Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 139 V 216



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Urteilskopf

139 V 216

29. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S.
Ausgleichskasse des Kantons Zürich gegen A. (Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_82/2012 vom 21. März 2013

Regeste

Art. 1a Abs. 1 lit. a und Art. 6 Abs. 1 AHVG; Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 2
Bst. b Ziff. ii der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71.
Eine in der Schweiz wohnhafte Person, die für ihre in einem Mitgliedstaat
(Niederlande) ansässige Arbeitgeberin in einem Drittstaat (Bulgarien) arbeitet,
ist für das dort erzielte Arbeitsentgelt nicht in der AHV beitragspflichtig.
Der Sitz der Arbeitgeberin ist massgebender Anknüpfungspunkt für die
Koordination (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 216

BGE 139 V 216 S. 216

A. A., französischer Staatsangehöriger und wohnhaft in der Schweiz, ist seit
Januar 1999 bei der Ausgleichskasse des Kantons Zürich (nachfolgend:
Ausgleichskasse) als selbstständig Erwerbender erfasst.
BGE 139 V 216 S. 217
In den Jahren 2005 bis 2007 arbeitete er in Sofia, Bulgarien, für die
niederländische Firma X. mit Sitz in den Niederlanden. Das dabei erzielte
Einkommen unterstellte die Ausgleichskasse der Beitragspflicht als Arbeitnehmer
ohne beitragspflichtigen Arbeitgeber (Einspracheentscheid vom 23. April 2010).

B. Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 29. November 2011 in dem Sinne gut, als es den
Einspracheentscheid vom 23. April 2010 aufhob mit der Feststellung, dass der
Beschwerdeführer für die Jahre 2005 bis 2007 in der Schweiz nicht
AHV-beitragspflichtig ist.

C. Die Ausgleichskasse führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben
und der Einspracheentscheid vom 23. April 2010 sei wiederherzustellen.
Das kantonale Gericht verzichtet auf eine Stellungnahme. A. beantragt die
Abweisung, soweit darauf einzutreten ist, das Bundesamt für
Sozialversicherungen (BSV) die Gutheissung der Beschwerde. Der Beschwerdegegner
lässt am 20. August 2012 eine weitere Eingabe einreichen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Gemäss Art. 1a Abs. 1 lit. a AHVG sind natürliche Personen mit Wohnsitz in
der Schweiz in der AHV obligatorisch versichert. Gemäss Art. 4 AHVG werden die
Beiträge der erwerbstätigen Versicherten in Prozenten des Einkommens aus
unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit festgesetzt (Abs. 1).
Die Beiträge der Arbeitnehmer nicht beitragspflichtiger Arbeitgeber werden laut
Art. 6 Abs. 1 AHVG ebenfalls in Prozenten des massgebenden Lohnes festgesetzt.

2.2 Am 1. Juni 2002 ist das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft
und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR
0.142.112.681) in Kraft getreten. Nach Art. 1 Abs. 1 des auf der Grundlage von
Art. 8 FZA ausgearbeiteten und Bestandteil des Abkommens bildenden (Art. 15 FZA
) Anhangs II ("Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit")
BGE 139 V 216 S. 218
FZA in Verbindung mit Abschnitt A dieses Anhangs wenden die Vertragsparteien
untereinander insbesondere die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.
Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer
und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der
Gemeinschaft zu- und abwandern (kurz: Verordnung Nr. 1408/71; SR
0.831.109.268.1), und die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März
1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung
der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie
deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern
(kurz: Verordnung Nr. 574/72; SR 0.831.109.268. 11), oder gleichwertige
Vorschriften an. Die Verordnung Nr. 1408/71 gilt unter anderem auch für
Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die Leistungen bei
Alter und an Hinterbliebene betreffen (Art. 4 Abs. 1 lit. c und d). Die
entsprechenden Bestimmungen finden in der Alters- und
Hinterlassenenversicherung durch den Verweis in Art. 153a Abs. 1 lit. a AHVG
Anwendung.

2.3 Titel II der Verordnung Nr. 1408/71 (Art. 13 bis 17a) enthält allgemeine
Kollisionsregeln zur Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften. Dabei
legt Art. 13 Abs. 1 den kollisionsrechtlichen Grundsatz der Einheitlichkeit der
anwendbaren Rechtsvorschriften nach den Regeln gemäss Art. 13 Abs. 2 bis Art.
17a in dem Sinne fest, dass für jede betroffene Person die Rechtsvorschriften
nur eines Mitgliedstaates massgebend sind (BGE 138 V 533 E. 3.1 S. 537, BGE 138
V 258 E. 4.2 S. 263 f. mit Hinweis). Ausnahmen vorbehalten, gilt für
Arbeitnehmende das Beschäftigungslandprinzip. Dies trifft auch dann zu, wenn
sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnen oder ihr Arbeitgeber oder
das Unternehmen, das sie beschäftigt, den Wohn- oder Betriebssitz im Gebiet
eines anderen Mitgliedstaates hat (Grundsatz der lex loci laboris; Art. 13 Abs.
2 Bst. a der Verordnung Nr. 1408/71; BGE 138 V 533 E. 3.1 S. 537, BGE 138 V 258
E.4.2 S. 263 f. mit Hinweis). Eine Ausnahme ist unter anderem vorgesehen für
eine Person, die in mehreren Mitgliedstaaten abhängig beschäftigt oder
selbstständig tätig ist. Handelt es sich hierbei um eine Person, die nicht als
Mitglied des fahrenden oder fliegenden Personals eines Unternehmens beschäftigt
ist, unterliegt sie den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dessen
Gebiet sie wohnt, wenn sie ihre Tätigkeit zum Teil im Gebiet dieses Staates
ausübt oder wenn sie für mehrere Unternehmen oder mehrere
BGE 139 V 216 S. 219
Arbeitgeber tätig ist, die ihren Sitz oder Wohnsitz im Gebiet verschiedener
Mitgliedstaaten haben (Art. 14 Abs. 2 Bst. b Ziff. i). Sodann unterliegt sie
den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet das Unternehmen
oder der Arbeitgeber, das bzw. der sie beschäftigt, seinen Sitz oder Wohnsitz
hat, sofern sie nicht im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnt, in denen sie ihre
Tätigkeiten ausübt (Art. 14 Abs. 2 Bst. b Ziff. ii).

3.

3.1 Die Vorinstanz erwog, der Beschwerdegegner falle als französischer
Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Schweiz grundsätzlich in den persönlichen
Geltungsbereich des FZA sowie der Verordnungen, auf die das Abkommen verweist.
Am 1. Juni 2009 habe das FZA eine räumliche Ausdehnung zufolge des Beitritts
von Rumänien und Bulgarien erfahren. Die Tätigkeit des Beschwerdegegners übe
dieser für einen niederländischen Arbeitgeber in Bulgarien aus, das in der
fraglichen Zeitspanne 2005 bis 2007 (noch) kein Mitglied-, sondern ein
Drittstaat gewesen sei. Eine solche Konstellation sei vom Bundesgericht noch
nie entschieden worden; in BGE 134 V 428 habe es sich zwar ebenfalls um ein
räumliches Dreiecksverhältnis gehandelt, wobei es sich dort bei sämtlichen
Staaten um Mitgliedstaaten gehandelt habe. Eine vergleichbare Konstellation
habe indes der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) im Urteil vom
29. Juni 1994 C-60/93 Aldewereld, Slg. 1994 I-2991 entschieden. Dort sei ein
Wanderarbeiter zwar von einem Unternehmen aus der Gemeinschaft eingestellt
worden, aber nicht auf dem Gebiet der Gemeinschaft tätig gewesen. Der EuGH sei
von einer Lücke in der Verordnung Nr. 1408/71 ausgegangen, weil die Verordnung
sich nicht auf einen Wanderarbeiter beziehe, der zwar von einem Unternehmen aus
der Gemeinschaft eingestellt werde, aber nicht im Gebiet der Gemeinschaft tätig
sei. In einer solchen Situation seien der Wohnsitz des Arbeitnehmers oder der
Ort, an dem der Arbeitgeber ansässig sei, die einzigen möglichen
Anknüpfungspunkte. Der EuGH entschied sich als Anknüpfungspunkt für die
Anwendung der Rechtsvorschriften desjenigen Staates, in dem der Arbeitgeber
ansässig sei. Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeute dies, so die
Würdigung der Vorinstanz, dass der Beschwerdegegner der schweizerischen
Beitragspflicht nicht unterstellt sei.

3.2 Die Ausgleichskasse führte aus, der Beschwerdegegner habe als
unselbstständiger Arbeitnehmer der niederländischen Unternehmung in Bulgarien
gearbeitet; es liege keine Entsendung im Sinne des
BGE 139 V 216 S. 220
Freizügigkeitsabkommens vor, denn Bulgarien sei zur strittigen Zeit nicht
Mitgliedstaat gewesen. Der Beschwerdegegner sei nicht der niederländischen
Sozialversicherung unterstellt gewesen; dies gehe aus den in der Einsprache ins
Recht gelegten Lohnausweisen hervor. Dort seien Zahlungen an die ARRCO
("Association pour le régime de retraite complémentaire des salariés") und
AGIRC ("Association générale des institutions de retraite des cadres")
ausgewiesen; das seien französische Zusatzpflichtrentenversicherungen, welche
die Grundrenten ergänzten. Entsprechend sei für die Frage, welchem
Sozialversicherungsrecht der Beschwerdegegner unterstellt sei, einzig das
Verhältnis zwischen der Schweiz und Bulgarien massgeblich. Deshalb sei das FZA
nicht anwendbar, und in der Folge könne auch das als Parallelfall angerufene
Urteil Aldewereld nicht Grundlage für den vorliegenden Rechtsstreit sein. Der
Beschwerdegegner habe nie in den Niederlanden gearbeitet und sei auch nie der
niederländischen Sozialversicherung angeschlossen gewesen. Auch das am 1.
Dezember 2007 in Kraft getretene Abkommen vom 15. März 2006 zwischen der
Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Bulgarien über Soziale
Sicherheit (SR 0.831.109.214.1) sei nicht anwendbar, da diesem nur
schweizerische und bulgarische Bürger unterstellt seien.

3.3 Das BSV macht in seiner Stellungnahme wie die Ausgleichskasse geltend, der
Beschwerdegegner sei durch seine Tätigkeit für die niederländische Unternehmung
X. nicht der niederländischen Sozialversicherung angeschlossen gewesen. Die
Lohnabzüge würden von der niederländischen Arbeitgeberin ausdrücklich in
jährlichen Bestätigungen ausgeführt, wobei es sich um eine freiwillige
Versicherung Frankreichs handle. Die niederländische Arbeitgeberin des
Beschwerdegegners habe diejenigen Beiträge übernommen, die der Beschwerdegegner
selber in seinem Heimatland Frankreich freiwillig hätte bezahlen können. Es
liege somit keine unzumutbare Doppelversicherung vor, weshalb sich eine
Anlehnung an die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Aldewereld verbiete. Dort
habe zur Vermeidung einer Doppelversicherung eine Entscheidung zugunsten der
Rechtsvorschriften am Sitz der Arbeitgeberin gefällt werden müssen, denn, so
jener Entscheid, eine doppelte Beitragspflicht würde einer Grundzielsetzung des
Abkommens entgegenstehen und sei daher zu vermeiden. Zwischen den Niederlanden
und Bulgarien würde im Übrigen kein Sozialversicherungsabkommen bestehen.
Selbst für den letzten Monat der strittigen Beitragsperiode (Dezember 2007), in
dem das Sozialversicherungsabkommen zwischen der Schweiz und Bulgarien
BGE 139 V 216 S. 221
in Kraft getreten sei, gelte keine andere Regelung, weil gemäss Art. 3 Ziff. 3
in Verbindung mit Art. 6 des Abkommens das Erwerbsortsprinzip für
Drittstaatsangehörige nicht gelte.

3.4 Der Beschwerdegegner lässt ausführen, als französischer Staatsangehöriger
mit Wohnsitz in der Schweiz falle er in den Anwendungsbereich des FZA und der
Verordnung Nr. 1408/71, weshalb sich die hier anwendbaren Rechtsvorschriften
nach Art. 13 ff. der Verordnung Nr. 1408/71 richten würden. Die Tätigkeit in
einem Drittstaat sei von der Verordnung Nr. 1408/71 jedoch nicht abgedeckt.
Eine solche Konstellation entspreche der Rechtssache Aldewereld. Indem das
kantonale Gericht sich auf diese Entscheidung berufen habe, habe es kein
Bundesrecht verletzt. Die Vorinstanz habe für das Bundesgericht verbindlich,
das heisst nicht offensichtlich unrichtig festgestellt, dass der
Beschwerdegegner aus dem Arbeitsverhältnis mit der niederländischen
Unternehmung X. - nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben - sein Einkommen
generiert habe. Im Übrigen könne die Beschwerdeführerin mit der Rüge, dass dem
Beschwerdegegner keine Beiträge für die niederländische Sozialversicherung
abgezogen worden seien, nichts zu ihren Gunsten ableiten.

4.

4.1 Die Parteien und die Vorinstanz sind sich - gestützt auf das Urteil
Aldewereld - darin einig, dass die Koordinationsbestimmungen der Verordnung Nr.
1408/71 des FZA die hier vorliegende Konstellation, in der zwar sowohl der
Wohnsitz des Arbeitnehmers als auch der Sitz der Arbeitgeberin in
unterschiedlichen Mitgliedstaaten (bzw. dem Vertragsstaat Schweiz) liegen, der
Erwerbsort hingegen in einem Drittstaat liegt, nicht regeln. In den
massgeblichen Jahren 2005 bis 2007 war Bulgarien, wie die Vorinstanz ebenfalls
zutreffend erwog, noch nicht Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums.
Dass bei fehlender Regelung in den Koordinationsbestimmungen die Rechtsprechung
des EuGH als Leitlinie konsultiert wird, ist ebenfalls nicht bestritten und
entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. u.a. BGE 134 V 428 E. 5
S. 433, E. 8 S. 437; Art. 16 Abs. 2 FZA). Einer näheren Prüfung bedarf daher
die Rechtsfrage, ob der EuGH-Entscheid Aldewereld, wie die Vorinstanz erwog,
vorliegend richtungweisende Grundlage sein könnte.

4.2 Strittig war in jenem Entscheid die Frage, ob Herr Aldewereld (auch) in den
Niederlanden Sozialversicherungsbeiträge bezahlen müsse. Er war
niederländischer Staatsangehöriger, der im Zeitpunkt
BGE 139 V 216 S. 222
seiner Anstellung durch ein in Deutschland ansässiges Unternehmen in den
Niederlanden wohnte. Dieses deutsche Unternehmen schickte ihn nach Thailand zur
Arbeit. Wegen dieser Tätigkeit war Herr Aldewereld der deutschen
Sozialversicherung unterstellt; die entsprechenden Beiträge wurden ihm vom Lohn
abgezogen (Urteil Aldewereld, a.a.O., Randnrn. 3 und 4). Der Gerichtshof führte
aus, dass "bei Fehlen einer Bestimmung, die sich ausdrücklich auf den Fall
einer Person in der Situation des Herrn Aldewereld bezieht, eine solche Person
nach dem System der Verordnung den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats
unterliegt, in dem der Arbeitgeber ansässig ist" (Randnr. 25). Die Vorschriften
des Gemeinschaftsrechts, die die Verwirklichung der Freizügigkeit der
Arbeitnehmer in der Gemeinschaft bezwecken, würden es verbieten "dass von einem
Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnt und im Rahmen eines
Arbeitsverhältnisses mit einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen
Unternehmen ausschliesslich ausserhalb des Gebiets der Mitgliedstaaten
Tätigkeiten ausübt, aufgrund derer er nach den sozialen Rechtsvorschriften
dieses anderen Mitgliedstaats beitragspflichtig ist, Beiträge nach den sozialen
Rechtsvorschriften seines Wohnstaats erhoben werden". Mit anderen Worten: Herr
Aldewereld ist der deutschen Sozialversicherung unterstellt; eine zweite
Unterstellung an seinem Wohnort läuft dem Zweck der Abkommen - Freizügigkeit
der Arbeitnehmer - zuwider, weshalb ausschliesslich der Sitz der Arbeitgeberin
Anknüpfungspunkt ist.

4.3 Der Beschwerdegegner untersteht sowohl in persönlicher als auch in
sachlicher Hinsicht der Verordnung Nr. 1408/71. Dessen Art. 13 Abs. 1 hält als
Grundsatz fest, dass die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats anwendbar
sind (BGE 138 V 533 E. 3.1 S. 537, BGE 138 V 258 E. 4.2 S. 263 f. mit Hinweis).
Ausgehend von diesem Grundsatz ist der zuständige Mitgliedstaat zu ermitteln.
Der in der Schweiz wohnhafte Beschwerdegegner war in den Jahren 2005 bis 2007
für einen Arbeitgeber in den Niederlanden in einem Drittstaat (Bulgarien)
erwerbstätig. Wohnsitz des Arbeitnehmers und Sitz des Arbeitgebers befinden
sich in einem Abkommensstaat, während die unselbstständige Erwerbstätigkeit in
einem Drittstaat ausgeübt wurde. Diese Konstellation ist mit dem in der
Rechtssache Aldewereld beurteilten Sachverhalt identisch. Im Urteil Aldewereld
hatte der Versicherte in einem Mitgliedstaat Wohnsitz (Niederlande) und war für
einen in einem andern Mitgliedstaat ansässigen Arbeitgeber (Deutschland) in
einem Drittstaat (Thailand) erwerbstätig. Der EuGH
BGE 139 V 216 S. 223
knüpfte für die Koordination entscheidend auf den Sitz des Arbeitgebers an.
Entgegen der Auffassung des BSV ist das Urteil Aldewereld nicht nur auf den
Tatbestand der Entsendung (vgl. auch Art. 14 Abs. 1 Verordnung Nr. 1408/71)
anwendbar. Die dem EuGH vorgelegte Rechtsfrage war generell formuliert (Randnr.
8) und wurde generell beantwortet (Urteil Aldewereld, Randnr. 26, vgl. auch
Randnr. 11). Im vorliegenden Fall ist daher mit der Vorinstanz auf das Urteil
Aldewereld abzustellen. Der Sitz des Arbeitgebers in den Niederlanden ist als
Anknüpfungspunkt naheliegender als der Wohnsitz des Beschwerdegegners in der
Schweiz, der mit dem Arbeitsverhältnis, dem Arbeitsort und dem Sitz des
Arbeitgebers in keinem Zusammenhang steht (STEINMEYER, in: Kommentar zum
europäischen Sozialrecht, Maximilian Fuchs [Hrsg.], 4. Aufl. 2005, N. 2 am Ende
zu Art. 13 Verordnung Nr. 1408/71). Aus diesem Grund ist die Koordination
zugunsten der Niederlande vorzunehmen, deren System der sozialen Sicherheit
Anwendung findet. Denn nach Art. 14 Abs. 2 Bst. b Ziff. ii Verordnung Nr. 1408/
71 in Verbindung mit dem Urteil Aldewereld unterliegt eine Person den
Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Unternehmen oder
der Arbeitgeber, das bzw. der sie beschäftigt, seinen Sitz oder Wohnsitz hat,
sofern sie nicht im Gebiet eines der Mitgliedstaaten wohnt, in denen sie die
Tätigkeit ausübt. Für Schweizer Recht verbleibt unter diesen Umständen kein
Raum, und zwar unabhängig davon, ob und wie die Niederlande als zuständiger
Staat das Einkommen aus Bulgarien behandelt. Ob und inwieweit der
Beschwerdegegner in den Niederlanden tatsächlich der Beitragspflicht
untersteht, ist ohne Belang. Denn selbst wenn die Niederlande als zuständiger
Staat von einer Beitragspflicht für das in Bulgarien erzielte Einkommen
absieht, kann sich die Schweiz nicht über die kollisionsrechtliche Regelung
hinwegsetzen und die Beitragspflicht für sich beanspruchen. Die Verordnung
dient dazu, die im konkreten Fall anwendbare Sozialrechtsordnung zu finden
(FUCHS, Eine Einführung, in: Kommentar zum europäischen Sozialrecht, a.a.O., S.
19 Rz. 58), sie bezweckt hingegen nicht, in jedem Fall eine Unterstellung unter
eine Beitragspflicht vorzunehmen.