss an die
Zustellung der Spezialanzeige über die Auflegung der Verteilungsliste
(Formular Nr. 10) zulässig sein. Die vorliegende Beschwerde ist also
rechtzeitig.

Erwägung 3

    3.- Der dem Kollokationsplan in Sachen Pharmexa AG anhaftende Mangel
kann entgegen der Auffassung der Rekurrentin selbstverständlich nicht
in der Weise behoben werden, dass das Konkursamt angewiesen wird, die
Forderung der Rekurrentin zu kollozieren und als dividendenberechtigt zu
erklären. Vielmehr ist das Konkursamt aufzufordern, die von ihm bisher
nicht getroffene Entscheidung über die Anerkennung dieser Forderung
nachzuholen, d.h. den Kollokationsplan durch eindeutige Zulassung oder
Abweisung dieser Forderung im Sinne von Art. 59 Abs. 2 KV zu ergänzen,
den ergänzten Kollokationsplan unter öffentlicher Bekanntmachung wieder
aufzulegen und im Falle, dass die Forderung der Rekurrentin endgültig
zugelassen werden sollte, die Verteilungsliste entsprechend abzuändern.