Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 85 III 124



85 III 124

29. Entscheid vom 4. September 1959 i.S. Utiger. Regeste

    Betreibungskosten. Sie können nicht allein Gegenstand des
Rechtsvorschlages sein. Liegt aber ein gültiger Rechtsvorschlag betreffend
die Forderung oder deren Vollstreckbarkeit vor, so umfasst er auch die
Kostentragung. Art. 68 und 74 SchKG.

    Vergleich im Forderungs-, allenfalls Aberkennungsprozess.  Er kann
sich auch auf das Mass der vom Schuldner zu tragenden Betreibungskosten
beziehen. Soweit der Rechtsvorschlag durch den Vergleich nicht
beseitigt ist, steht er einer Fortsetzung der Betreibung (hier: durch
Konkursandrohung) weiterhin entgegen. Art. 79 und 83 Abs. 2 SchKG.

Sachverhalt

    A.- In der von Witwe Kalmbach und Mitbeteiligten als Erbengemeinschaft
gegen Utiger eingeleiteten Betreibung Nr. 75 668 des Betreibungsamtes
Arlesheim für Fr. 16'700.-- nebst Zins zu 5% seit 15. März 1958
erhob der Schuldner in vollem Umfange Rechtsvorschlag. Die Gläubiger
verlangten für einen Teilbetrag von Fr. 4000.-- nebst Zins provisorische
Rechtsöffnung, die ihnen am 18. August 1958 erteilt wurde. Während des
über diese Teilforderung angehobenen Aberkennungsprozesses erwirkten die
Gläubiger am 19. September 1958 beim Richter die Anordnung der Aufnahme
eines Güterverzeichnisses. In Ziffer 3 der richterlichen Verfügung wurde
bestimmt: "Der Beklagte (d.h. der Schuldner) trägt im Sinne von Art. 68
SchKG die Verfahrenskosten von Fr. 23.- ... und hat der Klägerschaft
eine Parteientschädigung von Fr. 30.- zu bezahlen". Utiger ersetzte den
Gläubigern diese Verfahrenskosten von Fr. 53.- am 31. Oktober 1958. Das
Betreibungsamt nahm das Güterverzeichnis unter Beiziehung eines Schätzers
auf und stellte am 16. Oktober 1958 den Gläubigern Rechnung im Betrage
von Fr. 269.60, den sie am 25. Oktober 1958 denn auch entrichteten.

    B.- Im Aberkennungsprozesse kam es am 13. Februar 1959 zum
"Teilrückzug" der Klage für den Forderungsbetrag von Fr. 3700.-- "unter
Übernahme der Kosten". Das Gericht schrieb hierauf den Rechtsstreit
inbezug auf den genannten Betrag ab und verfügte:

    "... 2. Für diesen Teilbetrag von Fr. 3700.-- nebst Zins zu 5%
seit 15.3.58 sowie für die Kosten des Zahlungsbefehls von Fr. 16. 10
und für 9/10 der Rechtsöffnungskosten, also Fr. 23.85, und 9/10 der
Parteientschädigung, also Fr. 54.-, wird damit die ... provisorische
Rechtsöffnung zur definitiven.

    3. Dem Aberkennungskläger werden 9/10 der bisher ergangenen
ordentlichen Kosten im Betrag von Fr. 51.05 .. .'also Fr. 45.95,
auferlegt. Über die restlichen Kosten entscheidet der Einzelrichter bei
der Beurteilung der noch offenen Fr. 300.-- der eingeklagten Forderung.

    Ausserdem hat der Aberkennungskläger die Beklagten eine
Teil-Parteientschädigung von Fr. 120. - zu bezahlen."

    C.- Über die streitig gebliebenen Fr. 300.-- nebst Zins schlossen
die Parteien am 27. Mai 1959 folgenden gerichtlichen Vergleich, der zur
Abschreibung des Rechtsstreites führte:

    "I. Der Kläger zieht ... für einen weiteren Betrag von Fr. 200.--
nebst Zins zu 5% seit 15.3.58 die Aberkennungsklage zurück.

    II. Die Beklagten anerkennen für einen Teilbetrag von Fr. 100.--
nebst Zins zu 5% seit 15.3.58 die Aberkennungsklage.

    III. Die Parteien übernehmen den restlichen Zehntel der
Rechtsöffnungskosten, also Fr. 2.65, und den restlichen Zehntel der bis zum
13. 2.1959 sowie die seit dem 13.2.59 aufgelaufenen gerichtlichen Kosten
von Fr. 60.05 wie folgt: der Kläger zwei Drittel, Beklagter einen Drittel.

    Die restlichen ausserordentlichen Kosten sind wettzuschlagen."

    D.- Gestützt hierauf erstellte das Bezirksgericht Arlesheim am 8. Juni
1959 eine Abrechnung zuhanden beider Parteien, der zu entnehmen ist:

    "Kläger (d.h. der Schuldner und Aberkennungskläger)

    hat Gerichtskostenvorschuss bezahlt  100.--

    trägt gemäss Vergleich vom 13.2:

    Zahlungsbefehlskosten 16.10

    9/10 Rechtsöffnungskosten 23.85

    9/10 Parteientschädigung 54.-

    9/10 Aberkennungskosten 45.95

    Teil-Parteientschädigung 120.--

    trägt gemäss Vergleich vom 27. 5.:

    2/3 restl. Zehntel Rechtsöffnungskosten 1.75

    2/3 restl. Zehntel Aberkennungskosten 3.40

    2/3 der seit 13.2. aufgelaufenen Kosten 36.65

    zahlt an uns (Nachnahme)  6.-

    schuldet an Beklagte an Kosten  195.70

    301.70 301.70

    Beklagte

    haben.....

    vom Kläger an Kosten zu gut 195.70
      ........."

    E.- Der Schuldner leistete den Gläubigern folgende Zahlungen (auf
Postcheckkonto):

    am 30. April 1959 Fr. 4000.--

    am 20. Juni 1959 "   310.05

    zusammen Fr. 4310.05

    Er berechnet die Forderung der Gläubiger wie folgt:

    Kapital Fr. 3900.--

    Zins zu 5% vom 15.3.58 bis zur Zahlung

    (30.4.59) "   220.--

    Gerichtskosten "   195.70

    zusammen Fr. 4315.70

    wovon er die ihm selbst gemäss Vergleich zuste-

    hende Zinsforderung abzog (5% von Fr. 100.--

    vom 15.3.58 bis 30.4.59) "     5.65

    Restforderung Fr. 4310.05

    F.- Am 23. Juni 1959 stellten die Gläubiger in der Betreibung Nr. 75
668 für eine ihnen, wie sie annahmen, noch zustehende Mehrforderung von
Fr. 282.75 nebst Zins zu 5% seit 9. Juni 1959 das Fortsetzungsbegehren
und erwirkten die Zustellung einer Konkursandrohung.

    G.- Mit rechtzeitiger Beschwerde verlangte der Schuldner deren
Aufhebung mit Berufung auf die vollständige Erfüllung der gerichtlichen
Vergleiche. Die Gläubiger hielten an der Konkursandrohung fest und
begründeten die Mehrforderung von Fr. 282.75 wie folgt:

    a) Zinsdifferenz auf dem Kapital von Fr. 3900.--

    (weil die Zahlung erst am 5. Mai 1959 einge-

    gangen sei) Fr.   7.50

    b) Von den Gläubigern entrichtete Kosten der

    Aufnahme des Güterverzeichnisses " 269.60

    c) Nichtanerkennung der Zinsforderung des

    Schuldners "   5.65

    Fr. 282.75

    H.- Die kantonale Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerde durch Entscheid
vom 12. August 1959 teilweise gut durch Streichung der Forderungsposten von
Fr. 7.50 und Fr. 5.65, liess dagegen die Fortsetzung der Betreibung für den
Betrag von Fr. 269.60 zu, weil es sich dabei um zulasten des Schuldners
gehende Betreibungskosten handle. Sie wies das Betreibungsamt an, in der
Konkursandrohung a) den Forderungsbetrag auf Fr. 269.60 herabzusetzen,
b) als Kostenbetrag nur denjenigen der Konkursandrohung selbst anzuführen.

    I.- Gegen diesen Entscheid richtet sich der vorliegende Rekurs des
Schuldners, der am Begehren um Aufhebung der Konkursandrohung in vollem
Umfange festhält.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Da die Gläubiger den vorinstanzlichen Entscheid nicht angefochten
haben, ist über die Zulässigkeit der Konkursandrohung nur mehr inbezug
auf den Betrag von Fr. 269.60, nämlich der betreibungsamtlichen Kosten
für die Aufnahme des vom Richter angeordneten Güterverzeichnisses, zu
entscheiden. Insoweit hält die Vorinstanz die Fortsetzung der Betreibung
Nr. 75 668 für zulässig, weil es sich um Betreibungskosten im Sinne von
Art. 68 SchKG handle. Wie es sich damit verhält, kann jedoch dahingestellt
bleiben, weil der vom Schuldner erhobene umfassende Rechtsvorschlag in
dieser Hinsicht nicht beseitigt worden ist.

    Freilich wäre ein bloss die Betreibungskosten betreffender
Rechtsvorschlag nicht zulässig und daher unbeachtlich (BGE 77 III 7). Der
Rechtsvorschlag richtet sich seinem Begriffe nach gegen die in Betreibung
stehende Forderung nach Bestand und Höhe wie auch gegen das Recht,
sie auf dem Betreibungswege geltend zu machen (Art. 69 Abs. 2 Ziff. 3
SchKG). Anerkennt der Schuldner die Forderung in Haupt- und Zinsbetrag wie
auch die Zulässigkeit des Betreibungsweges, d.h. die Fälligkeit und die
sonstigen Voraussetzungen der rechtlichen Einforderung durch Betreibung,
so steht ihm nicht zu, sich der Belastung mit den Betreibungskosten
nach Art. 68 SchKG zu widersetzen. Vorbehalten bleibt ihm insoweit nur
die Beschwerdeführung wegen ungerechtfertigter Kostenerhebung überhaupt
oder wegen unrichtiger Kostenbemessung (Art. 16 ff. des Gebührentarifs
zum SchKG).

    Dagegen umfasst ein die Forderung und deren Vollstreckbarkeit
betreffender Rechtsvorschlag ohne weiteres auch die Kostenbelastung als
Nebenfolge der Betreibung. Wird der Rechtsvorschlag nicht beseitigt,
so bleibt es bei der vorschussweisen Bezahlung der Betreibung durch
den Gläubiger, und es ist eine Fortsetzung der Betreibung bloss für die
Betreibungskosten ausgeschlossen. Deren Geltendmachung als Nebenfolge
ist in diesem Fall eben nicht minder ungerechtfertigt als die durch den
Rechtsvorschlag wirksam verhinderte Eintreibung der Forderung selbst.

    Im vorliegenden Falle haben die Gläubiger nun allerdings für
einen Teilbetrag der in Betreibung gesetzten Forderung provisorische
Rechtsöffnung erlangt und gestützt darauf vom Richter gemäss Art. 83
Abs. 1 und Art. 162 ff. SchKG die Aufnahme eines Güterverzeichnisses
bewilligt erhalten, die das Betreibungsamt hierauf vollzog. Ferner hat der
Aberkennungsprozess zur vergleichsweisen Anerkennung einer Forderung von
Fr. 3900.-- mit Zins zu 5% seit 15. März 1938 und zu entsprechender, näher
festgesetzter teilweisen Kostenübernahme durch den Schuldner geführt. Die
sich aus diesen Vergleichen ergebenden Verpflichtungen sind jedoch nach der
insoweit vor Bundesgericht nicht angefochtenen Entscheidung der Vorinstanz
gänzlich erfüllt worden. Ein Recht auf Fortsetzung der Betreibung lässt
sich daher nicht aus den erwähnten Vergleichen und den anschliessenden
gerichtlichen Abschreibungsverfügungen herleiten. Im übrigen aber ist der
Rechtsvorschlag aufrecht geblieben, so dass die Fortsetzung der Betreibung
durch Androhung des Konkurses für den in Frage stehenden Kostenbetrag,
den der Schuldner nicht wie die Kosten des Zahlungsbefehls zu seinen
Lasten übernommen hat, sich als unstatthaft erweist. Dem kann nicht
mit Grund entgegengehalten werden, die Stellungnahme des Schuldners
laufe darauf hinaus, einen auf Betreibungskosten (sofern es sich
entgegen seiner Ansicht um solche handeln sollte) beschränkten, also
unzulässigen Rechtsvorschlag aufrechtzuerhalten. Der von ihm erhobene
Rechtsvorschlag betraf die Forderung und erfasste damit, wie dargetan,
auch den Kostenpunkt. In eine vergleichsweise Regelung konnten alsdann sehr
wohl auch die Betreibungs- und andere Kosten einbezogen werden. Nichts
hinderte den Schuldner, hiebei die ganzen Zahlungsbefehlskosten (statt
nur der auf einen Forderungsbetrag von Fr. 3900.-- entfallenden) und
ausserdem die Kosten des Aberkennungsprozesses (ganz oder teilweise)
zu übernehmen; ebenso stand den Gläubigern ein mehr oder weniger weit
gehender Verzicht im Kostenpunkte frei, sei es dass sie sich mit einem
kleinen Bruchteil begnügten oder dass sie davon absahen, einzelne Posten
des Verfahrensaufwandes dem Schuldner zu belasten.

    Das Stillschweigen der Vergleiche vom 13. Februar 1959
("Teilrückzug") und 27. Mai 1959 über die vom Gläubiger im Oktober
des Vorjahres ausgelegten betreibungsamtlichen Kosten der Aufnahme des
Güterverzeichnisses lässt verschiedene Deutungen zu. In Frage kommt ein
Verzicht der Gläubiger, den Schuldner mit diesem Aufwand besonderer Art
(wobei sich anscheinend eine mehrfache Deckung ihrer Forderung ergab) zu
belasten. Die Nichteinbeziehung dieser Kosten in den Vergleich kann aber
auch darauf zurückzuführen sein, dass hierüber keine Einigung zustande kam,
wobei den Gläubigern die Anrufung des Richters vorbehalten bliebe. Endlich
mag dieser mehrere Monate zurückliegende Aufwand bei den Gläubigern in
Vergessenheit geraten sein. In diesem Fall hätte man es mit einem durch
die Vergleiche nicht geordneten, daher gleichfalls einer nachträglichen
Verständigung oder der gerichtlichen Beurteilung vorbehaltenen Punkte zu
tun. Jedenfalls muss, solange keine rechtskräftige Erledigung vorliegt,
der nicht über den Bereich der gerichtlichen Vergleiche hinaus beseitigte
Rechtsvorschlag als fortbestehend gelten.

    Wäre nur streitig, ob man es mit Betreibungskosten im Sinne von Art. 68
SchKG zu tun habe, und der Schuldner für den Fall, dass dies zutreffe,
bereit, den Gläubigern den Betrag von Fr. 269.60 zu ersetzen, so könnte
der Streitfall zwar allenfalls von den Aufsichtsbehörden entschieden
werden. Nun wird den Gläubigern aber vorgehalten, die Aufnahme eines
Güterverzeichnisses unnützerweise verlangt zu haben, um es als Druckmittel
gegen den Schuldner benützen zu können. Dieser verneint eine ihn treffende
Ersatzpflicht ohne Rücksicht auf die Rechtsnatur dieser Kosten aus Gründen
des Zivilrechts, aus dem Gesichtspunkt einer rechtsmissbräuchlichen
(versuchten oder bewirkten) Schädigung, worüber zu entscheiden den
Aufsichtsbehörden nicht zusteht.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid, soweit
er die Beschwerde des Schuldner abweist, aufgehoben, ebenso die von der
Vorinstanz in der Betreibung Nr. 75 668 des Betreibungsamtes Arlesheim
für Fr. 269.60 aufrecht erhaltene Konkursandrohung.