Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 II 475



83 II 475

64. Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Dezember 1957 i.S. Strässle
Söhne & Co. gegen Polstermöbel und Matratzen Uster GmbH. Regeste

    Modellschutz, Schutzfähigkeit, Nachahmung.

    Begriff des Musters und Modells, Art. 2 MMG. Schutzfähigkeit von
Polstermöbeln (Erw. 1).

    Inhalt des Modellschutzes, Art. 3 MMG (Erw. 2).

    Umfang des Modellschutzes, Begriff der Nachahmung, Art. 24 Ziff. 1 MMG
(Erw. 3).

    Massgebend ist nicht das Erinnerungsbild, sondern die Vergleichung
der nebeneinandergestellten Gegenstände (Erw. 3 a).

    Massgebend ist der Gesamteindruck (Erw. 3 c).

    Anforderungen an die Aufmerksamkeit bei der Vergleichung (Erw. 3 d).

Sachverhalt

    A.- Die Firma Strässle Söhne & Co., Polstermöbel, hinterlegte am
27. April 1955 beim eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum in Bern
unter Nr. 88 931 eine Anzahl Modelle für Möbel, unter anderem das Modell
eines Lehnstuhls mit der Katalog-Nr. 4501 und eines Sofas Nr. 4503.

    Am 1. November 1955 hinterlegte sie ferner unter Nr. 89 647 das
Lehnstuhl-Modell Nr. 101 und das SofaModell Nr. 103.

    Die Firma Polstermöbel und Matratzen Uster GmbH brachte Lehnstühle und
Sofas auf den Markt, die nach der Ansicht der Firma Strässle unzulässige
Nachahmungen der von ihr hinterlegten Modelle darstellten; insbesondere
empfand sie die Katalog-Nr. Uster 850/1 als Nachahmung ihrer Modelle
Nr. 4501 und 4503, und die Modelle Uster Nr. 905/6 als Nachahmung ihrer
Modelle Nr. 101 und 103.

    B.- Am 28. November 1956 erhob die Firma Strässle wegen der nach
ihrer Auffassung durch die Beklagte begangenen Modellnachahmungen
Festellungs-, Unterlassungs- und Schadenersatzklage; ferner verlangte sie
die Verurteilung der Beklagten zur Abänderung, eventuell Vernichtung der
vorhandenen Nachahmungen, zur Vernichtung des Werbematerials für diese
und zur Veröffentlichung des Urteilsdispositivs.

    Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Sie bestritt das Vorliegen
von Nachahmungen, weil die beanstandeten Möbelstücke von den Modellen
der Klägerin genügend unterscheidbar seien. Überdies machte sie geltend,
die Hinterlegungen der Klägerin seien mangels Neuheit ungültig.

    C.- Das Handelsgericht Zürich wies mit Urteil vom 27.  Mai 1957 die
Klage im vollen Umfang ab. Es verneinte schon eine Verletzung der Modelle
der Klägerin durch Nachahmung und liess demgemäss die Frage der Gültigkeit
der Hinterlegungen ungeprüft.

    D.- Mit der vorliegenden Berufung hält die Klägerin an ihren im
kantonalen Verfahren gestellten Begehren fest.

    Die Beklagte beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des
angefochtenen Entscheides.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Im Anschluss an Art. 2 MMG hat das Bundesgericht den Begriff
des Musters oder Modells umschrieben als eine auf das Auge wirkende,
sich an den Schönheitssinn wendende äussere Formgebung, die dazu bestimmt
ist, bei der gewerblichen Herstellung eines Gegenstandes als Vorbild zu
dienen; diese Formgebung kann nach der Rechtsprechung eine graphische
(linien- oder flächenhafte) oder eine plastische (körperhafte) sein
und unter Verwendung von Farben oder ohne solche erfolgen (BGE 75 II
358 und dort erwähnte Entscheide; Urteil der I. Zivilabteilung vom
16. November 1954 i.S. Juvenia c. Solvil, nicht veröffentlichte Erw. 6
a). Die Schutzfähigkeit einer derartigen äusseren Formgebung setzt nicht
voraus, dass das Muster oder Modell als Ergebnis einer schöpferischen
Tätigkeit angesprochen werden kann. Es genügt, wenn es eine gewisse,
auf den Schönheitssinn ausgerichtete Originalität aufweist und damit
ein Mindestmass an schöpferischer Idee erkennen lässt, die ihm einen
individuellen Charakter, ein kennzeichnendes Gepräge verleiht, so dass
die Formgebung nicht im Nächstliegenden haften bleibt (BGE 77 II 374,
69 II 430 unten; Urteil Juvenia/Solvil Erw. 6 b). Dieser Gesichtspunkt
rückt das Muster- und Modellrecht in die Nachbarschaft des Urheberrechts.

    Die Grundform eines Stuhles oder Sofas wird nun zwar durch die
Zweckbestimmung weitgehend vorgezeichnet. Es bleibt aber auch bei
derartigen Möbelstücken genügend Raum für eine besondere Ausgestaltung und
damit für eine sich an den Schönheitssinn wendende äussere Formgebung im
Sinne der oben erwähnten Umschreibung des Geschmacksmusters. Diese Tatsache
wird durch die Erfahrung der Jahrhunderte mit ihren verschiedenen Epochen
der Möbelstile bestätigt.

    Die Vorinstanz hat daher mit Recht angenommen, dass die streitigen
Gegenstände Modelle im Sinne des MMG darstellen können; denn die von der
Klägerin hinterlegten Modelle entsprechen an sich, nämlich im Hinblick
auf ihre äussere Formgebung, der gesetzlichen Definition des Modells.

Erwägung 2

    2.- Ob die von der Klägerin hinterlegten Modelle auch dem weiteren
Erfordernis genügen, dass sie im Zeitpunkt ihrer Hinterlegung neu
waren, und welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte bei der
Entscheidung hierüber in Betracht zu ziehen wären, ist im vorliegenden
Berufungsverfahren nicht zu erörtern. Dieses beschränkt sich auf die
Frage der Nachahmung.

    Der Prüfung dieser Frage vorgängig ist zunächst der Inhalt des Muster-
und Modellschutzes nach gewissen Richtungen hin positiv und negativ
abzugrenzen. In dieser Beziehung ist einmal hervorzuheben, dass sich nach
der ausdrücklichen Bestimmung von Art. 3 MMG der Muster- und Modellschutz
nicht auf die Herstellungsweise, auf Nützlichkeitszwecke und auf technische
Wirkungen des nach Modell hergestellten Gegenstandes erstreckt.

    a) Schutzgegenstand ist daher bei den in Frage stehenden Modellen
nicht die Sitzfläche mit den 4 oder mehr Beinen an sich, auch nicht die
Lehne oder die Armstütze an sich, sondern nur die bestimmte Formgebung,
welche diese Teile der Möbelstücke oder das Ganze erfahren haben.

    b) Die Klägerin behauptet, die zusammengehörenden Modelle Nr. 4501
und 4503 neu gestaltet zu haben, und zwar derart, dass sie sich von allen
früheren Polstermöbeln deutlich, im Gesamtanblick und nicht etwa nur in
Einzelheiten, unterscheiden. Die Modelle Nr. 101 und 103 sodann bezeichnet
die Klägerin als völlig neue "Sitwell"-Möbel, welche sie durch Architekt
Bellmann habe entwickeln lassen; ihre Eigenart liegt nach Ansicht der
Klägerin sowohl in der Form als auch im verwendeten Material.

    Demgegenüber hat die Vorinstanz (Urteil S. 7) mit Recht darauf
hingewiesen, dass für den Modellschutz nur die Eigenart der Formgebung
beachtlich ist, während auf die Art des Materials nichts ankommt. Es
ist daher modellschutzrechtlich belanglos, dass die Beklagte wie die
Klägerin für die Sitzschale oder Wanne einen beliebig giess- oder
pressbaren und formbaren Kunststoff verwendet. Hinsichtlich dieses
Werkstoffes ist modellrechtlich einzig von Bedeutung, dass die Beklagte
nicht behauptet und die Vorinstanz auch nicht festgestellt hat, die von
der Klägerin gewählte äussere Formgebung sei die zwingende Folge des
verwendeten Materials. Dieses gestattet freilich gewisse früher nicht
übliche oder technisch nicht mögliche, heute aber in Mode kommende
Formen zu schaffen. Es zwingt aber keineswegs zu einer einzigen, also
stoffbedingten äusseren Formgebung. Auch bei Verwendung eines solchen
neuartigen Werkstoffes bestehen für die äussere Formgestaltung viele
Möglichkeiten, wie dies bei Lehnstühlen und Sofas aus Holz oder Metall
von jeher der Fall gewesen war.

    c) Was den gemäss Art. 3 MMG ebenfalls ausser Betracht fallenden
Nützlichkeitszweck eines Modells im Verhältnis zu der für den Modellschutz
allein in Betracht fallenden äusseren Formgebung anbelangt, so ist mit
der Vorinstanz daran zu erinnern, dass kein Modellschutz gewährt wird,
wo zwar eine Formgebung vorhanden ist, der Nützlichkeitsgesichtspunkt
gegenüber der Formwirkung aber so stark überwiegt, dass diese völlig in
den Hintergrund tritt, der Nützlichkeitszweck also gewissermassen die
(einzige) Form diktiert (BGE 69 II 429 Erw. 3, 55 II 223).

Erwägung 3

    3.- Für den Entscheid über die Frage der Nachahmung ist es weiter
erforderlich, den Schutzumfang nach Modellrecht abzustecken.

    a) Eine widerrechtliche Nachbildung eines Musters oder Modelles
kommt in Gestalt der Nachmachung oder in Gestalt der Nachahmung vor.
Art. 24 Ziff. 1 MMG bezeichnet eine Nachahmung (nur um eine solche geht
es im vorliegenden Streit) als widerrechtlich, wenn sie derart ist,
"dass eine Verschiedenheit nur bei sorgfältiger Vergleichung wahrgenommen
werden kann"; dazu bemerkt das Gesetz erläuternd, dass blosse Farbänderung
nicht als Verschiedenheit gelte.

    Nach diesem Gesetzeswortlaut müssen beim Entscheid darüber, ob eine
widerrechtliche Nachahmung vorliege, die in Frage stehenden Modelle
miteinander verglichen, d.h. nebeneinander gehalten und gleichzeitig
betrachtet werden; es kommt - anders als im Markenrecht - nicht auf
das blosse Erinnerungsbild an. Der Begriff der Nachahmung ist somit
enger gezogen als im Marken- wie auch im Wettbewerbsrecht. Daraus ist
im Schrifttum gefolgert worden, dass schon recht geringe Unterschiede
genügen, um eine Nachahmung im Sinne des Gesetzes auszuschliessen;
wenn eine erste, oberflächliche, schnelle Prüfung bereits Unterschiede
ergebe, sei eine Nachahmung zu verneinen (PERRIN, Schweiz. Jur. Kartothek
Nr. 139 S. 3 f., TROLLER, Schweiz. gewerblicher Rechtsschutz S. 178). Von
dieser Auslegung ausgehend ist die Formulierung des Gesetzes als zu eng
beanstandet worden, weil die Konkurrenten dadurch geradezu aufgemuntert
würden, ein geschütztes Modell in kleinen Einzelheiten abzuändern, so
dass der Unterschied bei sorgfältigem Vergleichen gerade noch entdeckt
werde (TROLLER, in Mitteilungen der Schweizergruppe der internationalen
Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz, 1948, S. 110 f.).

    b) Der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ist in der Tat zu
entnehmen, dass der Gesetzgeber den Begriff der Nachahmung im Modellwesen
einzuschränken beabsichtigte. Das erste schweizerische MMG vom 21. Dezember
1888 (AS 11 S. 73 ff.) zeigt hievon freilich noch nichts. Es bestimmte
über die Nachahmung in Art. 18 Ziff. 1 (der dem heutigen Art. 24 Ziff. 1
entspricht), dass ziviloder strafrechtlich belangt werden könne, wer ein
hinterlegtes Modell wissentlich nachmacht oder "ein solches in unerlaubter
Weise nachahmt". Erst im heute noch geltenden MMG vom 30. März 1900
erscheint der gegenwärtige Wortlaut gemäss Art. 24 Ziff. 1. Die Botschaft
dazu (BBl 1899 V S. 613 ff.) deckt die bei der Gesetzesrevision verfolgten
Absichten auf. Sie führt (S. 616) aus, es wäre unzweckmässig

    "das Gesetz im Sinne eines voraussetzungslosen Verbotes der Nachahmung
zu revidieren; denn erstens steht das schweizerische Gewerbe noch
nicht auf der Stufe, dass auch dem Kleingewerbetreibenden die Arbeit
ausschliesslich nach eigenen Mustern zugemutet werden dürfte, und
zweitens kennt kein Muster- und Modellschutzgesetz derjenigen Staaten,
mit denen die Schweiz in einem bezüglichen Vertragsverhältnis steht,
dieses absolute Nachahmungsverbot. Wenn wir dieses bei uns einführten,
so würden alle Muster und Modelle der Angehörigen der Vertragsstaaten
bedingungslos geschützt sein gegen Nachahmungen durch Einheimische,
während in den Vertragsstaaten, wie jetzt, nur diejenigen Muster und
Modelle schweizerischen Ursprungs geschützt sein würden, für welche die
in jenen Staaten vorgeschriebenen Bedingungen und Formalitäten erfüllt
worden wären."

    Zu Art. 24 bemerkt die Botschaft (S. 624) sodann:

    "Der Tatbestand des Nachahmungsdeliktes erscheint im Vergleich zum
gegenwärtigen Gesetz nur insofern verändert, als neben dem eigentlichen
Nachmachen, dem sklavischen Kopieren, nur diejenige Nachahmung verboten
ist, bei der eine Verschiedenheit vom hinterlegten Muster oder Modell
nur bei sorgfältiger Vergleichung wahrgenommen werden kann; es steht
diese Einschränkung des Begriffes der Nachahmung auf dem Muster-
und Modellschutzgebiet, im Gegensatz zu demjenigen auf dem Gebiet des
Erfindungsschutzes, mit der eigenartigen Natur und dem Wesen des Musters
und Modells im Zusammenhang."

    Diese Ausführungen lassen erkennen, dass durch die Gesetzesrevision
von 1900 die Nachahmung von Mustern und Modellen tatsächlich bis zu einem
gewissen Grade als zulässig erklärt werden sollte.

    c) Trotz dieser Tendenz des Gesetzgebers braucht jedoch die
heutige Fassung des Art. 24 Ziff. 1 MMG entgegen den oben erwähnten
Literaturmeinungen nicht so verstanden zu werden, dass im Muster- und
Modellwesen eine Nachahmung im Sinne des Gesetzes grundsätzlich durch jede
Verschiedenheit ausgeschlossen wird, die man ohne sorgfältige Vergleichung
wahrnehmen kann. Es kommt nämlich in jedem Falle der Vergleichung zweier
Erzeugnisse darauf an, wie gross die Übereinstimmungen sind; gehen diese
sehr weit, so beherrscht das Gemeinsame den Eindruck, und Verschiedenheiten
treten zurück, möglicherweise so stark, dass der vom Gesetz vorausgesetzte
Betrachter sie im Rahmen des Ganzen, also im Rahmen des Gesamteindrucks,
nicht mehr beachtet. Massgebend sind somit nicht so sehr irgendwelche
Verschiedenheiten, als vielmehr der Gesamteindruck.

    Dass es auf diesen ankommt, ist in Lehre und Rechtsprechung von jeher
angenommen worden (vgl. BGE 20 S. 1156, 23 S. 1193, 31 II 749, 77 II 375,
Urteil Juvenia/Solvil, nicht veröffentl. Erw. 7; ferner GUYER, Komm. zum
MMG (1905) S. 66 zu Art. 24 Ziff. 1).

    Die schweizerische Auffassung stimmt also in diesem grundlegenden
Punkte mit der Auslegung überein, die im Schrifttum zum deutschen Recht dem
§ 5 des Geschmacksmustergesetzes von 1876 gegeben wird, wonach verbotene
Nachbildung auch vorliegt: "2. Wenn die Nachbildung... sich vom Original
nur durch solche Abänderungen unterscheidet, welche nur bei Anwendung
besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden können". (Vgl. hiezu
PINZGER, Deutsches Geschmacksmusterrecht, 1932, § 5 Anm. 5 S. 57 f.,
FURLER, Kommentar zum gleichen Gesetz, 2. Aufl. 1956, § 5 N. 8 ff.,
insbes. N. 19/20).

    Man darf daher (wie FURLER, N. 17, für das deutsche Recht) auch für
das schweizerische Recht den Schluss ziehen, dass bei der Beurteilung von
Nachahmungsfragen von den Übereinstimmungen und nicht von den Änderungen
auszugehen ist. Die Beurteilung wird also zugunsten des Muster- und
Modellschutzes durch die zwischen Vorbild und Nachahmung bestehenden
Gemeinsamkeiten bestimmt. Ebenso trifft, mindestens dem Grundsatze nach,
auch für das schweizerische Recht zu, dass unbedeutende Zufügungen,
Weglassungen oder Veränderungen nicht entscheidend sind, und dass als
unbedeutend insbesondere solche Abweichungen gelten, welche nur bei
Anwendung besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden können (FURLER,
aaO N.18). Dass zwischen Vorbild und Nachahmung eine Verwechslungsgefahr
bestehe, ist entgegen der Meinung der Vorinstanz nicht erforderlich. Dieses
marken- und wettbewerbsrechtliche Tatbestandsmerkmal kann für die
Frage der unerlaubten Nachahmung insofern von Bedeutung sein, als das
Bestehen einer Verwechslungsgefahr für das Vorliegen einer unerlaubten
Nachahmung spricht; dagegen steht bei Verneinung der Verwechslungsgefahr
keineswegs fest, dass eine unzulässige Nachahmung nicht vorliegt (FURLER,
aaO N. 23). Denn Gegenstand des Muster- und Modellschutzes ist nicht in
erster Linie die Beziehung zwischen Ware und Herkunftsstätte, nicht die
wirtschaftliche Stellung des Unternehmens, sondern, wie oben dargelegt
wurde, die originelle Formgebung.

    d) Neben den genannten sachlichen Gesichtspunkten spielt bei
der Beurteilung der Nachahmungsfrage auch noch eine wesentliche Rolle,
welcher Massstab für die vom Gesetz geforderte Vergleichung angelegt wird,
d.h. wen man sich als Betrachter vorzustellen hat. Hiebei handelt es sich
um eine Rechtsfrage; denn es geht um den Beurteilungsmassstab nach MMG.

    In dieser Beziehung führt die Vorinstanz zutreffend aus, dass nicht
die Auffassung der ausgesprochenen Fachleute massgebend ist. Wie die
Berufung mit Recht bemerkt, hat aber auch der Richter die Gewohnheit,
einen Sachverhalt zu zergliedern und daher alle möglichen Einzelheiten
genau zu beachten; auch er muss sich deshalb davor hüten, dass ein
zunächst gewonnener Gesamteindruck unter dem Einfluss nachher bei genauer
Betrachtung festgestellter Einzelheiten zu sehr in den Hintergrund
gedrängt wird.

    Anderseits ist gemäss der Auffassung der Vorinstanz der Beurteilung
auch nicht einfach die Meinung jedes beliebigen Laien zu Grunde zu legen,
sondern es ist auf das Empfinden des interessierten, vorab des sich mit
Kaufsabsichten tragenden Laien abzustellen, der bei Betrachtung der zu
vergleichenden Gegenstände ein bestimmtes Mass an Aufmerksamkeit aufwendet.
Diesem Massstab läuft es aber auf jeden Fall zuwider, wenn die Vorinstanz
dann gleichwohl auf die Sachkunde ihrer kaufmännischen Mitglieder abstellt
und die Einvernahmen der klägerischen Zeugen ablehnt, welche angeblich an
der Mustermesse 1956 die Möbelstücke der Parteien verwechselt haben sollen.

    Wie das Bundesgericht in BGE 77 II 375 unter Hinweis auf BGE 31
II 749 erklärt hat, ist für den Gesamteindruck und für die Fähigkeit
zur Beobachtung und Bewertung von Unterschieden bei der Vergleichung
der Erzeugnisse das Urteil des letzten Abnehmers der Ware massgebend;
wenn die Vorinstanz auf das Empfinden des interessierten Laien abstellt,
so ist sie also damit grundsätzlich auf dem rechten Wege. Der Berufung
ist zwar zuzugeben, dass es ausser den Kaufsinteressenten auch noch
andere Laien geben kann, die sich für Modelle interessieren und die
solche Gegenstände auf ihren Schönheitssinn einwirken lassen. Aber der
häufigste Vertreter dieser "interessierten Laien" wird doch jener sein,
der jetzt oder für später einen Kauf von solchen Möbelstücken in Aussicht
nimmt und ihnen deshalb seine Aufmerksamkeit zuwendet. Diese Laien
können allen Kreisen und Berufen und jedem Lebensalter angehören. Ja
noch mehr: die gewöhnlichen, erfahrungsgemäss auf Gesamteindrücke und
nicht auf Einzelheiten abstellenden Leute beiderlei Geschlechts sind auf
dem Gebiete alltäglicher Gebrauchsgegenstände (zu denen Sessel und Sofa
gehören) in grosser Zahl unter diesen "interessierten Laien" zu finden;
sie machen sogar die Mehrheit dieser letzten Abnehmer aus. Ihre Fähigkeit
zur Beobachtung ist nun aber erfahrungsgemäss bescheiden; ihr Eindruck
wird durch das Gesamtbild, durch das Übereinstimmende geprägt. Auch wenn
sie noch einigermassen sorgfältig (näher) zusehen und vergleichen, nehmen
sie entscheidend den Gesamteindruck wahr und fahnden nicht geradezu nach
kleinen Abweichungen, die naturgemäss den Gesamteindruck nun einmal nicht
auszulöschen vermögen.

    Es kommt also hier auf die Wirkung der in Frage stehenden Möbelstücke
beim Angehörigen des breiten Publikums an und auf dessen (geringe)
Fähigkeit und Sorgfalt beim Betrachten und Vergleichen derselben. Liesse
man rechtlich nicht diesen Massstab entscheiden, so wäre der Muster-
und Modellschutz weithin wirkungslos.

Erwägung 4

    4.- Vergleicht man die hier in Frage stehenden Möbelstücke unter
Berücksichtigung der oben entwickelten sachlichen Gesichtspunkte und unter
Anwendung des erwähnten Massstabes miteinander, so ist als Gesamturteil
einmal sicher festzuhalten, was die Vorinstanz auf S. 11 ihres Urteils
erklärt, nämlich "dass die einzelnen Typen... bei oberflächlicher
Betrachtung in der Tat ähnlich wirken, weil ihnen der gedrungene
dünnwandige Aufbau, die Wannenform der Sitzmulde und die dünnen, gegen
aussen strebenden Beine gemeinsam sind". Wenn die Vorinstanz dann aber
weiter ausführt, beim Vergleich vom Gesichtspunkte des interessierten Laien
aus seien doch einige erhebliche Unterschiede der einzelnen Typen schon
auf den ersten Blick nicht zu übersehen, so kann ihr nicht bcigepflichtet
werden. Dies deswegen, weil sie, entgegen den massgeblichen (zum Teil
von ihr richtig hervorgehobenen) Gesichtspunkten, den Gesamteindruck der
zu vergleichenden Gegenstände nicht oder nur ungenügend berücksichtigt
hat, und weil sie kleine Unterschiede und Abweichungen als wesentlich
bezeichnet, die selbst der einigermassen sorgfältig vergleichende letzte
Abnehmer überhaupt nicht wahrnimmt oder als belanglos ausser Betracht
lässt.

    a) Als Unterschiede zwischen den klägerischen Modellen 4501/4503
einerseits und den beklagtischen Modellen 850/1 erwähnt die Vorinstanz,
dass bei den Möbeln der Klägerin je eine Zylinderschale als Sitz-
und Rückenfläche erkennbar seien, während bei den Möbeln der Beklagten
die Sitzflächen sattelförmig modelliert und die Rückenlehne mit einem
Kreuzpolster versehen seien; ferner vermittle das Modell der Klägerin
eine eher ans Liegen grenzende Sitzlage, dasjenige der Beklagten dagegen
sei eher rechtwinklig und dafür tief; auch falle auf, dass die Rücklehne
des Sessels der Beklagten nach oben schmäler werde.

    Diese Abweichungen können entgegen der Meinung der Vorinstanz nicht
als augenfällige Unterschiede bezeichnet werden. Man muss nach ihnen
vielmehr förmlich fahnden, und der hier massgebende Laienbeobachter wird
sie auch bei einigermassen sorgfältiger Vergleichung nicht beachten. Die
ganze Beurteilung der Vorinstanz übersieht neben diesen gesuchten
kleinen Verschiedenheiten jedoch die den Gesamteindruck beherrschenden
Gemeinsamkeiten. Diese gehen von der Linienführung bis zu den Ausmassen
(Höhe, Breite usw.) und den Massproportionen des Ganzen und der Einzelteile
(z.B. Lehne) und - beim Sofa - bis zur Verteilung der Farbfelder. Was dem
hier vorauszusetzenden Beschauer allenfalls (aber nur bei sorgfältiger
Vergleichung) auffällt, ist der flache Wulst, den die Sitzfläche beim
Sessel und Sofa der Beklagten vorn in der Mitte aufweist. Aber das
tritt gegenüber dem Gesamteindruck allzusehr zurück. Selbst wenn diese
Verschiedenheit nicht bloss zur bewussten Verwedelung der Gemeinsamkeiten
zwischen Vorbild und Nachbildung angebracht worden sein sollte, so müsste
man sie doch im Verhältnis zum Gesamteindruck als völlig belanglos
bezeichnen. Sie ändert nichts daran, dass die Möbelstücke sich zum
Verwechseln ähnlich sehen. Das hängt damit zusammen, dass die Möbel der
Beklagten die eigenartig wirkende Linien- und Formgebung der klägerischen
Modelle ebenfalls aufweisen, ohne dass man dies als zwangsläufige Folge
der heute beliebten Wannenform erklären könnte; denn auch in diesem
Bereich gibt es verschiedene, praktisch annehmbare Ausgestaltungen.

    b) Die "Marquesa"-Möbel der Beklagten, Nr. 905/6, sollen sich von
den geschützten "Sitwell"-Modellen Nr. 101/103 der Klägerin nach der
Ansicht der Vorinstanz dadurch wesentlich unterscheiden, dass diese
allgemein rundere Formen aufweisen; ferner hebt die Vorinstanz hervor,
dass beim Sessel der Klägerin das Sitzkissen fast kreisrund ist, während
es beim Sessel der Beklagten vorne zwei Ecken aufweist; der Lehnstuhl
der Beklagten ist mit emem Kreuzpolster ausgestattet, das beim Lehnstuhl
der Klägerin fehlt; die Stuhlbeine sind beim Modell der Klägerin stärker
gespreizt und die Hinterbeine näher beisammen als die vordern, während
beim Sessel der Beklagten der Abstand der Beine hinten und vorne ungefähr
derselbe ist. Das Sofa der Klägerin hat 6 Beine, dasjenige der Beklagten
nur 4. Das Modell des Klägerin ist mit einem Sitzkissen ausgestattet, das
der Beklagten mit deren zwei; die Rücklehne verläuft bei den Möbeln der
Klägerin oben gerade, während sie beim Sofa der Beklagten eine Einsenkung
aufweist. Ebenso hat nur das Sofa der Beklagten ein Kreuzpolster. Die
Armlehne ist beim Modell der Klägerin vorne eckig und als nach aussen
aufsteigende Fläche gestaltet, während sie beim Möbel der Beklagten vorne
abgerundet ist und nach aussen leicht abfällt.

    Alle diese Unterschiede lassen sich aber nur auf Grund einer bis ins
Kleinste gehenden Betrachtung feststellen, die von dem hier massgebenden
Durchschnittsbetrachter niemals aufgewendet wird. Stellt man die beiden
Sofas nebeneinander, so ist der erste Eindruck, das eine sei die Kopie
des andern. Die geringfügige Vertiefung in der Rückenlehne, ein dünnes
Bein mehr oder weniger inmitten der stützenartig nach aussen gespreizten
Beine sind, wie die für die Gesamtform doch unwesentliche Zweiteilung
des Kissens, Einzelheiten, welche den Gesamteindruck nicht verändern;
um sie zu sehen, muss man nach ihnen suchen, weshalb sie modellrechtlich
nicht in Betracht fallen.

    Das gilt gleich wie für die Sofas auch für die Sessel; man darf
sich durch den Stoff (kariert bei der Klägerin, einfarbig bei der
Beklagten) nicht täuschen lassen. Wesentlich ist unter modellrechtlichen
Gesichtspunkten die von der Klägerin gewählte konkrete Gestaltung
der Linienführung und der Flächen, die Form des Ganzen und der dadurch
bewirkte Eindruck, bei welchem die Proportionen in allen drei Richtungen,
die eigenartige flügel- oder schnabelförmige Gestaltung der Armlehnen
kennzeichnend sind. Gerade diese charakteristischen Züge finden sich aber
auch bei den Möbeln der Beklagten.

Erwägung 5

    5.- Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass die von der Klägerin
beanstandeten Möbelstücke der Beklagten modellrechtlich in der Tat als
Nachahmungen anzusehen sind.

    Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache ist an die
Vorinstanz zurückzuweisen zur Beurteilung der ebenfalls streitigen Frage
der Neuheit der klägerischen Modelle und gegebenenfalls zur Entscheidung
über die verschiedenen Klagebegehren der Klägerin.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Handelsgerichts Zürich
vom 27. Mai 1957 wird aufgehoben und die Sache zur weiteren Beurteilung
im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.