Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 I 251



82 I 251

36. Urteil vom 30. November 1956 i.S. Steiner Mineralöl & Chemikalien AG
gegen Oberzolldirektion. Regeste

    Zollnachlass gemäss Art.127 Abs. 1 Ziff. 3 Z G. Begriff der
Nachforderung (Art. 126 ZG). Verweigerung des Erlasses mangels einer in
besonderen Verhältnissen begründeten Unbilligkeit der Belastung.

Sachverhalt

    A.- Am 17. Mai 1955 meldete die Güterabfertigung Waldshut der Deutschen
Bundesbahnen, gestützt auf die Verzollungsinstruktion der Speditionsfirma
Jacky, Maeder & Co. in Zürich, dem schweizerischen Zollamt Waldshut eine
aus Ostdeutschland kommende, für die Firma Steiner Mineralöl & Chemikalien
AG in Zürich bestimmte Sendung wie folgt zur Einfuhrverzollung an:

    "1 Kesselwagen Isooktan tech. = Lösungsmittel aus organischen Stoffen,
ohne Alkohol, Tarif-Nr. 1059 zu Fr. 3.- per 100 kg brutto, netto 40'000
kg + 20 % Tara = brutto 48'000 kg."

    Mit der Deklaration wurde ein vom Lieferanten ausgestellter
"Qualitätspass" vorgelegt, der eine Analyse des Produkts mit dessen
Siedekurve wiedergibt.

    Die Firma Steiner mischt dieses Erzeugnis ihrem aus "freien"
italienischen Raffinerien bezogenen Benzin im Gewichtsverhältnis 5: 95
bei, um ungefähr die gleiche Klopffestigkeit (Oktanzahl) zu erreichen, die
das Benzin ihrer Hauptkonkurrenten (Esso, Shell, BP, Gulf usw.) aufweist.

    Das Zollamt entnahm der Sendung ein Muster und fertigte
sie mit Zollquittung vom 17. Mai 1955 auf Grund des eingereichten
Abfertigungsantrages nach Tarif-Nr. 1059 ab, wobei es an Zoll und Gebühren
Fr. 1547.55 erhob.

    Nach Prüfung jenes Musters stellte die Oberzolldirektion fest,
dass das eingeführte "Isooktan" Benzin im Sinne der Tarif-Nr. 1065
b darstelle und deshalb zum Ansatz von Fr. 26.50 je 100 kg brutto
zu verzollen sei. Die Zollkreisdirektion Schaffhausen forderte den
danach sich ergebenden Differenzbetrag von Fr. 10'688.45 gestützt auf
Art. 126 ZG bei der Firma Steiner nach. Diese beschwerte sich bei der
Oberzolldirektion, indem sie in erster Linie Aufhebung der Nachforderung
wegen Unrichtigkeit der zugrunde liegenden zollrechtlichen Zuteilung und
eventuell Nachlass des nachgeforderten Betrages gemäss Art. 127 Abs. 1
Ziff. 3 ZG beantragte. Die Oberzolldirektion wies die Beschwerde am
20. August 1955 ab. Die Beschwerdeführerin zog diesen Entscheid, soweit
er das Hauptbegehren betrifft, an die Zollrekurskommission weiter, doch
wurde sie von dieser am 3. Mai 1956 ebenfalls abgewiesen.

    B.- Ausserdem hat die Firma Steiner gegen den Entscheid der
Oberzolldirektion, soweit er das Eventualbegehren um Zollnachlass
abweist, Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben,
welches sein Verfahren bis zum Entscheid der Zollrekurskommission
ausgesetzt hat. Zur Begründung dieser Beschwerde wird ausgeführt,
die Voraussetzungen eines Nachlasses nach Art. 127 Abs. 1 Ziff. 3 ZG
seien erfüllt. Die Beschwerdeführerin habe anfangs Mai 1955 von der
Oberzolldirektion telephonisch die Auskunft erhalten, dass technisches
Isooktan unter die Tarif-Nr. 1059 falle. Gestützt auf diesen verbindlichen
Bescheid habe sie die Ware bestellt. Sie hätte die Einfuhr unterlassen,
wenn man ihr mitgeteilt hätte, dass die Tarifposition 1065 b massgebend
sei. Sie könne das Produkt nicht oder nur mit Verlust verkaufen, wenn
die Nachforderung anfrecht erhalten werde. Unter diesen besonderen
Umständen werde sie durch die Nachforderung unbillig belastet, zumal
den Importeuren von Dieselöl "auf Zusehen hin" gestattet werde, diesem
Treibstoff niedrig verzolltes Spindelöl beizumischen. Es sei nicht getan
mit dem Hinweis der Oberzolldirektion darauf, dass auf die Einleitung eines
Zollstrafverfahrens wegen Abgabe einer unrichtigen Deklaration verzichtet
worden sei. Das Importgut sei richtig deklariert worden, übrigens nicht
von der Beschwerdeführerin, sondern von der Güterabfertigung Waldshut.

    C.- Die Oberzolldirektion beantragt, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die vorliegende Beschwerde, die wegen Verweigerung eines
Zollnachlasses gemäss Art. 127 Abs. 1 Ziff. 3 ZG erhoben wird, fällt in
den Kompetenzbereich des Bundesgerichts (BGE 78 I 283). Es ist darauf
einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Art. 127 Abs. 1 Ziff. 3 ZG ermöglicht einen Zollerlass, wenn eine
Nachforderung mit Rücksicht auf besondere Verhältnisse den Zollpflichtigen
unbillig belasten würde. Nachforderungen (Art. 126 ZG) werden gestellt,
wenn infolge Irrtums der Zollverwaltung bei der Zollabfertigung ein
nach Gesetz geschuldeter Zoll oder eine andere durch die Zollverwaltung
zu erhebende Abgabe nicht oder zu niedrig oder eine Rückvergütung zu
hoch festgesetzt wurde. Sie dienen der nachträglichen Berichtigung von
Irrtümern, die bei der Zollabfertigung vorgekommen sind.

    Hier hat das Zollamt am 17. Mai 1955 auf Grund der Deklaration
eine endgültige Zollabfertigung (Art. 38, 39 ZG) vorgenommen. Gestützt
auf die in der Deklaration gemachten Angaben hat es die Ware in die
Tarifposition 1059 eingereiht, die entsprechenden Abgabebeträge erhoben
und darauf den zur Überführung der importierten Ware in den freien Verkehr
berechtigenden Zollausweis (Art. 37 ZG) ausgestellt. In der Annahme,
auf die Deklaration abstellen zu dürfen, hat es sich nicht veranlasst
gesehen, eine blosse Zwischenabfertigung (provisorische Verzollung,
Art. 40 ZG) vorzunehmen. Die amtliche Nachprüfung des der Warensendung
bei der Zollabfertigung entnommenen Musters durch den chemisch-technischen
Dienst der Oberzolldirektion hat indes ergeben, dass die Tarifposition 1065
b massgebend ist, und dieser Befund ist durch den für das Bundesgericht
verbindlichen Entscheid der Zollrekurskommission bestätigt worden. Damit
hat sich die vom Zollamt bei der Abfertigung vom 17. Mai 1955 vorgenommene
zollrechtliche Zuteilung als irrtümlich und die darauf beruhende
Abgabeforderung als zu niedrig erwiesen. Im Umfange der Differenz
wird eine Nachforderung im Sinne des Art. 126 ZG gestellt. Zu Unrecht
bestreitet dies die Oberzolldirektion mit der Begründung, es liege kein
Irrtum der Zollverwaltung vor, da die Nachforderung im Zusammenhang stehe
mit einer von der Beschwerdeführerin zu vertretenden Falschdeklaration,
die zumindest objektiv den Tatbestand einer Zollübertretung im Sinne
von Art. 74 Ziff. 6 ZG erfülle. Es ist offensichtlich, dass das Zollamt
bei der Abfertigung die Ware infolge Irrtums über ihren wahren Charakter
einer unzutreffenden Tarifposition zugewiesen hat. Aus welchem Grunde es
sich geirrt hat, ist in diesem Zusammenhang unwesentlich. Selbst wenn
der Irrtum durch eine Zollübertretung herbeigeführt worden wäre, hätte
man es mit einer Nachforderung im Sinne des Art. 126 ZG zu tun.

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 127 Abs. 1 Ziff. 3 ZG genügt es für den Zollerlass
nicht, dass eine Nachforderung den Zollpflichtigen unbillig belasten
würde. Erforderlich ist ausserdem, dass die Unbilligkeit in besonderen
Verhältnissen begründet ist. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt,
so dass offen gelassen werden kann, ob überhaupt von einer unbilligen
Belastung die Rede sein könnte.

    a) Die Beschwerdeführerin macht vor allem geltend, sie habe sich in
guten Treuen auf die vor der Bestellung der Ware eingeholte telephonische
Auskunft der Oberzolldirektion verlassen, dass technisches Isooktan
unter die Tarifposition 1059 falle. Die Oberzolldirektion bestreitet,
einen solchen telephonischen Bescheid gegeben zu haben. Indessen erübrigt
es sich, hierüber Beweis zu erheben. Die Tarifauskunft wäre nach der
Darstellung der Beschwerde im Laufe eines Telephongesprächs, gestützt
auf blosse mündliche Angaben der Fragestellerin, erteilt worden. Wenn
sie wirklich gegeben worden ist, so war sie an den selbstverständlichen
Vorbehalt geknüpft, dass jene Angaben zutrafen. Ob die angebliche Auskunft
- unter jenem Vorbehalt - richtig war oder nicht, kann dahingestellt
bleiben. Auf jeden Fall war es zum mindesten missverständlich, wenn die
Beschwerdeführerin bei der Anfrage die Ware als "technisches Isooktan"
bezeichnet hat; ist doch durch den Entscheid der Zollrekurskommission
verbindlich festgestellt, dass man es in Wirklichkeit mit Benzin zu tun
hat. Die Beschwerdeführerin hätte eine verlässliche Tarifauskunft nur
dann erwarten können, wenn sie der Oberzolldirektion ein Warenmuster oder
wenigstens eine genügend genaue Beschreibung der Ware eingereicht hätte,
zumal "Isooktan" im Zolltarif nicht genannt ist und auch nicht durch eine
Zuteilungsverfügung des Bundesrates klassiert worden war (Art. 22 ZG,
Art. 8 VVZ). Darüber hätte sich die Beschwerdefuhrerin vernünftigerweise,
bei Anwendung einiger Sorgfalt, Rechenschaft geben müssen, auch wenn
ihr die Vorschriften über die Erteilung von Tarifauskünften (Art. 8
VVZ) nicht von vornherein bekannt waren. Selbst wenn der Auffassung
der Oberzolldirektion, dass nach Art. 8 VVZ Tarifauskünfte für die
Zollverwaltung unter allen Umständen nur dann verbindlich seien, wenn
sie schriftlich erteilt werden, nicht gefolgt werden könnte und wenn
die angebliche Auskunft an keinerlei ausdrücklichen Vorbehalt geknüpft
worden wäre, hätte die Beschwerdeführerin ausserordentlich unvorsichtig
und damit fahrlässig gehandelt, falls sie sich, wie nach ihrer Darstellung
anzunehmen wäre, auf einen bloss telephonisch nachgesuchten und gegebenen
Bescheid verlassen hätte, ohne der Oberzolldirektion Unterlagen zur Prüfung
vorgelegt und ohne auch nur die erhaltene Auskunft durch schriftliche
Bestätigung festgehalten zu haben. Ein Sachverhalt, den der Zollpflichtige
selber verschuldet hat, kann aber nicht als besonderer Umstand im Sinne
von Art. 127 Abs. 1 Ziff. 3 ZG anerkannt werden.

    b) Aus demselben Grunde ist kein solcher Umstand die Tatsache,
dass das Zollamt die Ware bei der Zollabfertigung irrtümlich unter die
Tarif-Nr. 1059 statt unter Nr. 1065 b eingereiht hat. Der Irrtum ist
auf eine unrichtige oder zum mindesten ungenaue und missverständliche
Deklaration zurückzuführen, wofür die Beschwerdeführerin einzustehen hat,
da die Ware gemäss ihren Anweisungen deklariert worden ist. Irreführend
war insbesondere, dass die Ware als "Lösungsmittel" deklariert wurde,
obwohl sie gewöhnlichem Benzin zur Verwendung für motorische Zwecke
beigemischt werden sollte. Auch die Bezeichnung "technisches Isooktan"
war missverständlich; denn es handelt sich weder um chemisch reines noch um
technisches Isooktan (Kohlenwasserstoff mit bestimmter Siedetemperatur),
sondern um Benzin im Sinne der Tarifposition 1065 b (Gemisch von
Kohlenwasserstoffen, die auch nach der Mischung bei verschiedenen
Temperaturen sieden), wie die Prüfung des bei der Zollabfertigung erhobenen
Musters durch den chemisch-technischen Dienst der Oberzolldirektion ergeben
hat. Das hätte sich freilich schon auf Grund der Analysedaten feststellen
lassen, die in dem bei der Deklaration vorgelegten "Qualitätspass"
aufgezeichnet waren. Indessen war der zwischen der Deklaration und
diesen Daten bestehende Widerspruch für das abfertigende Zollamt nicht
ohne weiteres erkennbar. Das Zollamt hat auf Grund der Deklaration,
irregeführt durch die darin gemachten missverständlichen Angaben, eine
endgültige Zollabfertigung mit unrichtiger Tarifierung vorgenommen. Die
Irreführung ist von der Beschwerdeführerin verschuldet; es liegt zum
mindesten Fahrlässigkeit vor.

    c) Es mag zutreffen, dass die Beschwerdeführerin auf dem
schweizerischen Benzinmarkt im Konkurrenzkampf mit den grossen
Erdölkonzernen einen schweren Stand hat, wenn sie das Produkt, das sie
dem von ihr aus Italien eingeführten gewöhnlichen Benzin zur Erhöhung der
Oktanzahl beimischen will, zum Ansatz der Tarifposition 1065 b verzollen
muss. Aber das ist kein mit der Zollnachforderung zusammenhängender
besonderer Umstand im Sinne von Art. 127 Abs. 1 Ziff. 3 ZG; sehen sich
doch die anderen "freien" Benzinimporteure der gleichen Schwierigkeit
gegenüber, auch wenn die Zollverwaltung nichts nachzufordern hat. Dass
die Beschwerdeführerin durch die Nachforderung in ihrer wirtschaftlichen
Existenz ernsthaft gefährdet werde, ist nicht anzunehmen und wird auch
nicht behauptet.

    Aus der zollrechtlichen Behandlung des dem Dieselöl zur
"Oberschmierung" beigemischten Spindelöls kann die Beschwerdeführerin schon
deshalb nichts zu ihren Gunsten ableiten, weil dafür, wie im Entscheid der
Zollrekurskommission dargelegt ist, andere Grundsätze massgebend sind als
für die Verzollung eines Benzins, das einem anderen Benzin zur Erhöhung
der Oktanzahl beigefügt wird.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.