Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 II 147



83 II 147

23. Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. Juni 1957 i.S. Dumelin gegen
Tobler und Konsorten. Regeste

    Art. 413 Abs. 1 OR. Ist der Mäklerlohn auch geschuldet, wenn der
Vertrag, zu dessen Abschluss der Mäkler Gelegenheit nachzuweisen hatte,
zwischen Auftraggeber und Mäkler selber zustande kommt?

Sachverhalt

    A.- Die Eisengiesserei Biel G.m.b.H. und Laura Tobler, Christoph
Tobler sen. und Dr. Christoph Tobler jun., denen die Stammanteile der
erwähnten Gesellschaft gehörten, schlossen am 21. Januar 1954 mit ihrem
Geschäftsführer Bruno Dumelin folgenden Vertrag:

    1.  Herr Bruno Dumelin leitet sofort und mit aller Energie den Verkauf
der Eisengiesserei Biel G.m.b.H. ein, sei es durch Verkauf der Aktiven
und Passiven der Gesellschaft, sei es durch Liquidation oder sei es durch
Veräusserung sämtlicher Gesellschaftsanteile.

    2.  Der Verkauf selber bleibt der Gesellschaftsversammlung vorbehalten.

    3.  Herr Dumelin hält sich dabei an folgende Richtlinien:

    a)  Es soll nach Möglichkeit ein Kaufpreis erzielt werden, welcher
wenigstens der Bilanzsumme per 31. Dezember 1953 (Summe der Passiven mit
Einschluss des Gesellschaftskapitals) entspricht.

    b)  Er hält die Geschäftsleitung über alle Kaufsofferten ständig auf
dem Laufenden.

    4.  Übersteigt der Kaufpreis die in Ziff. 3 a erwähnte Bilanzsumme,
so erhält Herr Dumelin bis zu Fr. 50'000.-- den ganzen Übererlös und 25%
von dem Fr. 50'000.-- übersteigenden Betrag als Entschädigung.

    5.  Bleibt der realisierte Verkaufserlös unter der erwähnten
Bilanzsumme, so erhält Dumelin eine einmalige Entschädigung von Fr.
6000.--.

    6.  Mit dem Verkauf der Aktiven und Passiven der Gesellschaft bzw. nach
erfolgter Liquidation erlischt der Anstellungsvertrag von Herrn Dumelin
automatisch, wobei es selbstverständlich Herrn Dumelin frei steht, sich
mit einem allfälligen neuen Geschäftsinhaber über die Fortsetzung des
Vertragsverhältnisses zu verständigen.

    Bei einer im Sinne dieser Vereinbarung erfolgenden Handänderung der
Gesellschaftsanteile ist Herr Dumelin mit einer sofortigen Auflösung des
Vertragsverhältnisses ohne Beobachtung einer Kündigungsfrist einverstanden.

    Mit der in Ziff. 4 und 5 hievor aufgeführten Entschädigung, die ohne
Rücksicht auf das Weiterdauern des Anstellungsverhältnisses geschuldet
ist, sind alle Ansprüche, die Herr Dumelin aus einer vorzeitigen Auflösung
des Anstellungsvertrages geltend machen könnte, abgegolten."

    Am 8. Oktober 1955 erwarb Dumelin selber von Laura Tobler,
Dr. Christoph Tobler jun. und den übrigen Erben des inzwischen verstorbenen
Christoph Tobler sen. alle Gesellschaftsanteile. An die Leistungen
von Fr. 192'472.70, die er ihnen dabei versprach, bezahlte er später
Fr. 186'472 70 Rp. Er erklärte, die Restschuld mit dem Mäklerlohn von
Fr. 6000.-- verrechnen zu wollen, der ihm gemäss Ziffer 5 des Vertrages
vom 21. Januar 1954 geschuldet sei.

    B.- Dumelin wurde von den Verkäufern der Gesellschaftsanteile für den
Betrag von Fr. 6000.-- betrieben, erhob Rechtsvorschlag und reichte gegen
den Entscheid des Appellationshofes des Kantons Bern vom 27. Juni 1956,
der den Gläubigern provisorisch das Recht öffnete, beim gleichen Gerichte
Aberkennungsklage ein.

    Der Appellationshof wies sie am 5. Februar 1957 im wesentlichen mit
folgender Begründung ab: Am 21. Januar 1954 hätten die Parteien an die
Möglichkeit eines Eigenerwerbes nicht gedacht. Es frage sich daher, was sie
für diesen Fall vernünftigerweise gewollt haben könnten. Nun stehe fest,
dass die in Ziff. 4 und 5 des Vertrages alternativ versprochenen Leistungen
einerseits als Entschädigung für die allfällige vorzeitige Auflösung des
Dienstverhältnisses und anderseits als Entgelt dafür, dass der Kläger
sich für den Verkauf zu möglichst guten Bedingungen einsetze, gedacht
gewesen seien. Es liege auf der Hand, dass beim Erwerb des Geschäftes
durch den Kläger eine Vergütung weder unter dem einen noch unter dem
anderen Gesichtspunkt einen Sinn hätte. Denn mit dem Selbsterwerb sei
ein Schaden infolge vorzeitiger Auflösung des Dienstverhältnisses ausser
Betracht gefallen, und erst recht keinen vernünftigen Sinn habe im Falle
des Selbsterwerbes ein Entgelt für die Bemühungen um einen möglichst
guten Preis. Die Klage wäre übrigens selbst dann abzuweisen, wenn der
Kläger grundsätzlich einen Anspruch gehabt hätte. Denn er habe während
der Verkaufsverhandlungen und anlässlich der Verurkundung des Vertrages
nichts von seiner angeblichen Forderung erwähnt. Die Beklagten hätten
sich daher darauf verlassen dürfen, dass er den vereinbarten Preis ohne
Abzug bezahlen werde.

    C.- Der Kläger hat gegen dieses Urteil die Berufung erklärt. Er
beantragt, es sei aufzuheben und das Bundesgericht habe festzustellen,
dass die in Betreibung Nr. 1643 des Betreibungsamtes Biel geltend gemachte
Forderung von Fr. 6000.-- nicht bestehe.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Der Mäkler hat Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages nachzuweisen
oder den Abschluss eines Vertrages zu vermitteln (Art. 412 Abs. 1 OR)
und hat den Lohn für diese Tätigkeit verdient, sobald der Vertrag infolge
seines Nachweises oder seiner Vermittlung zustande gekommen ist (Art. 413
Abs. 1 OR).

    Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Voraussetzungen erfüllt
sind, wenn der Mäkler dem Auftraggeber Gelegenheit nachzuweisen hat,
eine Sache zu bestimmtem Preise zu verkaufen, und er sie zu diesem Preise
selbst kauft. Der Kläger hat sich eine (herabgesetzte) Vergütung auch für
den Fall versprechen lassen, dass der von den Auftraggebern verlangte
Preis nicht erzielt werden sollte. Indem er unter diesem Preis selber
kaufen wollte, geriet er mit seiner elementaren Pflicht als Mäkler,
sich zugunsten der Auftraggeber für einen Verkauf zu möglichst hohem
Preise einzusetzen, in Widerspruch. Unter diesen Umständen verstand es
sich nicht von selbst, dass er den Mäklerlohn dennoch verdiene. Wollte
er ihn trotz des Selbsteintrittes beanspruchen, so verlangten daher
Treu und Glauben, dass er es den Auftraggebern vor dem Abschluss des
Kaufvertrages eindeutig mitteile. Sie hatten ein schützenswertes Interesse,
seinen Willen zu kennen, denn das konnte sie in ihrem Entschlusse, ihm die
Gesellschaftsanteile zu dem von ihm angebotenen Preise zu überlassen oder
einen höheren Preis zu fordern, beeinflussen. Der erst nach dem Abschluss
des Kaufes erhobene Anspruch auf Mäklerlohn ist daher abzuweisen.

    Dass der Kläger anlässlich der Annahme des Auftrages sich für den Fall
der Handänderung mit der sofortigen Auflösung seines Dienstverhältnisses
einverstanden erklärt hat, ändert nichts. Dieses Opfer brachte er nicht im
Hinblick auf die Möglichkeit des Selbsteintrittes, sondern damit er einen
Dritten als Käufer suchen, d.h. im eigentlichen Sinne des Wortes als Mäkler
auftreten dürfe. Diese Möglichkeit haben ihm die Auftraggeber tatsächlich
eingeräumt. Wie jeder andere sich zum Selbsteintritt entschliessende
Mäkler es unter den Umständen des vorliegenden Falles hätte tun müssen,
hatte daher auch er der Gegenpartei mitzuteilen, dass er vom Kaufpreis
einen Mäklerlohn abzuziehen gedenke. Der Hinfall seines Dienstverhältnisses
ändert nichts daran, dass die Verkäufer mangels einer solchen Mitteilung
in guten Treuen annehmen durften, der vom Kläger versprochene Kaufpreis
verstehe sich ohne jeden Abzug von Mäklerlohn.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil der I. Zivilkammer des
Appellationshofes des Kantons Bern vom 5. Februar 1957 bestätigt.