Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 IV 134



83 IV 134

35. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Juli 1957 i.S. Gaudy
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1StGB. Der Grundsatz, dass die vorsätzliche
Begehung eines Verbrechens oder Vergehens den Widerruf des bedingten
Strafvollzuges zwingend nach sich zieht, gilt einzig in besonders leichten
Fällen (Abs. 2) nicht.

Sachverhalt

                     Aus dem Tatbestand:

    Gaudy beging während der ihm vom Obergericht Zürich auferlegten
Probezeit vorsätzlich Unzucht mit Kindern und wurde deswegen
vom Obergericht von Appenzell A.Rh. zu einer bedingt vollziehbaren
Gefängnisstrafe verurteilt. Er ficht den Vollzug der vom Obergericht Zürich
bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe unter anderem mit der Begründung
an, seit der Revision des Strafgesetzbuches von 1950 ziehe ein während
der Probezeit vorsätzlich begangenes Verbrechen oder Vergehen nicht mehr
zwingend den Vollzug der bedingt aufgeschobenen Strafe nach sich.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Die Strafe ist auch dann vollziehen zu lassen, wenn dem Verurteilten
für das während der Probezeit begangene neue Verbrechen oder Vergehen
wiederum der bedingte Strafvollzug zugebilligt worden ist. Diese
gesetzliche Regelung, die schon bisher galt (BGE 70 IV 108), hat durch
die Gesetzesrevision von 1950 keine Änderung erfahren. Die Revision hat
zwar zu der Lockerung geführt, dass der Richter nunmehr ermächtigt ist, in
besonders leichten Fällen an Stelle des Strafvollzuges eine der in Art. 41
Ziff. 3 Abs. 2 StGB aufgeführten Ersatzmassnahmen treten zu lassen. Für
Fälle wie den vorliegenden, wo diese Voraussetzung nicht zutrifft, hat der
Gesetzgeber auf eine Abschwächung des zwingenden Charakters der Ziff. 3
Abs. 1 aber bewusst verzichtet und damit gewollt an der alten Ordnung
festgehalten (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 20. Juni 1949, BBl 1949
I S. 1249). Von einer Gesetzeslücke, die der Richter ausfüllen könnte,
kann daher entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keine Rede sein.