Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 II 544



82 II 544

72. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 31. Oktober 1956
i.S. Corinphila-Liga und Luder gegen Heinrich Köhler. Regeste

    Art. 1 Abs. 1, Art. 8 UWG, Art. 50 OR.

    a)  Wer mit dem Verletzten nicht im Wettbewerb steht, ist jedenfalls
dann, wenn er fremden Wettbewerb in den Teilnahmeformen des Art. 50 OR
fördert, dem UWG gleichwohl unterworfen (Erw. 1).

    b)  Eine nach objektiven Merkmalen im Rahmen des Wettbewerbes stehende
Handlung fällt auch dann unter das UWG, wenn dem Täter die Beeinflussung
des Wettbewerbes nebenbei oder ausschliesslich Mittel zur Erreichung
eines anderen Zweckes ist (Erw. 2).

    c)  Verstösst es gegen Treu und Glauben, einen Mitbewerber zu einem
erpressungsähnlichen Zwecke öffentlich blosszustellen? (Erw. 3).

Sachverhalt

                     Aus dem Tatbestand:

    Emilie Brauer beauftragte die Firma Heinrich Köhler, die in
Wiesbaden mit Briefmarken handelt, eine seltene Moldau-Briefmarke zu
versteigern. Die Marke wurde zusammen mit anderen in den Katalog der
Versteigerung aufgenommen, die vom 7. bis 9. Dezember 1950 in Wiesbaden
stattfand. Die Versteigerungsbedingungen wiesen darauf hin, dass die
Veräusserung in fremdem Namen erfolge und der Versteigerer berechtigt
sei, den Bieter darauf zu verweisen, Reklamationen direkt gegen den
Einlieferer geltend zu machen. Die Marke der Frau Brauer wurde von
Kligler, Briefmarkenhändler in Solingen, ersteigert, der von der mit
Briefmarken Handel treibenden Kommanditgesellschaft E. Luder & Co. in
Zürich beauftragt war. Der Vertrag wurde indes am 12. Dezember 1950
in beidseitigem Einverständnis aufgehoben. Am 15. Dezember 1950 kaufte
Kligler die Marke zum Preise von DM 8330 aber doch noch, übernahm sie
und bezahlte sie der Firma Heinrich Köhler. Im Bestätigungsschreiben wies
diese Firma erneut darauf hin, dass sie nur Treuhänder zwischen Einlieferer
und Käufer sei. Dem Käufer wurde das Recht vorbehalten, die Marke durch
einen Spezialisten auf Echtheit prüfen zu lassen. Da das Ergebnis dieser
Prüfung binnen der in den Versteigerungsbedingungen vorgesehenen Rügefrist
nicht eintraf und eine Anfrage bei Kligler ergab, dass sein Auftraggeber
verreist war, lieferte die Firma Heinrich Köhler den Kaufpreis der Marke
an Frau Brauer ab. In der Folge behauptete Kligler unter Berufung auf
verschiedene Prüfungsergebnisse, die Marke sei gefälscht, und klagte
gegen die Firma Heinrich Köhler auf Rückerstattung des Kaufpreises. Die
Beklagte, ohne die Prüfungsergebnisse anzuerkennen, berief sich darauf,
dass sie als direkte Stellvertreterin der Frau Brauer gehandelt habe. Das
Landgericht Wiesbaden und auf Appellation Kliglers am 7. März 1952 auch
das Oberlandesgericht Frankfurt schützten diesen Standpunkt und wiesen
die Klage ab, ohne die Frage der Echtheit der Marke zu prüfen.

    Schon zu Beginn des Prozesses hatte die Firma E. Luder &
Co. der Firma Heinrich Köhler gedroht, die Angelegenheit in den
philatelistischen Kreisen und in der Presse zu veröffentlichen, wenn
ihr der Preis der Marke nicht zurückerstattet werde. Nach Beendigung des
Prozesses unterzeichnete und verbreitete Eduard Luder, der unbeschränkt
haftende Gesellschafter der Firma E. Luder & Co. und Präsident der mit
Briefmarken handelnden Genossenschaft Corinphila, im Namen des dieser
Genossenschaft angeschlossenen und ebenfalls von Luder präsidierten Vereins
Corinphila-Liga im Jahre 1953 zwei Rundschreiben und einen Fragebogen
"an alle Briefmarken-Experten, Händler-Organisationen, Sammler-Vereine
und Philatelisten". In diesen Schriften prangerte er die Firma Heinrich
Köhler wegen ihres Verhaltens in der Angelegenheit an, mit dem Zwecke,
sie zur Rückzahlung des Preises der Marke zu bewegen. Wegen dieser
Schmähungen reichte die Firma Heinrich Köhler gegen die Corinphila-Liga
und Eduard Luder Zivilklage aus unlauterem Wettbewerb ein. Die Klage wurde
vom Bezirksgericht Zürich und vom Obergericht des Kantons Zürich mit der
Begründung geschützt, die beanstandeten Schriften enthielten zahlreiche
unrichtige, irreführende oder unnötig verletzende Äusserungen. Die Berufung
der Beklagten wurde vom Bundesgericht abgewiesen, unter anderem mit der

Auszug aus den Erwägungen:

                           Begründung:

Erwägung 1

    1.- Art. 1 Abs. 1 UWG umschreibt den unlauteren Wettbewerb als
Missbrauch des wirtschaftlichen Wettbewerbs durch täuschende oder andere
Mittel, die gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstossen. Das
Gesetz ist somit nur anzuwenden, wenn die Handlung, aus der Ansprüche
abgeleitet werden, im Rahmen des wirtschaftlichen Wettbewerbes steht.

    Die Beklagten sind der Meinung, dieser Wettbewerb müsse zwischen
dem Verletzten und der handelnden Person selbst bestehen, dem Gesetze
unterstehe also nicht, wer nur fremden Wettbewerb beeinflusse. Dem ist
jedenfalls insoweit nicht beizupflichten, als jedermann den unlauteren
Wettbewerb eines andern in den Teilnahmeformen des Art. 50 OR, insbesondere
als Miturheber oder Gehülfe, fördern kann, ohne selber im Wettbewerb
mit dem Verletzten zu stehen. Das ergibt sich aus Art. 8 UWG, wonach,
soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes vorsieht, die Bestimmungen
des Obligationenrechts anwendbar sind. Es kommt also nichts darauf
an, ob die Corinphila-Liga mit Briefmarken handelt, somit selber zur
Klägerin in einem Verhältnis wirtschaftlichen Wettbewerbes steht. Sie
konnte als Miturheberin oder Gehilfin den wirtschaftlichen Wettbewerb
Luders und der Kommanditgesellschaft E. Luder & Co. fördern. Dass diese
Gesellschaft und damit auch ihr unbeschränkt haftender Gesellschafter
Luder zur Klägerin in einem Wettbewerbsverhältnis stehen, ist klar,
treiben sie doch Handel mit Briefmarken, dem auch die Klägerin sich
widmet. Ein Wettbewerbsverhältnis besteht ferner zwischen der Klägerin
und der von Luder geleiteten Genossenschaft Corinphila, die ebenfalls
mit Briefmarken handelt. Auch ist die Tat, wie Miturheberschaft und
Gehilfenschaft im Sinne des Art. 50 OR voraussetzen (BGE 55 II 314 f.),
gemeinsam, d.h. in bewusstem Zusammenwirken mit dem Haupturheber,
begangen worden; denn was Luder zur Förderung des Wettbewerbes der
Kommanditgesellschaft E. Luder & Co. und damit des eigenen Wettbewerbes
und was er zur Begünstigung des Briefmarkenhandels der Genossenschaft
Corinphila beschloss, hat er notwendigerweise auch in seiner Eigenschaft
als Präsident der Corinphila-Liga, in deren Namen er die Schmähschriften
verfasste, unterzeichnete und verbreitete, gewollt. Daher stellt sich
die Frage nicht, ob und unter welchen Voraussetzungen die Corinphila-Liga
aus unlauterem Wettbewerb auch belangt werden könnte, wenn sie ihre Tat
nicht im Einvernehmen mit dem Beklagten Luder, der Firma E. Luder &
Co. und der Corinphila-Genossenschaft begangen hätte.

Erwägung 2

    2.- Die Beklagten machen geltend, sie unterständen dem Bundesgesetz
über den unlauteren Wettbewerb nicht, weil sie nicht auf die
Beeinflussung des Wettbewerbes ausgegangen seien, sondern lediglich eine
die Briefmarkensammler allgemein interessierende Frage hätten aufwerfen
und die Versteigerungsbedingungen der Klägerin und die sie schützenden
Urteile der deutschen Gerichte hätten beanstanden wollen, wozu der weitere
Zweck gekommen sei, die Klägerin zur Rückzahlung des Kaufpreises für die
Moldau-Marke zu veranlassen.

    Der Beweggrund der Wahrung allgemein philatelistischer Interessen
wird jedoch vom Bezirksgericht, dessen tatsächliche Feststellungen das
Obergericht übernommen hat, als vorgeschoben bezeichnet, womit für das
Bundesgericht verbindlich festgestellt ist, dass er nicht bestanden
hat. Schon deshalb kann auf die bezügliche Behauptung der Beklagten
nichts ankommen.

    Die Absicht sodann, die Klägerin zur Rückzahlung des Kaufpreises
zu bewegen, schliesst die Anwendung der Bestimmungen über unlauteren
Wettbewerb nicht aus. Gegen Treu und Glauben verstossende Handlungen,
die sich eignen, den wirtschaftlichen Wettbewerb zu beeinflussen,
fallen auch dann unter das Gesetz, wenn der Täter in ihnen ein Mittel
sieht, dem Verletzten eine Leistung abzunötigen. Art. 1 UWG verlangt
nicht eine bestimmte Absicht. Insbesondere sagt er nicht, dass er nur
gelte, wenn sich der Zweck der Tat in der Beeinflussung des Wettbewerbes
erschöpft, nicht auch, wenn der Täter in dieser Beeinflussung ein Mittel
zur Erreichung eines anderen Zieles sieht oder sonstwie neben ihr noch
andere Zwecke verfolgt. Das Bundesgericht hat denn auch schon entschieden,
dass die Verfolgung wirtschafts- und sozialpolitischer Ziele den Täter
nicht berechtigt, im Wettbewerb die durch das Gesetz gezogenen Schranken zu
überschreiten; wirtschaftspolitische Kritik, in den Rahmen des Wettbewerbes
gestellt, erscheine als ein Mittel, das geeignet, wenn nicht sogar bestimmt
sei, den einen Bewerber zum Nachteil des andern zu begünstigen (BGE 79 II
411 f.). Wenn die Beklagten geltend machen, sie hätten ihre Handlungen
nicht "in den Rahmen des Wettbewerbes gestellt", wie dieser Entscheid
verlange, so verkennen sie, dass sich nach objektiven Merkmalen, nicht
nach dem verfolgten Endzweck, beurteilt, ob die Handlung in diesem Rahmen
steht. Das aber trifft hier ohne weiteres zu, da die Beklagten in ihren
Schmähschriften das Geschäftsgebaren der Klägerin beanstanden, und zwar bei
Personen und Organisationen, auf welche die Klägerin im wirtschaftlichen
Wettbewerbe, an dem sie als Konkurrentin des Beklagten Luder, der Firma E.
Luder & Co. und der Genossenschaft Corinphila teilnimmt, angewiesen ist.

Erwägung 3

    3.- Der Beklagte Luder hat schon dadurch gegen Treu und Glauben
verstossen, dass er seine Stellung als Präsident der Corinphila-Liga
ausgenützt hat, um in deren Namen Geschäftsverhältnisse und
Geschäftsgebaren der Klägerin öffentlich zu beanstanden mit dem Zwecke,
die Wettbewerbsfähigkeit der Klägerin so zu schwächen oder zu gefährden,
dass sie trotz ihres Obsiegens vor dem Oberlandesgericht Frankfurt den
Preis der Moldau-Marke zurückerstatte. Desgleichen widersprach es Treu
und Glauben, dass die Corinphila-Liga zu dieser Machenschaft Hilfe
leistete. Nach den Geboten der guten Sitten und des Rechts hätte die
Firma E. Luder & Co. selber oder durch den in ihrem Auftrag und auf ihre
Rechnung auftretenden Kligler die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel
ergreifen oder gegen Frau Brauer klagen sollen, wenn sie sich mit
der Abweisung der Klage gegen die Firma Heinrich Köhler durch das
Oberlandesgericht nicht zufrieden geben wollte. Es war missbräuchlich,
das Wettbewerbsverhältnis, in welchem E. Luder & Co., ihr unbeschränkt
haftender Gesellschafter und die Genossenschaft Corinphila einerseits
und die Klägerin anderseits stehen, durch öffentliche Blossstellung der
letzteren dem erpressungsähnlichen Ziele dienstbar zu machen. Diese Art
der Selbsthilfe erfüllt als Rechtsmissbrauch allgemein den Tatbestand des
unlauteren Wettbewerbes, unbekümmert darum, ob die Schmähschriften auch
durch unrichtige, irreführende oder unnötig verletzende Äusserungen noch
speziell gegen Treu und Glauben verstossen.