Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 II 369



82 II 369

51. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. Oktober 1956
i.S. Seifert gegen Hofer. Regeste

    Ehescheidung, Kinderalimente. Verzicht des geschiedenen Ehemannes auf
die Befugnis, bei einer Änderung der Verhältnisse im Sinne von Art. 157
ZGB eine Herabsetzung der bei der Scheidung festgesetzten Kinderalimente
zu verlangen.

Sachverhalt

    Am 20. Dezember 1951 schied das Amtsgericht Olten-Gösgen die Eheleute
Seifert und genehmigte eine Vereinbarung, wonach Seifert an die beiden
(der Mutter zugeteilten) Kinder je Fr. 150.-- und an die Ehefrau während
5 Jahren Fr. 100.-- und später Fr. 80.- pro Monat als Unterhaltsbeitrag
zu zahlen hatte.

    Am 12. November 1952 schlossen die geschiedenen Eheleute vor dem
Richteramte Olten-Gösgen, wo Seifert eine Klage auf Herabsetzung der für
die Frau zu zahlenden Beiträge eingeleitet hatte, folgenden Vergleich:

    "1. Der Kläger anerkennt, verpflichtet zu sein, den Unterhaltsbeitrag
für die beiden Kinder im Betrage von je Fr. 150.-- unwiderruflich und
unabänderlich zu bezahlen.

    2. Die Beklagte verzichtet auf den ihr zugesprochenen Unterhaltsbeitrag
von Fr. 100.-- pro Monat.

    Der Kläger ist jedoch verpflichtet, diesen Unterhaltsbeitrag dann
weiterhin zu bezahlen, wenn sein monatliches Einkommen mindestens
wieder Fr. 900.-- ausmacht."

    Nach seiner Wiederverheiratung klagte Seifert im Mai 1955 auf
Herabsetzung der Kinderalimente. Die solothurnischen Gerichte und das
Bundesgericht weisen diese Klage ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

    Durch die Vereinbarung vom 12. November 1952 hat einerseits die
Beklagte unter dem Vorbehalt einer Besserung der finanziellen Lage des
Klägers (Wiederanstieg seines monatlichen Einkommens auf mindestens
Fr. 900.--) auf den Unterhaltsbeitrag verzichtet, der ihr nach der
gerichtlich genehmigten Scheidungskonvention zukam, und anderseits der
Kläger die Verpflichtung anerkannt, die in jener Konvention festgesetzten
Unterhaltsbeiträge für die Kinder "unwiderruflich und unabänderlich"
zu bezahlen. Diese Verpflichtung enthält den Verzicht des Klägers auf
die Befugnis, bei einer Änderung der Verhältnisse im Sinne von Art. 157
ZGB eine Herabsetzung dieser Beiträge zu verlangen. Was die Ausdrücke
"unwiderruflich" und "unabänderlich" bedeuten, ist auch für den Laien so
klar, dass der Kläger sich über die Tragweite der von ihm eingegangenen
Verpflichtung ohne weiteres Rechenschaft geben konnte. Dass die Beklagte
ihrerseits auf das Recht verzichtet habe, gegebenenfalls eine Erhöhung
der Kinderalimente zu verlangen, geht dagegen aus der Vereinbarung vom
12. November 1952 nicht hervor. Die Leistung der Beklagten bestand in
nichts anderem als im Verzicht auf die ihr selber zukommenden Beiträge. Die
Beklagte hat also mit dem Abschluss der erwähnten Vereinbarung keinerlei
Rechte der Kinder preisgegeben, sondern im Gegenteil eine Verstärkung
dieser Rechte erreicht. Die Gründe, die im Falle BGE 69 II 65 ff.
der Gültigkeit der von der Mutter geschlossenen Vereinbarung über
die Kinderalimente entgegenstanden, treffen also im vorliegenden Falle
nicht zu. Die Beklagte konnte die Vereinbarung vom 12. November 1952 ohne
Mitwirkung eines Beistandes und ohne Zustimmung der Vormundschaftsbehörde
abschliessen, und diese Vereinbarung brauchte auch nicht gerichtlich
genehmigt zu werden.

    Dass die Vereinbarung vom 12. November 1952 wegen Täuschung oder
Grundlagenirrtums für den Kläger unverbindlich sei, wird erstmals vor
Bundesgericht geltend gemacht. Es handelt sich hier nicht etwa nur um eine
neue Rechtsbehauptung, sondern die Berufung auf Willensmängel schliesst
das Verbringen neuer Tatsachen in sich und kann daher gemäss Art. 55
lit. c OG nicht gehört werden. Im übrigen hätte diese Einrede auch bei
materieller Prüfung unzweifelhaft nicht geschützt werden können.

    Schliesslich kann auch keine Rede davon sein, dass die Vereinbarung
vom 12. November 1952 gegen die guten Sitten verstosse und aus diesem
Grunde ungültig sei. Das Bundesgericht hat bereits entschieden, dass auf
die Herabsetzbarkeit von Unterhaltsbeiträgen zugunsten des geschiedenen
Ehegatten gültig verzichtet werden kann (BGE 67 II 6 ff.). Wieso für
Kmnderalimente etwas anderes gelten sollte, ist, wie die Vorinstanz
zutreffend bemerkt, nicht einzusehen. Dass sich der Kläger mit dem
Abschluss der streitigen Vereinbarung im Gebrauch seiner Freiheit in einer
das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränkt habe (Art. 27
Abs. 2 ZGB), kann bei der gegebenen Sachlage nicht anerkannt werden.

    Die vorliegende Berufung muss also schon daran scheitern, dass der
Kläger in gültiger Weise darauf verzichtet hat, eine Herabsetzung der
bei der Scheidung festgesetzten Kinderalimente zu verlangen.