Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 III 81



85 III 81

19. Entscheid vom 3. März 1959 i.S. Wäspe. Regeste

    1.  Miteigentumsanteil an einem Grundstück. Verwertung:

    a)  Für das Verwertungsbegehren gilt die Frist, wie sie Art. 116 SchKG
für das Begehren um Verwertung einer gepfändeten Liegenschaft vorsieht
(Erw. 1).

    b)  Voraussetzungen der Anordnung einer öffentlichen Versteigerung
der ganzen Liegenschaft nach Art. 73, b VZG (Erw. 2).

    2.  Den vom Gläubiger zu leistenden Kostenvorschuss (Art. 68
SchKG) darf das Betreibungsamt erhöhen, wenn sich der zuerst verlangte
Betrag bei neuer Prüfung des zu erwartenden Aufwandes, namentlich
bei genauerer Bestimmung der zu treffenden Massnahmen (hier: für eine
Liegenschaftsverwertung) als ungenügend erweist (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- In der von Wäspe gegen Frau Kunz angehobenen Betreibung pfändete
das Betreibungsamt Altstätten am 15. März 1958 den Miteigentumsanteil der
Schuldnerin an einer Liegenschaft und bemerkte in der Pfändungsurkunde, das
Verwertungsbegehren könne vom 15. April 1958 bis 14. März 1959 gestellt
werden. Der Gläubiger verlangte die Verwertung am 15. April 1958 und
zahlte am 23. April den vom Betreibungsamt verlangten Kostenvorschuss
von Fr. 80.- ein. Infolge eines Verwertungsaufschubs erhielt er diesen
Vorschuss am 7. August zurück. Da die Schuldnerin aber die Bedingungen
des Aufschubes nicht einhielt, leistete der Gläubiger jenen Vorschuss
im November nochmals, um die Verwertung zu erwirken. Als hierauf
die vom Betreibungsamt um die Bestimmung des Verfahrens angegangene
Aufsichtsbehörde die Versteigerung der ganzen Liegenschaft anordnete, sah
sich das Betreibungsamt veranlasst, den Vorschuss höher zu bemessen. Es
bestimmte ihn auf Fr. 400.-- und benachrichtigte den Gläubiger zugleich
von der durch die Aufsichtsbehörde getroffenen Anordnung.

    B.- Der Gläubiger kam dieser Vorschussverfügung nicht nach, sondern
focht sie durch Beschwerde an. Den diese abweisenden Entscheid der untern
Aufsichtsbehörde zog er weiter "wegen Nichtdurchführung der Verwertung
und Überforderung des Kostenvorschusses", was eine Rechtsverweigerung
bedeute. Zur Begründung führte er aus, die Kosten der Verwertung seien
seit dem Verwertungsbegehren keineswegs um das Fünffache gestiegen. Da
das Betreibungsamt seinerzeit einen Vorschuss von Fr. 80- als angemessen
erachtet habe, sei es verpflichtet, die Verwertung nun infolge dieser
Vorschussleistung durchzuführen. Die obere Aufsichtsbehörde bestätigte
jedoch am 30. Januar 1959 den erstinstanzlichen Beschwerdeentscheid.

    C.- Mit vorliegendem Rekurs an das Bundesgericht beharrt Wäspe
darauf, dass "die Verwertung gemäss geleistetem Vorschuss von Fr. 80.-
durchzuführen" sei. Er erneuert die früher vorgebrachte Begründung und fügt
bei: "Wenn das Betreibungsamt und die Aufsichtsbehörde behaupten wollen,
es sei die ganze Liegenschaft zu versteigern, ist mir das unverständlich,
da ein nicht gepfändeter Gegenstand meines Erachtens nicht versteigert
werden darf."

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 116 SchKG kann die Verwertung einer gepfändeten
Liegenschaft frühestens sechs Monate und spätestens zwei Jahre nach
der Pfändung verlangt werden. Was für die Liegenschaft als solche, gilt
auch für einen Miteigentumsanteil daran, wie denn die Vorschriften der
Verordnung über die Zwangsverwertung von Grundstücken ausdrücklich als
auch auf Miteigentumsanteile an Grundstücken anwendbar erklärt worden sind
(Art. 1 Abs. 1 VZG), im Unterschied zu Anteilen an Gemeinschaftsvermögen
(Gesamteigentum), gleichgültig ob dieses Grundstücke mitumfasst oder
sogar ausschliesslich aus einem oder mehreren Grundstücken besteht
(Art. 1 Abs. 2 VZG). Dem entspricht es, dass zur Pfändung und Verwaltung
des Miteigentumsanteils an einem Grundstück stets das Betreibungsamt der
gelegenen Sache zuständig ist (Art. 23 und 24 VZG), während der Anteil an
einem im Gesamteigentum stehenden Grundstück, gleichgültig wo dieses liegt,
am Wohnort des Schuldners zu pfänden ist (Art. 2 VVAG). Infolgedessen
untersteht die Verwertung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück
namentlich auch dem eingangs erwähnten Art. 116 SchKG, wobei dann für den
Verwertungsvollzug die besonderen Vorschriften des Art. 73 VZG und der
Ziffern 31 ff. der Anleitung zur VZG zu beachten sind. Im vorliegenden
Fall hätte die Verwertung also frühestens am 15. September 1958 verlangt
werden dürfen, und hierauf hätte die Schuldnerin unter den Voraussetzungen
der Art. 123/133 SchKG und 32 VZG einen Aufschub erlangen können, wie
er ihr mit Rücksicht auf das vom Betreibungsamt nicht zurückgewiesene
verfrühte Verwertungsbegehren bereits im Mai 1958 für vier Monate bewilligt
wurde. Nun mag zwar das über den 15. September 1958 hinaus aufrecht
erhaltene Verwertungsbegehren als an diesem Tag erneuert gelten. Da aber
die seinerzeit erfolgte Befristung der Abzahlungsraten nach dem Gesagten
der rechtlichen Grundlage entbehrte, bleibt der Schuldnerin vorbehalten,
die Rechtswohltat des Art. 123 SchKG neuerdings in Anspruch zu nehmen,
sofern sie deren Bedingungen zu erfüllen bereit ist.

Erwägung 2

    2.- Erst im Rekurs an das Bundesgericht wendet sich der Gläubiger
gegen die "Behauptung" von Betreibungsamt und Aufsichtsbehörde, es sei die
ganze Liegenschaft zu versteigern. Er erklärt, es wäre gesetzwidrig und
willkürlich, etwas zu versteigern, was nicht gepfändet wurde. Zunächst
ist fraglich, ob dieser neue Beschwerdepunkt noch in Betracht zu ziehen
sei (Art. 79 Abs. 1 Satz 2 OG). Abgesehen davon indessen, dass ein von
Amtes wegen zu beachtender Nichtigkeitsgrund in Frage steht, hat der
Gläubiger erst aus dem Entscheid der obern kantonalen Aufsichtsbehörde
deutlich ersehen können, dass die Liegenschaft als Ganzes, nicht
bloss der einzig gepfändete Miteigentumsanteil der Schuldnerin zur
Versteigerung kommen solle. Weder der Hinweis auf die von der untern
Aufsichtsbehörde angeordnete Art des Verfahrens in der Aufforderung des
Betreibungsamtes vom 24. Dezember 1958 zur Einsendung eines Vorschusses,
noch die Ausführungen des erstinstanzlichen Beschwerdeentscheides
hatten dies klar und eindeutig ausgesprochen. Die vom Gläubiger wegen
der Verwertungsart erhobene Rüge ist jedoch unbegründet. Aus den
vom Bundesgericht gemäss Art. 81 OG beigezogenen weitern amtlichen
Akten ergibt sich, dass die Liegenschaft im alleinigen Miteigentum der
Schuldnerin und ihres Ehemannes steht, dass gegen beide Miteigentümer
Betreibungen laufen und beide Miteigentumsanteile gepfändet sind,
und dass die Liegenschaft verpfändet ist. Unter diesen Umständen hat
das Betreibungsamt mit Recht nach Art. 132 SchKG und Art. 73, b VZG die
Aufsichtsbehörde um Bestimmung des Verfahrens angegangen. Freilich schreibt
Art. 73,b VZG vor, die Aufsichtsbehörde solle zunächst eine Verständigung
unter den andern Miteigentümern und den Pfandgläubigern über die Auflösung
des Miteigentumsverhältnisses herbeizuführen suchen (vgl. BGE 65 III
84). Wenn die Aufsichtsbehörde im vorliegenden Falle davon absah, hat
sie jedoch, da die Anteile beider Miteigentümer gepfändet sind, das ihr
nach Art. 132 Sch KG zustehende Ermessen nicht überschritten (vgl. BGE
68 III 181 ff.). Bei der gegebenen Sachlage kommt auch eine körperliche
Teilung der Liegenschaft nicht in Frage, die aus einem Wohnhaus mit einem
Platz von 62 m2 Fläche besteht. Somit bleibt nach Art. 73,b VZG nur die
Versteigerung der ganzen Liegenschaft übrig, und zwar die öffentliche
Versteigerung, da eine solche unter den Miteigentümern eine Mehrzahl
von Beteiligten ausser dem Schuldner voraussetzen würde (BGE 51 III 110,
79 III 28 am Ende von Nr. 7).

Erwägung 3

    3.- Was die Bemessung des Kostenvorschusses betrifft, handelt es sich
um eine vom Bundesgericht nicht nachzuprüfende Frage der Angemessenheit
(Art. 19 im Gegensatz zu den für die kantonalen Beschwerdeinstanzen
geltenden Art. 17 und 18 SchKG). Nur Missbrauch oder offensichtliche
Überschreitung des Ermessens wäre als Gesetzwidrigkeit zu bezeichnen. Von
einem solchen Verstosse kann jedoch bei der vorliegenden Vorschussbemessung
nicht gesprochen werden. Die Abrechnung über die wirklichen Kosten bleibt
ohnehin vorbehalten. Zu Unrecht beruft sich der Gläubiger auf die früher
erfolgte Bemessung auf Fr. 80.-, die er bei gleichgebliebenem Kostenstand
für unabänderlich hält. Die Vorschusspflicht nach Art. 68 SchKG bezieht
sich auf die wirklichen (oder, wenn nicht genau bestimmbar, vermutlich zu
erwartenden) Kosten der auszuführenden Amtshandlungen. Die Bemessung des
Vorschusses unterliegt daher der Berichtigung, wenn sie sich bei neuer
Prüfung, zumal bei genauerer Festlegung des einzuzahlenden Vorgehens,
als zur Deckung des bevorstehenden Aufwandes ungenügend erweist.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.