Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 II 257



82 II 257

37. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. September 1956
i.S. Libanione gegen Maranta. Regeste

    Vaterschaftsklage.

    1.  Die Gerichte haben nicht zu prüfen, ob der Beistand des Kindes
(Art. 311 Abs. 1 ZGB) von der örtlich zuständigen Vormundschaftsbehörde
bestellt worden sei.

    2.  Gerichtsstand im Falle der Einleitung der Klage vor der Geburt
des Kindes (Art. 312 Abs. 1 und Art. 308 ZGB).

Sachverhalt

    Der von der Vormundschaftsbehörde Oberengadin für Frl. Maranta und das
von ihr erwartete Kind bestellte Beistand leitete schon vor der Geburt
des Kindes beim Bezirksgericht Maloja gegen den in Lugano wohnhaften
Libanione Vaterschaftsklage ein. Der Beklagte bestritt u.a. die örtliche
Zuständigkeit der Vormundschaftsbehörde Oberengadin zur Bestellung des
Beistands und diejenige des Bezirksgerichts Maloja zur Beurteilung der
Klage. Die kantonalen Gerichte verwarfen diese Einreden. Die Berufung
des Beklagten an das Bundesgericht hat keinen Erfolg.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Beklagte hält vor Bundesgericht daran fest, dass die
Vormundschaftsbehörde Oberengadin zur Ernennung eines Beistands für die
Klägerinnen örtlich nicht zuständig gewesen und die erfolgte Ernennung
daher ungültig sei. Er will daraus schliessen, dass der klagenden Partei
die "Aktivlegitimation" (gemeint offenbar: eine gehörige Vertretung)
fehle. Die Gerichte haben jedoch nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichts nicht zu prüfen, ob der für eine Partei handelnde Beistand
(oder Vormund) von der örtlich zuständigen Behörde bestellt worden
sei; der Bestellungsakt ist für den Richter verbindlich, solange er
nicht von den vormundschaftlichen Organen selbst wieder aufgehoben wird
(BGE 55 II 325 Erw. 2, 58 I 290/91, 61 II 15, 73 I 234; vgl. auch 81 II
421/22). Der Einwand, dass die Vormundschaftsbehörde Oberengadin für die
Beistandsbestellung örtlich nicht zuständig gewesen sei, ist daher im
vorliegenden Verfahren nicht zu hören.

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 312 Abs. 1 ZGB ist die Vaterschaftsklage beim Richter
am schweizerischen Wohnsitz der klagenden Partei zur Zeit der Geburt
oder am Wohnsitz des Beklagten zur Zeit der Klage anzubringen. Soweit
diese Bestimmung der klagenden Partei den Gerichtsstand ihres Wohnsitzes
zur Zeit der Geburt zur Wahl stellt, passt sie, buchstäblich genommen,
nur für den Fall, dass die Klage erst nach der Geburt eingeleitet wird;
denn vorher lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, wo der Wohnsitz der
klagenden Partei zur Zeit der Geburt sei. Daraus ist aber entgegen der
Auffassung des Beklagten nicht zu schliessen, dass für die Beurteilung
einer vor der Geburt eingeleiteten Klage ausschliesslich der Richter am
Wohnsitz des Beklagten zur Zeit der Klage zuständig sei. Da das Gesetz in
Art. 308 die Anhebung der Vaterschaftsklage vor der Geburt ausdrücklich
gestattet und der Vaterschaftsbeklagte kein legitimes Interesse daran hat,
dass die Gegenpartei, die nicht an seinem, sondern an ihrem Wohnsitz klagen
will, mit der Klageeinleitung unter allen Umständen bis nach der Geburt
zuwartet, rechtfertigt es sich vielmehr, bei der Anwendung von Art. 312
eine Klage auch dann als beim Richter am Wohnsitz der klagenden Partei zur
Zeit der Geburt angebracht gelten zu lassen, wenn dieser Wohnsitz bei der
Klageeinleitung noch nicht feststand, weil die Geburt damals noch nicht
erfolgt war, wenn aber im Zeitpunkt, da der angerufene Richter entscheidet,
auf Grund der inzwischen eingetretenen Tatsachen gesagt werden kann,
dass wirklich an diesem Wohnsitz geklagt wurde. Im vorliegenden Falle hat
also das Bezirksgericht Maloja, das seinen Entscheid am 13. Januar 1956
fällte, seine Zuständigkeit zur Beurteilung der am 28. Januar 1954 bei
ihm eingereichten Klage mit Recht bejaht, wenn sich ergibt, dass Mutter
und Kind zur Zeit der Geburt, d.h. am 21. März 1954, im Bezirk Maloja
Wohnsitz hatten.