Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 II 129



82 II 129

17. Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. März 1956 i. S. Kredit- und
Verwaltungsbank Zug AG gegen Paul Mathys & Co. Regeste

    Nichtigkeit eines Kaufvertrages wegen Verstosses gegen die Vorschriften
des BRB vom 28. März 1949 über das Kriegsmaterial? (Erw. 2). Anwendbares
Recht (Erw. 1).

Sachverhalt

    Zimmerli verkaufte der Firma Mathys & Co. 977 800 Stück Laufwerke,
die aus deutschen Flak-Granaten stammten. Da das Geschäft nicht ausgeführt
wurde, belangte die Kredit- und Verwaltungsbank Zug A.-G. als Zessionarin
des Verkäufers Zimmerli die Käuferin auf die Bezahlung von Fr. 100'000.--
Schadenersatz.

    Das Handelsgericht Zürich wies die Klage wegen Nichtigkeit des
Kaufvertrages ab.

    Die von der Klägerin hiegegen erhobene Berufung wird abgewiesen.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gegenstand des Prozesses ist ein Kaufvertrag, der in der Schweiz
zwischen zwei schweizerischen Firmen abgeschlossen wurde, sich aber
auf Waren bezieht, die in Deutschland lagen. Da beide Parteien sich im
kantonalen Verfahren auf schweizerisches Recht berufen haben, ist als
Kaufsstatut kraft nachträglicher Rechtswahl der Parteien das schweizerische
Recht zu betrachten (BGE 79 II 295 ff., 80 II 179 ff.). Die Berufung ist
somit zulässig.

Erwägung 2

    2.- Die Vorinstanz hat die Klage mit der Begründung abgewiesen,
dass das Geschäft der Parteien wegen Verstosses gegen die Vorschriften
des BRB vom 28. März 1949 über das Kriegsmaterial (KMB) nichtig sei.

    Dass es sich bei den in Frage stehenden Laufwerken, die aus den
Zündern deutscher Flak-Granaten stammten, um Kriegsmaterial gehandelt habe,
bestreitet die Klägerin in der Berufung mit Recht nicht mehr angesichts von
Art. 2 Kat. I Ziff. 4 c KMB, wonach unter den Begriff des Kriegsmaterials
u.a. auch Zündvorrichtungen fallen. Sie macht dagegen geltend, die
Vorschriften des KMB seien auf das streitige Geschäft nicht anwendbar,
weil die Ware "loco München" verkauft worden und ihr weiteres Schicksal den
Verkäufer, d.h. ihren Rechtsvorgänger Zimmerli, nichts mehr angegangen sei.

    Die Vorinstanz hat die Anwendbarkeit der Vorschriften des KMB damit
begründet, dass die Möglichkeit einer Durchfuhr der Ware durch die Schweiz
nicht als ausgeschlossen gelten könne. Eine blosse Möglichkeit dieser Art
vermöchte jedoch nicht auszureichen, um das Geschäft wegen Verstosses gegen
die Vorschriften des KMB als nichtig erscheinen zu lassen. Nach Art. 20
OR ist für die Annahme der Nichtigkeit eines Vertrages erforderlich, dass
sein Inhalt widerrechtlich sei. Das ist bei der blossen Möglichkeit eines
Verstosses noch nicht der Fall (BGE 80 II 48, 62 II 111). Es bedarf, damit
Nichtigkeit des Geschäftes eintrete, zum mindesten der Wahrscheinlichkeit
eines Verstosses. Daher kann im vorliegenden Fall die Rechtsfolge der
Nichtigkeit höchstens gestützt darauf ausgesprochen werden, dass ein
Verstoss gegen den KMB wahrscheinlich sei und daher der Vertragsinhalt
widerrechtlich war. Diese Wahrscheinlichkeit ist nun aber auf Grund der
dem Bundesgericht zustehenden Auslegung der Korrespondenz zwischen den
Vertragsparteien zu bejahen.

    Mit Schreiben vom 29./30. November 1950 teilte die Beklagte ihrem
Verkäufer Zimmerli mit, sie habe die Laufwerke der Firma Seiler & Co. Ltd.
Zürich zum festen Kaufsabschluss mit einer ausländischen Gesandtschaft
abgegeben und bemerkte dazu weiter:

    "Wir machen Sie dringend darauf aufmerksam, dass im Falle einer
Nichtausfuhr der Ware oder im Falle diese überhaupt nicht abgeliefert
werden kann, unbedingt mit rechtlichen Schritten gerechnet werden muss. Wir
sind nunmehr der Firma Seiler gegenüber voll verantwortlich, dass der in
Bern zu schliessende Vertrag erfüllt wird."

    Da nach dem massgeblichen Bestätigungsschreiben Zimmerlis vom
1. Dezember 1950 der Verkäufer neben der Ausfuhrgenehmigung (Ziff. 2)
gemäss dem Wunsch der Beklagten auch eine "Versicherungspolice bis
Basel-Transit" zu stellen hatte, konnte mit dem im Schreiben der Beklagten
vom 30. November 1950 erwähnten "Fall einer Nichtausfuhr der Ware" nur
ihre Ausfuhr nach der Schweiz, bzw. die Durchfuhr durch sie, gemeint oder
doch mitgemeint sein.

    Hieraus ergibt sich eine genügende Wahrscheinlichkeit der Verletzung
der einschlägigen Bestimmungen des KMB. Dieser stellt nämlich in Art. 1
Abs. 2 ein grundsätzliches Verbot auch der Durchfuhr von Munition und
von Bestandteilen solcher auf. Der Handel damit ist nur ausnahmsweise
gestattet, wie in Art. 1 Abs. 2 KMB weiter ausgesprochen wird. Die
Ausnahmebewilligung muss laut Art. 14 Abs. 1 KMB im einzelnen Falle
gesondert erteilt werden. Sie ist gemäss Art. 15 KMB an die Zustimmung
sowohl des Eidgen. Militärdepartements als auch des Politischen
Departements geknüpft, und es bedarf zu ihrer Erlangung überdies weiterer
Garantien. Da eine Ausfuhrbzw. Durchfuhrbewilligung hier nicht vorlag,
blieb es beim grundsätzlichen Verbot. Die Parteien haben somit ein
verbotenes Geschäft abgeschlossen.

    Da der Verkäufer Zimmerli nach den getroffenen Vereinbarungen
u.a. auch den Ausweis über die Versicherung der Ware bis Basel-Transit
beizubringen hatte, geht sodann auch der Einwand der Klägerin fehl, dass
vom Vertragsschluss an das weitere Schicksal der Ware den Verkäufer nichts
mehr angegangen sei.

Erwägung 3

    3.- Fragen kann sich einzig noch, ob das ohne Bewilligung
abgeschlossene und daher verbotene Geschäft zivilrechtlich als nichtig
zu betrachten ist oder ob es lediglich die Strafbarkeit der Parteien nach
sich gezogen habe (Art. 18 KMB). In dieser Hinsicht ist davon auszugehen,
dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts die Folge der
Nichtigkeit nicht nur eintritt, wenn die Verbots- oder Gebotsnorm sie
ausdrücklich vorsieht, sondern auch, wenn Sinn und Zweck der Vorschrift
sie mit Rücksicht auf die Bedeutung des zu bekämpfenden Erfolges
erheischen (BGE 80 II 329, 81 II 619). Im vorliegenden Falle ist nun zu
berücksichtigen, dass der KMB gestützt auf Art. 108 Ziff. 8 und 9 BV als
Massnahme zur Wahrung der Interessen der Eidgenossenschaft nach aussen,
zum Schutz ihrer äussern Sicherheit und zur Behauptung ihrer Unabhängigkeit
und Neutralität erlassen worden ist. Angesichts dieser Zweckbestimmung
drängt sich, wie schon die Vorinstanz zutreffend entschieden hat, die
Annahme der zivilrechtlichen Nichtigkeit des gegen die Vorschriften des KMB
verstossenden Geschäftes auf, da es widersinnig wäre, einem Vertrag, der
geeignet sein könnte, lebenswichtige Interessen des Landes zu gefährden,
den Schutz der Gerichtsbarkeit eben dieses Landes angedeihen zu lassen.