Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 II 231



82 II 231

34. Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Juni 1956 i.S. Montres Rolex
SA gegen Nivada AG Regeste

    Art. 6 MSchG. Ob die aus einem verwechselbaren und aus einem genügend
unterscheidbaren Bestandteil zusammengesetzte Wortmarke zulässig ist,
hängt vom Eindruck ab, den sie als Ganzes erweckt.

Sachverhalt

    A. - Die Montres Rolex SA in Genf und die Nivada A.-G. in Grenchen
stellen Uhren her und handeln mit solchen. Erstere liess am 23. Dezember
1938 beim Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum die Bezeichnung "Aqua"
als Fabrik- und Handelsmarke für Uhren und Uhrenbestandteile eintragen. Die
Nivada A.-G. hinterlegte bei der gleichen Amtsstelle am 22. November 1939
die Fabrik- und Handelsmarke "Aquamatica" für Uhren, Uhrenbestandteile
und Zifferblätter und am 21. Juli 1947 die Marke "Aquamedico" für
die gleichen Erzeugnisse und für Etuis. Auf Klage der Montres Rolex SA
erklärte das Obergericht des Kantons Solothurn am 7. Juni 1951 diese beiden
Marken nichtig und untersagte ihren weiteren Gebrauch. Auf Berufung der
Nivada A.-G. bestätigte das Bundesgericht am 27. November 1951 dieses
Urteil. Es war der Auffassung, die Marken "Aquamatica" und "Aquamedico"
unterschieden sich nicht hinlänglich von der Marke "Aqua". Die Frage,
ob sie in der tatsächlich verwendeten Verbindung mit den Firmen "Nivada"
und "Croton" eingetragen werden dürften und alsdann nicht mehr mit "Aqua"
verwechselt werden könnten, liess es offen.

    Am 26. November 1952 liess die Nivada A.-G. beim Eidgenössischen Amt
für geistiges Eigentum unter Nr. 142429-142434 folgende neuen Fabrik- und
Handelsmarken eintragen: "Nivada Aquamatica", "Nivada Aquamedico", "Croton
Aquamatica", "Croton Aquamedico", "Lamont Aquamatica", "Lamont Aquamedico".
"Croton" und "Lamont" sind Firmen, die mit Uhren der Nivada A.-G. handeln.

    B.- Am 13. Dezember 1952 klagte die Montres Rolex SA gegen die Nivada
A.-G. beim Obergericht des Kantons Solothurn mit den Begehren, die Marken
Nr. 142429-142434 seien ungültig zu erklären, ihre Verwendung sei der
Beklagten zu untersagen und die Beklagte sei zu verurteilen, der Klägerin
als Schadenersatz Fr. 100'000.-- nebst 5% Zins seit Anhebung der Klage
zu bezahlen.

    Das Obergericht wies die Klage am 11. Januar 1956 ab, weil sich die
angefochtenen Marken genügend von der Marke "Aqua" unterschieden.

    C.- Die Klägerin beantragt dem Bundesgericht auf dem Wege der Berufung,
dieses Urteil sei aufzuheben und die Klage gutzuheissen. Sie macht
geltend, das angefochtene Urteil verletze Bundesrecht, insbesondere Art. 6
MSchG, weil die sechs neuen Marken der Beklagten mit jener der Klägerin
verwechselt werden könnten.

    D. - Die Beklagte beantragt, die Berufung sei abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die angefochtenen Marken der Beklagten sind für gleichartige
Erzeugnisse bestimmt wie die von der Klägerin hinterlegte Marke "Aqua". Da
sie später als diese eingetragen wurden, sind sie nur zulässig, wenn sie
sich hinlänglich von ihr unterscheiden (Art. 6 MSchG).

Erwägung 2

    2.- Die Klägerin verneint die hinlängliche Verschiedenheit der
angefochtenen Marken einerseits und ihrer Marke "Aqua" anderseits, weil
jene die Worte "Aquamatica" bzw. "Aquamedico" enthalten, die, wie das
Bundesgericht am 27. November 1951 entschieden hat, mit der Marke der
Klägerin verwechselt werden könnten. Sie macht geltend, der Markenschutz
wäre in Frage gestellt, wenn Verletzungen einfach durch Beifügung der
Firma des Fabrikanten oder eines Händlers getarnt werden könnten. Die
Gefahr der Verwechslung werde durch dieses Vorgehen nicht ausgeschlossen,
sondern gegenteils erhöht, weil es die Käufer in den Glauben versetze,
dass zwischen den Inhabern der Marken Beziehungen beständen.

    Diese Auffassung kann im einzelnen Falle zutreffen, hält dagegen
als allgemeiner Grundsatz nicht stand. Es kommt immer darauf an,
welchen Eindruck die aus einem verwechselbaren und aus einem
genügend unterscheidbaren Bestandteil zusammengesetzte Marke als
Ganzes erweckt. Davon geht denn auch Art. 6 Abs. 2 MSchG aus, wonach
"die Wiedergabe gewisser, einer bereits hinterlegten Marke angehörenden
Figuren auf einer neuen Marke die letztere nicht von den an die Eintragung
geknüpften Rechten ausschliesst, sofern sie sich von der schon deponierten
Marke in hinlänglichem Masse unterscheidet und, als Ganzes betrachtet,
nicht leicht zu einer Verwechslung Anlass geben kann". Die deutsche
Rechtsprechung steht ebenfalls auf diesem Boden, wenn sie zwar einerseits
annimmt, Zusätze zu verwechselbaren Bezeichnungen, wie z.B. die Beifügung
einer Firma, erhöhten in der Regel die Unterscheidungskraft der Marken
nicht, sondern stifteten nur Verwirrung (vgl. REIMER, Wettbewerbs- und
Warenzeichenrecht, 3. Auflage, S. 229 N. 16 und dort erwähnte Entscheide),
anderseits aber dann eine Ausnahme macht, wenn "das geschützte Wort
in der Zusammensetzung seine selbständige Bedeutung verliert, indem es
durch andere Bestandteile der neuen Warenbezeichnung zurückgedrängt wird,
so dass eine Warenbezeichnung von abweichendem Gesamteindruck entsteht"
(Jur. Wochenschrift 1926 S. 48). Daher vermag die Klägerin aus den von
ihr angeführten Beispielen, in denen die Beifügung eines Firmennamens die
Gefahr der Verwechslung nicht nur nicht beseitigt, sondern den Käufer der
Ware gegenteils im behaupteten Sinne täuschen könnte, nichts zu ihren
Gunsten abzuleiten. Entscheidend ist vielmehr, ob auch im vorliegenden
Falle die Gefahr der Verwechslung nach Beifügung des Firmennamens der
Beklagten bzw. der Händlernamen Croton oder Lamont weiterbesteht oder
sogar erhöht ist.

Erwägung 3

    3.- Ob das zutrifft, hängt in erster Linie vom Klang der vorliegenden
Marken ab, da diese reine Wortmarken sind (BGE 42 II 666, 73 II 62). Schon
nach dem Klang beurteilt, treten aber die Bezeichnungen "Aquamatica"
und "Aquamedico" durch die Beifügung des Wortes "Nivada", "Croton" oder
"Lamont" stark in den Hintergrund. Nach der verbindlichen Feststellung des
Obergerichts ist die Beklagte in Fachkreisen als Uhrenproduzent bekannt und
gilt die Bezeichnung Nivada in der Schweiz als Herkunftszeichen. Gestützt
auf die Aussagen überseeischer Zeugen führt das Obergericht ferner aus,
dass im Auslande der Name der Vertreterfirma Zugkraft hat; es verweist auf
die Bedeutung und den Reklameaufwand der Firma Croton als Handelshaus
in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Unter diesen Umständen
verstösst die Annahme des Obergerichts, die Ausdrücke "Aquamatica" und
Aquamedico" hätten in Verbindung mit den Firmennamen nur die Stellung von
Typenbezeichnungen. nicht gegen Bundesrecht. Die Beklagte bietet, wie sich
aus ihrem Katalog ergibt, ausser den Marken "Nivada Aquamatica" und "Nivada
Aquamedico" z.B. auch Uhren unter den Bezeichnungen "Nivada Waterproof" und
"Nivada Ultramic" an. Die Firma Croton sodann führt nach ihren Katalogen
und Werbeschriften mehr als ein Dutzend verschiedene Sortenbezeichnungen
und lässt sie als Teil der Marke neben "Croton" auf das Zifferblatt der
Uhren setzen. So verwendet sie ausser den Marken "Croton Aquamatica" und
"Croton Aquamedico" auch "Croton Aquabelle", "Croton Buccaneer", "Croton
Sportsman", "Croton Maritimer", "Croton Acurator" u.a. Die Beklagte und die
Firma Croton tun damit nur, was im Uhrenhandel häufig geschieht. Sie fügen,
wie andere z.B. mit den Marken "Mido Superautomatic", Mido Multifort",
"Tissot Automatic", "Tissot Visodate", "Tissot Camping", "Solar Aqua",
"Marconi Aqua" dem Namen des Herstellers oder Händlers ein Wort bei,
das die Serie oder Art der angebotenen Uhr kennzeichnet. Dass die Worte
"Aquamatica" und "Aquamedico" nur Typenbezeichnungen sind, fällt umsoeher
auf, als sie, ohne geradezu die Beschaffenheit der Uhr zu kennzeichnen,
doch auf gewisse Eigenschaften anspielen, nicht nur durch die Silben
"Aqua...", sondern auch durch "...matica" und "...medico".

    Die Beurteilung nach dem Aussehen der Marken führt zu keinem anderen
Schluss. Das Schriftbild prägt im Gegenteil noch deutlicher ein, dass eine
Uhr der Gattung "Nivada", "Croton" oder "Lamont" vorliegt und das Wort
"Aquamatica" bzw. "Aquamedico" nur die Rolle einer Typenbezeichnung
spielt, die im Vergleich zur Firmenbezeichnung von untergeordneter
Bedeutung ist. Die Buchstaben der Worte "Croton" und "Lamont" sind
im hinterlegten Markenbild zweieinhalbmal, die Buchstaben N und d des
Wortes "Nivada" sogar dreieinhalbmal so hoch wie jene von "Aquamatica"
und "Aquamedico". Die Firmennamen stechen daher gegenüber diesen Worten
stark hervor. Auch auf den Zifferblättern springen "Nivada" und "Croton"
- nach der unbestrittenen Behauptung der Beklagten werden die Marken
mit dem Wort "Lamont" noch nicht verwendet - gegenüber "Aquamatica" und
"Aquamedico" durch erheblich grössere Schrift sofort in die Augen und
drängen sich dem Leser als das Wesentliche auf. Auf die Befürchtung der
Klägerin, die Beklagte könnte die Marken in anderer als der hinterlegten
graphischen Ausführung verwenden, kommt für heute nichts an. Sollte die
Beklagte das tun und in der Ausgestaltung irgendwie hervorheben, was ihre
Marken mit jener der Klägerin gemeinsam haben, so stände es dieser frei,
den Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt des unlauteren Wettbewerbes
beurteilen zu lassen.

    Wer eine Uhr erwirbt, die eine der angefochtenen Marken der Beklagten
trägt, stellt sich daher zutreffend vor, dass er von der Gattung der
von der Nivada A.-G. hergestellten oder der Firma Croton bzw. Lamont in
den Handel gebrachten Erzeugnisse die Art "Aquamatica" bzw. "Aquamedico"
erhält. Die angefochtenen Marken erwecken nicht den Eindruck, das Erzeugnis
sei eine Unterart der "Aqua"-Uhren, stamme also vom gleichen Hersteller
oder Händler wie diese. Dass eine der angefochtenen Marken etwa geradezu
mit der Marke "Aqua" verwechselt werden könnte, die stets nur allein oder
dann in Verbindung mit den Händlernamen "Solar" oder "Marconi" verwendet
wird, ist schon wegen des erheblichen Unterschiedes in der Länge und der
Buchstabenzahl ausgeschlossen. Die Marrken der Beklagten unterscheiden
sich somit durch wesentliche Merkmale von jener der Klägerin.

    Das gilt nicht nur für das Ohr und Auge des Uhrenfachmannes,
sondern - woraufes nach der Rechtsprechung ankommt (vgl. z.B. BGE
73 II 60) - auch des letzten Abnehmers, der die Uhr im Ladengeschäft
ersteht. Erfahrungsgemäss spielt gerade für diesen der Name des Herstellers
oder Händlers eine wesentliche Rolle, da die Qualität der angebotenen
Uhr von ihnen abhängt. Der Name des Herstellers oder Händlers bleibt dem
letzten Käufer auch eher im Gedächtnis haften als der zweite Teil der
angefochtenen Marrken. Lässt sich jemand im Laden Uhren vorlegen, welche
die Marken in der hinterlegten Gestalt tragen, so fällt ihm auch sofort
auf, dass "Nivada", "Croton" und "Lamont" viel grösser und deutlicher
geschrieben sind als "Aquamatica" und "Aquamedico".

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des
Kantons Solothurn vom 11. Januar 1956 bestätigt.