Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 I 258



82 I 258

37. Urteil vom 14. Dezember 1956 i.S. Michel und Luginbühl gegen eidg.
Volkswirtschaftsdepartement. Regeste

    Betriebsbewilligungen: Voraussetzungen für die Eröffnung einer
Uhrensteinfabrik. Fall zweier Bewerber, die geltend machen, dass ihre
Fähigkeiten sich ergänzen.

Sachverhalt

    A.- Franz Michel, geboren 1914, betätigte sich, nachdem er den
Coiffeurberuf erlernt und ausgeübt hatte, von 1943 an als Tourneur von
Uhrensteinen, zunächst bei der Watch Stones A.-G. in Thun und seit 1951
in der Uhrensteinfabrik Bula und Gasser G.m.b.H. in Thun.

    Emil Luginbühl, geboren 1921, trat 1937 bei der Watch Stones A.-G. ein,
wo er das Creusage lernte und anschliessend bis 1946 als Vorarbeiter
beschäftigt wurde. Er war dann während einiger Monate Vertreter einer
Bürstenfabrik. Seit November 1946 arbeitet er als Atelierchef in der
Uhrensteinfabrik Bula und Gasser G.m.b.H. Sein Dienstvertrag bestimmt:
"Bei Abwesenheit des Geschäftsführers soll die Arbeit folgendermassen
eingeteilt werden: a) Herr Luginbühl übernimmt die Verantwortung betreffend
der Creusages-, Posages- und Visitagesarbeiten. b) Herr Gasser übernimmt
die Verantwortung für die übrigen Arbeiten, die mit dem Betrieb und mit
dem Büro im Zusammenhang stehen."

    Am 10. Februar 1956 stellten Michel und Luginbühl das Gesuch, es sei
ihnen gemeinsam die Eröffnung einer Uhrensteinfabrik mit 14 Arbeitskräften
zu bewilligen.

    B.- Mit Entscheid vom 19. Juni 1956 hat das eidg.
Volkswirtschaftsdepartement die erbetene Bewilligung verweigert. Es
führt aus, auf Grund von Art. 4 Abs. 1 lit. a UB könnte die Bewilligung
nur erteilt werden, wenn jeder Gesuchsteller in seiner Person die dort
umschriebenen Voraussetzungen voll erfüllte, was nicht zutreffe. Beide
Gesuchsteller seien nicht über alle in der Uhrensteinfabrikation
vorkommenden Arbeitsgänge gründlich orientiert, noch hätten sie in dieser
Branche eine kaufmännische Tätigkeit ausgeübt. Besondere Umstände, welche
eine Bewilligung nach Art. 4 Abs. 2 lit. a UB rechtfertigen würden, seien
nicht ersichtlich. Angesichts der einseitigen Ausbildung und Praxis der
Gesuchsteller sei zweifelhaft, ob der geplante Betrieb lebensfähig wäre.

    C.- Michel und Luginbühl führen Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
Antrag, der Entscheid des Departements sei aufzuheben und die nachgesuchte
Bewilligung zu erteilen. Sie machen geltend, für eine Bewilligung
nach Art. 4 Abs. 1 lit a UB müsse genügen, dass sie zusammen die dort
festgelegten Voraussetzungen erfüllten. Sie kennten alle Arbeitsgänge,
welche die Uhrensteinfabriken üblicherweise selbst besorgten. Das Perçage
gehöre nicht zur eigentlichen Uhrensteinfabrikation, sondern sei ein
eigener Fabrikationszweig. Das Grandissage hätten die Beschwerdeführer zwar
nicht selbst ausgeübt, doch verständen sie - namentlich Luginbühl - diese
Arbeit vorzubereiten und zu beurteilen. Übrigens werde das Grandissage
häufig an Dritte vergeben. Im Tournage sei Michel spezialisiert. Das
Verifiage werde allgemein an Dritte vergeben, ebenso das Olivage. Das
Creusage, Amorçage, Polissage, Posage und Visitage kenne Luginbühl
gründlich; habe er doch auf diesen Gebieten als Chef gearbeitet. Man
könne nicht verlangen, dass die Gesuchsteller sämtliche Arbeitsgänge
schon selber ausgeführt haben. Es genüge, dass sie gemeinsam die für
die Leitung, Organisation und Beurteilung der Arbeit nötigen Fähigkeiten,
Erfahrungen und Kenntnisse besässen, was sie durch ihre bisherige Tätigkeit
als Fabrikationschefs der Bula und Gasser G.m.b.H. bewiesen hätten. Sie
verfügten auch über die notwendigen kaufmännischen Kenntnisse. Es sei zu
beachten, dass die Uhrensteinfabriken ausschliesslich inländische Kunden
beliefern. Die Beschwerdeführer, insbesondere Luginbühl, seien in der Lage,
die Produktivität der eingesetzten Arbeiter abzuschätzen und die Preise zu
berechnen. Sie absolvierten einen Buchhaltungskurs. Auf jeden Fall müsste
die Bewilligung auf Grund von Art. 4 Abs. 2 lit. a UB erteilt werden.

    D.- Das eidg. Volkswirtschaftsdepartement beantragt Abweisung der
Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Erteilung einer Bewilligung auf Grund von Art. 4 Abs. 1 lit. a
UB setzt voraus, dass der Gesuchsteller in der in Frage stehenden Branche
eine ausreichende technische und kaufmännische Tätigkeit ausgeübt hat und
die notwendigen Kenntnisse für die Leitung des zu eröffnenden Betriebes
besitzt.

    Die Beschwerdeführer wollen eine Uhrensteinfabrik eröffnen, einen
Betrieb, der nach ihrer eigenen Darstellung normalerweise das Grandissage,
Tournage, Verifiage, Creusage, Amorçage, Polissage, Posage, Olivage
und Visitage umfasst. Sie sind jedoch weder einzeln noch gemeinsam mit
allen diesen Partien in technischer Beziehung gründlich vertraut. Michel
beherrscht nur das Tournage. Luginbühl hat das Creusage gelernt und sich
auf diesem Gebiete als Vorarbeiter oder Atelierchef betätigt; wenn er
ferner im Posage und Visitage, wofür er in der Firma Bula und Gasser
G.m.b.H. nach dem Dienstvertrag in Abwesenheit des Geschäftsführers
ebenfalls die Verantwortung getragen hat, und ebenso, wie die Beschwerde
behauptet, im Grandissage, Amorçage und Polissage genügende Kenntnisse und
Erfahrungen besitzt, so hat er doch auf jeden Fall im Verifiage und Olivage
keine Praxis. Wer ein kleines Unternehmen, wie es die Beschwerdeführer
zu betreiben gedenken, eröffnen will, muss aber alle Arbeitsgänge, die
bei der betreffenden Fabrikation normalerweise vorkommen, genau kennen,
da er selbst imstande sein muss, alle seine Arbeiter zu beaufsichtigen,
die Qualität und die Ergiebigkeit ihrer Arbeit zu beurteilen und sämtliche
Gestehungskosten zu berechnen. Wenn in der Uhrensteinfabrikation gewisse
Partien an Unterakkordanten vergeben werden, so muss doch der Fabrikant,
der seiner Kundschaft die fertigen Steine liefert, in der Lage sein, den
Wert der Arbeit, die er durch Dritte ausführen lässt, einzuschätzen. Dazu
kommt, dass die Konjunktur sich ändern und er infolgedessen gezwungen sein
kann, alle zu seiner Fabrikation gehörenden Partien im eigenen Betriebe
auszuführen. Die Beschwerdeführer besitzen daher auch gemeinsam nicht
alle technischen Kenntnisse und Erfahrungen, über die verfügen muss, wer
eine Uhrensteinfabrik mit Aussicht auf Erfolg in guten wie in schlechten
Zeiten leiten will.

    Michel erfüllt offensichtlich auch die kaufmännischen Anforderungen
nicht. Luginbühl kann sich in dieser Beziehung nur auf die Erfahrungen
berufen, die er als Vorarbeiter oder Atelierchef erworben hat. Diese
Erfahrungen genügen aber schon deshalb nicht, weil sie nicht die ganze
Uhrensteinfabrikation umfassen. Abgesehen hievon dürften sie auch deswegen
kaum ausreichen, weil die kaufmännische Leitung einer Uhrensteinfabrik
schwieriger ist als diejenige von Unternehmungen, die in der Regel nur
einen sehr beschränkten Kundenkreis haben, wie etwa eines Terminageateliers
(vgl. BGE 79 I 108) oder eines Betriebes, der sich nur mit einer Partie
der Uhrensteinfabrikation befasst.

    Besitzen mithin die Beschwerdeführer weder einzeln noch zusammen
die technische und kaufmännische Qualifikation, die Voraussetzung einer
Bewilligung nach Art. 4 Abs. 1 lit. a UB wäre, so kann hier offen
gelassen werden, ob eine solche Bewilligung überhaupt zulässig sei,
wenn die verschiedenen Anforderungen an die Fähigkeit zur Leitung des zu
eröffnenden Betriebes nicht in der Person eines einzigen Gesuchstellers,
sondern nur in der Verbindung von zwei oder mehr solchen erfüllt sind.

Erwägung 2

    2.- Art. 4 Abs. 2 UB ermöglicht die Erteilung einer Bewilligung
auch in Fällen, wo nicht alle Voraussetzungen von Abs. 1 hit. a gegeben
sind. Auch unter dem Gesichtspunkte von Abs. 2 muss jedoch Gewähr für
den guten Gang des zu eröffnenden Unternehmens bestehen. Daran fehlt
es hier nach dem in Erw. 1 Ausgeführten, auch wenn berücksichtigt wird,
dass die Fähigkeiten der beiden Beschwerdeführer sich in einem gewissen
Umfange ergänzen, und angenommen werden kann, dass die geplante Verbindung
dauerhaft wäre. Der angefochtene Enscheid hält auch vor Art. 4 Abs. 2 UB
stand. Besondere Umstände, welche eine abweichende Lösung rechtfertigen
würden, sind nicht nachgewiesen.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.