Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 III 38



83 III 38

11. Entscheid vom 26. Februar 1957 i.S. Ernst Leu & Co. Regeste

    Liegenschaftssteigerung. Dreimaliger Aufruf mit jeweiliger Angabe,
ob es der erste, zweite oder dritte Aufruf sei (Art. 126/141/156 SchKG;
60 Abs. 1 VZG). Kennzeichnung des dritten Aufrufes durch erläuternde
Bemerkungen des Betreibungsbeamten (Erw. 1). Öffentliche Erteilung des
Zuschlages (zweiter Satz von Art. 60 Abs. 1 VZG). (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Auf Begehren des Gotthard Müller, Gläubiger der 2.  Hypothek,
brachte das Betreibungsamt Zürich 10 am 8. Oktober 1956 in der
Grundpfandbetreibung Nr. 8062 das Grundstück Ottenbergstrasse 16 zur
Versteigerung.

    In den Steigerungsbedingungen war bestimmt:

    "Das Grundstück wird nach dreimaligem Aufruf des höchsten Angebotes
zugeschlagen, sofern das Höchstangebot Fr. 61'009.20 übersteigt."

    Der betreibende Grundpfandgläubiger Müller bot Fr. 100'000.--,
und als von anderer Seite Fr. 125'000.-- geboten wurden, überbot Müller
diesen Preis noch um Fr. 100.--. Der weitere Verlauf der Steigerung ist im
Steigerungsprotokoll in folgender Weise festgehalten: "Substitut Thurnherr:

    Fr. 125'100.-- für Herrn Gotthard Müller zum ersten ...

    Fr. 125'100.-- für Herrn Gotthard Muller zum zweiten ...

    Fr. 125'100.-- für Herrn Gotthard Müller zum ...  Betreibungs- beamter

    Durrer: Herr Gotthard Müller, Zürich 4, hat Fr. 125'100.--
geboten. Wenn kein weiteres Angebot erfolgt, so bitte ich Herrn Müller,
bei mir die Fr. 5000.-- zu leisten, wie dies in den Steigerungsbedingungen
gemäss Ziff. 10 vorgeschrieben ist.

    Wenn Herr Müller den Betrag leistet, so erfolgt der Zuschlag; wenn
nicht, so geht die Steigerung weiter. Ich bitte deshalb die Anwesenden,
noch hier zu bleiben, bis der Zuschlag erfolgt ist.

    - längere Pause -

    - G. Müller leistet die Anzahlung - BB Durrer:

    Herr Gotthard Müller hat die ausbedungene Anzahlung von Fr. 5000.---
geleistet, und der Zuschlag ist deshalb für Fr. 125'100.-- an Herrn
Gotthard Müller, Brauerstrasse 30, Zürich 4, rechtmässig erfolgt und zwar
für die Liegenschaft Ottenbergstrasse 16, samt Zugehör."

    B.- Über diese Art der Versteigerung führte die Kommanditgesellschaft
Ernst Leu & Co., Gläubigerin mit einem vorläufig eingetragenen
Bauhandwerkerpfandrecht im 4. Range, Beschwerde mit dem Begehren, der
Zuschlag sei aufzuheben und die Steigerung zu wiederholen. Sie brachte vor,
das Grundstück sei, gemessen am Ertragswert, viel zu billig versteigert
worden. Andere Interessenten hätten denn auch auf den dritten Aufruf
gewartet, um höher zu bieten. Nun habe der Betreibungsbeamte es aber
am dritten Aufruf, wie ihn Art. 60 VZG vorschreibe, und ferner an der
öffentlichen Bekanntgabe des Zuschlages fehlen lassen.

    C.- Die Beschwerde wurde von der untern Aufsichtsbehörde abgewiesen,
ebenso der Rekurs der Beschwerdeführerin durch Entscheid der obern
kantonalen Aufsichtsbehörde vom 8. Februar 1957.

    D.- Diesen Entscheid zieht die Beschwerdeführerin an das Bundesgericht
weiter, indem sie an der Beschwerde festhält.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Vorschrift des für die Fahrnissteigerung aufgestellten
Art. 126 SchKG, der auch für die Liegenschaftssteigerung (Art. 141
SchKG), und zwar auch in der Betreibung auf Pfandverwertung gilt
(Art. 156 SchKG), wird der Verwertungsgegenstand dem Meistbietenden nach
dreimaligem Aufruf zugeschlagen, sofern das Höchstangebot dem in jener
ersten Bestimmung formulierten Deckungsprinzip genügt. Im vorliegenden
Falle war diese Bedingung erfüllt, der laut den Steigerungsbedingungen
geltende Minimalpreis überboten. Deshalb lässt sich aus der Höhe des
Zuschlagspreises kein Grund zur Beschwerde herleiten. Die Rekurrentin
wies denn auch auf den Ertragswert der Liegenschaft nur deshalb hin,
um die Notwendigkeit eines dritten Aufrufes darzutun.

    Indessen hat ein dritter Aufruf tatsächlich stattgefunden, wie sich
aus dem durch das Steigerungsprotokoll ausgewiesenen, an sich nicht
bestrittenen Verlauf der Steigerung ergibt. Denn nach dem Aufruf von
"Fr. 125'000.-- zum zweiten ..." erfolgte ein nochmaliger Aufruf dieses
Preisangebotes unter Angabe des Bietenden, bevor es zur Zwischenbemerkung
des Betreibungsbeamten und alsdann zur Leistung der Anzahlung von
Fr. 5000.-- und hierauf zum Zuschlage kam. Die Rekurrentin will den
dritten Aufruf mit Unrecht nicht als solchen gelten lassen, weil er
nicht ausdrücklich als dritter bezeichnet wurde. Sie weist auf Art. 60
Abs. 1 VZG hin, wonach bei jedem der drei Aufrufe jeweilen anzugeben ist,
"ob es sich um den ersten, zweiten oder dritten Aufruf handelt". Dieser
Vorschrift ist jedoch genügt, wenn bei jedem Aufruf unmissverständlich
zum Ausdruck gebracht wird, der wievielte es ist, gleichgültig ob
sich der Gantleiter hiebei der entsprechenden Ordnungszahl oder eines
andern Ausdrucksmittels bedient. Während die ersten beiden Aufrufe
gewöhnlich durch unmittelbare Beifügung der Worte "zum ersten" und
"zum zweiten" gekennzeichnet werden, was auch hier geschehen ist, wird
beim letzten Aufruf oftmals vor den Worten "zum dritten" mit erhobenem
Hammer innegehalten oder nur das Wort "zum" ausgesprochen, in Erwartung
allfälliger höherer Angebote, und wenn solche ausbleiben, wird mit den
Worten "zum dritten" bzw. "dritten" zugeschlagen. Diese Übung hat z.B.
OSER/SCHÖNENBERGER, N. 16 zu Art. 230 OR, im Auge, wenn er bemerkt,
die dritte Wiederholung des letzten Preisangebotes, oft mit einem
Hammerschlag verbunden, bedeute den Zuschlag. Allerdings ist zwischen dem
dritten Aufruf als solchem (worauf höhere Angebote noch erfolgen können,
vgl. BGE 55 III 72; dazu HAAB in der Zeitschrift des bern. Juristenvereins
66 S. 456) und dem mangels höherer Angebote darauffolgenden Zuschlag zu
unterscheiden. Der Aufruf hat aber, wenn es wirklich der dritte ist und
dies dem Steigerungspublikum unmissverständlich gemacht wird, die Bedeutung
der letzten Gelegenheit zum Höherbieten auch ohne Nennung der betreffenden
Ordnungszahl (was eben oft erst beim Zuschlag geschieht). Im vorliegenden
Falle konnte, nachdem das höchste Angebot "zum ersten", dann "zum zweiten"
aufgerufen worden war, der folgende Aufruf (auch ohne besondern Hinweis:
"Wir kommen nun zum dritten Aufruf" oder eine ähnliche Bemerkung) wohl
von vornherein nur als der dritte aufgefasst werden. Selbst wenn aber der
eine oder andere Bietinteressent Zweifel gehegt haben sollte, ob es sich um
eine Wiederholung des zweiten oder um den dritten und damit letzten Aufruf
handle (was übrigens jeder Zweifler durch eine Zwischenfrage hätte abklären
können), stellten die anschliessenden Ausführungen des Betreibungsbeamten
klar, dass der dritte Aufruf vorlag. Er sagte ausdrücklich, "wenn kein
weiteres Angebot erfolge", werde G. Müller die Anzahlung von Fr. 5000.--
zu leisten haben und hierauf den Zuschlag erhalten. Damit war der in
Frage stehende Aufruf eindeutig als der letzte, dritte gekennzeichnet,
mit allen sich daran knüpfenden Rechtswirkungen. Wer höher bieten wollte,
musste wissen, dass er es jetzt zu tun hatte, da sonst der Zuschlag an
G. Müller erteilt würde.

Erwägung 2

    2.- Nach dem zweiten Satz von Art. 60 Abs. 1 VZG ist das Betreibungsamt
verpflichtet, dem Höchstbietenden, nachdem der dreimalige Aufruf kein
noch höheres Angebot hervorgerufen hat, "sofort öffentlich den Zuschlag
zu erteilen". Das ist hier nach vorinstanzlicher Feststellung geschehen,
indem der Betreibungsbeamte die Liegenschaft dem Bieter G. Müller nach
Entgegennahme der Anzahlung vor dem Steigerungspublikum zum erwähnten
Preise zuschlug. Damit war die Steigerung vorschriftsgemäss beendigt,
gleichgültig ob alle Teilnehmer aufmerksam Auge und Ohr auf den Vorgang
richteten, oder ob manche sich durch Strassenlärm und durch Unruhe im
Gantlokal (allgemeines Räuspern und Stühlerücken, wie geltend gemacht
wurde) ablenken liessen. Der Zuschlag erfolgte öffentlich, wie die
Verordnung es verlangt, indem sich alles vor den im Gantlokal Anwesenden
abspielte, die sich übrigens, wenn sie es wünschten, durch Frage an den
Betreibungsbeamten näheren Aufschluss verschaffen konnten.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.