Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 139 V 12



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Urteilskopf

139 V 12

3. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für
Sozialversicherungen gegen B. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten)
9C_356/2012 vom 24. Januar 2013

Regeste

Art. 10 Abs. 3 AHVG; Art. 28^bis AHVV; Art. 34 BPV; Beitragspflicht im
Vorruhestandsurlaub.
Ob ein Versicherter erwerbstätig ist, beurteilt sich nicht in Funktion der
Beitragshöhe, sondern nach den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten.
Eine versicherte Person untersteht dann dem Beitragsstatut eines
Erwerbstätigen, wenn sie im Zeitraum, auf den sich die Beitragserfassung
bezieht, eine Erwerbstätigkeit mit gewissen Beiträgen auf dem Arbeitserwerb
(Art. 10 Abs. 1 Satz 2 AHVG) und von bestimmten Umfang (Art. 10 Abs. 1 Satz 3
AHVG in Verbindung mit Art. 28^bis AHVV) ausübte (E. 5.2).
Der Vorruhestand gemäss Art. 34 BPV kann nicht mit einer arbeitsvertraglichen
Freistellung gleichgesetzt werden (E. 6.1). Eine arbeits- oder
personalrechtliche abweichende Regelung vermag die zwingende AHV-rechtliche
Definition der Nichterwerbstätigkeit nicht zu derogieren (E. 6.3). Entschädigen
die Leistungen im Vorruhestand mindestens teilweise für die früheren
schwierigen Arbeitsbedingungen und besteht in diesem Sinne eine sachliche
Korrelation, sind sie - in Nachachtung von BGE 111 V 161 - nach dem
Erwerbsjahrprinzip unter dem Jahr der letzten effektiven Arbeitstätigkeit im
individuellen Konto einzutragen (E. 6.4).

Sachverhalt ab Seite 13

BGE 139 V 12 S. 13

A. B., geboren 1950, war bis Ende Oktober 2008 als Angehöriger des
Grenzwachtkorps bei der Eidgenössischen Zollverwaltung tätig. Am 1. November
2008 trat er einen dreijährigen Vorruhestandsurlaub an. Vereinbarungsgemäss
sollte nach Ablauf dieses Urlaubs, das heisst auf den 1. November 2011, das
Arbeitsverhältnis aufgelöst werden und ein vorzeitiger Altersrücktritt
erfolgen. Während des dreijährigen Vorruhestandsurlaubs erhielt B. den vollen
Lohn, wobei die Sozialversicherungsbeiträge in Abzug gebracht und monatlich der
Ausgleichskasse als Lohnbeiträge überwiesen wurden.
Mit Verfügung vom 4. Februar 2011 teilte die Eidgenössische Ausgleichskasse
(EAK) B. mit, es komme ihm während des Vorruhestandsurlaubes das Beitragsstatut
eines Nichterwerbstätigen zu. Sämtliche AHV/IV/EO-Abzüge auf den Lohnzahlungen
würden auf seinem individuellen Konto in das Jahr gebucht, in dem er in den
Vorruhestandsurlaub getreten sei. Am 9. Februar 2011 setzte die EAK
verfügungsweise die persönlichen Beiträge für das Jahr 2009
BGE 139 V 12 S. 14
auf Fr. 350.- fest. B. erhob gegen die Verfügungen vom 4. und 9. Februar 2011
Einsprache und beantragte deren Aufhebung sowie die Rückerstattung der bereits
bezahlten Beiträge (nebst Zins) für die Zeit des Vorruhestandes (1. November
2008 bis 31. Oktober 2011). Die EAK wies die Einsprache mit Entscheid vom 1.
Juni 2011 ab.

B. Hiegegen liess B. Beschwerde erheben und unter Aufhebung des
Einspracheentscheides vom 1. Juni 2011 sowie der angefochtenen Verfügungen
beantragen, die EAK sei anzuweisen, ihm die bereits bezahlten AHV-Beiträge als
Nichterwerbstätiger (samt Zins) für die Jahre 2009, 2010 und 2011
zurückzuerstatten und ihm die für das Einspracheverfahren beantragte
Parteientschädigung von Fr. 1'350.- auszurichten. Das Kantonsgericht
Basel-Landschaft hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 2. März 2012 in dem
Sinne teilweise gut, als es den Einspracheentscheid aufhob und die EAK anwies,
B. die entrichteten persönlichen Beiträge als Nichterwerbstätiger für das Jahr
2009 inklusive gesetzlichen Vergütungszinses zurückzuerstatten. Hinsichtlich
der Beiträge für die Jahre 2010 und 2011 trat es auf die Beschwerde nicht ein.
Das Begehren um Zusprache einer Parteientschädigung für das Einspracheverfahren
wies es ab.

C. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) erhebt Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den kantonalen Entscheid und
beantragt dessen Aufhebung.
Die EAK schliesst auf Gutheissung der Beschwerde, B. auf deren Abweisung. Zudem
beantragt er die Zusprechung einer Parteientschädigung. Die Vorinstanz
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

4.

4.2 Der Bundesrat erliess gestützt auf Art. 10 Abs. 3 AHVG nähere Vorschriften
über den Kreis der Personen, die als Nichterwerbstätige gelten. So bestimmt
Art. 28^bis AHVV (SR 831.101), dass auch jene Personen als Nichterwerbstätige
gelten, deren Erwerbstätigkeit in zeitlicher und masslicher Hinsicht nur
unbedeutend ist (sogenannte Schwergewichtsmethode, vgl. auch HANSPETER KÄSER,
Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl. 1996, S.
216 Rz. 10.1). Massgebliches Abgrenzungskriterium von Art. 10 AHVG ist die
tatsächliche Erwerbstätigkeit. Fehlt diese, liegt Nichterwerbstätigkeit vor und
es besteht eine Beitragspflicht aus Nichterwerbstätigkeit (BGE 115 V 65 E. 7 S.
74; UELI KIESER, Die Abgrenzung
BGE 139 V 12 S. 15
zwischen Erwerbs- und Nichterwerbstätigen, in: Aktuelle Fragen aus dem
Beitragsrecht der AHV, 1998, S. 73).

4.3 Der Begriff der Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 4 Abs. 1 AHVG setzt nach
konstanter Rechtsprechung die Ausübung einer auf die Erzielung von Einkommen
gerichteten bestimmten (persönlichen) Tätigkeit voraus, mit welcher die
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht werden soll. Für die Beantwortung der
Frage, ob Erwerbstätigkeit vorliegt, kommt es nicht darauf an, wie ein
Beitragspflichtiger sich selber - subjektiv - qualifiziert. Entscheidend sind
vielmehr die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse und Gegebenheiten, die
durch eine Tätigkeit begründet werden oder in deren Rahmen eine solche ausgeübt
wird. Mit anderen Worten muss die behauptete Erwerbsabsicht aufgrund der
konkreten wirtschaftlichen Tatsachen nachgewiesen sein. Wesentliches Merkmal
einer Erwerbstätigkeit ist sodann eine planmässige Verwirklichung der
Erwerbsabsicht in der Form von Arbeitsleistung, welches Element ebenfalls
rechtsgenüglich erstellt sein muss (vgl. E. 4.2 hievor; BGE 128 V 20 E. 3b S.
25; BGE 125 V 383 E. 2a S. 384 mit Hinweisen und BGE 111 V 161 E. 2 S. 165;
Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts H 12/03 vom 5. April 2004 E. 3.1; H 2/
02 vom 16. Juli 2003 E. 3.2.1; H 238/90 vom 15. Mai 1991 E. 5a, in: ZAK 1991 S.
312 und H 215/85 vom 8. Mai 1987 E. 4a, in: ZAK 1987 S. 418; Wegleitung des BSV
über die Beiträge der Selbständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen [WSN] in
der AHV, IV und EO, gültig ab 1. Januar 2001, Stand 1. Januar 2006, Rz. 2001,
2003 http://www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/index/category:22/lang:deu).
Entsprechend dieser Legaldefinition besteht ein direkter Zusammenhang zwischen
der Erwerbstätigkeit des Versicherten und dem daraus resultierenden Zufluss von
geldwerten Leistungen (KÄSER, a.a.O., S. 67 Rz. 3.6).

5.

5.1 Soweit die Vorinstanz aus Art. 28^bis AHVV ableitet, der Beschwerdegegner
falle nicht in die Kategorie der Nichterwerbstätigen, weil er pro Jahr mehr als
den minimalen Betrag entrichte, kann ihrer Argumentation nicht gefolgt werden.
Das kantonale Gericht verkennt damit den Gehalt des Art. 28^bis AHVV als
Ausführungsbestimmung von Art. 10 Abs. 3 AHVG, die den Kreis der
Nichterwerbstätigen näher umschreibt und regelt, wie beim Entscheid über den
Beitragsstatus vorzugehen ist, wenn die versicherte Person nicht dauernd eine
volle Erwerbstätigkeit ausübt. Dabei handelt es sich aber nur um eine
Konkretisierung der in Art. 10 Abs. 1 AHVG
BGE 139 V 12 S. 16
vorgezeichneten Schwergewichtsmethode zur Abgrenzung von Erwerbs- und
Nichterwerbstätigen (KÄSER, a.a.O., S. 216 Rz. 10.2).

5.2 Gemäss Art. 10 Abs. 1 Satz 2 AHVG schulden grundsätzlich jene
Erwerbstätigen Beiträge als Nichterwerbstätige, die während eines
Kalenderjahres keine, oder zusammen mit allfälligen Arbeitgebern, Beiträge von
weniger als 387 Franken vom Erwerbseinkommen zu bezahlen haben. Es entspricht
dem entstehungsgeschichtlich eindeutig dokumentierten Willen des Gesetzgebers,
dass die beitragsrechtliche Erfassung als Erwerbstätiger oder
Nichterwerbstätiger danach zu entscheiden sei, ob der Versicherte auf dem
Arbeitserwerb Beiträge in der Höhe des Minimalbeitrages erbringt (BGE 115 V 161
E. 5a S. 165 mit Hinweisen). Ob ein Versicherter aber überhaupt erwerbstätig
ist, beurteilt sich nicht in Funktion der Beitragshöhe gemäss Art. 10 Abs. 1
AHVG, sondern nach den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten (BGE 115 V
161 E. 6a S. 168 f.). Mit anderen Worten ist - wie dargelegt (E. 4.3 hievor) -
das entscheidende Kriterium, nach welchem sich die beitragsrechtliche
Qualifikation als erwerbstätige oder nichterwerbstätige Person bestimmt, ob auf
einem Arbeitserwerb Beiträge zu leisten sind, die mindestens den Betrag des
Minimalbeitrages erreichen. Entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen kann somit
daraus, dass eine versicherte Person mehr als den minimalen Betrag entrichtet,
nicht ohne Weiteres geschlossen werden, sie sei nicht als Nichterwerbstätige zu
erfassen. Ob ein Versicherter dem Beitragsstatut eines Erwerbstätigen oder
eines Nichterwerbstätigen untersteht, hängt vielmehr davon ab, ob er im
Zeitraum, auf den sich die Beitragserfassung bezieht, eine Erwerbstätigkeit mit
gewissen Beiträgen auf dem Arbeitserwerb (Art. 10 Abs. 1 Satz 2 AHVG) und von
bestimmten Umfang (Art. 10 Abs. 1 Satz 3 AHVG in Verbindung mit Art. 28^bis
AHVV) ausübte oder nicht.

5.3 Art. 10 Abs. 3 AHVG und Art. 28^bis AHVV behandeln ausschliesslich die
primäre Frage des Beitragsstatus, geben aber keine Antwort auf die sich erst
nach dessen Bestimmung stellende Frage, in welchem Beitragsjahr die Beiträge zu
verbuchen seien. Es ist demnach zu unterscheiden zwischen der Beitragspflicht -
als Erwerbstätiger oder Nichterwerbstätiger - einerseits und dem logisch erst
im Anschluss daran zu beantwortenden Beitragsbezug anderseits, d.h. der
Bestimmung des Zeitpunkts, in welchem die Beiträge vom massgebenden
Erwerbseinkommen zu entrichten sind (Erwerbsjahr [Jahr,
BGE 139 V 12 S. 17
in dem die Arbeit ausgeführt wurde] oder Realisierungsjahr [Jahr, in dem der
"Verdienst" ausbezahlt wird]). Zwischen Realisierungsprinzip und
Beitragspflicht besteht keine notwendige Verknüpfung (BGE 115 V 161 E. 4b S.
164 mit Hinweisen). Art. 139 AHVV, der die Eintragungsperiode regelt, bestimmt
lediglich, dass die Eintragung in das Konto eines Versicherten in der Regel
einmal jährlich erfolge. Weitere Konkretisierungen, namentlich zur Frage, in
welchem Jahr bestimmte (Nach-)Zahlungen eingetragen werden sollen, enthält die
Verordnung nicht. Hingegen hat die Rechtsprechung diesbezüglich konkretisiert,
aus dem Gesetz folge der Grundsatz, wonach das beitragspflichtige Einkommen von
Unselbständigerwerbenden im individuellen Konto demjenigen Jahr gutzuschreiben
ist, in welchem der Versicherte die entsprechende Erwerbstätigkeit ausgeübt hat
(Erwerbsjahrprinzip). Der Eintrag von Lohnnachzahlungen im Realisierungsjahr
lässt sich nur dann nicht beanstanden, wenn er sich bei der späteren
Rentenberechnung nicht nachteilig auswirken kann oder wenn er nicht zu einer
Umgehung der Beitragspflicht für Nichterwerbstätige führt (BGE 111 V 161 E. 4d
in fine S. 169).

5.4 In Nachachtung des soeben zitierten BGE 111 V 161, gemäss dessen E. 3a (S.
165) sich die Frage, für welches Beitragsjahr der Eintrag ins individuelle
Konto erfolgen soll, am Erfordernis der effektiv geleisteten Arbeit (Art. 5
Abs. 2 AHVG) entscheidet, strebte der Bundesrat im Rahmen der 11. AHV-Revision
eine Verdeutlichung von Art. 30^ter AHVG an und schlug eine Formulierung vor,
die - infolge der vom Parlament abgelehnten 11. AHV-Revision - erst am 1.
Januar 2012 in Kraft treten konnte (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur 11.
AHV-Revision [Neufassung], BBl 2006 1957, 2001 f. Ziff. 3.2.4 und 2049;
Botschaft vom 3. Dezember 2010 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Alters-
und Hinterlassenenversicherung [AHVG], Verbesserung der Durchführung, BBl 2011
543 f., insbesondere 559). Gemäss dem neuen Art. 30^ter Abs. 3 AHVG werden die
beitragspflichtigen Einkommen von Arbeitnehmern im individuellen Konto unter
dem Jahr eingetragen, in dem sie ausbezahlt wurden. Die Einkommen werden jedoch
im Erwerbsjahr eingetragen, wenn der Arbeitnehmer:
a. zum Zeitpunkt der Lohnauszahlung nicht mehr für den Arbeitgeber tätig ist;
b. den Beweis erbringt, dass das beitragspflichtige Einkommen von einer
Erwerbstätigkeit stammt, die in einem früheren Jahr ausgeübt wurde und für die
weniger als der Mindestbeitrag entrichtet wurde.
BGE 139 V 12 S. 18
Wie das Beschwerde führende Bundesamt zutreffend darlegt, ist die
Neuformulierung von Art. 30^ter Abs. 3 AHVG hier aus intertemporalrechtlichem
Grund nicht anwendbar. Weil damit aber keine neue materiellrechtliche Regelung
erfolgte, sondern die Rechtsprechung gemäss BGE 111 V 161 gesetzlich verankert
wurde, kann sie gleichwohl nicht ausser Acht gelassen werden.

6.

6.1 Es trifft zu, dass der Vorruhestand gewisse Ähnlichkeiten mit einer
privatrechtlichen Freistellung im Arbeitsvertrag aufweist. Namentlich wird für
die Dauer der Freistellung regelmässig der Lohn weiter bezahlt, während der
Arbeitgeber auf eine weitere Arbeitsleistung verzichtet (vgl. Urteil 4C.222/
2005 vom 27. Oktober 2005 E. 6.1). Weil sich der Vorruhestand aber in
wesentlichen, nachfolgend dargelegten Punkten deutlich von der Freistellung im
privatrechtlichen Arbeitsvertrag unterscheidet, überzeugt die vorinstanzliche
Gleichsetzung mit der arbeitsrechtlichen Freistellung im Ergebnis nicht.

6.2 Der Beschwerdegegner gab selbst an, im hier strittigen Jahr 2009 während
seines Vorruhestandsurlaubs keine Erwerbstätigkeit ausgeübt zu haben, weil die
Arbeitgeberin ihm eine solche ausdrücklich untersagt habe (nicht publizierte E.
3.3). Einem freigestellten Arbeitnehmer ist demgegenüber eine anderweitige
Tätigkeit nicht grundsätzlich verwehrt (er muss sich aber den dabei erzielten
Lohn anrechnen lassen; vgl. Art. 324 Abs. 2 OR; BGE 128 III 271 E. 4a/bb S.
281). Eine privatrechtliche Freistellung steht sodann oft im Zusammenhang mit
einer Kündigung des Arbeitsvertrags, wobei der Arbeitgeber die weitere
Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer als unzumutbar erachtet und diesen daher
für die Dauer der Kündigungsfrist freistellt (BGE 128 III 271 E. 4a/bb S. 281).
Der Arbeitgeber verzichtet bis zum Ablauf der Kündigungsfrist namentlich
deshalb auf weitere Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers, weil er befürchtet,
der Arbeitnehmer könnte sich illoyal verhalten (vgl. ALFRED BLESI, Die
Freistellung des Arbeitnehmers, 2. Aufl. 2010, S. 16 f. Rz. 58 f.). Die hier in
Frage stehende Vorruhestandsregelung (Lohnfortzahlung ohne Arbeitsleistung
während dreier Jahre) hat einen gänzlich unterschiedlichen Ursprung und findet
ihr Motiv zu einem wesentlichen Teil darin, "dass die Angehörigen des
Grenzwachtkorps unter besonderen Bedingungen (hohe physische und psychische
Belastung, unregelmässiger Dienst im 24-Stunden-Betrieb inklusive
BGE 139 V 12 S. 19
Sonn- und Feiertage usw.) im Einsatz stehen" (Information des EFD vom 11. Juni
2010 zur Änderung der Bundespersonalverordnung vom 3. Juli 2001 [BPV; SR
172.220.111.3]; http://www.efd.admin.ch/dokumentation/medieninformationen/00467
/index.html?lang=de& msg-id=33628). Damit sind die Leistungen im Vorruhestand
mindestens teilweise eine Entschädigung für die vormaligen schwierigen
Arbeitsbedingungen. Mit Blick auf diese sachliche Korrelation zwischen den
Leistungen im Vorruhestand und der geleisteten Arbeit - die im Rahmen einer
Freistellung gerade fehlt - ist nicht einsichtig, weshalb es sich im
vorliegenden Fall grundsätzlich anders verhalten soll als in BGE 111 V 161
(vgl. E. 6.3 hienach).

6.3 Eine Qualifikation des Beschwerdegegners als Erwerbstätiger während des
dreijährigen Vorruhestandsurlaubs scheidet mangels einer tatsächlichen
Erwerbstätigkeit aus (überdies sind auch die mit der Erwerbstätigkeit
verbundenen Vergünstigungen, Vergütungen, Zulagen, Prämien und Spesen mit
Antritt des Vorruhestandsurlaubs dahingefallen; nicht publizierte E. 3.2).
Daran ändert nichts, dass der Beschwerdegegner, wie er darlegt, während des
Vorruhestandsurlaubs weiterhin obligatorisch Versicherter der beruflichen
Vorsorge und der Unfallversicherung war. Ob die einschlägigen Voraussetzungen
für diese anderweitigen (obligatorischen) Weiterversicherungen wirklich erfüllt
sind, braucht hier nicht näher geprüft zu werden. Jedenfalls ist weder eine
Unterstellung unter das Obligatorium der beruflichen Vorsorge noch die
Unterstellung unter die obligatorische Unfallversicherung präjudizierend für
die AHV-rechtliche Bestimmung des Beitragsstatus. Ebenso wenig vermag eine
arbeits- bzw. personalrechtliche abweichende Regelung die zwingende
AHV-rechtliche Definition der Nichterwerbstätigkeit zu derogieren. Dass mit der
Vorruhestandsregelung just die Beitragspflicht als nichterwerbstätige Person
"verhindert" werden sollte, geht aus den Erläuterungen zur
Bundespersonalverordnung klar hervor, wie das Beschwerde führende Amt
zutreffend ausführt. Es entsprach der erklärten Absicht des Eidgenössisches
Personalamtes (EPA), mit der Revision von Art. 34 BPV eine Qualifikation der
freigestellten Mitarbeitenden als Nichterwerbstätige im Sinne von Art. 28 AHVV
zu verhindern. Die Neuformulierung von Art. 34 BPV (bisher: "Vorruhestand"; ab
1. Januar 2010: "Vorruhestandsurlaub") ändert indes nichts an der
grundsätzlichen Tatsache der fehlenden Erwerbstätigkeit während dieses Urlaubs.
In einem Schreiben an den Beschwerdegegner vom 6. Dezember 2010 erläuterte das
EPA denn auch ausführlich,
BGE 139 V 12 S. 20
seine Bemühungen, "mit einer Anfang 2010 vorgenommenen Revision der
Bundespersonalverordnung dieses Problem lösen" zu können, seien nicht
erfolgreich gewesen, weshalb er als nichterwerbstätige Person einer
zusätzlichen Beitragspflicht unterliege.

6.4 Die Anwendung des Realisierungsprinzips, das heisst das Verbuchen einer
Lohnzahlung in einem Jahr ohne tatsächliche Arbeitsleistung (hier: 2009) käme,
zumal keine der in E. 5.3 in fine dargelegten Ausnahmen gegeben ist, nach dem
Gesagten einer Umgehung der vom Gesetz für Nichterwerbstätige aufgestellten
Beitragspflicht gleich und liefe dem Grundsatz zuwider, wonach
Unselbständigerwerbende in dieser Eigenschaft solange beitragspflichtig sind,
als sie gegen Entgelt Arbeit leisten. Nach Aufgabe der Erwerbstätigkeit kommt
hingegen grundsätzlich die Beitragspflicht für Nichterwerbstätige zum Tragen (
BGE 111 V 161 E. 4d in fine S. 169). Gemäss BGE 111 V 161, von dem abzuweichen
kein Anlass besteht, sind die sachlich mit der vormalig geleisteten Arbeit
zusammenhängenden Zahlungen (E. 6.2 hievor) somit nach dem Erwerbsjahrprinzip
unter dem Jahr 2008 im individuellen Konto einzutragen.

6.5 Zusammenfassend erfasste die EAK den Beschwerdegegner für das hier
streitige Jahr 2009 zu Recht als Nichterwerbstätigen. Es liegt keine
Konstellation vor, die ein Abweichen vom Grundsatz des Erwerbsjahres
rechtfertigen würde. Insbesondere drohte dem Versicherten keine Beitragslücke,
denn für die Jahre seines Vorruhestandsurlaubes wird er als Nichterwerbstätiger
erfasst. Hingegen führte die Abkehr vom Erwerbsjahrprinzip zu einer verpönten
Umgehung der Beitragspflicht als Nichterwerbstätiger (E. 5.3 hievor).