Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 II 152



82 II 152

22. Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. März 1956 i.S. Schweizer
Ski-Schule Zermatt gegen Zermatter Ski-Schule. Regeste

    Firmenrecht.

    Erfordernis der deutlichen Unterscheidbarkeit zweier Firmen (Art. 951,
956 OR), allgemeine Grundsätze (Erw. 1 und 2). Bedeutung des Umstandes,
dass der den beiden Firmen gemeinsame massgebende Bestandteil eine
gemeinfreie Sachbezeichnung ist und der sie unterscheidende Zusatz im
Verkehr häufig weggelassen wird (Erw. 3-5).

Sachverhalt

    A. - Unter der Firma "Schweizer Ski-Schule Zermatt" besteht in Zermatt
eine Genossenschaft, die seit dem 28. August 1951 im Handelsregister
eingetragen ist. Als Genossenschaftszweck bezeichnen die Statuten die
rationelle Organisation des gesamten Skilehrwesens im Tätigkeitsgebiet der
Genossenschaft und den Betrieb einer Skischule entsprechend den Weisungen
des Schweizerischen Skischulverbandes (SSSV).

    Die Schweizer Ski-Schule Zermatt ist Mitglied des SSSV. Bei diesem
handelt es sich um einen Verein, der in erster Linie die Wahrung
und Förderung der Einheitstechnik der sog. "Schweizer Ski-Schule"
bezweckt. Skischulen, die sich zu dieser Technik bekennen, können
Mitglieder des SSSV werden. Jedoch kann diesem gemäss Art. 4 der Statuten
am gleichen Ort jeweils nur eine Skischule als Mitglied angehören.

    Im Jahre 1953 wurde ebenfalls in Zermatt unter der Firma "Zermatter
Ski-Schule" eine weitere Genossenschaft gegründet und am 23. Juli 1953
im Handelsregister eingetragen. Auch diese Genossenschaft bezweckt
die rationelle Organisierung des Skischulwesens und den Betrieb einer
Skischule. Dass diese entsprechend den Weisungen des SSSV geführt werde,
ist in der Umschreibung des Genossenschaftszwecks nicht gesagt. Die
"Zermatter Skischule" ist denn auch nicht Mitglied des SSSV.

    B. - Da die "Schweizer Ski-Schule Zermatt" der Auffassung ist, dass
die von der später gegründeten Genossenschaft gewählte Bezeichnung zu
Verwechslungen mit ihrer Firma Anlass gebe, erhob sie, nach ergebnislosen
Versuchen zu gütlicher Verständigung, Klage mit dem Begehren, es sei
der Beklagten die weitere Führung der Firma "Zermatter Ski-Schule"
zu untersagen. In rechtlicher Hinsicht stützte die Klägerin dieses
Begehren auf die Vorschriften des Firmen-, Wettbewerbs- und Namensrechts.

    Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage, da die beiden
Firmabezeichnungen sich genügend von einander unterscheiden.

    C. - Das Kantonsgericht Wallis wies mit Urteil vom 30. Juni 1955 die
Klage ab.

    D. - Mit der vorliegenden Berufung hält die Klägerin an ihrem
Untersagungsbegehren fest.

    Die Beklagte beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des
angefochtenen Entscheides.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 956 OR steht der Klägerin die im Handelsregister
eingetragene Firmabezeichnung "Schweizer Ski-Schule Zermatt" zum
ausschliesslichen Gebrauch zu. Die später eingetragene Firma der Beklagten
"Zermatter Ski-Schule" ist gemäss Art. 951 Abs. 2 OR nur zulässig, wenn
sie sich von der Firma der Klägerin deutlich unterscheidet. Ob diese
Voraussetzung erfüllt ist, ob also mit andern Worten zwischen den beiden
Firmen keine Verwechslungsgefahr besteht, ist eine vom Bundesgericht frei
überprüfbare Rechtsfrage. Sie ist nicht erst zu bejahen, wenn tatsächlich
erfolgte Verwechslungen nachgewiesen sind, sondern es genügt schon, dass
solche angesichts der Gestaltung der zu vergleichenden Firmen mit Rücksicht
auf die besonderen Umstände des Falles im Bereiche der Wahrscheinlichkeit
liegen (BGE 74 II 237, 80 II 145 f.).

    Bei der Beurteilung der Frage der deutlichen Unterscheidbarkeit ist
an die Firmen juristischer Personen ein strengerer Massstab anzulegen
als an Einzelfirmen und die Firmen von Personengesellschaften; denn im
Gegensatz zu diesen stehen jenen für die Wahl ihres Namens wesentlich
mehr Möglichkeiten zu Gebote (BGE 72 II 185). Besonders hohe Anforderungen
sind am Platze, wenn sich Unternehmen gegenüberstehen, die auf demselben
Sachgebiete und am gleichen Orte tätig sind (BGE 73 II 115).

    Im weiteren ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts
für die Frage der Verwechselbarkeit der Eindruck massgebend, den eine
Firma bei Anwendung der im Verkehr üblichen Sorgfalt im Gedächtnis des
Betrachters haften lässt. Dabei kommt es nicht nur auf die Firma als Ganzes
an, sondern es können auch Teile davon, die besonders hervorstechen oder
als besonders charakteristisch empfunden werden, massgebend sein. So
kann die genügende Unterscheidbarkeit fehlen, wo die zu vergleichenden
Firmen nur in ihren hervorstechenden Bestandteilen gleich oder ähnlich
sind. Jedoch kann die Verschiedenheit blosser Nebenbestandteile allenfalls
dann ausreichen, wenn der verwechselbare Hauptbestandteil eine allgemein
verkehrsübliche Sachbezeichnung darstellt, die dem freien sprachlichen
Gemeingut angehört; dann muss sich nämlich der erste Firmeninhaber in
der Regel entgegenhalten lassen, dass er die Folgen zu tragen habe, wenn
er als hervorstechenden Teil seiner Firma eine Sachbezeichnung wählt,
der nur geringe Unterscheidungskraft zukommt (BGE 72 II 185, 73 II 112,
74 II 237, 77 II 324).

Erwägung 2

    2.- Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt,
dass an die Firma der Beklagten ein strenger Massstab angelegt werden muss,
da es sich bei ihr um eine Genossenschaft, also um eine juristische Person
handelt und da beide Parteien am nämlichen Orte Skischulen betreiben,
sich an den gleichen Personenkreis wenden, nämlich an die in Zermatt
sich aufhaltenden Gäste, die das Skifahren erlernen oder sich darin
weiterbilden wollen.

    Was sodann bei beiden Firmabezeichnungen hervorsticht, ist der
beiden gemeinsame Bestandteil "Ski-Schule", sowie die Ortsbezeichnung
"Zermatt" bei der Klägerin und "Zermatter" bei der Beklagten. Diese
beiden Bestandteile bestimmen den Gesamteindruck, der im Gedächtnis
haften bleibt. Der Zusatz "Schweizer", durch den sich die klägerische
Firmabezeichnung allein von derjenigen der Beklagten unterscheidet,
tritt dem gegenüber in den Hintergrund und vermag entgegen der Meinung
der Vorinstanz keine genügende Unterscheidbarkeit zu bewirken. Ebenso
ist unerheblich, dass die Firma der Klägerin die Ortsbezeichnung
"Zermatt" als Substantiv enthält, während bei der Firma der Beklagten die
Ortsbzeichnung in die Form des Adjektivs "Zermatter" gekleidet ist. Denn
beide Bezeichnungen weisen darauf hin, dass es sich um eine auf dem
Wintersportplatz Zermatt tätige Skischule handle. "Zermatter Ski-Schule"
und "Ski-Schule Zermatt" ist für den Gast, der eine Skischule besuchen
will, ein- und dasselbe. Zwischen den beiden Firmabezeichnungen besteht
somit unzweifelhaft Verwechslungsgefahr.

Erwägung 3

    3.- Nun ist allerdings der beiden Firmen gemeinsame Bestandteil
"Ski-Schule" eine im Gemeingebrauch befindliche Sachbezeichnung,
deren Verwendung jedermann frei stehen muss, wie auch die Klägerin
selber anerkennt. Art. 944 OR lässt es ausdrücklich zu, dass in der
Firmabezeichnung auf die Natur des Unternehmens hingewiesen wird. Ebenso
kann der Gebrauch der Ortsbezeichnung "Zermatt" bzw. "Zermatter",
soweit sie der Wahrheit entspricht, keinem Firmeninhaber verwehrt
werden. Bei diesen Bezeichnungen handelt es sich lediglich um die Angabe
des Geschäftssitzes und des Tätigkeitsgebietes der beiden in Zermatt
bestehenden Skischulen. Solche Sitzbezeichnungen sind im Firmenrecht
allgemein üblich und sie werden auch sowohl in der Form des Substantivs
wie der des Adjektivs zugelassen (Art. 46 HRV).

    In Fällen solcher Art kann unter Umständen, wie erwähnt, schon die
Verschiedenheit eines blossen Nebenbestandteils als ausreichend betrachtet
werden. Im vorliegenden Falle vermag jedoch der in der Firma der Klägerin
enthaltene Zusatz "Schweizer" der Gefahr von Verwechslungen nicht
vorzubeugen. Denn heute werden ganz allgemein lange Firmabezeichnungen
abgekürzt und an ihrer Stelle Kurzbezeichnungen gebraucht. So wird
erfahrungsgemäss auch die Bezeichnung "Schweizer Ski-Schule" im
Sprachgebrauch nicht verwendet. In der Umgangssprache ist vielmehr stets
nur von der "Skischule" die Rede, und wenn von den Skischulen verschiedener
Orte gesprochen wird, so fügt man dem Wort "Skischule" den Namen des
betreffenden Winterkurortes hinzu. Dies ist bei Gästen, Skilehrern und
sogar Behörden allgemein üblich. Man spricht von der "Skischule Arosa",
der "Skischule Wengen" und meint dabei stets die am betreffenden Ort
befindliche Organisation der "Schweizer Ski-Schule". Dieser Gepflogenheit
wird noch Vorschub geleistet durch den Umstand, dass mit Ausnahme von
Zermatt an allen Wintersportplätzen nur eine Skischule besteht, nämlich
eben die dem SSSV angehörende "Schweizer Ski-Schule" des betreffenden
Ortes.

    Die Briefköpfe der dem SSSV angeschlossenen Skischulen tragen
allerdings einheitlich die Bezeichnung "Schweizer Skischule" bzw. "Ecole
suisse de ski" neben dem Signet des SSSV, das in einem Schweizerkreuz
auf rotem, kreisrundem Grund mit der Umschrift "Schweizer Skischule"
besteht. Ebenso sind die offiziellen Programme, Abonnementskarten, Billete,
Plakate usw. in der Regel mit der Bezeichnung "Schweizer Skischule" nebst
Signet und Angabe des Ortes versehen. Aber alldem kann keine entscheidende
Bedeutung zukommen, weil eben in der Umgangssprache der Zusatz "Schweizer"
nicht gebraucht wird. Ein Zusatz, der an sich vielleicht geeignet wäre,
Verwechslungen vorzubeugen, der aber, obwohl er Bestandteil der Firma ist,
im Verkehr häufig weggelassen wird, ist bei der Entscheidung über die
Unterscheidbarkeit unbeachtlich (BGE 72 II 185). Aus diesem Grund geht die
Vorinstanz fehl, wenn sie meint, zwischen den streitigen Bezeichnungen
sei eine Verwechslung nicht zu befürchten, weil bei der klägerischen
Firma das Hauptgewicht auf dem Zusatz "Schweizer" liege, dank dem sich
der Firmaname "Schweizer Skischule" dem Publikum als Vertreterin einer
bestimmten Lehrmethode eingeprägt habe.

Erwägung 4

    4.- Die Verwechselbarkeit der beiden Firmabezeichnungen ist auch
praktisch keineswegs bedeutungslos. Zu den beteiligten Verkehrskreisen
gehören in erster Linie die Kurgäste, die eine Skischule besuchen wollen.
Erfahrungsgemäss halten sich diese Leute meistens nicht jedes Jahr am
gleichen Orte auf, sondern sie wechseln sehr oft ab. Lernten sie an einem
Orte die von ihnen besuchte "Schweizer Skischule" als "Wengener Skischule",
"Skischule Davos", "Ecole de ski de Verbier" usw. kennen, so verwischt sich
in ihrer Erinnerung der Zusatz "Schweizer". Kommen nun solche Gäste mit
der Erinnerung an diese Bezeichnung der Skischule nach Zermatt, so werden
sie sich kaum Rechenschaft darüber geben, dass die dortige Skischule mit
der Firma "Zermatter Skischule" nicht die Skischule des SSSV und nicht
verpflichtet ist, nach der Einheitstechnik des SSSV zu unterrichten. Denn
ihrem Gedächtnis hat sich die Bezeichnung Skischule mit der entsprechenden
Ortsangabe eingeprägt, und sie glauben daher, dass diese Skischulen überall
"Schweizer Skischulen" sind, die nach dem gleichen Lehrplan unterrichten.

    Wie die Vorinstanz selbst feststellt, ist denn auch tatsächlich
mindestens ein Fall einer solchen Verwechslung in Zermatt vorgekommen,
indem ein deutscher Kurgast, der der Unterrichtsstunde eines Lehrers der
"Schweizer Skischule Zermatt" beiwohnte, diesem am Schluss ein Abonnement
der "Zermatter Skischule" vorwies. Die Vorinstanz meint zwar, diese
einzige Ausnahme lasse darauf schliessen, dass in der Regel Verwechslungen
nicht stattfinden. Diese Schlussfolgerung ist aber verfehlt und steht im
Widerspruch mit der Lebenserfahrung.

Erwägung 5

    5.- Unterscheidet sich somit die Firmabezeichnung der Beklagten
nicht deutlich von der früher eingetragenen Firma der Klägerin, so ist
die Führung der beanstandeten Firma durch die Beklagte unzulässig. Sie
hat deshalb den beiden Bestandteilen "Ski-Schule" und "Zermatter", deren
Verwendung ihr nicht verwehrt werden kann, einen Zusatz beizufügen,
der jeder Verwechslung mit der Firma der Klägerin vorbeugt.

    Erweist sich somit die Klage schon aus dem Gesichtspunkte des
Firmenrechts als begründet, so braucht nicht geprüft zu werden, ob sie
sich auch auf das Wettbewerbs- und Namensrecht stützen liesse.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts Wallis
vom 30. Juni 1955 wird aufgehoben und der Beklagten wird untersagt,
weiterhin die Firma "Zermatter Ski-Schule" zu führen.