Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 II 384



83 II 384

52. Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. Oktober 1957
i.S. Seidenstoffwebereien vormals Gebrüder Naef AG gegen Stierli. Regeste

    Nachbarrecht; übermässige Einwirkung durch Lärm (Art. 684 ZGB) beim
Betrieb einer Weberei. Tat- und Rechtsfrage. Pflicht zur Duldung des
mit einem bestimmten Gewerbe normalerweise verbundenen Lärms? Nach
Lage und Beschaffenheit der Grundstücke oder nach Ortsgebrauch
nicht gerechtfertigte Einwirkung. Bedeutung einer Bauordnung,
die das Fabrikgelände der Industriezone zuweist. Zunahme des Lärms
infolge Erweiterung und Modernisierung des Betriebs; Voraussehbarkeit
dieser Entwicklung? Vergleich mit anderm Lärm. Hat das kantonale
Gericht die Notwendigkeit und Durchführbarkeit der von ihm angeordneten
Schutzmassnahmen, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit den Anforderungen der
Fabrikhygiene, mangelhaft geprüft? Pflicht zur Einholung einer Expertise?

Sachverhalt

    A.- Die Firma Seidenstoffwebereien vormals Gebrüder Naef AG
betreibt auf einem 180 m langen und 40-60 m breiten Grundstück mitten
im Dorfe Affoltern a.A. eine Seidenweberei. Der Betrieb bestand schon
im Jahre 1867. Die Fabrikanlange umfasste damals ein "Gewerbshaus" mit
Dampfkesselanlage und Hochkamin. Heute sind in einem ungefähr 130 m langen
Fabrikgebäude, das aus einem älteren Westflügel und einem anfangs der
Vierzigerjahre dieses Jahrhunderts erstellten Ostflügel besteht, neben
Büros und Lagerräumen sechs Websäle mit insgesamt etwa 250 Webstühlen
eingerichtet. Unter diesen Maschinen finden sich 60 automatische, die in
den Jahren 1949/50 angeschafft wurden und im zweiten Stock des Ostflügels
des Fabrikgebäudes stehen. Seit mehr als zwanzig Jahren arbeitet die
Belegschaft dieser Fabrik in zwei Schichten von morgens 5 Uhr bis abends
10 Uhr.

    Nördlich vom Ostabschnitt des Fabrikgeländes, von diesem durch einen
öffentlichen Fussweg getrennt, liegt das Grundstück des Schmiedmeisters
Bernhard Stierli, das dessen Vater im Jahre 1902 gekauft hatte. Auf
diesem Grundstück steht hart am Gemeindefussweg das von Stierli benutzte,
im Jahre 1867 erbaute Wohnhaus mit Schmiedwerkstätte.

    B.- Im Jahre 1951 liess die Firma Seidenstoffwebereien vormals Gebrüder
Naef AG eine neues Bauvorhaben ausschreiben. Hierauf leitete Stierli am
13. Juli 1951 gegen sie Klage ein mit den Begehren, die Ausführung der
geplanten Baute sei ihr zu untersagen; ferner sei sie zu verpflichten,
den von ihren bisherigen Bauten ausgehenden Fabriklärm zu beseitigen,
eventuell durch Erstellung einer geeigneten Klimaanlage einzudämmen. Das
erste Begehren fand seine Erledigung dadurch, dass die Beklagte ihr Projekt
änderte und sich zu Massnahmen verpflichtete, mit denen der Kläger sich
zufrieden gab. Streitig blieb nur das zweite, gegen den Lärm aus den
bestehenden Fabrikgebäuden gerichtete Begehren. Das Bezirksgericht nahm
an, dass der durch die Webstühle bei offenen Fenstern erzeugte Lärm in der
Wohnung des Klägers das Mass dessen überschreite, was in dem betreffenden,
vorwiegend Wohncharakter tragenden Dorfteil von Affoltern geduldet werden
müsse. Durch Schliessung der dem Grundstück des Klägers zugekehrten
Fenster der Fabrik werde der Lärm genügend gedämpft. Die Beklagte sei
daher zu dieser Massnahme zu verpflichten. Diese Auflage werde indessen
zur Folge haben, dass die Beklagte im Interesse der Arbeiterschaft und
des Fabrikationsprozesses Vorkehren treffen müsse, deren Planung und
Verwirklichung eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen werde. Für diese
Zwischenzeit sei der Beklagten das Offenhalten der Fenster in beschränktem
Umfange noch zu gestatten. Demgemäss erkannte das Bezirksgericht am 10.
September 1955, die Beklagte habe auf der Nordseite der östlichen Websäle
des bestehenden Fabriktraktes in der Zeit bis zu den Sommer-Betriebsferien
1956 jeweilen bis 7 Uhr morgens und ab 6 Uhr abends sämtliche Fenster
und in den dazwischen liegenden Tagesstunden wenigstens die Seitenflügel
(also nicht auch die obern Flügel) geschlossen zu halten; nach Ende der
erwähnten Betriebsferien seien die Fenster während der ganzen Arbeitszeit
vollständig geschlossen zu halten.

    Das Obergericht des Kantons Zürich, an das die Beklagte appellierte,
hat diese mit Urteil vom 30. November 1956 verpflichtet, die Nordfenster
der östlichen Websäle während der ganzen Arbeitszeit vollständig
geschlossen zu halten mit Ausnahme von je 10 Minuten stündlich vom
Stundenschlag an zwischen 7 Uhr und 20 Uhr 10. Es nahm an, das Öffnen
der Fenster während dieser kurzen Zeitspannen setze den Beklagten keiner
unzumutbaren Lärmeinwirkung aus und gewährleiste eine genügende Lüftung
der Fabrikräume, so dass der Beklagten keine Übergangsfrist zur Anordnung
anderer Massnahmen zum Schutze der Arbeiter eingeräumt zu werden brauche.

    C.- Mit ihrer Berufung an das Bundesgericht beantragt die Beklagte,
sie sei bloss zu verpflichten, auf der Nordseite der östlichen Websäle
die zwei östlichsten Fenster während der ganzen Arbeitszeit und in
der Zeit von 5 bis 7 Uhr und von 19 bis 22 Uhr sämtliche Fenster mit
Ausnahme der kleinen Oberflügel geschlossen zu halten; im übrigen sei die
Klage abzuweisen; eventuell sei ihr eine Frist bis zum 1. Oktober 1958
einzuräumen, innert der sie die wegen der Schliessung aller Fenster
notwendig werdenden organisatorischen und betrieblichen Änderungen
vorbereiten und durchführen könne.

    Der Kläger schliesst auf Bestätigung des angefochtenen Urteils.

    Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hat die kantonale
Nichtigkeitsbeschwerde der Beklagten gegen das obergerichtliche Urteil
am 7. Mai 1957 abgewiesen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Die Vorinstanz hat auf Grund eigener, mit aller Sorgfalt durchgeführter
Beobachtungen festgestellt, dass der von der Fabrik der Beklagten bei
offenen Fenstern ausgehende gleichförmige Lärm, den der obergerichtliche
Referent als lautes, hartes "Tschäddern" bezeichnete und der mit zwei
kurzen Unterbrüchen täglich 17 Stunden dauert, sich im Hause des Klägers
sehr störend bemerkbar mache und namentlich wegen seiner Dauer unerträglich
sei; er müsse zu einer ständigen Belastung und Reizung der Nerven, zu einer
Störung des Wohlbefindens und schliesslich der Gesundheit führen. Diese
Feststellung betrifft tatsächliche Verhältnisse (vgl. BGE 44 II 471, 51 II
II 402 u. dortige Hinweise, 56 II 360, 58 II 118, 79 II 50) und ist daher
gemäss Art. 63 Abs. 2 OG für das Bundesgericht verbindlich. Die Beklagte
versucht denn auch nicht, sie anzufechten, sondern macht lediglich geltend,
der Lärm ihrer Fabrik stelle gleichwohl keine übermässige Einwirrkung im
Sinne von Art. 684 ZGB dar, weil er nicht grösser als der Lärm anderer
Webereien und deshalb "normal" sei, und weil er zudem von einem in der
Industriezone gelegenen Betrieb ausgehe, so dass die Einwirkung durch die
Lage und Beschaffenheit der Grundstücke und den Ortsgebrauch (Art. 684
Abs. 2 ZGB) gerechtfertigt werde; dass der Lärm infolge Vermehrung
der Webstühle und wegen der Anschaffung moderner, leistungsfähigerer
Maschinen seit den Vierzigerjahren zugenommen habe, sei nur die Folge der
allgemeinen, schrittweise vor sich gehenden und voraussehbaren Entwicklung,
mit deren Auswirkungen der Nachbar sich abfinden müsse; ihre Weberei
habe bereits alle Züge einer industriellen Grossanlage aufgewiesen, als
der Vater des Klägers die heute diesem gehörende Liegenschaft gekauft
habe; der Kläger habe im übrigen auch heute keinen grösseren Lärm zu
ertragen, als er in den Städten in vielen Büros sogar bei geschlossenen
Fenstern auftrete; dem Ruhebedürfnis des Klägers, der bei seinem Beruf
selber starken Lärm erzeuge, lasse sich durch die im Berufungsantrag
umschriebene, schon vor Obergericht vorgeschlagene, von von diesem aber
nicht allseitig überprüfte Lösung in genügender Weise Rechnung tragen;
die Vorinstanz mache dem Fabrikbetrieb schwerere Auflagen, als der Experte
Haller sie für nötig halte; sie habe ausserdem die nach Art. 684 ZGB
erforderliche Abwägung der konkreten Interessen der Parteien unterlassen
und insbesondere das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des
Fabrikbetriebs und an der Sicherung hygienischer Arbeitsbedingungen, das
dem Privatinteresse des Klägers vorgehe, nicht gebührend berücksichtigt
und nicht gehörig abgeklärt, ob die vorgesehene stündliche Lüftung den
hygienischen Anforderungen genüge. Mit diesen Ausführungen vermag jedoch
die Beklagte die Schlussfolgerung der Vorinstanz, dass die Lärmeinwirkung
übermässig sei und dass die Beklagte, um hinlängliche Abhilfe zu schaffen,
die Nordfenster der östlichen Websäle ausserhalb der ihr zugestandenen
Lüftungspausen während der ganzen Betriebszeit geschlossen halten müsse,
nicht umzustossen.

    a) Die Behauptung, dass der Lärm ihrer Fabrik für einen Betrieb
solcher Art "normal" sei, kann der Beklagten nicht helfen, weil die
Nachbarschaft auch diejenigen Störungen, die mit einem bestimmten Gewerbe
normalerweise verbunden sind, insoweit nicht dulden muss, als sie im
Sinne von Art. 684 Abs. 2 ZGB, der einige besonders wichtige Beispiele
übermässiger Einwirkung hervorhebt, nach Lage und Beschaffenheit der
Grundstücke oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigt sind.

    Die Lage und die Beschaffenheit der Grundstücke der Parteien
kennzeichnet das Bezirksgericht, auf dessen Erwägungen die Vorinstanz
ausdrücklich hinweist, mit der Feststellung, diese Grundstücke seien in
einem Wohnquartier mit landwirtschaftlichem und gewerblichem Einschlag
gelegen, in welchem die Fabrik der Beklagten das einzige industrielle
Unternehmen sei. Das Vorliegen eines Ortsgebrauches, welcher der Beklagten
die heutige, durch Vergrösserung und Modernisierung ihres Betriebs im
Jahrzehnt 1941/1950 verstärkte Lärmerzeugung erlauben würde, wird von der
Vorinstanz verneint. Auf Grund dieser Feststellungen, die tatsächlicher
Natur sind (vgl. BGE 79 II 50 Erw. 3), hat die Vorinstanz die heute
von der Fabrik der Beklagten ausgehende, für die Bewohner des Hauses des
Klägers unerträgliche Lärmeinwirkung mit Recht als im Sinne von Art. 684
Abs. 2 ZGB nicht gerechtfertigt und mithin übermässig bezeichnet.

    b) Die Bauordnung, welche die Gemeinde Affoltern am 7.
Juli/16. September 1955, also während des vorliegenden Prozesses, erlassen
hat, weist die Liegenschaft der Beklagten freilich der Industriezone zu.
Entgegen der Auffassung der Beklagten hat jedoch die Einteilung eines
Gebietes in Bauzonen keineswegs die Bedeutung, dass dadurch die Lage
der Grundstücke und der Ortsgebrauch im Sinne des Art. 684 Abs. 2 ZGB
in von Bundesrechts wegen verbindlicher Weise bestimmt würden. Bei der
Anwendung dieser Gesetzesvorschrift hat der Richter auf die tatsächlichen
Verhältnisse abzustellen, die mit der vorab für die Zukunft gedachten
Zoneneinteilung durchaus nicht übereinzustimmen brauchen. Zudem besagt
eine Bauordnung ja ohnehin nur, was und wie in den verschiedenen
Zonen gebaut werden darf, und nicht, welche Einwirkungen durch Lärm
und andere Störungen auf Nachbargrundstücke erlaubt seien. Auf jeden
Fall könnten Kantone und Gemeinden durch ihre Baugesetzgebung nicht den
Art. 684 ZGB dadurch ausser Kraft setzen, dass sie Einwirkungen erlauben
würden, die angesichts der tatsächlichen Lage eines Grundstücks und
des wirklichen Ortsgebrauchs, d.h. dessen, was am betreffenden Ort in
Wirklichkeit üblich ist, ungerechtfertigt sind. Wenn in BGE 74 I 153/54
beiläufig bemerkt wurde, die Eigentümer von Wohnhäusern in einem der
Industriezone zugewiesenen Gebiet hätten von Seiten der Gewerbebetriebe
ein in ausgesprochenen Wohnquartieren nicht erlaubtes Mass von lästigen
Einwirkungen durch Lärm, Rauch usw. hinzunehmen, so kann dies nicht
bedeuten, dass es bei Beurteilung der Frage, welche Einwirkungen die
Eigentümer von Wohnhäusern innerhalb oder in der Umgebung eines solchen
Gebietes im einzelnen Falle zu dulden haben, nicht auf die tatsächlichen
Verhältnisse am betreffenden Orte, sondern einfach darauf ankomme,
dass das in Frage stehende Gebiet (sei es auch erst nach Erstellung
der Wohnhäuser) der Industriezone zugeteilt wurde. Ebensowenig wird die
Auffassung der Beklagten durch die von ihr angerufenen Art. 686 Abs. 2
und Art. 702 ZGB gestützt. Diese Bestimmungen erlauben den Kantonen und
Gemeinden nur, dem Grundeigentum Beschränkungen aufzuerlegen, die über die
im ZGB vorgesehenen hinausgehen, nicht aber, die vom Zivilrecht gesetzten
Schranken zu lockern oder aufzuheben.

    Das will nicht heissen, dass den Baugesetzen für die Anwendung
von Art. 684 ZGB überhaupt keine Bedeutung zukomme. Bei der Ermittlung
der tatsächlichen Verhältnisse, die für die rechtliche Beurteilung der
lästigen Einwirkungen massgebend sind, kann der Richter sie als Indizien
in Betracht ziehen (vgl. BGE 40 II 449). Ihre Würdigung unter diesem
Gesichtspunkte steht jedoch ausschliesslich dem kantonallen Richter zu,
weil es sich dabei eben um die Feststellung tatsächlicher Verhältnisse
handelt. Von Bundesrechts wegen ist daher nichts dagegen einzuwenden, dass
die Vorinstanz auf die Bauordnung nicht entscheidend abgestellt hat. Hätte
die Vorinstanz diesem Erlass die ihm von der Beklagten zugeschriebene
Bedeutung beigemessen und die tatsächliche Lage und Beschaffenheit
der beteiligten Grundstücke sowie den wirklichen Ortsgebrauch nicht
beachtet, so wäre im Gegenteil gerade dies als Bundesrechtsverletzung
zu rügen gewesen. Die Vorinstanz musste nach Art. 684 ZGB, wie sie es
getan hat, dem von ihr festgestellten Umstande Rechnung tragen, dass
das der Industriezone zugewiesene Grundstück der Beklagten rings umgeben
ist von einem nichtindustriellen Gebiet, das zum Wohnen und zum Betrieb
von Gewerbe und Landwirtschaft benutzt wird. Ebenso beruht es auf einer
zutreffenden Auslegung von Art. 684 ZGB, wenn sie bei Ermittlung des
Ortsgebrauchs berücksichtigte, dass die Fabrik der Beklagten nicht von
jeher so starken Lärm erzeugt hat wie heute, sondern dass der Fabriklärm,
wie die Beklagte zugeben muss, durch die Erweiterung und Modernisierung
des Betriebs im Jahrzehnt 1941/1950 (namentlich durch die 1949/50, also
nur 1-2 Jahre vor Beginn dieses Prozesses erfolgte Anschaffung von 60
automatischen Webstühlen) beträchtlich vermehrt worden ist.

    c) Es kann nicht anerkannt werden, dass die mit der Erweiterung und
technischen Modernisierung eines Betriebs verbundene Vermehrung des Lärms
von den Nachbarn ohne weiteres hinzunehmen sei. Bei solchen Massnahmen
ist auf die Nachbarn Rücksicht zu nehmen. Auf jeden Fall vermögen solche
Massnahmen eine verstärkte Lärmeinwirkung dann nicht zu rechtfertigen, wenn
der Lärm dadurch für die Bewohner der Nachbarschaft unerträglich wird, wie
es hier zutrifft, und wenn den betroffenen Nachbarn nicht entgegengehalten
werden kann, ihre Grundstücke seien zu einer Zeit überbaut worden, da die
eingetretene Entwicklung bereits vorauszusehen war. Dass im Jahre 1867,
als das heute dem Kläger gehörende Haus gebaut wurde, mit der Entwicklung
des Betriebs der Beklagten habe gerechnet werden können, die sich zwischen
1940 und 1950 vollzog, behauptet die Beklagte mit Recht selber nicht. Wie
es sich in dieser Hinsicht im Jahre 1902 verhalten habe, als der Vater
des Klägers das Haus kaufte, ist unerheblich, weil es bei Beurteilung
der Frage, wieweit die mit der Entwicklung eines Betriebs verbundene
Lärmzunahme wegen Voraussehbarkeit dieser Entwicklung zu dulden sei, eben
nicht darauf ankommt, wann das der Lärmeinwirkung ausgesetzte Grundstück
vom derzeitigen Eigentümer oder seinem Gesamtrechtsvorgänger erworben
wurde, sondern darauf, wann es der gegenwärtigen Benutzungsart gewidmet
wurde. Dementsprechend wurde im Falle BGE 40 I Nr. 52 verschiedenen
Nachbarn eines Bundesbahnhofs die Duldung des durch eine Erweiterung
der Bahnanlagen verursachten zusätzlichen Lärms deshalb zugemutet, weil
nicht nur der Erwerb, sondern auch schon die Erstellung ihrer Wohnhäuser
in eine Zeit fiel, da die Bahn bereits bestand (S. 455).

    d) Der Hinweis auf den (Strassen-)Lärm, dem man in den Städten
vielerorts ausgesetzt ist, kann der Beklagten nicht helfen. Solche
Vergleiche sind unvereinbar mit Art. 684 ZGB, wonach die Frage, welche
Einwirkungen zu dulden sind, nach den örtlichen Verhältnissen zu beurteilen
ist. Im übrigen geben die Phonzahlen, auf welche die Beklagte bei ihrem
Vergleich abstellt, nur die Lautstärke an und sagen nichts über die
Art des Lärms, die dessen Wirkung auf den Menschen in sehr wesentlichem
Masse mitbeeinflusst.

    Unbehelflich ist auch der Hinweis der Beklagten auf den Lärm, den der
Kläger m seiner Schmiede selber erzeugt. Wie die Vorinstanz feststellt,
entsteht dieser Lärm - im Gegensatz zu dem von der Beklagten erzeugten
Dauerlärm - immer nur für kurze, nach Minuten zählende Zeit. Es handelt
sich also um einen Lärm, der einerseits erträglich und anderseits
nicht geeignet ist, den von der Fabrik der Beklagten ausgehenden Lärm
zu überdecken.

    e) Der Vorinstanz kann nicht vorgeworfen werden, sie habe dadurch
Bundesrecht verletzt, dass sie die Interessen der Beklagten und die
öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung des Fabrikbetriebs
und an der Sicherung hygienischer Arbeitsbedingungen nicht gebührend
berücksichtigt und die Durchführbarkeit der von ihr gefundenen Lösung nicht
gehörig geprüft habe. Die Vorinstanz hat in rechtlich durchaus zutreffender
Weise ausgeführt, die von der Beklagten unterstrichene volkswirtschaftliche
Bedeutung ihres Betriebs gebe ihr nicht das Recht, in der geschilderten
Weise, d.h. durch Erzeugung eines für die Anwohner unerträglichen Lärms,
auf die Nachbargrundstücke einzuwirken, zumal wenn Abhilfe möglich sei,
ohne dass der Betrieb dadurch unmöglich werde. Ihre Feststellung, dass
die im angefochtenen Urteil getroffene Regelung, wonach die Nordfenster
der östlichen Websäle nur während bestimmter Lüftungspausen geöffnet
werden dürfen, den Betrieb nicht verunmögliche, sondern den hygienischen
Anforderungen genüge, ist im wesentlichen tatsächlicher Natur. Man kann
nicht sagen, dass sie der allgemeinen Erfahrung widerspreche. Es kann aber
auch keine Rede davon sein, dass die Vorinstanz, indem sie es unterliess,
diesen Punkt durch einen Sachverständigen untersuchen zu lassen, eine
bundesrechtliche Beweisvorschrift verletzt habe. Wo das Bundesrecht die
Beiziehung Sachverständiger nicht vorschreibt (wie etwa in Art. 141 und
374 Abs. 2 ZGB), ist es eine Frage des kantonalen Prozessrechts, wieweit
der kantonale Richter auf seine eigene Sachkenntnis abstellen darf (BGE
58 II 118). Verfährt er beim Entscheid hierüber willkürrlich, wie es die
Beklagte der Vorinstanz vorwirft, so kann dies nur durch staatsrechtliche
Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV, nicht durch Berufung gerügt
werden. Im übrigen ist mit dem Kassationsgericht darauf hinzuweisen, dass
die Vorinstanz den Parteien Gelegenheit gegeben hat, sich zu der von ihr in
Aussicht genommenen Lösung auszusprechen, und dass die Beklagte daraufhm
nicht etwa behauptet hat, die Frage, ob diese Lösung durchführbar sei,
könne ohne Anhörung eines Fachmannes nicht zutreffend beurteilt werden. Sie
machte nicht einmal geltend, die vorgesehenen Lüftungspausen seien aus
hygienischen Gründen ungenügend, sondern ihr Verwaltungsratspräsident
brachte auf die ausdrückliche Frage, wie er sich zu dieser Lösung stelle,
nur vor, er habe den Eindruck, "dass dies aus organisatorischen Gründen
nicht gemacht werden kann", weil die Beklagte doch nicht extra eine
Person für das Öffnen und Schliessen der Fenster anstellen könne. Um so
weniger darf die Beklagte der Vorinstanz heute vorwerfen, sie habe die
fabrikhygienischen Erfordernisse ungenügend abgeklärt. Auf den Einwand,
dass die stündliche Lüftung organisatorisch nicht durchführbar sei, kommt
sie mit Recht nicht mehr zurück; es handelt sich auch hier zur Hauptsache
um eine Tatfrage. Demnach hat das Bundesgericht davon auszugehen, dass
die von der Vorinstanz getroffene Regelung durchführbar sei, so dass sich
die Frage, ob der Beklagten die Schliessung des Betriebs zugemutet werden
könnte, nicht stellt. Ebensowenig ist, wenn die vorgesehene stündliche
Lüftung genügt, die Frage der Erstellung einer Klimaanlage zu erörtern.

    f) Schliesslich trifft auch nicht zu, dass die Vorinstanz mangelhaft
abgeklärt habe, ob die von der Beklagten heute vorgeschlagene Lösung
(Schliessung der beiden östlichsten Fenster während der ganzen Arbeitszeit,
Schliessung der übrigen Fenster mit Ausnahme der kleinen Oberflügel
frühmorgens und spätabends) dem Ruhebedürfnis des Klägers genügend Rechnung
trüge ... (Ausführungen darüber, dass das Ergebnis der beim Augenschein
durchgeführten Versuche die Vorinstanz zur Annahme berechtigte, nur die
im angefochtenen Urteil getroffene Regelung schütze den Kläger genügend).

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des
Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 30. November 1956 bestätigt.