Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 III 51



82 III 51

18. Entscheid vom 14. Juni 1956 i.S. Speck. Regeste

    1.  Beginn der Rekursfrist gegen einen während der Betreibungsferien
oder des Rechtsstillstandes zugestellten Beschwerdeentscheid (Art. 56
SchKG).

    2.  Eine nur hinsichtlich der Höhe angefochtene Lohnpfändung kann
von der Aufsichtsbehörde auch nach ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit
überprüft und allenfalls aufgehoben werden.

    3.  Reihenfolge der Pfändung der Vermögensobjekte. Unter "Forderungen"
im Sinne von Art. 95 Abs. 1 SchKG sind nicht Lohnguthaben usw. gemäss
Art. 93 zu verstehen; solche sind vielmehr erst nach bzw. in Ermangelung
von beweglichem und unbeweglichem Vermögen zu pfänden.

Sachverhalt

    In der Betreibung seines Kindes für rückständige Alimente
wurde dem Schuldner 20% von seinem Lohne = 52 Rp. pro Arbeitsstunde
gepfändet. Hiegegen führte der Gläubiger Beschwerde, mit der er die
Richtigkeit der Angaben des Schuldners über sein Einkommen und die
Berechnung des Existenzminimums beanstandete und beantragte, es seien
unbeschadet der bestehenden Lohnpfändung auch die übrigen Aktiven sowie
die Liegenschaft des Schuldners zu pfänden.

    Die Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerde dahin gut, dass sie die
Pfändungsurkunde aufhob und das Betreibungsamt anwies, vorerst das
pfändbare bewegliche Vermögen und nötigenfalls auch die Liegenschaft
zu pfänden. Sie führt aus, künftige Lohnforderungen gehörten nicht zu
den nach Art. 95 Abs. 1 SchKG vorab zu pfändenden Forderungen, sondern
seien nach dem beweglichen und unbeweglichen Vermögen zu pfänden. Daher
sei die verfügte Lohnpfändung aufzuheben und vorerst zu prüfen, ob das
bewegliche, eventuell mit dem unbeweglichen Vermögen zur Deckung der
Betreibungsforderung ausreiche. Erst wenn dies nicht zutreffe, sei auf
den Lohn zu greifen.

    Mit dem vorliegenden Rekurs verlangt der Gläubiger Abänderung des
angefochtenen Entscheides in dem Sinne, dass die vom Betreibungsamt
vollzogene Lohnpfändung in erster Linie und neben der eventuell
angeordneten Liegenschaftspfändung bestehen bleibe. Er führt aus, die
Lohnpfändung sei weder vom Schuldner noch von ihm angefochten worden;
er habe neben derselben noch Pfändung der Liegenschaft verlangt. Die
Aufsichtsbehörde habe daher die Lohnpfändung, weil weder angefochten
noch nichtig, nicht aufheben dürfen. Deren Aufhebung hätte zur Folge,
dass der Schuldner ein weiteres Jahr keine Alimente zahlen würde und der
Gläubiger bei der Verwertung der Liegenschaft leer ausgehen könnte.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die vorschriftswidrig während der Pfingstbetreibungsferien (am 25.
Mai 1956) erfolgte Zustellung des angefochtenen Entscheides entfaltete
ihre Wirkung erst am 1. Tage nach Ablauf der Ferien, also am 28. Mai,
so dass der am 7. Juni aufgegebene Rekurs rechtzeitig war (BGE 49 III 76,
67 III 69; JAEGER zu Art. 56 N. 3).

Erwägung 2

    2.- Da der Gläubiger mit seiner Beschwerde vom 28. März 1956 nicht
nur weitere Sachpfändungen neben der Lohnpfändung verlangte, sondern
diese selbst hinsichtlich ihrer Berechnungsgrundlagen (Verdienst,
Existenzminimum) beanstandete, konnte sie nicht in Rechtskraft erwachsen,
auch nicht was den Grundsatz bezw. den vom Betreibungsamt gewählten
Minimalbetrag betrifft. Die Aufsichtsbehörde konnte daher die Lohnpfändung
nach ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit überprüfen und sie, wenn sie mit
dem Gesetz nicht in Einklang stand, aufheben.

Erwägung 3

    3.- Im weiteren beanstandet der Rekurrent die Auffassung der
Vorinstanz, dass gemäss Art. 95 Abs. 1 SchKG eine Lohnpfändung erst nach
der Pfändung von beweglichem Vermögen und eventuell Liegenschaften verfügt
werden könnte. Der Sinn der in Art. 95 aufgestellten Reihenfolge der zu
pfändenden Vermögenswerte ist der, dass zuerst die dem Schuldner leichter
entbehrlichen und rasch verwertbaren Werte herangezogen werden sollen,
vor denjenigen, deren er weniger leicht entraten kann; Liegenschaften
sind nur zu pfänden, soweit das bewegliche Vermögen zur Deckung nicht
ausreicht, oder im Einverständnis von Gläubiger und Schuldner. In
der Praxis ist indessen anerkannt, dass unter "Forderungen" nicht
Lohnguthaben usw. im Sinne von Art. 93 SchKG zu verstehen und diese
vielmehr in letzter Linie, nach bezw. in Ermangelung von beweglichem und
unbeweglichem Vermögen zu pfänden sind (JAEGER zu Art. 95 N. 1 S. 290,
Art. 93 N. 5 i.f.). Diese Praxis ist berechtigt, denn eigentlich ist die
Lohnpfändung nur eine bedingte Pfändung, bedingt nämlich durch die künftige
Entstehung der Lohnforderung und durch die Einschränkung gemäss Art. 93,
d.h. nur so weit letztere das Existenzminimum übersteigen wird. Auch
bei Alimentenbetreibungen, denen das Existenzminimum nur beschränkt
entgegengehalten werden kann, ist jene Regel begründet. Es sollen nicht
erst künftig entstehende Forderungen ergriffen werden, solange primär
pfändbare Werte zur Verfügung stehen. Die Vorinstanz stellte nun fest, dass
der Schuldner eine Liegenschaft besitzt, allenfalls auch Mobilien. Diese
Feststellung ist für das Bundesgericht verbindlich. Es sind daher zuerst
diese Vermögenswerte heranzuziehen; erst wenn sie sich als unzureichend
erweisen, kann auf den Lohn gegriffen werden.

Entscheid:

       Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.