Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 II 254



82 II 254

36. Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Juni 1956 i.S. Jaussi gegen
Aeschbacher. Regeste

    Wiederherstellung, Art. 35 OG.

    Begriff des unverschuldeten Hindernisses.

Sachverhalt

    A.- Mit Urteil vom 31. Januar 1956 hat der Appellationshof des
Kantons Bern eine von Klara Jaussi gegenüber Walter Aeschbacher erhobene
Forderungsklage für Fr. 11'915.10 nebst Zins und Betreibungskosten im
Betrage von Fr. 1000.-- plus Zins geschützt und im Mehrbetrage abgewiesen.

    B.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung erklärt mit dem
Antrag auf Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung von Fr. 9847.15 nebst
Zins und Betreibungskosten.

    Die Anträge der Berufung wurden vom Appellationshof Bern gemäss der
Vorschrift von Art. 56 OG am 13. April 1956 dem Vertreter des Beklagten
zur Kenntnis gebracht.

    Am 30. April 1956, also nach Ablauf der gesetzlichen Frist von 10 Tagen
für die Anschlussberufung (Art. 59 Abs. 1 OG), erklärte der Vertreter des
Beklagten die Anschlussberufung mit dem Antrag auf gänzliche Abweisung
der Klage.

    C.- Mit der verspäteten Erklärung der Anschlussberufung hat
der Vertreter des Beklagten gestützt auf Art. 35 OG das Gesuch um
Wiederherstellung der versäumten Frist gestellt. Zur Begründung macht
er im wesentlichen geltend, er sei vom 29. März bis zum 19. April
1956 im Ausland abwesend gewesen und habe während dieser Zeit keinen
Rechtsvertreter gehabt. Die laufenden Geschäfte seien so gut als
möglich von einem Rechtskandidaten erledigt worden, der jedoch zur
Ergreifung von Rechtsmitteln nicht befugt gewesen sei. Er selbst habe
seine Arbeit praktisch erst am 23. April wieder aufgenommen, doch sei ihm
die Berufungsanzeige vom 13. April entgangen, so dass er von ihr erst am
30. April Kenntnis erlangt habe.

    Die Gesuchsgegnerin beantragt Abweisung des Wiederherstellungsgesuches.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Nach Art. 35 OG kann Wiederherstellung gegen die Folgen einer
Fristversäumnis nur dann erteilt werden, wenn der Gesuchsteller oder
sein Vertreter durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten worden ist,
innert der Frist zu handeln.

    An einem unverschuldeten Hindernis im Sinne dieser Bestimmung fehlt
es indessen im vorliegenden Fall. Nach feststehender Rechtsprechung ist
es nämlich Pflicht des Anwalts, seinen Bürobetrieb so zu organisieren,
dass auch während seiner Abwesenheit Rechtsmittelfristen eingehalten
werden können (BGE 60 II 352, 63 II 422). Hieran hat es der Vertreter
des Beklagten fehlen lassen. Abgesehen hievon war er ja am letzten Tage
der Frist, nämlich am 23. April 1956, nach seiner eigenen Darstellung
bereits wieder auf seinem Büro tätig und zudem schon seit dem 19. April
aus dem Ausland zurückgekehrt. Auch aus diesem Grunde kann daher von einem
unverschuldeten Hindernis im Sinne des Art. 35 OG keine Rede sein. Das
Wiederherstellungsgesuch ist deshalb abzuweisen.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Das Wiederherstellungsgesuch des Berufungsbeklagten wird abgewiesen.