Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 82 III 101



82 III 101

28. Entscheid vom 5. November 1956 i.S. Erne & Heine. Regeste

    Fristwahrung durch Postaufgabe. Art. 31 und 32 SchKG. Der
Aufgabestempel der Post gilt als Datumsausweis für und gegen den Absender.
Macht dieser geltend, er habe den Brief am Vortag in einen Postbriefkasten
geworfen, so hat er es zu beweisen.

Sachverhalt

    A.- Gegen die am 4. September 1956 zugestellten Zahlungsbefehle
Nr. 18675, 18780 und 18789 erhoben die Rekurrentin und ihre Teilhaber
Rechtsvorschlag mittels eines eingeschriebenen Briefes, dessen
Aufgabe das Postamt Basel 2 am 27. September 1956, 9 Uhr, durch Stempel
bescheinigt hat. Da die durch die Betreibungsferien bis zum 26. September
erstreckte Frist als versäumt erschien, wies das Betreibungsamt die drei
Rechtsvorschläge als verspätet zurück. Die Rekurrentin brachte hierauf
vor, sie habe den Einschreibbrief schon am 26. September, um 21 Uhr,
in den Postbriefkasten Güterstrasse 163 eingeworfen, mit Leerungszeit
um 21 Uhr 30, und verwies zur Stützung dieser Behauptung auf folgende
Erklärung des Postamtes Basel 2:

    "Erklärung

    Da Einschreibsendungen aus dem Briefkasten, die in der Spätleerung
aufkommen, bisweilen erst am folgenden Morgen behandelt werden, so ist es
im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen, dass R 953 aus Basel 2 schon
am 26. September 1956 in einen Nebenbriefkasten gelegt wurde."

    Das Betreibungsamt fand diese Bescheinigung jedoch zu unbestimmt,
um den behaupteten Sachverhalt zu beweisen, und hielt an der Rückweisung
der Rechtsvorschläge fest.

    B.- Die Beschwerde der Rekurrentin an die kantonale Aufsichtsbehörde
hatte keinen Erfolg. Deren Entscheid vom 20. Oktober 1956 geht davon aus,
dass die Postaufgabe vermutungsweise zu der durch den Aufgabestempel
ausgewiesenen Zeit erfolgt sei. Den ihr obliegenden Gegenbeweis habe die
Rekurrentin nicht zu erbringen vermocht; denn wenn ihre Sachdarstellung
nach der Erklärung der Post "nicht ausgeschlossen" sei, so könne sie doch
nicht als erwiesen gelten.

    C.- Diesen Entscheid zieht die Rekurrentin an das Bundesgericht weiter
mit dem Antrag, die drei Rechtsvorschläge seien in Wirksamkeit zu setzen.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

    Seit der Aufhebung von Art. 31 Abs. 4 SchKG durch Art. 169 OG steht
nun auch im Gebiete des Schuldbetreibungs- und Konkursrechtes der letzte
Tag einer Frist nicht mehr nur bis abends 6 Uhr, sondern bis zu seinem
Ablauf, also bis Mitternacht, zur Verfügung (vgl. dazu BGE 71 III 129 ff.,
Ziff. 3). Und da die binnen der Frist erfolgte Postaufgabe genügt (Art. 32
SchKG), ist auch sie rechtzeitig, wenn sie vor Mitternacht des letzten
Tages geschieht. Der Aufgeber mag also auch nach 6 Uhr abends dieses
Tages einen Postschalter aufsuchen, sei es bis zum Schalterschluss oder,
wenn das Postamt hiefür eingerichtet ist, noch später (vgl. Art. 66 und 96
Abs. 2 der VV I vom 23. Dezember 1955 zum Postverkehrsgesetz). Ebenso
kann er den Brief in einen der zur allgemeinen Benutzung dienenden
Postbriefkasten legen. Im letztern Falle nimmt er jedoch das Risiko
auf sich, die rechtzeitige Aufgabe allenfalls nicht nachweisen zu
können, wenn der Kasten nicht noch gleichen Tages geleert oder sein
Brief erst am folgenden Morgen auf einem Postamt abgestempelt wird.
Zu welcher Zeit die Postaufgabe erfolgte, ist Tatfrage. Die darüber von
der kantonalen Aufsichtsbehörde getroffene Feststellung ist für das
Bundesgericht verbindlich (Art. 81 in Verbindung mit Art. 63 Abs. 2
OG). Wie die Vorinstanz mit Recht erklärt, gilt der Aufgabestempel
der Post als Datumsausweis für und gegen den Aufgeber. Ein Gegenbeweis
bleibt vorbehalten; ob er aber durch eine postalische Bescheinigung,
wonach die Sachdarstellung der Rekurrentin bloss "nicht ausgeschlossen"
ist, erbracht sei, war eine Frage der Beweiswürdigung.

    Zu Unrecht beruft sich die Rekurrentin auf BGE 70 III 70 ff., wo
ausgesprochen wurde, das Betreibungsamt habe seinen allfälligen eigenen,
an der Türe angebrachten Briefkasten jeden Tag am Ende der Bureauzeit zu
leeren und den Inhalt festzustellen oder bereitzulegen; unterbleibe dies,
so könne einem Benutzer dieses Briefkastens der Nachweis für rechtzeitigen
Einwurf nicht auferlegt werden. Diese Entscheidung betraf die rechtliche
Stellung des Betreibungsamtes als Zustellungsempfänger hinsichtlich der in
seinen Briefkasten gelegten und ihm damit zugegangenen Briefe. Sie kann
nicht gelten für die Postverwaltung, deren für das Publikum aufgestellte
Briefkasten besondern, nicht von den Betreibungsbehörden aufzustellenden
Vorschriften unterworfen sind. Hätte die Rekurrentin übrigens ihren Brief,
nach Bureauschluss des Betreibungsamtes vom 26. September 1956 und nach
der damals im Sinne der erwähnten Entscheidung erfolgten Leerung, in den
Kasten des Betreibungsamtes selbst eingeworfen, so läge ihr gleichfalls
der Beweis dafür ob, dass es noch am 26. und nicht erst am 27. September
geschehen sei.

Entscheid:

        Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.