Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 I 92



83 I 92

14. Urteil vom 13. Februar 1957 i.S. Moser gegen Kantone Basel-Stadt
und Basel-Landschaft. Regeste

    Doppelbesteuerung.

    Welchem Kanton steht die Besteuerung der Gratifikation zu, die
einem Steuerpflichtigen, der seinen Wohnsitz während des Steuerjahres in
einen andern Kanton verlegt, vor dem Wegzug vom Arbeitgeber ausgerichtet
worden ist?

Sachverhalt

    A.- Der Beschwerdeführer Werner Moser ist Direktor der Firma Ruhr &
Saar-Kohle AG in Basel. Als solcher erhält er einen festen Monatsgehalt und
eine Gratifikation, die jeweils nach Abschluss des mit dem Kalenderjahr
zusammenfallenden Geschäftsjahrs, d.h. im Frühjahr, vom Verwaltungsrat
festgesetzt und hierauf ausbezahlt wird.

    Am 1. Juli 1952 verlegte der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz von
Basel nach Binningen (Kanton Basel-Landschaft). In der am gleichen Tag
abgegebenen Steuererklärung für das erste Halbjahr 1952 gab er als sein
in diesem Zeitraum in Basel erzieltes Erwerbseinkommen den für die Monate
Januar bis Juni bezogenen Gehalt und die ihm im Frühjahr 1952 für 1951
ausgerichtete Gratifikation an. Am 17. Oktober 1952 deklarierte er in
Binningen für das zweite Halbjahr 1952 als Erwerbseinkommen den Gehalt
für die Monate Juli bis Dezember 1952.

    a) Nach dem basellandsch. Steuergesetz vom 20. August 1928 ist für
die Besteuerung grundsätzlich das Einkommen des Vorjahres (§ 36 Abs. 4),
beim Eintritt in die Steuerpflicht ausnahmsweise dasjenige des laufenden
Jahres massgebend, wobei, wenn die Steuerpflicht nur für einen Teil des
Jahres besteht, das Einkommen auf ein volles Jahreseinkommen umzurechnen,
die Steuer hingegen pro rata temporis zu erheben ist (§ 36 Abs. 5). In
Anwendung dieser Bestimmungen rechnete die Steuerverwaltung Baselland auch
die dem Beschwerdeführer im Frühjahr 1952 ausgerichtete Gratifikation
zum vollen Jahreseinkommen von 1952 und verlangte auf diesem die Steuer
für 6 Monate. Auf eine gegen diese Veranlagung erhobene Einsprache des
Beschwerdeführers wurde wegen Verspätung nicht eingetreten.

    b) Nach dem basel-städtischen Steuergesetz vom 22.  Dezember 1949
wird die Einkommensteuer jährlich für das verflossene Jahr verlangt
(§ 52). Endet die Steuerpflicht im Verlaufe des Jahres, so wird auf
demregelmässigen Einkommen, das dabei in das entsprechende Jahreseinkommen
umzurechnen ist, derjenige Teil einer Jahressteuer erhoben, welcher
der Dauer der Steuerpflicht entspricht (§ 53 Abs. 1), während nicht
regelmässiges Einkommen der vollen Jahressteuer unterliegt, aber nicht in
ein entsprechendes Jahreseinkommen umgerechnet wird (§ 53 Abs. 2). Auf
Grund dieser Bestimmungen rechnete die Steuerverwaltung des Kantons
Basel-Stadt den vom Beschwerdeführer im ersten Halbjahr 1952 bezogenen
Gehalt und Vermögensertrag auf ein Jahreseinkommen um und veranlagte ihn
für die Hälfte desselben und für die ganze, im Frühjahr 1952 ausgerichtete
Gratifikation zu dem der Summe dieser beiden Beträge entsprechenden
Satze. Moser rekurrierte hiegegen, wurde aber von der Steuerkommission
und vom Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt abgewiesen, von diesem
durch Entscheid vom 27. März 1956. Das Verwaltungsgericht nahm an, dass
die im Jahre 1951 erarbeitete, aber vom Arbeitgeber erst im Frühjahr 1952
beschlossene und ausgerichtete Gratifikation zum Einkommen des Jahres
1952 gehöre, und zwar stelle sie Einkommen dar, das nach Entstehungsgrund
und Zeit der Ausrichtung weder unter Abs. 1 noch unter Abs. 2 von § 53
StG falle. Sie sei zwar an sich "regelmässiges" Einkommen, jedoch schon
auf das Jahr berechnet und daher der Umrechnung in ein entsprechendes
Jahreseinkommen nicht fähig. Sodann könne eine solche Gratifikation in
einem Falle wie dem vorliegenden durch Basel-Stadt nicht bloss, wie noch
im Urteil vom 18. Dezember 1953 (ZBl 1954 S. 407) angenommen worden sei,
pro rata temporis, sondern voll besteuert werden, da sie vor dem WWegzug
sowohl zur Gänze verdient als auch fällig und ausgerichtet worden sei und
daher vom Zuzugskanton nicht als ein dem Steuerpflichtigen zum Teil erst
nach dem Zuzug zuwachsendes Einkommen behandelt werden dürfe.

    B.- Innert 30 Tagen nach Zustellung dieses Entscheids des
basel-städtischen Verwaltungsgerichtes hat Werner Moser staatsrechtliche
Beschwerde erhoben mit den Begehren:

    "a)  es sei der Kanton Basel-Stadt bzw. dessen Steuerverwaltung
anzuweisen, die vom Beschwerdeführer im Frühjahr 1952 bezogene
Gratifikation als regelmässiges und umrechenbares Einkommen zu behandeln
und demzufolge eine pro rata temporis-Berechnung vorzunehmen,

    b)  eventuell sei der Kanton Baselland bzw. dessen Steuerverwaltung
anzuweisen, auf die Besteuerung der vom Beschwerdeführer im Jahre 1952
bezogenen Gratifikation gänzlich zu verzichten."

    Der Beschwerdeführer beruft sich auf Art. 4 und 46 BV und macht
geltend, dass er für die im Frühjahr 1952 bezogene Jahresgratifikation im
Kanton Basel-Stadt voll, im Kanton Basel-Landschaft zur Hälfte besteuert
werde. Somit liegt für die halbe Gratifikation eine Doppelbesteuerung
vor. Der Beschwerdeführer sei das Opfer der auseinandergehenden
Rechtsauffassungen der beiden Kantone geworden.

    C.- Das Finanzdepartement und die Steuerverwaltung des Kantons
Basel-Stadt beantragen in getrennten Eingaben die Abweisung der Beschwerde,
soweit sie sich gegen Basel-Stadt richte. Das Verwaltungsgericht des
Kantons Basel-Stadt hat auf Vernehmlassung verzichtet.

    D.- Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft beantragt die
Abweisung der Beschwerde, soweit sie sich gegen Basel-Landschaft richte.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer beruft sich ausser auf Art. 46 BV auch
auf Art. 4 BV. Worin eine Verletzung des durch diese Bestimmung
gewährleisteten Anspruchs auf rechtsgleiche Behandlung liegen soll,
wird jedoch in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt; insbesondere
wird darin weder ausdrücklich noch dem Sinne nach geltend gemacht,
dass die basel-städtische oder die basellandschaftliche Veranlagung des
Beschwerdeführers zur Einkommensteuer für 1952 auf einer willkürrlichen,
d.h. mit Wortlaut und Sinn unvereinbaren Auslegung der massgebenden
Bestimmungen der kantonalen Steuergesetze beruhe. Auf die Rüge der
Verletzung des Art. 4 BV ist daher mangels Begründung nicht einzutreten
(Art. 90 lit. b OG; BGE 81 I 56 Erw. 1 und 60 Erw. 4).

Erwägung 2

    2.- Bei Beschwerden wegen Verletzung von Art. 46 BV beginnt die
30-tägige Beschwerdefrist spätestens mit der Erhebung des zeitlich
zweiten der nach Ansicht des Beschwerdeführers einander ausschliessenden
Steueransprüche (Art. 89 Abs. 3 OG), wobei es nicht erforderlich, jedoch
gestattet ist, der einen oder andern Veranlagung gegenüber zunächst die
kantonalen Rechtsmittel durchzuführen (Art. 86 Abs. 2 und 3 OG). Der
Beschwerdeführer, dem zuerst die basel-städtische Veranlagung für das
erste und dann die basellandschaftliche Veranlagung für das zweite
Halbjahr 1952 eröffnet worden ist, war daher befugt, zunächst die
basel-städtische Einschätzung durch Einsprache und Rekurs anzufechten
und dann im Anschluss an die letztinstanzliche Abweisung des Rekurses
durch das Verwaltungsgericht gegenüber beiden Kantonen staatsrechtliche
Beschwerde wegen Doppelbesteuerung zu erheben.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer behauptet, im Jahre 1952 für einen Teil
seines Erwerbseinkommens doppelt besteuert worden zu sein. Das wird
vom Regierungsrat des Kantons Baselland und vom Finanzdepartement des
Kantons Basel-Stadt ausdrücklich bestritten, während die Steuerverwaltung
des Kantons Basel-Stadt zu dieser Frage nicht Stellung nimmt, sondern
lediglich geltend macht, dass jedenfalls der Kanton Basel-Stadt sich im
Rahmen des ihm zustehenden Besteuerungsrechtes gehalten und nicht in die
Steuerhoheit des Kantons Baselland übergegriffen habe.

    Da die Steuerhoheit für das Einkommen aus unselbständiger
Erwerbstätigkeit, zu dem auch die Gratifikation zu rechnen ist, von jedem
der beiden Kantone nur für sechs Monate, d.h. nur für denjenigen Teil des
Jahres 1952, in dem der Beschwerdeführer im betreffenden Kanton Wohnsitz
hatte, beansprucht wird, liegt zeitlich, hinsichtlich der Periode, für
welche die Steuer erhoben wird, keine Doppelbesteuerung vor. Dagegen
besteht eine solche hinsichtlich des Steuerobjektes insofern, als der
Kanton Basel-Stadt die Gratifikation, die dem Beschwerdeführer im Frühjahr
1952 von seiner Arbeitgeberin ausgerichtet worden ist, als Einkommen der
ersten Hälfte dieses Jahres behandelt und ganz zur Besteuerung beansprucht,
während der Kanton Baselland sie als Bestandteil des ordentlichen
Erwerbseinkommens des ganzen Jahres 1952 betrachtet und demgemäss zur
Hälfte besteuert. Dass diese Gratifikation dergestalt im gleichen Jahre
anderthalb mal erfasst wird, ist ausschliesslich darauf zurückzuführen,
dass der Beschwerdeführer in diesem Jahre zwar nicht gleichzeitig, aber
nacheinander, der Steuerhoheit zweier Kantone unterstand; wäre er während
des ganzen Jahres nur im einen oder im andern Kanton wohnhaft und für
sein Erwerbseinkommen steuerpflichtig gewesen, so wäre er unbestreitbar
für die Gratifikation nur einmal besteuert worden.

    Was demgegenüber vorgebracht wird, vermag die Annahme, dass der
Beschwerdeführer tatsächlich doppelt besteuert worden ist, nicht zu
widerlegen. Die Ausführungen in den nicht veröffentlichten Urteilen
des Bundesgerichts vom 19. März 1926 i.S. Stoll und vom 26. März 1943
i.S. Court (Erw. 3), auf die sich der Regierungsrat des Kantons Baselland
beruft, beziehen sich auf die Frage, ob es einem Kanton gestattet sei,
im Sinne einer blossen Bemessungsgrundlage auf dasjenige Einkommen
zurückzugreifen, das ein neu zugezogener Steuerpflichtiger vorher
im Kanton seines bisherigen Wohnsitzes erzielt hat. Wenn dort diese
Frage für den Fall, dass die Steuerquelle gleich geblieben sei, bejaht
und damit das Vorliegen einer Doppelbesteuerung verneint worden ist, so
lässt sich daraus für den vorliegenden Fall nichts ableiten. Im Gegensatz
zur basel-städtischen Einkommensteuerung, bei der die Bemessungs- und
die Steuerperiode stets zusammenfallen und lediglich die Veranlagung
erst nachher erfolgt (vgl. BGE 69 I 154/5, 74 I 119), ist zwar nach §
36 Abs. 4 des basellandschaftlichen Steuergesetzes vom 30. April 1928
für die Besteuerung grundsätzlich das Einkommen des Vorjahres massgebend
(sog. Pränumerandobesteuerung); indessen bestimmt Abs. 5 als Ausnahme
hievon, dass beim Eintritt in die Steuerpflicht das Einkommen des laufenden
Jahres massgebend ist, wobei, wenn die Steuerpflicht nur für einen Teil
des Jahres besteht, das Einkommen (dieses Teils des Jahres) auf ein volles
Jahreseinkommen umzurechnen, die Steuer hingegen nur pro rata temporis
zu erheben ist. Der Beschwerdeführer ist demnach nicht nur für das erste
Halbjahr 1952 im Kanton Basel-Stadt, sondern auch für das zweite Halbjahr
im Kanton Baselland je für das laufende Einkommen besteuert worden.
Da dabei die im Frühjahr 1952 ausgerichtete Gratifikation anderthalb mal,
also teilweise doppelt, erfasst worden ist, fragt sich weiter, welcher
der beiden Kantone die Schranken, die seiner Steuerhoheit durch die
bundesrechtlichen Kollisionsnormen gesetzt sind, überschritten hat.

Erwägung 4

    4.- Die Behörden des Kantons Basel-Stadt machen geltend, dass die
streitige Gratifikation im Jahre 1951 verdient und im Frühjahr 1952
ausgerichtet worden sei, und leiten hieraus, da der Beschwerdeführer bis
Ende Juni 1952 in Basel-Stadt Wohnsitz hatte, ab, dass dieser Kanton
berechtigt sei, sie ganz zu besteuern. Dieser Standpunkt erweist sich
als unanfechtbar. Es ist unbestritten, dass die Gratifikation eine
Vergütung darstellt für Arbeit, die der Beschwerdeführer im Jahre 1951
geleistet hat. Betrachtet man sie infolgedessen, was an sich denkbar und
im bereits angeführten Urteil i.S. Stoll geschehen ist, als Bestandteil
des Einkommens des Jahres 1951, so kann ihre Besteuerung nur dem Kanton
Basel-Stadt zustehen, weil der Beschwerdeführer während des ganzen
Jahres 1951 in diesem Kanton wohnte. Stellt man dagegen, wie es im
vorliegenden Falle beide Kantone tun und wohl richtiger ist (vgl. BGE 73
I 141), auf den Zeitpunkt ab, in dem die Gratifikation gestützt auf das
Geschäftsergebnis des Jahres 1951 ziffernmässig festgesetzt worden ist
und der Beschwerdeführer einen festen Rechtsanspruch auf sie erhalten
hat, so ist zu ihrer Besteuerung, da der Beschwerdeführer in diesem
Zeitpunkt (Frühjahr 1952) noch im Kanton Basel-Stadt wohnte, wiederum
nur dieser Kanton zuständig (wobei es eine hier nicht zu erörtende Frage
des basel-städtischen Steuerrechts ist, ob die Gratifikation, wie es die
Steuerverwaltung zuerst getan hat, mit dem übrigen Einkommen des ersten
Halbjahres in ein volles Jahreseinkommen umzurechnen und dieses pro
rata temporis zu besteuern ist, oder ob auf ihr, entsprechend der von den
Rekursbehörden geschützten endgültigen Veranlagung, eine volle Jahressteuer
zum Satze des Gesamteinkommens zu erheben ist). Irgend ein sachlicher
Grund, der es rechtfertigen würde, dem Kanton Baselland einen Teil der
Gratifikation zur Besteuerung zu überlassen, ist nicht ersichtlich,
da die Gratifikation weder im Hinblick auf ihren Entstehungsgrund noch
im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Ausrichtung mit dem Wohnsitz des
Beschwerdeführers im Kanton Baselland in Beziehung gebracht werden
kann. Der Einwand des basellandschaftlichen Regierungsrates, dass es
sich bei der Gratifikation um eine jährliche Vergütung für geleistete
Arbeit handle, ist unbehelflich, denn gerade als solche bezieht sie
sich offensichtlich nicht auf das Jahr 1952, sondern auf das Jahr 1951,
in dem der Beschwerdeführer ausschliesslich der Steuerhoheit des Kantons
Basel-Stadt unterstanden hat.

    Zum Schutze des basel-städtischen Steueranspruchs führt noch
eine weitere Überlegung. Wenn der Beschwerdeführer um die Zeit seiner
Übersiedlung von Basel nach Binningen (1. Juli 1952) seine Arbeitsstelle
freiwillig oder infolge Pensionierung aufgegeben hätte, so wäre es dem
Kanton Baselland schon wegen der dabei eingetretenen grundlegenden Änderung
der Einkommenverhältnisse des Beschwerdeführers nicht gestattet gewesen,
auf die ihm im Frühjahr 1952 ausgerichtete Gratifikation zurückzugreifen
(BGE 50 I 113, 77 I 30). Ist aber die Gratifikation in diesem besondern
Falle ganz dem Kanton Basel-Stadt zur Besteuerung zuzuweisen, so muss dies
in allen Fällen gelten, wo der Steuerpflichtige nach der Ausrichtung
der Gratifikation aus diesem Kanton wegzieht. Denn der Umfang der
Steuerhoheit eines Kantons über einen wegziehenden Steuerpflichtigen
muss sich notwendigerweise nach den Verhältnissen, die während der Dauer
dieser Steuerhoheit, d.h. bis zum Wegzug, bestanden haben, bestimmen
und kann nicht davon abhängen, ob der Steuerpflichtige nach dem Wegzug
in diesem oder jenem Kanton Wohnsitz nimmt und ob er dort bzw. von
dort aus die bisherige, eine ganz anders geartete oder überhaupt keine
Erwerbstätigkeit ausübt.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gegenüber dem Kanton BaselLandschaft gutgeheissen.