Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 139 V 230



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Urteilskopf

139 V 230

31. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. H. gegen
Pensionskasse des Bundes PUBLICA (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten)
9C_690/2012 vom 5. April 2013

Regeste

Art. 25 PUBLICA-Gesetz; Kürzung der Altersleistungen bei vorzeitiger
Pensionierung vor vollendetem 62. Altersjahr.
Der Wortlaut von Art. 25 PUBLICA-Gesetz lässt nicht darauf schliessen, die bei
vorzeitiger Pensionierung vor dem vollendeten 62. Altersjahr vorzunehmende
Kürzung unterliege der (statischen) Besitzstandsgarantie von 95 % der nach
bisherigem Recht im Alter 62 erreichbaren Altersrente. Für den begrenzten
Zeitraum zwischen dem 60. und dem 62. Altersjahr können die Altersleistungen
auch weniger als 95 % der bisherigen Leistungen im Alter 62 betragen (E. 5.1).
In Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung und in Fortsetzung derselben sind
nicht nur der versicherte Verdienst und die der Übergangsgeneration garantierte
Altersrente nach altem Recht zu bestimmen, sondern es sind auch auf die
Kürzungsmodalitäten die bis 30. Juni 2008 gültig gewesenen Normen anzuwenden
(E. 5.3).

Sachverhalt ab Seite 231

BGE 139 V 230 S. 231

A. H., geboren 1950, war seit 1. November 1972 bei der Pensionskasse des Bundes
(heute: PUBLICA), Bern, berufsvorsorgeversichert. Im September 2010 meldete er
sich bei der PUBLICA zur Teilpensionierung im Umfang von 33 1/3 % auf den 1.
Januar 2011 an. Zwischen H. und der PUBLICA entstand ein Streit über die Höhe
der Kürzung der Altersrente zufolge freiwilliger vorzeitiger Pensionierung. Mit
Leistungsbescheid vom 23. Dezember 2010 teilte die PUBLICA H. mit, die
monatliche Altersrente betrage (ohne Überbrückungsrente) Fr. 1'272.90.

B. Die hiegegen erhobene Klage des H., mit welcher er die Zusprechung einer
jährlichen Altersrente ab 1. Januar 2011 in Höhe von Fr. 16'432.15 (d.h.
monatlich Fr. 1'369.35) beantragen liess, wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern mit Entscheid vom 5. Juli 2012 ab.

C. H. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und
unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides (wiederum) die Zusprechung einer
jährlichen Altersrente in Höhe von Fr. 16'432.15 ab 1. Januar 2011 nebst Zins
beantragen.
BGE 139 V 230 S. 232
Die PUBLICA schliesst auf Abweisung der Beschwerde und beantragt
("vorsorglich") den Ausstand aller Gerichtsschreiberinnen und
Gerichtsschreiber, die am 1. Juli 2008 das 55. Altersjahr vollendet hatten. Das
Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

5.

5.1 Der Wortlaut von Art. 25 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 2006 über die
Pensionskasse des Bundes (PUBLICA-Gesetz; SR 172.222.1) lässt entgegen den
Vorbringen des Beschwerdeführers nicht darauf schliessen, dass die bei
vorzeitiger Pensionierung vor dem vollendeten 62. Altersjahr vorzunehmende
Kürzung der (statischen) Besitzstandsgarantie von 95 % der nach bisherigem
Recht im Alter 62 erreichbaren Altersrente unterliegt. Der Übergangsgeneration
wird (nur) garantiert, im Alter 62 mindestens 95 % der bisher in jenem
Zeitpunkt erreichbar gewesenen Altersrente zu erhalten. Nach dem insoweit
klaren Gesetzeswortlaut ist somit bei Rücktritten zwischen dem 60. und dem 62.
Altersjahr der gemäss Satz 1 von Art. 25 PUBLICA-Gesetz berechnete Anspruch im
Alter 62 - in einem zweiten Schritt - versicherungsmathematisch zu kürzen und
kann für diesen begrenzten Zeitraum auch weniger als 95 % der bisherigen
Leistungen im Alter 62 betragen (vgl. BBl 2005 5879 zu Art. 26
E-PUBLICA-Gesetz: "Somit kann zum Beispiel eine versicherte Person, die beim
Inkrafttreten dieses Gesetzes im 56. Altersjahr steht, mit 62 Jahren 95 Prozent
der Rente erreichen, die sie im bisherigen System im Alter 62 erreicht hätte").

5.2 Über die Modalitäten der Kürzung ist damit allerdings noch nichts gesagt.
Namentlich lässt sich aus dem vom Gesetzgeber verwendeten Terminus
"versicherungsmathematisch" - entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen - nicht
ableiten, die Kürzung sei nicht mehr nach dem bis 30. Juni 2008 gültig
gewesenen Art. 33 Abs. 4 der Verordnung vom 25. April 2001 über die
Versicherung im Kernplan der Pensionskasse des Bundes (PKBV 1; AS 2001 2327,
[in Kraft gestanden bis Ende Juni 2008]) vorzunehmen. Gemäss dieser Norm war
die Altersrente bei Pensionierung vor dem vollendeten 62. Altersjahr um 0,2 %
pro Monat vor Alter 62 zu kürzen. Nicht stichhaltig ist vorab das Argument,
eine (lineare) Kürzung von 0,2 %
BGE 139 V 230 S. 233
pro Monat vor Alter 62 (gemäss Art. 33 Abs. 4 PKBV 1) lasse sich mit dem
Begriff der "versicherungsmathematischen Kürzung" nicht vereinbaren.
"Versicherungsmathematisch" meint einzig, dass die Bewertung von Risiken
mittels mathematischer Modelle erfolgt (z.B. KLAUS D. SCHMIDT,
Versicherungsmathematik, 2006, S. 2), was eine Kürzung nach Art. 33 Abs. 4 PKBV
1 keineswegs ausschliesst.

5.3 Der bundesrätlichen Botschaft (BBl 2005 5879) sind keine eindeutigen
Präzisierungen zu entnehmen, wie die "versicherungsmathematische" Kürzung zu
erfolgen hat. Immerhin stehen die tabellarisch festgehaltenen Leistungsziele
(BBl 2005 5900, Kurvendiagramm), welche einen parallelen Verlauf der Leistungen
der Übergangsgeneration und jener der bisherigen Rentenbezüger zeigen, einer
Kürzung nach der bisherigen ("linearen") Regelung von Art. 33 Abs. 4 PKBV 1
jedenfalls nicht entgegen. Insbesondere aber hielt der Bundesrat fest, "die
beim Inkrafttreten dieses Gesetzes 55-, aber noch nicht 65-jährigen
Versicherten [sollten] noch von den geltenden günstigeren Modalitäten des
vorzeitigen Altersrücktritts einschliesslich der Überbrückungsrente Gebrauch
machen können" (BBl 2005 5879). Diese Intention spricht klar für die
Anwendbarkeit des alten Rechts. Wohl war die bisherige Regelung der vorzeitigen
Pensionierung nicht kostendeckend, weshalb es bei der Totalrevision des
Bundesgesetzes über die Pensionskasse des Bundes auch um eine Art Sanierung
ging (AB 2006 N 811, Votum Merz). Indes erhellt aus dem Protokoll der
staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 26./27. Januar 2006, dass
die Übergangsregelung nicht "zu knausrig ausgestalte(t)" werden sollte, um
einerseits einen sogenannten Torschlusseffekt, der am Ende teurer zu stehen
komme, und anderseits einen Aderlass beim Bund zu verhindern. Ins Gewicht fällt
überdies, dass sich die der Übergangsgeneration nach Art. 25 PUBLICA-Gesetz
garantierte Altersrente grundsätzlich ausgehend vom versicherten Verdienst am
1. Januar 2008 berechnet (Urteil 9C_869/2009 vom 28. Januar 2010 E. 2.3) und -
folgerichtig - auch die Berechnung der Rente nach den bis 30. Juni 2008 gültig
gewesenen Bestimmungen zu erfolgen hat (Urteil 9C_869/2009 E. 2.5). Im Urteil
9C_769/2009 vom 9. April 2010 (E. 4.2) erwog das Bundesgericht, ausgehend
davon, dass die Übergangsgeneration der 55-, aber noch nicht 65-jährigen
Versicherten "noch von den geltenden günstigen Modalitäten des vorzeitigen
Altersrücktritts einschliesslich der Überbrückungsrenten Gebrauch machen
können" sollte, stelle sich die Frage, ob sich die statische
Besitzstandsgarantie im
BGE 139 V 230 S. 234
Falle der vorzeitigen freiwilligen Pensionierung vor dem Alter 62 nicht auch
für die versicherungsmathematische Kürzung nach dem bisherigen Recht, d.h. nach
dem Leistungsprimat richte. In der Tat sind nach dem Gesagten keine gewichtigen
Gründe ersichtlich, welche für das wenig praktikable Ergebnis sprechen, wonach
sich der versicherte Verdienst und die Berechnung der Altersrente nach
bisherigem Recht, die Kürzungsregel hingegen nach neuem Recht zu richten hätte.
Vielmehr sind in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung und in Fortsetzung
derselben nicht nur der versicherte Verdienst und die der Übergangsgeneration
garantierte Altersrente nach altem Recht zu bestimmen, sondern es sind auch auf
die Kürzungsmodalitäten die bis 30. Juni 2008 gültig gewesenen Normen
anzuwenden. Bei dieser Ausgangslage ist irrelevant, ob das gleichzeitig mit dem
PUBLICA-Gesetz in Kraft getretene Vorsorgereglement des Vorsorgewerks
ETH-Bereich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ETH-Bereichs vom 3.
Dezember 2007 (VR-ETH 1; SR 172.220.142.1) eine Kürzungsmöglichkeit enthält,
weil es auf die Übergangsgeneration von vornherein nicht zur Anwendung gelangt.