Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 IV 69



83 IV 69

18. Urteil des Kassationshofes vom 20. Mai 1957 i.S. Morel gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden. Regeste

    Art. 186 StGB. Hausfriedensbruch, begangen durch verbotswidriges
"Verweilen".

Sachverhalt

    A.- Alfred Morel hatte die Schlosserarbeiten, die ihm beim Umbau
des Hotels Alpina in Klosters übertragen worden waren, nicht fristgemäss
ausgeführt. Arnold Thut, der mit der Bauleitung beauftragt war, begab sich
deshalb am 2. Dezember 1955 in die Werkstatt Morels, um ihm Vorhalte zu
machen. Es entstand ein Wortwechsel, in dessen Verlauf Thut Schimpfworte
wie "Schnuderbueb" und "gemeiner Hund" gebrauchte. Morel forderte Thut
auf, die Werkstatt zu verlassen. Dieser begab sich zur Tür, drehte sich
nochmals um und drohte Morel mit erhobener Faust. Hierauf stürzte sich
Morel auf Thut und versetzte ihm Faustschläge sowie einen Fusstritt.
Thut entfernte sich, sobald ihn Morel losliess.

    Am 26. Februar 1956 erstattete Morel gegen Thut Strafanzeige wegen
Hausfriedensbruches und verlangte Schadenersatz.

    B.- Das Kreisgericht Klosters verurteilte Thut am 5.  Dezember 1956
gestützt auf Art. 186 StGB zu einer Busse von Fr. 30.-. Es erblickte
den Hausfriedensbruch darin, dass Thut trotz der Aufforderung Morels die
Werkstatt nicht sofort verlassen, sondern sich bei der Tür umgedreht und
mit der Faust gedroht habe.

    Der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden dagegen sprach Thut auf
dessen Appellation hin am 18. Februar 1957 frei.

    C.- Morel führt Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem
Antrag, Thut sei des Hausfriedensbruches schuldig zu erklären.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

    Einen Hausfriedensbruch begeht nach Art. 186 StGB, wer gegen den
Willen des Berechtigten in ein Haus unrechtmässig eindringt oder, trotz
der Aufforderung des Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt.

    Der Beschwerdeführer behauptet selber nicht, Thut sei unrechtmässig in
die Werkstatt eingedrungen. Streitig ist nur, ob er widerrechtlich darin
verweilt habe. Hausfriedensbruch in der Form rechtswidrigen Verweilens
setzt notwendig voraus, dass der Friedensstörer im Haus oder Raum, aus dem
er sich entfernen soll, während einer gewissen Dauer verbleibt und dadurch
nach aussen zu erkennen gibt, dass er sich um das Verbot des Berechtigten
nicht kümmert. Wer auf erste Aufforderung hin sich entfernt, es aber nur
zögernd tut, der verweilt nicht. Voraussetzung ist auch, dass der Wille des
Aufgeforderten darauf gerichtet ist, sich dem Hausrecht entgegenzustellen,
und das Verbleiben nicht ausschliesslich zu einem andern Zweck erfolgt.

    Es steht fest, dass Thut der Aufforderung, das Lokal zu verlassen,
sofort Folge leistete, dass er lediglich an der Tür nochmals anhielt,
sich umdrehte und dem Beschwerdeführer mit der Faust drohte, um sich
hierauf endgültig zu entfernen. Dieses kurze Verbleiben genügte nicht,
das Merkmal des Verweilens im Sinne des Art. 186 StGB zu erfüllen. Davon
abgesehen ist der Tatbestand des Hausfriedensbruches auch nicht gegeben,
weil Thut der Wille zum verbotswidrigen Verweilen fehlte. Denn nach der
verbindlichen Feststellung der Vorinstanz hielt er einzig an, um dem
Beschwerdeführer seine Missachtung zu zeigen, keineswegs aber, um dessen
Aufforderung zum Trotz länger in der Werkstatt zu bleiben. Der Freispruch
ist daher begründet.

Entscheid:

               Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.