Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 83 III 108



83 III 108

29. Entscheid vom 29. August 1957 i.S. Büterra-Immobilien A.-G. Regeste

    Wirkungen des Arrestvollzuges. Die Arrestierung eines Grundstückes
erfasst wie dessen Pfändung die während ihrer Dauer anfallenden Früchte
und sonstige Erträgnisse auch ohne dahingehendes besonderes Begehren
des Gläubigers, und dem Betreibungsamte liegt wie bei der Pfändung
die Sorge für die Verwaltung und Bewirtschaftung des Grundstückes
ob. Berücksichtigung des Unterhaltsbedarfs des Schuldners und seiner
Familie. Art. 102 in Verbindung mit Art. 275 SchKG.

Sachverhalt

    A.- Die Handelsbank Luzern A.-G. erwirkte am 10. Mai 1957 für eine
Forderung von Fr. 247'154.-- nebst Zinsen auf Grund von Art. 271 Abs. 1
Ziff. 2 SchKG gegen die Rekurrentin einen Arrestbefehl, der unter der
Rubrik "Arrestgegenstände" folgende Angabe enthält:

    "Die auf die Arrestschuldnerin im Grundbuch eingetragene Liegenschaft
Steinhausweg 4 in Zürich 6, sofern arrestierbar und pfändbar, bis zur
Deckung der Arrestforderung samt Zins und Kosten."

    Das Betreibungsamt Zürich 6, das diesen Arrest vollzog, unterwarf dem
Beschlag in analoger Anwendung von Art. 102 SchKG auch die künftig fällig
werdenden Mieterträgnisse der Liegenschaft und erliess entsprechende
Anzeigen an die Mieter und die Pfandgläubiger.

    B.- Auf Beschwerde der Schuldnerin hob die untere Aufsichtbehörde die
Beschlagnahme der Mietzinse auf und ordnete den Widerruf der an die Mieter
ergangenen Anzeigen an. Die obere kantonale Aufsichtsbehörde wies dagegen
auf Rekurs der Gläubigerin mit Entscheid vom 23. Juli die Beschwerde der
Schuldnerin als unbegründet ab.

    C.- Mit vorliegendem Rekurs an das Bundesgericht hält die Schuldnerin
an der Beschwerde fest.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 275 SchKG wird der Arrest nach den in den Artikeln
91-109 für die Pfändung aufgestellten Vorschriften vollzogen. Somit ist,
falls keine speziellen arrestrechtlichen Gründe entgegenstehen, auch
Art. 102 SchKG anwendbar, wonach die Pfändung eines Grundstückes unter
Vorbehalt der den Grundpfandgläubigern zustehenden Rechte auch dessen
Früchte und sonstige Erträgnisse erfasst (Abs. 1), das Betreibungsamt
den Grundpfandgläubigern sowie gegebenenfalls den Mietern und Pächtern
von der erfolgten Pfändung Kenntnis zu geben hat (Abs. 2) und für die
Verwaltung und Bewirtschaftung der Liegenschaft sorgt (Abs. 3). Die
untere Aufsichtsbehörde hält die Einbeziehung der Früchte und sonstigen
Erträgnisse bei Arrestierung einer Liegenschaft für unzulässig, weil nur
die im Arrestbefehl aufgeführten Gegenstände (Art. 274 Ziff. 4 SchKG)
arrestiert werden dürfen, was deren Angaben durch den Gläubiger im
Arrestbewilligungsgesuch voraussetzt (Art. 272 SchKG). Diese Vorschrift
ist freilich beim Vollzug des Arrestes zu beachten; es ergibt sich daraus,
dass der in Art. 91 SchKG statuierten Anwesenheits- und Auskunftspflicht
des Schuldners eine dementsprechend eingeschränkte Bedeutung zukommt
(vgl. BGE 56 III 47), und dass auch die Bestimmungen von Art. 95 SchKG
über die Reihenfolge der zu pfändenden Gegenstände sich nur im Rahmen
der im Arrestbefehl aufgeführten Gegenstände auswirken können. Gegen
die Anwendung von Art. 102 SchKG lässt sich jedoch der sich aus Art. 274
Ziff. 4 SchKG ergebenden gegenständlichen Beschränkung des Arrestes nichts
entnehmen. Wenn JAEGER (N. 1 B zu Art. 275 SchKG) einerseits hervorhebt,
dass das Betreibungsamt andere als im Arrestbefehl verzeichnete Gegenstände
nicht mit Arrest belegen darf, bemerkt er zu Art. 102 (N. 1) anderseits,
dieser Artikel müsse auch in seinem ganzen Umfang auf die provisorische
Pfändung und den Arrest Anwendung finden. Dem ist beizustimmen, da die
Pfändung eines Grundstückes nach Art. 102 Abs. 1 SchKG eben die während
ihrer Dauer anfallenden Früchte und sonstige Erträgnisse "erfasst",
ohne dass sie noch eigens gepfändet werden müssten oder überhaupt als
zusätzliche Pfändungsgegenstände zu gelten hätten. Der gesetzgeberische
Grund der soeben erwähnten Vorschrift ist in Abs. 3 daselbst zu finden,
wonach das Betreibungsamt während der Dauer der Pfändung für die
Verwaltung und Bewirtschaftung der Liegenschaft zu sorgen hat. Darin
ist die Ertragsgewinnung mitenthalten, wie denn die Erträge in erster
Linie zur Begleichung des Unterhalts- und sonstigen Aufwandes samt den
Verwaltungskosten zu dienen haben (vgl. namentlich die Art. 17 und 22 VZG).
All dies gilt nun auch für den Arrest, der wie die Pfändung eine bis zum
Eintritt eines Endigungsgrundes andauernde betreibungsamtliche Gewalt
begründet und eine dementsprechend vom Betreibungsamt zu besorgende
Verwaltung und Bewirtschaftung mit sich bringt. Daher stellt sich die
Ertragsgewinnung auch bei der Arrestierung des Grundstückes als eine
Massnahme des Vollzuges und der infolgedessen eintretenden amtlichen
Verwaltung dieses einen Vermögensgegenstandes dar, und es liegt darin
keine Vermehrung der Arrestgegenstände über den durch Art. 274 Ziff. 4
SchKG gezogenen Rahmen hinaus.

Erwägung 2

    2.- Davon geht der vorinstanzliche Entscheid zutreffend aus, und
ist ihm auch darin beizustimmen, dass (entgegen einer Entscheidung
vom 17. September 1913, BGE 39 I 489 = Sep.-Ausg. 16 S. 191 = Praxis
2 Nr. 235) auch abgesehen von Art. 274 Ziff. 4 SchKG nichts der
Einbeziehung der Erträgnisse bei Arrestierung einer Liegenschaft
entgegensteht. Jene Entscheidung bezeichnet es als zu weitgehend,
dem Schuldner den Liegenschaftsertrag vorzuenthalten bei blosser
Arrestierung des Grundstückes, die keinen irgendwie zuverlässigen
Nachweis des Rechtsbestandes der vom Gläubiger geltend gemachten Forderung
voraussetzt. Diese Betrachtungsweise geht jedoch an der dem Betreibungsamt
obliegenden Sorge für die Verwaltung und Bewirtschaftung der arrestierten
Liegenschaft vorbei, womit die Gewinnung und zweckentsprechende Verwendung
der Erträgnisse verbunden ist. Eine Frage für sich ist, ob ein Reinertrag
dem Schuldner und seiner Familie für den laufenden Bedarf zu überlassen
sei. Art. 102 SchKG sieht dies nicht vor, die neuere Rechtsprechung
bejaht es aber auf Grund von Art. 22 und 94 VZG, welche Bestimmungen
sich an Art. 103 Abs. 2 SchKG anlehnen; übrigens wird der Bedarf des
Schuldners in analoger Weise in Bezug auf den Ertrag beweglichen Vermögens
berücksichtigt (BGE 64 III 105). Für eine weitergehende Beschränkung der
Beschlagswirkungen des Arrestes fehlt es dagegen an einer gesetzlichen
Grundlage. Insbesondere lässt sich nichts Abweichendes daraus herleiten,
dass bei Anhebung einer Betreibung auf Grundpfandverwertung die Miet-
und Pachtzinsensperre nach Art. 806 ZGB und Art. 152 Abs. 2 SchKG nur
dann angeordnet wird, wenn der Gläubiger "im Betreibungsbegehren nicht
ausdrücklich oder durch Nichtleistung des Kostenvorschusses auf die
Ausdehnung der Pfandhaft der Miet- und Pachtzinsforderungen verzichtet hat"
(Art. 91 VZG). Diese Regelung erklärt sich daraus, dass der Pfandgegenstand
ordentlicherweise nicht schon mit der Anhebung der Betreibung, sondern
erst nach Stellung des Verwertungsbegehrens in amtliche Verwaltung kommt
(Art. 155 Abs. 1 SchKG, 101 VZG), während eine solche Verwaltung bei
Arrestierung oder Pfändung des Grundstückes ohne weiteres Platz greifen
muss.

Erwägung 3

    3.- Der Rekurs der Schuldnerin ist um so weniger begründet, als die
Gläubigerin bei Umschreibung des Arrestgegenstandes ("... Liegenschaft...,
sofern arrestierbar und pfändbar") zum Ausdruck gebracht hat, dass
sie auf den ganzen pfändbaren Bestand der Liegenschaft greifen wolle
("sofern" bedeutet im Zusammenhang des Satzes "soweit"). Auf Einbezug
der Reinerträgnisse zu verzichten, bestand denn auch keine Veranlassung,
zumal die Liegenschaft bei einem betreibungsamtlichen Schätzungswert von
Fr. 150'000.-- mit Fr. 217'600.-- grundpfändlich belastet ist.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.