Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 III 19



85 III 19

5. Entscheid vom 13. Januar 1959 i.S. Köhli und Jeger. Regeste

    Unpfändbare Berufswerkzeuge gemäss Art. 92 Ziff. 3 SchKG.  Beruf oder
Unternehmung? Bedeutung des Wertverhältnisses zwischen der persönlichen
Arbeit des Schuldners und andern Erwerbsfaktoren. Diese fallen bei blosser
Nebene erbstätigkeit stärker ins Gewicht. Gelegentliche Fuhrungen für
Dritte durch einen Landwirt mittels eines Lastwagens von beträchtlichem
Wert ist Unternehmung. Möglichkeit andern Nebenverdienstes.

Sachverhalt

    A.- Im Konkurs über Hans Köhli in Grenchen, der als Pächter ein
kleines Landgut von etwa 4 1/2 Jucharten bewirtschaftet, beliess das
Konkursamt dem Gemeinschuldner zwei Kühe, ein Rind und Schweine sowie
landwirtschaftliche Geräte als Kompetenzstücke. Da der Schuldner für
den Unterhalt seiner betagten Eltern aufkommt und monatlich Fr. 340.--
an seine getrennt von ihm lebende Familie, Ehefrau und vier minderjährige
Kinder, zu leisten hat, ist er auf einen Nebenverdienst angewiesen. Er
verschaffte sich diesen bisher durch Ausführung von Transporten mit dem
vor einigen Jahren angeschafften Mehrzweckfahrzeug "Unimoc". Es handelt
sich namentlich um Brennholztransporte für die Bürgergemeinde Grenchen und
um Schneeräumungsarbeiten für die Bauverwaltung der Stadt Grenchen. Mit
Rücksicht hierauf beliess ihm das Konkursamt den "Unimoc", den es auf Fr.
4000.-- schätzte, ebenfalls als Kompetenzstück.

    B.- An der ersten Gläubigerversammlung vom 4. November 1958
erhielten die Gläubiger Kenntnis von dieser Verfügung. Zwei Gläubiger,
die heutigen Rekurrenten, führten am 13. gleichen Monats Beschwerde
mit dem Begehren, das Mehrzweckfahrzeug "Unimoc" sei zu admassieren und
nicht als Kompetenzstück zu bezeichnen. Sie machten geltend, den kleinen
Landwirtschaftsbetrieb könne der Schuldner auch ohne ein solches Fahrzeug
führen; für ein blosses Nebengewerbe könne er aber keine Kompetenzstücke
beanspruchen. Übrigens wäre die Ausführung solcher Transporte nicht als
Beruf, sondern als Unternehmung zu betrachten und der Kompetenzanspruch
auch aus diesem Grunde zu verneinen. Der "Unimoc" sei vor wenigen Jahren
für Fr. 16'000.-- angekauft worden, und die konkursamtliche Schätzung
des Wertes auf Fr. 4000.-- sei als sehr vorsichtig zu bezeichnen. Man
habe es also mit einem beträchtlichen Kapitalwert zu tun, so dass der
gewerbliche Gebrauch dieses Fahrzeuges den Rahmen einer beruflichen
Betätigung überschreite.

    Der Vernehmlassung des Konkursamtes ist zu entnehmen, bei der
Schätzung des Fahrzeuges sei vom Anschaffungswert ausgegangen worden;
man habe diesen Wert, wie es im Handel mit Motorfahrzeugen üblich sei,
um die Abschreibungsziffern nach den Gebrauchsjahren herabgesetzt. Das
Fahrzeug sei bereits fünf Jahre alt und stark strapaziert worden. Der
angenommene Liquidationswert von Fr. 4000.-- liege an der obern Grenze
des vermutlich bei einer Verwertung zu erzielenden Preises.

    C.- Mit Entscheid vom 13. Dezember 1958 hat die kantonale
Aufsichtsbehörde die Beschwerde abgewiesen.

    D.- Die beschwerdeführenden Gläubiger haben diesen Entscheid an das
Bundesgericht weitergezogen. Sie halten am Begehren der Beschwerde fest.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Die Vorinstanz verneint die Kompetenzqualität des zur Gattung der
Lastwagen zu zählenden "Mehrzweckfahrzeugs" für den vom Gemeinschuldner
hauptsächlich ausgeübten Beruf eines Landwirtes, weil er ein derartiges
Fahrzeug für seinen Betrieb nicht nötig habe. Dagegen lässt der
angefochtene Entscheid dieses Fahrzeug als Kompetenzstück gelten für
die vom Gemeinschuldner damit nebenbei, zur Erzielung eines zusätzlichen
Verdienstes, für Dritte ausgeführten Transporte. Im ersten Punkte muss
es beim angefochtenen Entscheid bleiben, da die Entbehrlichkeit des
"Unimoc" für den Kleinbetrieb des Schuldners im wesentlichen auf der
Feststellung tatsächlicher Verhältnisse beruht und im übrigen ein
solches Hilfsmittel erfahrungsgemäss nicht zur üblichen Ausrüstung
kleiner landwirtschaftlicher Betriebe gehört. Was aber die Bedeutung
des "Unimoc" für die Nebenerwerbstätigkeit des Schuldners betrifft,
kann der rechtlichen Betrachtungsweise der Vorinstanz nicht beigetreten
werden. Allerdings hat nicht bloss die hauptsächliche Erwerbstätigkeit
als "eigentlicher Beruf" im Sinne von Art. 92 Ziff. 3 SchKG zu gelten
(wovon noch BGE 24 I 728 ausging). Vielmehr kommt der Schutz dieser
Vorschrift auch einem Nebenberuf zu, sofern der Schuldner auf den damit
erzielbaren Verdienst angewiesen ist und die allgemeinen Voraussetzungen
des Kompetenzanspruchs für die in Frage stehende Sache zutreffen (vgl. BGE
73 III 60/61, 75 III 95, 78 III 159, 81 III 139, 84 III 97). Sodann ist in
neuerer Zeit entschieden worden, dass das mit einem Lastwagen ausgeübte
Transportgewerbe nicht, wie früher angenommen, wegen des im Lastwagen
steckenden kapitalistischen Erwerbsfaktors stets als Unternehmung zu
betrachten ist, sondern je nach den konkreten Verhältnissen Unternehmung
oder dem Art. 92 Ziff. 3 SchKG unterstehender Beruf sein kann (BGE 82 III
108). Im Unterschied zum Fall des soeben erwähnten Entscheides, wo es sich
um die einzige Erwerbstätigkeit des Schuldners mit einem auf Fr. 1000.--
geschätzten Wagen handelte, hat man es jedoch hier mit einem auf den
Gantwert von Fr. 4000.-- geschätzten Wagen zu tun, der dem Schuldner bloss
zur Ausübung eines offenbar wenig einträglichen Nebengewerbes dient. Bei
der Beurteilung der Frage, ob der Schuldner einen Beruf ausübe oder eine
Unternehmung betreibe, kann von Bedeutung sein, ob er hauptsächlich oder
nur nebenbei auf solche Art tätig ist. Je nachdem ist das Wertverhältnis
zwischen der persönlichen Betätigung und der Nutzung eines Kapitals
verschieden. Es ist daher nicht nur auf die Art, sondern auch auf die
Menge der geleisteten Arbeit Bedacht zu nehmen. Die Verwendung eines so
erheblichen mechanischen Hilfsmittels, wie es der "Unimoc" im vorliegenden
Falle darstellt, für bloss nebenbei ausgeführte Transporte kann nicht mehr
als Beruf gelten, bei dessen Ausübung die persönliche Arbeit des Schuldners
vorherrschend sein muss (BGE 63 III 82, 77 III 73/74, 81 III 139). Der
Unternehmungscharakter des vom Gemeinschuldner betriebenen Nebengewerbes
tritt um so deutlicher in Erscheinung, wenn man bedenkt, dass für Art und
Erfolg eines Betriebes nicht der Gantwert, sondern der Gebrauchswert der
dabei verwendeten Hilfsmittel entscheidend ist. Um ihn zu bestimmen, ist
auf den vom Schuldner ausgelegten Anschaffungspreis zurückzugehen, der hier
nach der vom Konkursamt nicht bestrittenen Angabe der Beschwerdeschrift
Fr. 16'000.-- betrug. Die im Lauf der Jahre eingetretene Wertverminderung
infolge "starker Strapazierung" des Fahrzeuges hat den Charakter des
Betriebes nicht verändert - sonst müssten kleine Unternehmungen, wenn
sie ihre Einrichtungen, solange es einigermassen geht, im alten Bestande
belassen, lediglich wegen Entwertung derselben zu Berufen werden. Übrigens
ist auch der vom Konkursamt auf Fr. 4000.-- geschätzte Gantwert noch so
beträchtlich, dass das Fahrzeug bei der Verwendung für einen Nebenerwerb
keineswegs als blosses Berufsgerät bezeichnet zu werden verdient.

    Im übrigen wäre dem Schuldner, selbst wenn man seine Nebenbetätigung
mit dem "Unimoc" nicht als Unternehmung betrachten müsste, nicht
zu gestatten, dieses beträchtliche Vermögensstück (nach den
Beschwerdevorbringen "das wichtigste Aktivum des Konkursiten")
den Gläubigern vorzuenthalten. Gewiss ist er nach vorinstanzlicher
Feststellung im Hinblick auf seine Unterhaltspflichten auf Nebenverdienst
angewiesen. Allein es ist nicht einzusehen, wieso er, um zu solchem
Verdienste zu kommen, sich gerade mit Fuhrungen, zudem mit einem eigenen
teuren Fahrzeug, sollte betätigen müssen. Es dürfte nicht schwer sein,
in Grenchen einen andern Nebenerwerb zu finden.

Entscheid:

        Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben
und festgestellt, dass das Mehrzweckfahrzeug "Unimoc" nicht Kompetenzstück
ist, sondern zum Konkursvermögen gehört.