Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 IV 12



82 IV 12

5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Februar 1956
i. S. Birlauf gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt. Regeste

    Art. 307 Abs. 2 StGB. Wann ist die Aussage mit einem Handgelübde
bekräftigt?

Sachverhalt

    A.- Werner Birlauf wurde am 18. Februar 1955 im Scheidungsprozess
der Eheleute X. vor Zivilgericht Basel-Stadt als Zeuge einvernommen. Die
Einvernahme begann damit, dass der Gerichtspräsident den Zeugen auf
die Folgen falschen Zeugnisses aufmerksam machte und gemäss § 123 der
baselstädtischen Zivilprozessordnung aufforderte, die an ihn gestellten
Fragen nach bestem Wissen und Gewissen, niemand zu Lieb noch zu Leid,
zu beantworten, was Birlauf durch Handgelübde versprach. Über seine
Beziehungen zu Frau X. befragt, erklärte er hierauf wahrheitswidrig,
nie Geschlechtsverkehr mit ihr gehabt zu haben.

    B.- Am 15. Juli 1955 erklärte das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt
Birlauf des falschen Zeugnisses gemäss Art. 307 Abs. 2 StGB schuldig und
verurteilte ihn zu acht Monaten Gefängnis. Auf Appellation des Verurteilten
bestätigte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 28. September
1955 dieses Urteil.

    C.- Birlauf führt gegen das Urteil des Appellationsgerichts
Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, es sei aufzuheben und er sei
freizusprechen, eventuell sei die Gefängnisstrafe bedingt vollziehbar
zu erklären.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    ..... (Prozessuales).

    Zu prüfen ist (nur), ob die Vorinstanz zu Unrecht qualifiziertes statt
einfaches falsches Zeugnis angenommen hat, und ob demgemäss, wie es am
Schluss der Beschwerdeschrift verlangt wird, die Strafe herabzusetzen sei.

    Nach Art. 307 Abs. 1 StGB wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder
mit Gefängnis bestraft, wer als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder
Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein
falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt.

    Werden die Aussage, der Befund, das Gutachten oder die Übersetzung mit
einem Eid oder einem Handgelübde bekräftigt, so ist die Strafe nach Abs. 2
Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis nicht unter sechs Monaten.

    Der Beschwerdeführer kann nicht bestreiten, bei seiner Einvernahme
als Zeuge ein Handgelübde abgelegt zu haben. Dabei sind nach den
vom Appellationsgericht übernommenen und daher für den Kassationshof
verbindlichen Feststellungen des Strafgerichtes die Bestimmungen des § 123
der Zivilprozessordnung genau eingehalten worden. Infolgedessen ist die
Behauptung des Beschwerdeführers, das Handgelübde sei nicht gemäss § 123
"an Eidesstatt" abgenommen worden, nicht zu hören. Wenn Art. 307 Abs. 2
StGB das Handgelübde dem Eid gleichstellt, so wird übrigens damit für
das Handgelübde nicht, wie der Beschwerdeführer meint, eine besonders
feierliche Form vorausgesetzt. Es genügt jedes Handgelübde, durch das
die Aussage bekräftigt wird.

    Der Beschwerdeführer bestreitet jedoch auch, und das ist seine
Hauptbegründung, die Aussagen im Sinne des Art. 307 Abs. 2 StGB mit dem
Handgelübde bekräftigt zu haben. In Basel habe der Zeuge, bevor er nur
wisse, worüber er aussagen solle, dem Gerichtspräsidenten auf dessen
Frage "Wollen Sie mir durch das Handgelübde an Eidesstatt versprechen
...", die Hand zu reichen. Eine solche routinemässige Einleitung der
Zeugeneinvernahme sei keine Bekräftigung seiner Aussagen im Sinne
des Art. 307 Abs. 2 StGB. Das Handgelübde müsse zu einer bestimmten,
konkreten Aussage abgelegt worden sein. Im vorliegenden Falle wäre also
erforderlich gewesen, dass der Gerichtspräsident, als der Beschwerdeführer
verneint habe, mit Frau X. Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, ihm zu
dieser speziellen Frage das Handgelübde abgenommen hätte. Erst wenn der
Beschwerdeführer daraufhin wieder mit "nein" geantwortet hätte, wäre der
Tatbestand des Art. 307 Abs. 2 StGB erfüllt gewesen.

    Diese Auffassung findet im Gesetz keinerlei Stütze. Art. 307 Abs. 2
verlangt nur, dass die Aussage (oder der Befund, das Gutachten, die
Übersetzung) durch Eid oder Handgelübde bekräftigt worden sei. Durch
Eid oder Handgelübde bekräftigen kann man aber eine Aussage oder eine
Gesamtheit von Aussagen nicht bloss nachträglich, sondern auch zum
voraus. Im ersten Falle gelobt man das, was man bereits gesagt hat, im
zweiten Falle das, was man sagen wird, als der Wahrheit entsprechend. Für
Leute, die es mit dem Eid oder dem Gelübde ernst nehmen, kommt beides auf
das Gleiche heraus, und darum ist auch in beiden Fällen die Anwendung
des Art. 307 Abs. 2 StGB in gleicher Weise gerechtfertigt. Dass die
Bestimmung so zu verstehen ist, ergibt sich vollends zwingend aus den
romanischen Fassungen ("Si le déclarant a prêté serment ou s'il a promis
solennellement de dire la vérité ..." bzw. "Se il dichiarante ha prestato
giuramento o ha promesso solennemente di dire la verità ...").

    Was der Beschwerdeführer daneben noch über §§ 124 und 143 der
Zivilprozessordnung sowie über die Regelung des falschen Zeugnisses im
Basler Strafgesetzbuch ausführt, ist gegenstandslos; § 124 ZPO bezieht
sich nicht auf das Handgelübde, sondern auf den Eid, § 143 ZPO betrifft
die Partei-, nicht die Zeugenaussage, und das Basler Strafgesetzbuch ist
mit dem Erlass des StGB aufgehoben worden.

    Richtig dürfte sein, dass in Basel-Stadt im Zivilprozess jedem Zeugen
gemäss § 123 ZPO der Eid oder das Handgelübde abgenommen wird und daher auf
falsche Zeugenaussagen in Zivilstreitigkeiten regelmässig nicht Abs. 1,
sondern Abs. 2 des Art. 307 StGB zutrifft. Das ändert aber nichts. Wenn
Art. 307 zwischen einfacher und qualifizierter Aussage unterscheidet,
so heisst das nicht, dass in den Kantonen, die nur die qualifizierte
Form kennen, die falsche Aussage nach Abs. 1 zu bestrafen sei; vielmehr
ist dann, wenn der Tatbestand des Abs. 2 zutrifft, eben diese Bestimmung
anzuwenden.