Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 I 112



82 I 112

16. Urteil vom 29. Juni 1956 i.S. Frau L. gegen Rekurskommission des
Kantons Solothurn. Regeste

    Wehrsteuer: Bemessung des steuerbaren Liquidationsgewinns bei
Veräusserung eines buchführungspflichtigen Unternehmens, das der Verkäufer
infolge Todes des Ehegatten auf Rechnung der güter- und erbrechtlichen
Ansprüche zum bisherigen Buchwert übernommen und weitergeführt hat.

Sachverhalt

    A.- L. betrieb auf einer Liegenschaft, die er im Jahre 1927 für
Fr. 130'000.-- erworben hatte, ein Restaurant. Er war im Handelsregister
eingetragen. Im Oktober 1953 starb er. Seine Erben sind die Ehefrau und
zwei Töchter.

    Das Ammannamt schätzte für das Nachlassinventar den Verkehrswert
der Wirtschaftsliegenschaft auf Fr. 150'000.--, denjenigen der
Warenvorräte und des Geschäftsmobiliars auf Fr. 12'866.90. Die Erben
vereinbarten indessen im Inventars- und Teilungsakt, die Liegenschaft
mit Fr. 185'000.-- zu bewerten. Auf dieser Grundlage ergab sich bei
der Inventur ein Reinvermögen von Fr. 159'774.95. Der güterrechtliche
Anspruch der überlebenden Ehefrau wurde mit Fr. 151'039.25 berechnet,
wovon Fr. 12'000.-- auf das eingebrachte Gut, Fr. 138'699.25 auf den ihr
durch Ehevertrag gestützt auf Art. 214 Abs. 2 ZGB zugewiesenen ganzen
Vorschlag und der Rest auf Sondergut entfallen. Von dem nach Abzug der
Beerdigungskosten bleibenden Nachlassvermögen von Fr. 7038.70 erbten die
Witwe 1/4 und die Töchter je 3/8. Die Witwe übernahm auf Rechnung ihrer
güter- und erbrechtlichen Ansprüche die gesamte im Inventar verzeichnete
Habschaft zu Alleineigentum und verpflichtete sich anderseits, sämtliche
Schulden zu bezahlen. Die Töchter behielten sich für ihre Erbansprüche
obligatorische Forderungen gegenüber der Mutter vor und räumten dieser
daran das lebenslängliche Nutzniessungsrecht ein. Als Teilungstag wurde
im Inventar der Tag des Todes des Erblassers bestimmt.

    Die Witwe führte den Wirtschaftsbetrieb zunächst weiter und wurde daher
ebenfalls im Handelsregister eingetragen. In der Betriebsbuchhaltung
übernahm sie die in der letzten Bilanz vor dem Tode des Ehemannes
vorgenommenen Bewertungen, insbesondere den Buchwert der Liegenschaft
mit Fr. 120'000.--. Am 2. April 1954 verkaufte sie die Wirtschaft.

    B.- Die Veranlagungsbehörde schätzte Frau L. für einen bei dieser
Veräusserung erzielten Liquidationsgewinn zu einer vollen Jahressteuer
gemäss Art. 43 WStB ein, auf Grund folgender Berechnung:

    Erlös:        Fr.     Fr.

    Liegenschaft und Zugehör      200'000.--

    Waren, Mobiliar und Debitoren 12'537.65       212'537.65

    Abzüglich Buchwert gemäss Bilanz per

    30. April 1954:

    Liegenschaft  120'000.--

    übrige Aktiven        13'293.65       133'293.65

    Liquidationsgewinn    79'244.--

    Abzug nach Art. 25 Abs. 1 lit. a WStB 2'000.--

    Steuerbarer Liquidationsgewinn        77'244.--

    Die Steuerpflichtige erhob Beschwerde bei der kantonalen
Rekurskommission mit dem Begehren, die Taxation sei gänzlich aufzuheben,
eventuell in der Weise herabzusetzen, dass der Einstandswert der
Liegenschaft mit Fr. 185'000.-- in Rechnung gestellt werde. Die
Rekursinstanz setzte den steuerbaren Gewinn auf Fr. 76, 188.-- herab,
indem sie noch Gebühren und Kosten gemäss Nachlassinventar in Abzug
brachte. Die weitergehenden Begehren der Pflichtigen wie sie ab (Entscheid
vom 22. November 1955).

    C.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Frau L. zu
erkennen, dass sie keinen Liquidationsgewinn zu versteuern habe. Sie macht
geltend, das veräusserte Vermögen sei schon beim Tode des Ehemannes gleich
viel wert gewesen wie bei dem nur einige Monate später vorgenommenen
Verkauf, den sie von Anfang an beabsichtigt habe. Der ganze in Frage
stehende Mehrwert sei bereits zu Lebzeiten des Ehemannes entstanden und
der Beschwerdeführerin infolgedessen durch Erbgang zugefallen, weshalb er
nach Art. 21 Abs. 3 WStB nicht zu ihrem steuerbaren Einkommen gerechnet
werden dürfe. Die Rekurskommission berufe sich zu Unrecht auf Art. 21
Abs. 1 lit. d WStB und den Grundsatz der Bilanzkontinuität.

    D.- Die Rekurskommission und die eidg. Steuerverwaltung schliessen
auf Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Kapitalgewinne, die im Betriebe eines buchführungspflichtigen
Unternehmens bei der Veräusserung oder Verwertung von Vermögenstücken
erzielt werden, wie Liquidationsgewinne bei Aufgabe oder Veräusserung
eines Unternehmens, sind nach Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB als Einkommen
zu versteuern. Sie werden entweder in die ordentliche Steuerberechnung
(Art. 41 WStB) einbezogen oder, bei Aufhören der Steuerpflicht und bei
Vornahme einer Zwischenveranlagung, durch Einschätzung zu einer besonderen
Jahressteuer erfasst (Art. 43 WStB).

    Ein Liquidationsgewinn ist erzielt, wenn der Reinerlös aus der
Veräusserung des liquidierten Gegenstandes die Gestehungskosten übersteigt.
Indessen ist dort, wo während des Betriebes zu Lasten des jeweiligen
Reingewinns Abschreibungen oder Rückstellungen auf den Gestehungskosten
beansprucht und bei der periodischen Einkommensbesteuerung zugelassen
worden sind, bei der Berechnung des Liquidationsgewinns von dem um die
anerkannten Abschreibungen oder Rückstellungen herabgesetzten Buchwerte
auszugehen, der sich aus der letzten ordentlichen Bilanz ergibt (BGE 70
I 186 Erw. 3, 76 I 210 Erw. 2, 79 I 367). Das folgt aus dem System, nach
welchem der Wehrsteuerbeschluss das Einkommen buchführungspflichtiger
Unternehmungen erfasst. Der Liquidationsgewinn, der besteuert wird,
beruht auf Wertvermehrungen, die vor der Liquidation entstanden sind, aber
zunächst vielfach als mehr oder weniger unsicher erscheinen mochten. Das
Gesetz unterwirft solche Mehrwerte erst dann der Einkommenssteuer, wenn
sie durch Veräusserung oder Verwertung des Vermögensobjektes (Art. 21
Abs. 1 lit. d WStB) oder durch buchmässige Aufwertung (lit. f daselbst)
realisiert werden und sich so als endgültig erworben erweisen. Es
ist mit gerade die Funktion der Vorschrift über die Besteuerung des
Liquidationsgewinns, Reserven, die nach und nach angesammelt worden
sind, schliesslich als Einkommen zu erfassen. Die Besteuerung wird
auf den Zeitpunkt der Realisierung verlegt, um zu vermeiden, dass
der Unternehmer für Einkommen aus dem Geschäftsbetrieb belastet wird,
das ihm unter Umständen noch nicht vollständig gesichert ist. Zudem
wäre die Erfassung in einem früheren Zeitpunkte praktisch nicht leicht
durchzuführen. Der Wehrsteuerbeschluss stellt mit der Ordnung, die er
in Art. 21 Abs. 1 lit. d und f sowie Art. 22 Abs. 1 lit. b und c für
die Besteuerung des Einkommens buchführungspflichtiger Unternehmungen
vorsieht, weitgehend auf die Massnahmen ab, die der Unternehmer selbst
im Rahmen seines geschäftlichen Ermessens trifft, Massnahmen, die in
der Buchhaltung zum Ausdruck kommen. Anderseits wird diese Ordnung, die
dem Steuerpflichtigen erhebliche Bewegungsfreiheit lässt, ergänzt durch
die Besteuerung des Gewinns, der bei der tatsächlichen oder buchmässigen
Realisierung eines bisher in Reserve gehaltenen Mehrwerts in Erscheinung
tritt (BGE 76 I 64 f.). Daher ist jedenfalls dann, wenn bei den früheren
ordentlichen Veranlagungen das Geschäftseinkommen auf Grund der Buchhaltung
(nicht etwa pauschal, nach Ermessen, vgl. BGE 70 I 187) berechnet worden
ist, bei der Ermittlung des steuerbaren Liquidationsgewinns ebenfalls
vom Buchwert auszugehen.

Erwägung 2

    2.- Die Ordnung der Wehrsteuer vom Einkommen buchführungspflichtiger
Betriebe gilt auch für den Fall, wo der Betrieb sich vererbt. Die
Steuer erfasst die im Zeitpunkt des Todes des bisherigen Inhabers
vorhandenen Reserven, die ihr bislang nicht unterworfen waren, erst im
Zeitpunkte der Realisierung. Eine solche wird indessen durch den Erbgang
an sich noch nicht bewirkt. Er kann allerdings, muss aber nicht Anlass zu
Massnahmen geben, die eine Realisierung darstellen. Das Geschäftsvermögen
gelangt zunächst, kraft Gesetzes (Art. 560 ZGB), unverändert in die
Erbschaft. Der Wehrsteuerbeschluss erlaubt nicht, den Erbgang einer
Realisierung gleichzustellen mit der Folge, dass die bei der Inventur
festgestellten Reserven dem letzten steuerbaren Einkommen des Erblassers
als des "Veräusserers" zuzurechnen wären. Er enthält, im Unterschied etwa
zum Basler Steuergesetz von 1949 (§ 41 Abs. 2), keine Grundlage zu einer
derartigen Erfassung von Mehrwerten im Inventarfall. Dagegen sind die
Mehrwerte als Einkommen des Erben zu besteuern, sobald er sie buchmässig
oder durch Veräusserung oder Verwertung realisiert. Er und niemand
anders erzielt solchenfalls einen Gewinn; es handelt sich um Einkommen,
das auf eine Massnahme (Verbuchung bzw. Veräusserung oder Verwertung)
des Erben zurückzuführen ist. Der Erbe übernimmt das Geschäftsvermögen,
vom Standpunkt der Einkommenssteuer aus gesehen, im Zeitpunkt des
Erbganges zum gleichen Wert, der beim Erblasser der Einkommensbesteuerung
zuletzt zugrunde gelegt worden ist, d.h. in der Regel zum Buchwert. Der
(höhere) Verkehrswert, der dem betreffenden Vermögensstück schon vor der
Realisierung zugeschrieben wurde, ist nur für die Vermögenssteuer oder
eine allfällige Erbschaftssteuer massgebend (BGE 76 I 62).

    Dass Reserven, die zu Lebzeiten des Erblassers gebildet und zunächst
nicht der Einkommenssteuer unterworfen worden sind, bei der Realisierung
durch den Erben als dessen Einkommen erfasst werden, steht nicht im
Widerspruch zu Art. 21 Abs. 3 WStB, wonach die Eingänge aus Erbschaft,
Vermächtnis und Schenkung nicht als steuerbares Einkommen gelten. Der
durch solche Reserven verkörperte Wertzuwachs wird, solange er nicht
realisiert ist, unter dem Gesichtspunkte der Wehrsteuer auf dem Einkommen
nicht als eingenommen, eingegangen betrachtet, sondern nur als eine nicht
steuerbare Gewinnchance angesehen. "Eingang aus Erbschaft" im Sinne von
Art. 21 Abs. 3 WStB ist in diesem Falle nur der Buchwert, zu dem der
Erbe das Geschäft übernimmt. Dieser Wert darf daher weder anlässlich
des Erbgangs noch bei einer späteren Realisierung des betreffenden
Geschäftsvermögens durch den Erben als von diesem erzieltes Einkommen
besteuert werden. Dagegen berührt Art. 21 Abs. 3 WStB die Besteuerung
des Mehrwerts nicht. Ihn von der Einkommenssteuer auszunehmen, liefe
dem System, nach dem das Gesetz buchführungspflichtige Unternehmungen
dieser Steuer unterwirft, zuwider und wäre sachlich unbefriedigend. In
der Tat wäre es mit dem Gebot der Rechtsgleichheit nicht vereinbar, wenn
die Steuerpflicht davon abhängig wäre, ob der Mehrwert zu Lebzeiten des
Erblassers oder erst nachher realisiert worden ist.

    Entsprechend ist der Fall zu behandeln, wo der Geschäftsbetrieb
infolge Todes des bisherigen Inhabers kraft ehelichen Güterrechts auf
den überlebenden Ehegatten übergeht. Auch dieser Anfall bewirkt an sich
noch keine Realisierung; er kann aber zu einer solchen unter Umständen
Anlass geben.

Erwägung 3

    3.- Der Betrieb des Restaurants L. war, was nicht bestritten ist,
ein buchführungspflichtiges Unternehmen. Das Einkommen daraus ist, wie
mangels entgegenstehender Anhaltspunkte anzunehmen ist, jeweils auf Grund
der Buchhaltung zur Wehrsteuer eingeschätzt worden. Die Beschwerdeführerin
hat das Geschäft infolge des Todes ihres Ehemannes auf Rechnung ihrer
güter- und erbrechtlichen Ansprüche übernommen, mit Wirkung vom Todestag
an und zu den bisherigen Buchwerten. Dieser Übergang hat an sich keine
Realisierung bedeutet und zunächst auch keine solche nach sich gezogen. Die
Beschwerdeführerin hat keine buchmässige Aufwertung vorgenommen und
vorerst auch keinerlei Geschäftsvermögen veräussert oder verwertet. Den
Buchwert der Geschäftsliegenschaft hat sie mit Fr. 120'000.-- unverändert
beibehalten. Die beim Tode des Ehemannes im Betriebsvermögen enthaltenen,
bis dahin nicht als Einkommen versteuerten stillen Reserven sind durchweg
erst durch den Verkauf vom 2. April 1954 realisiert worden. Sie waren
daher in diesem Zeitpunkte als Einkommen des Verkäufers zu erfassen, indem
dieser gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB für einen Liquidationsgewinn
zu besteuern war. Der Steuerberechnung wurden richtigerweise die vom
Verkäufer in der letzten Bilanz ausgewiesenen Buchwerte zugrunde gelegt.

    Es kann nicht etwa angenommen werden, infolge der im Nachlassinventar
festgehaltenen Vereinbarung der Erben, die Liegenschaft zu Fr. 185'000.--
zu bewerten, sei bereits vor dem Verkauf vom 2. April 1954 eine teilweise
Realisierung jener Reserven vorgenommen worden. Auf diese Vereinbarung
kann nichts ankommen, zumal da die Beschwerdeführerin praktisch dann doch
das ganze im Nachlassinventar aufgezeichnete Vermögen - mit Einschluss
der Nutzniessung am verhältnismässig unbedeutenden Erbteil der Töchter -
erhalten hat. Entscheidend ist, dass die Beschwerdeführerin, offenbar
im Einverständnis mit den Töchtern, das Geschäft im bisherigen Umfang
weitergeführt und dabei die Buchwerte, insbesondere auch den der
Liegenschaft, übernommen hat. Ausschliesslich sie hat, als alleinige
Übernehmerin, das Geschäft verkauft und damit jene Reserven realisiert. Sie
war daher auch allein für den dabei erzielten Liquidationsgewinn zu
besteuern.

    Die Bemessung des steuerbaren Gewinns im angefochtenen Entscheid
ist im einzelnen nicht angefochten; es besteht in der Tat kein Grund,
sie zu beanstanden. Die Beschwerdeführerin wendet sich auch, mit Recht,
nicht dagegen, dass der Gewinn der Sondersteuer gemäss Art. 43 WStB
unterworfen wird.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.