Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 II 259



82 II 259

38. Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. Mai 1956 i.S. Luzio gegen
Kobelt und Schultze. Regeste

    Erbbiologische Expertise (Ähnlichkeits- und Unähnlichkeitsbeweis)
im Vaterschaftsprozess.

    1.  Was für eine Rolle kommt diesem Beweismittel im allgemeinen
zu? (Erw. 2).

    2.  Gegenüber der Vermutung nach Art. 314 Abs. 1 ZGB und ebenso
gegenüber der durch nachgewiesenen Drittverkehr der Mutter in
der kritischen Zeit an sich begründeten exceptio plurium vermag ein
erbbiologischer Befund nur bei einem an Sicherheit grenzenden schlüssigen
Ergebnis durchzudringen (Erw. 1 und 3).

Sachverhalt

    A.- Am 15. Januar 1952 gebar die damals ledige Elisabeth Schultze,
geboren 1926, das Kind Esther Schultze. Mutter und Kind belangen den
Beklagten Serafino Luzio auf Vaterschaft mit Standesfolge und bestimmte
Vermögensleistungen.

    Luzio hatte die Erstklägerin 1947 kennen gelernt, mit ihr nach etwa
einem halben Jahr intime Beziehungen aufgenommen und ihr zunächst formlos
die Ehe versprochen. Die Heiratspläne begegneten dem Widerstand der
reformierten Eltern der Erstklägerin gegen eine Heirat mit dem Katholiken
Luzio, der Ehe und Familie seiner Konfession unterstellen wollte. Es kam
auch zu Auseinandersetzungen und zeitweiligen Unterbrüchen der Beziehungen
wegen anderer Männerbekanntschaften der Erstklägerin. Ungefähr Anfang
1950 verband diese sich, wieder mit Heiratsabsichten, mit Albert
Uecker, erfuhr dann aber Ende März 1950, dass er schon verheiratet
war. Sie näherte sich wieder dem Beklagten, der sie nach wie vor zu
lieben erklärte. Es kam zu einer Versöhnung, zu regelmässigen Besuchen,
meistens mit Geschlechtsverkehr, und im Herbst 1951 zur Verlobung und zu
ernsthaften Heiratsvorbereitungen.

    Die Erstklägerin war inzwischen schwanger geworden, nach ihrer
Darstellung Mitte April 1951, zu welchem Zeitpunkt (15. oder 16. April)
der Beklagte sie, was er zugibt, besucht und ihr beigewohnt hatte. Erst im
September 1951 gestand ihm dann die Erstklägerin, infolge seiner Zweifel an
ihrer Treue und auf sein Drängen, Uecker habe von ihr nicht lassen wollen,
und sie habe sich von ihm bis zum Frühjahr 1951 nicht gänzlich lösen
können, ihn Ende April noch einmal auf ihrem Zimmer empfangen und sich ihm
hingegeben. Uecker bestätigte, dass dies am 28. April 1951 geschehen war.

    B.- Der Beklagte erhob gegenüber der Klage Einreden gemäss Art. 314
Abs. 2 und Art. 315 ZGB. Uecker stellte sich dem Bezirksgericht für
eine Expertise zur Verfügung, zur Prüfung der Frage, ob er als Vater
ausgeschlossen werden könne. Da diese Expertise (Untersuchung der
Blutgruppen und -faktoren sowie der Rhesuseigenschaften) nichts ergab,
d.h. die Vaterschaft Ueckers nicht ausschloss, wies das Bezirksgericht
die Klage gestützt auf Art. 314 Abs. 2 ZGB ab. Dem klägerischen Antrag,
durch eine anthropologische Untersuchung abklären zu lassen, ob das Kind
nicht von Uecker, sondern nur vom Beklagten abstammen könne, folgte es
nicht, in der Erwägung, nach Gesetz und Praxis müsse die Unsicherheit der
Vaterschaft als erwiesen gelten, wenn die beiden möglichen Empfängnisdaten
kaum 14 Tage auseinanderliegen.

    C.- Das Obergericht entsprach dem Begutachtungsantrag der
Klägerschaft und liess durch Dr. Dora Pfannenstiel (Basel) nach
anthropologisch-erbbiologischer Methode die Frage prüfen, ob Albert Uecker
als Vater des Kindes Esther Schultze ausgeschlossen werden könne. Die
Expertin erstattete darüber folgenden Befund:

    "Die Vaterschaft des Zeugen Albert Uecker zu dem Kinde Esther Schultze
ist zwar nicht mit Sicherheit auszuschliessen, aber der Gesamtbefund
spricht gegen seine Vaterschaft."

    D.- In Würdigung dieses Gutachtens gelangte das Obergericht zur
Gutheissung der Klage, da angenommen werden müsse, "dass die Zeugung
auf den vom Beklagten zugegebenen Geschlechtsverkehr vom 15. oder 16.
April 1951, der übrigens in die wahrscheinlichste Empfängniszeit fällt,
zurückgeht". Einen Klageausschluss nach dem vom Beklagten ebenfalls
angerufenen Art. 315 ZGB lehnte das Obergericht ab.

    E. - Auf eine Nichtigkeitsbeschwerde des Beklagten trat das kantonale
Kassationsgericht am 22. Februar 1956 nicht ein.

    F.- Mit der vorliegenden Berufung hält der Beklagte an den Einreden
des Mehrverkehrs und des unzüchtigen Lebenswandels fest und beantragt
Abweisung der Klage. Die Klägerinnen lassen auf Abweisung der Berufung
und Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils antragen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Einrede des Mehrverkehrs ist an und für sich begründet, da
die Erstklägerin innerhalb der Empfängniszeit, und zwar innert höchstens
13 Tagen (15. oder 16. April - 28. April 1951), sowohl mit dem Beklagten
als auch mit dem Zeugen Uecker geschlechtlich verkehrt hat. Durch die
serologische Untersuchung (klassische Blutgruppen A B 0, Untergruppen
A1 und A2, Blutfaktoren M und N, Rhesusfaktoren) ist Uecker als Vater
nicht auszuschliessen. Das angefochtene Urteil stützt sich auf die zweite
Expertise, die dargetan hat, dass eine Reihe von erbbiologischen Merkmalen
auf die Vaterschaft des Beklagten hindeuten, während solche Merkmale
hinsichtlich einer Vaterschaft Ueckers praktisch fehlen. Das im Gutachten
in der erwähnten Weise formulierte Ergebnis rechtfertigt nach Ansicht des
Obergerichtes hinlänglich die Annahme, der Beklagte sei der Vater. In
dieser Annahme liegt indessen keine für das Bundesgericht nach Art. 63
Abs. 2 OG verbindliche Feststellung tatsächlicher Natur. Es handelt sich
um die rechtliche Würdigung der durch die Expertise dargelegten grössern
Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Beklagten, wobei das Obergericht
seine Überzeugung namentlich auch aus den Einzelbefunden des Gutachtens
gewinnt. Ob diese Wahrscheinlichkeit genüge, um die durch den Verkehr
mit Uecker zunächst begründete Einrede des Mehrverkehrs zu entkräften,
hat das Bundesgericht gemäss Art. 43 Abs. 4 OG nachzuprüfen, gleichwie
es nach ständiger Rechtsprechung nachprüft, ob ein nachgewiesener in die
kritische Zeit fallender Mehrverkehr nicht in Betracht komme, weil die von
seinem Zeitpunkt an berechnete Schwangerschaftsdauer bei Berücksichtigung
des Reifegrades des Kindes bei der Geburt nicht zutreffen könne (vgl. BGE
76 II 6/7).

    Das Obergericht ist sich übrigens bewusst, dass man, um im vorliegenden
Falle die Einrede des Mehrverkehrs abweisen zu können, die von der
bisherigen bundesgerichtliche Praxis der Auslegung von Art. 314 Abs. 2 ZGB
gesetzten Schranken erweitern müsse. "Denn es lässt sich auf Grund des
Gutachtens nicht sagen, dass die Möglichkeit der Vaterschaft Ueckers im
Vergleich zu der des Beklagten praktisch ausser Betracht falle oder so gut
wie ausgeschlossen sei". In der Tat kann nach der Praxis die aus einem in
die kritische Zeit fallenden Mehrverkehr der Mutter hergeleitete exceptio
plurium nur eben dann als entkräftet gelten, "wenn die Vaterschaft des
Beklagten so unvergleichlich viel wahrscheinlicher ist als die des Dritten,
dass diese letztere praktisch ausser Betracht fällt" (BGE 69 II 285, 76 II
6 f.). Hievon glaubt das Obergericht abgehen und die seit dem Erlass des
ZGB aufgekommenen anthropologisch-biologischenUntersuchungsmethodenstärker
zur Geltung bringen zu sollen. Es hält dafür, trotz der diesen Methoden
zum Teil noch anhaftenden Unvollkommenheit verdiene der Einredetatbestand
heute nur noch dann bejaht zu werden, "wenn der Mehrverkehr nach den
Erkenntnissen der Wissenschaft tatsächlich erhebliche Zweifel an der
Vaterschaft zu rechtfertigen vermag". Damit übereinstimmend findet man
etwa den Gedanken ausgesprochen, Mehrverkehr begründe nach dem heutigen
Stande des Wissens "nicht von vornherein" erhebliche Zweifel (DORA
PFANNENSTIEL, Die Bedeutung anthropologischer Gutachten hinsichtlich
der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft, SJZ 50 S. 217 ff.,
besonders 221).

    Dieser Betrachtungsweise ist jedoch nicht zu folgen.  Im Bestreben,
dem Kinde wenn möglich "einen Vater zu geben", geht sie darauf aus, die
von der Praxis an die Entkräftung der Mehrverkehrseinrede gestellten
strengen Anforderungen zu mildern. Diesem Bestreben kommt das Gesetz
selber in anderer Weise entgegen: indem es in Art. 314 Abs. 1 ZGB bei
nachgewiesenem in die kritische Zeit fallenden Verkehr der Mutter des
Kindes mit dem Beklagten eine Vermutung zugunsten der Klägerschaft
aufstellt. Und die Praxis lässt diese Vermutung zu voller Auswirkung
kommen, indem - sofern ein Mehrverkehr als solcher nicht nachgewiesen
ist - zu deren Entkräftung nur der Nachweis ausreicht, dass der
Beklagte mit Sicherheit oder doch mit grösster, an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit als Vater des Kindes auszuschliessen sei. Zu solchem
Gegenbeweis ist, ausser Zeugungsunfähigkeit, ein den Beklagten als Vater
ausschliessender Blutgruppenbefund geeignet (BGE 60 II 86, 61 II 75,
65 II 126, 66 II 66 und seither gefällte Entscheidungen), aber auch
die Tatsache, dass sich vom festgestellten Verkehr mit dem Beklagten
aus gerechnet eine Schwangerschaftsdauer ergeben würde, die angesichts
des Reifegrades des Kindes bei der Geburt nicht zutreffen kann oder doch
"äusserst unwahrscheinlich, praktisch ausgeschlossen" ist (vgl. neuestens
BGE 82 II 87); dabei wird von Experten etwa als äusserst unwahrscheinlich
eine unter 1% gehende "Dekadenwahrscheinlichkeit" betrachtet, was die
Praxis je nach den sonstigen Umständen gelten lässt (vgl. BGE 77 II 34/5,
78 II 109/10, 80 II 298). Im gleichen Sinne kann der Beklagte als Vater
auch dann ausgeschlossen werden, wenn bei ihm Vererbungsfaktoren anderer
Art fehlen, die das Kind aufweist und nicht von Mutterseite empfangen
hat, also von Vaterseite empfangen haben muss, und die beim wirklichen
Vater feststellbar sein müssten. Unter diesem Gesichtspunkt hat die
schweizerische Rechtsprechung eindeutig spezifische, z.B. mongolische
Rassenmerkmale in Betracht gezogen (BGE 55 II 295 ff.).

    Begründet somit ein in die kritische Zeit fallender Verkehr der
Mutter des Kindes mit dem Beklagten - vom Fall eines nachgewiesenen
Mehrverkehrs der Mutter abgesehen - eine nur mit klarem Gegenbeweis
widerlegbare Vermutung zu Lasten des Beklagten, so erwächst dann aber
diesem aus einem nachgewiesenen Mehrverkehr der Mutter eine ebenso
schwer widerlegbare Einrede. Anders entscheiden hiesse den Beklagten
rechtsungleich behandeln. Hat er einerseits als Vater zu gelten, wenn
er keinen Mehrverkehr der Mutter als solchen nachzuweisen vermag und
die durch seine eigene Beiwohnung begründete Vermutung sich nicht mit
hinlänglicher Sicherheit nach der in dieser Hinsicht strengen Praxis
entkräften lässt, so muss anderseits die durch nachgewiesenen Mehrverkehr
der Mutter begründete exceptio plurium aufrecht bleiben, wenn sie nicht
nach den gleichen Grundsätzen entkräftet wird. Dem weitgehenden Schutz
der sich aus Art. 314 Abs. 1 ZGB ergebenden Vermutung zu Gunsten der
Klägerschaft entspricht der ebenso starke Schutz der aus nachgewiesenem
Mehrverkehr abgeleiteten Einrede zu Gunsten des Beklagten. Dieser durch
die Beweislastverteilung des Art. 314 ZGB geforderte Standpunkt liegt
einer Reihe von Entscheidungen zugrunde (vgl. BGE 51 II 112, 53 II 14,
61 I 305, 64 II 253, 66 II 66, 68 II 152, 69 II 284, 76 II 5, 78 II 107,
80 II 298), und es ist nach dem Gesagten daran festzuhalten.

Erwägung 2

    2.- Zur Begründung der von der Praxis geprägten Regel, wonach die
Vaterschaftsvermutung nach Art. 314 Abs. 1 wie auch die Mehrverkehrseinrede
nur dann entfällt, wenn es so gut wie ausgeschlossen ist, dass das
Kind dem betreffenden Verkehr entstammt, wurde unter anderm auf die
Tatsache verwiesen, dass die biologischen Gesetze, auf die es hier
ankommt, immer noch unvollkommen bekannt sind (BGE 68 II 153). Das
gilt besonders von den Vererbungsgesetzen, auf die sich im vorliegenden
Falle das Gutachten und das angefochtene Urteil stützen. Es ist in der
Fachwissenschaft noch durchaus umstritten, ob und wie weit einzelne
Merkmale einigermassen sichere Schlüsse auf die Abstammung zulassen.
SCHWEIZER, Die Leistung des Beweises im Vaterschaftsprozess ... (1936),
führt eine Reihe von Fachleuten an, die den Vererbungsrückschlüssen
vom Kind auf den Vater noch skeptisch gegenüberstehen, namentlich auch
inbezug auf die Beweiskraft der Papillarlinien der Finger, auf die das
vorinstanzliche Urteil das grösste Gewicht legt. In der ausländischen
Rechtsprechung wird denn auch die erbbiologische Beweisführung in vielen
Fällen nur als zusätzliches Indiz benützt oder doch nur bei einer diese
Untersuchung nahelegenden sonstigen Beweislage angeordnet (vgl. das von
D. PFANNENSTIEL, SJZ 50 S. 220 angeführte österreichische Urteil). Als
entscheidend fällt eine erbbiologische Begutachtung, vom schon erwähnten
Falle typischer Rassenmerkmale abgesehen, etwa bei seltenen auf Vererbung
beruhenden Anomalien in Betracht (vgl. ein Urteil des Bezirksgerichtes
Kulm vom 23. September 1941, SJZ 39 S. 29, und dazu D. PFANNENSTIEL,
SJZ 50 S. 221/2, die den Ausspruch des damaligen Experten hervorhebt:
"Mit der Einzigartigkeit der Merkmalsverbindung ist der Nachweis der
Heredität bereits erbracht"). Führt die erbbiologische Untersuchung zu
einem praktisch als sicher zu erachtenden Ergebnis, sei es im Sinne des
Ausschlusses eines von mehreren in Betracht kommenden Beischläfers,
sei es gar im Sinn eines positiven Vaterschaftsnachweises (vgl. D.
PFANNENSTIEL in SJZ 49 S. 101), so ist sie als taugliches Beweismittel
zu berücksichtigen. Fraglich ist allerdings, ob jede Partei im
Vaterschaftsprozess, um eine gegen sie bestehende Rechtsvermutung zu
beseitigen, ohne weiteres die Anordnung einer erbbiologischen Expertise
verlangen könne, auch ohne dass sie sich bereits auf auffallende, zu ihren
Gunsten sprechende Merkmale zu berufen vermag. Die der erbkundlichen
Begutachtung weiten Raum gewährende deutsche Rechtsprechung (vgl.
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen 160 S. 63 und
ebenso des Bundesgerichtshofes 7 S. 116) dürfte für schweizerische
Vaterschaftsprozesse schon deshalb nicht wegleitend sein, weil es sich mit
der kurzen Klagefrist des Art. 308 ZGB nicht wohl verträgt, ohne schlüssige
Anhaltspunkte eine Verzögerung des Prozesses auf sich zu nehmen, wie sie
sich daraus ergeben muss, dass eine erbbiologische Begutachtung erst,
wenn das Kind mindestens zwei oder drei Jahre alt ist, mit Aussicht auf
ein zuverlässiges Ergebnis stattfinden kann (vgl. DETTLING, SCHÖNBERG und
SCHWARZ, Lehrbuch der gerichtlichen Medizin 1951 S. 391; D. PFANNENSTIEL,
SJZ 1950 S. 222). Das mag jedoch dahingestellt bleiben, da das Obergericht
die erbbiologische Expertise ja angeordnet und damit mindestens im Rahmen
der ihm zustehenden prozessualen Befugnisse gehandelt hat. Heute geht es
nur um die rechtliche Würdigung des dabei gewonnenen Beweisergebnisses.

Erwägung 3

    3.- Wie das Obergericht selbst ausführt, vermag dieses Ergebnis die
exceptio plurium nicht zu entkräften, wenn man, wie es nach dem oben
Gesagten richtig ist, an den von der Praxis aufgestellten Schranken
der Entkräftungsmöglichkeit festhält. Der Richter muss sich auf einem
solchen Sachgebiete, auf dem er nicht selber Fachmann sein kann, an die
vom Experten vorgenommene Gesamtwertung der erhobenen Befunde halten. Es
steht ihm nicht zu, Einzelbefunden eine höhere Bedeutung beizumessen und so
zugunsten der (gegen-) beweisbelasteten Partei eine an Sicherheit grenzende
Wahrscheinlichkeit bzw. an Unmöglichkeit grenzende Unwahrscheinlichkeit
anzunehmen, die der Experte nicht zu bejahen vermochte. Wäre die Expertin
im vorliegenden Falle zu einem so entschiedenen Gesamtbefund gelangt, so
hätte sie das Schlussergebnis anders formuliert. Es ist ihr ja durchaus
geläufig, dass der Grad der Wahrscheinlichkeit bei der Gesamtbeurteilung
zum Ausdrucke zu kommen hat (vgl. ihre Ausführungen in SJZ 49 S. 105,
wonach die Beurteilung je nach dem Ergebnis abzustufen ist von "Vaterschaft
unwahrscheinlich" bis "im höchsten Grade unwahrscheinlich"; im letztern
Falle könne die Vaterschaft "praktisch nicht mehr vermutet werden";
siehe im übrigen Neue Juristische Wochenschrift 1950 S. 563/4 über die
Benennung von sechs Stufen der Wahrscheinlichkeit nach den Richtlinien
der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie). Das vorliegende Gutachten
vermochte nur auszusagen, die Vaterschaft des Dritten, Uecker, müsse
"als unwahrscheinlich bezeichnet werden" (also nicht "im höchsten Grade"
oder "äusserst" unwahrscheinlich). Das entspricht dem Befund über den
Beklagten, wonach es "sehr unwahrscheinlich" ist, "dass diese Ähnlichkeiten
vom Zufall geprägt sind". Somit bleibt es bei dem im Gutachten angegebenen
Schlussergebnis, dem die exceptio plurium bei Anwendung der zutreffenden
Rechtsgrundsätze standhält.

    Ist die Klage daher auf Grund dieser Einrede abzuweisen, so erübrigt
sich eine Prüfung der vom Beklagten erhobenen Einrede aus Art. 315 ZGB.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichtes des
Kantons Zürich vom 21. Juni 1955 aufgehoben und die Klage abgewiesen.