Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 139 I 37



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Urteilskopf

139 I 37

4. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. und
Y. gegen Migrationsamt und Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich (Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_195/2012 vom 2. Januar 2013

Regeste

Art. 8 EMRK; Art. 13 Abs. 1 und Art. 29 Abs. 1 BV; Art. 34 Visakodex
(Verordnung [EG] Nr. 810/2009); Art. 5, 10 und 17 AuG; Art. 6 und 11 VZAE; Art.
2, 4, 15 i.V.m. 16 VEV; Weigerung der Migrationsbehörde, ein
Familiennachzugsgesuch zu prüfen, bei Heirat im Rahmen eines Schengenvisums zu
Besuchszwecken.
Die Anwendung von Art. 17 Abs. 1 AuG, wonach der Bewilligungsentscheid
grundsätzlich im Ausland abzuwarten ist, muss grundrechtskonform erfolgen (E.
2). Der Anspruch auf Familiennachzug fällt nicht dahin, wenn während der
Gültigkeit des Schengenvisums zu Besuchszwecken geheiratet wird, weshalb die
zuständige Migrationsbehörde verpflichtet ist, auf rechtzeitiges Gesuch hin das
Bewilligungsverfahren zu eröffnen und den Familiennachzug zu prüfen. Ergeht
kein positiver erstinstanzlicher Entscheid während des bewilligungsfrei
zulässigen Aufenthalts, hat die betroffene Person den Bewilligungsentscheid im
Ausland abzuwarten, es sei denn, die Zulassungs- bzw.
Bewilligungsvoraussetzungen könnten im Sinne von Art. 17 Abs. 2 AuG als mit
grosser Wahrscheinlichkeit erfüllt gelten (E. 3). Beurteilung des konkreten
Falles (E. 4).

Sachverhalt ab Seite 39

BGE 139 I 37 S. 39
Y. (geb. 1974) stammt aus Algerien. Er hielt sich vom 14. Februar 2000 bis 6.
Februar 2003 im Rahmen eines Asylverfahrens in der Schweiz auf. Am 10. März
2004 wurde ihm im Kanton Schwyz eine bis zum 17. Juni 2004 gültige
Kurzaufenthaltsbewilligung zur Vorbereitung der Heirat mit einer als Flüchtling
anerkannten, hier aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erteilt.
Seit März 2005 verfügt Y. über eine Aufenthaltsbewilligung. Am 20. Mai 2008
wurde den Eheleuten gestattet, getrennt zu leben; am 24. Januar 2011 ist die
Ehe geschieden, die gemeinsame Tochter A. (geb. 2003) unter die Sorge der
Mutter gestellt und dem Vater ein Besuchsrecht im üblichen Umfang zugesprochen
worden.
Am 15. Juli 2011 heiratete Y. seine Landsfrau X., die sich mit einem für 90
Tage gültigen Besuchervisum ("Schengenvisum") ab dem 11. Juni 2011 in der
Schweiz aufhielt. Am 18. Juli 2011 ersuchte sie darum, ihr eine
Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei ihrem Gatten zu erteilen. Das
Migrationsamt des Kantons Zürich wies sie hierauf aus dem Schengenraum weg:
Entgegen dem ursprünglichen Aufenthaltszweck ("Visite familiale/amicale")
strebe sie nun eine dauerhafte Anwesenheit an, weshalb die
Einreisevoraussetzungen nicht mehr erfüllt seien; sie habe das Land bzw. den
Schengenraum zu verlassen und den Ausgang des Bewilligungsverfahrens im Ausland
abzuwarten. Ihr Gesuch werde erst nach der Ausreise bearbeitet. Die
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich bestätigte diese Verfügung am 19.
September 2011. Am 25. Januar 2012 wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich die gegen deren Entscheid gerichtete Beschwerde ab: Da X. die Behörden
über den wahren Zweck ihres Aufenthalts getäuscht und mit falschen Angaben ein
Visum erwirkt habe, sei ihre Einreise und ihr Aufenthalt rechtswidrig gewesen.
Sie könne sich deshalb nicht darauf berufen, dass die zuständige Behörde bei
offensichtlich erfüllten Zulassungsvoraussetzungen befugt sei, den Aufenthalt
während des Bewilligungsverfahrens provisorisch zu gestatten (Art. 17 Abs. 2
AuG [SR 142.20]). Im Übrigen erscheine der Entscheid der Sicherheitsdirektion
auch bei einer Anwendung der entsprechenden Regelung nicht unhaltbar.
Das Bundesgericht heisst die von Y. und X. hiergegen eingereichte Beschwerde
gut, hebt das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich auf und hält
das Amt für Migration an, das Nachzugsgesuch
BGE 139 I 37 S. 40
zu behandeln; es ermächtigt X., sich bis zum entsprechenden Entscheid in der
Schweiz aufzuhalten.
(Zusammenfassung)

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Nach Art. 17 Abs. 1 AuG haben ausländische Personen, die für einen
vorübergehenden Aufenthalt rechtmässig eingereist sind und die nachträglich
eine Bewilligung für einen dauerhaften Aufenthalt beantragen, den
entsprechenden Entscheid im Ausland abzuwarten; dies gilt auch für illegal
Anwesende, die ihren Aufenthalt nachträglich durch ein entsprechendes
Bewilligungsgesuch zu legalisieren versuchen (MARC SPESCHA, in:
Migrationsrecht, Spescha/Thür/Zünd/Bolzli [Hrsg.], 3. Aufl. 2012, N. 1 zu Art.
17 AuG; EGLI/MEYER, in: Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer
[AuG], Caroni/Gächter/Thurnherr [Hrsg.], 2010, Fn. 2 sowie N. 5, 9 und 11 zu
Art. 17 AuG; PETER UEBERSAX, § 7 Einreise und Anwesenheit, in: Ausländerrecht,
Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], 2. Aufl. 2009, N. 7.332; BBl 2002 3709
ff., 3778). Der Gesuchsteller soll sich - so die Botschaft des Bundesrats -
nicht darauf berufen können, dass er das nachgesuchte Aufenthaltsrecht bereits
während des Verfahrens ausüben darf, es sei denn, die
Bewilligungsvoraussetzungen erschienen "mit grosser Wahrscheinlichkeit" als
erfüllt (BBl 2002 3709 ff., 3777 zu Art. 15).

2.2 Ist dies der Fall, kann bzw. muss die zuständige kantonale Behörde im
Rahmen ihres verfassungskonform (und damit auch verhältnismässig; vgl. Art. 5
Abs. 2 BV) zu handhabenden Ermessens (vgl. Art. 96 AuG; SPESCHA, a.a.O., N. 1
zu Art. 96 AuG) den Aufenthalt während des Verfahrens gestatten, falls die
Voraussetzungen eines gesetzlichen, verfassungs- oder konventionsrechtlichen
Anspruchs auf die Bewilligung mit grosser Wahrscheinlichkeit gegeben erscheinen
(Art. 17 Abs. 2 AuG; sog. "prozeduraler Aufenthalt"; vgl. SPESCHA/KERLAND/
BOLZLI, Handbuch zum Migrationsrecht, 2010, S. 85 f.). Es ist darüber in einer
summarischen Würdigung der Erfolgsaussichten (sog. "Hauptsachenprognose") zu
entscheiden, wie dies bei der Anordnung vorsorglicher Massnahmen regelmässig
der Fall ist (BGE 130 II 149 E. 2.2). Die Anforderungen können insbesondere
dann als "offensichtlich" erfüllt gelten, wenn die eingereichten Unterlagen
einen gesetzlichen oder völkerrechtlichen Anspruch auf die Erteilung einer
Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligung belegen, keine
BGE 139 I 37 S. 41
Widerrufsgründe vorliegen (Art. 62 AuG) und die betroffene Person ihren
Mitwirkungspflichten nachkommt (Art. 6 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober
2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201]; vgl.
zu Art. 8 EMRK nicht publ. E. 1.2.4). Allein aus Vorkehren wie der Einleitung
ehe- und familienrechtlicher Verfahren, der Einschulung von Kindern, dem
Liegenschaftserwerb, der Wohnungsmiete, dem Abschluss eines Arbeitsvertrags
oder der Geschäftsbegründung oder -beteiligung können grundsätzlich keine
Ansprüche im Bewilligungsverfahren abgeleitet werden (Art. 6 Abs. 2 VZAE). Die
Behörden müssen diese Aspekte allerdings in ihre summarische Würdigung mit
einbeziehen; dies gilt insbesondere dann, wenn bereits ein schützenswertes
Familienleben nach Art. 8 EMRK besteht, in das mit Art. 17 Abs. 1 AuG
eingegriffen wird (vgl. SPESCHA, a.a.O., N. 3 zu Art. 17 AuG; EGLI/MEYER,
a.a.O., N. 13 zu Art. 17 AuG). Die Anwendung des Grundsatzes, dass der
Bewilligungsentscheid im Ausland abzuwarten ist, muss grundrechtskonform
erfolgen; unverhältnismässige, schikanöse Ausreiseverpflichtungen und
Verfahrensverzögerungen sind im Interesse aller Beteiligten unter
Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots (vgl. Art. 29 Abs. 1 BV) primär
dadurch zu vermeiden, dass rasch erstinstanzlich in der Sache entschieden wird
(vgl. SPESCHA, a.a.O., N. 2 zu Art. 17 AuG).

3.

3.1 Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, Art. 17 Abs. 2 AuG komme im
vorliegenden Fall nicht zur Anwendung, da die Beschwerdeführerin bereits bei
ihrem Visumsgesuch darum gewusst habe, dass sie sich hier verheiraten und in
der Folge um einen Daueraufenthalt bemühen werde. Sie habe die Behörden
hinsichtlich ihres tatsächlich beabsichtigten Aufenthaltszwecks getäuscht. Art.
17 Abs. 2 AuG sei nur auf rechtmässig eingereiste Ausländer anwendbar, wofür
zutreffende Angaben über den Aufenthaltszweck im Visumsverfahren erforderlich
seien, da andernfalls der Begriff der rechtmässigen Einreise in Art. 17 Abs. 1
AuG jegliche Bedeutung verliere. Es sei - so das Verwaltungsgericht - nicht
"abwegig" anzunehmen, dass es sich nur bei diesem Personenkreis rechtfertige,
den Aufenthalt während des Bewilligungsverfahrens im Rahmen von dessen Absatz 2
nach pflichtgemässem Ermessen provisorisch zu erlauben.

3.2

3.2.1 Die Einreise von Ausländerinnen und Ausländern gilt unter anderem dann
als rechtmässig im Sinne von Art. 17 Abs. 1 AuG, wenn
BGE 139 I 37 S. 42
die Vorschriften über den Besitz von Ausweisschriften, das Visum und die
Grenzkontrolle eingehalten wurden und kein Einreiseverbot besteht (vgl. Art. 5
Abs. 1 AuG i.V.m. Art. 2 der Verordnung vom 22. Oktober 2008 über die Einreise
und die Visumerteilung [VEV; SR 142.204; Fassung vom 14. September 2012; in
Kraft seit 1. Oktober 2012; AS 2012 4891] bzw. Art. 24 VEV [Fassung vom 22.
Oktober 2008]). Die Beschwerdeführerin ist mit einem Schengenvisum für einen
Aufenthalt von höchstens drei Monaten innerhalb einer Periode von 6 Monaten
eingereist (Art. 4 Abs. 1 VEV [Fassung vom 14. September 2012] i.V.m. Art. 17
Abs. 3 VEV [Fassung vom 12. März 2010] bzw. aArt. 4 VEV). Nach Art. 18 des
Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ; ABl. L 239 vom 22. September 2000
S. 19 ff. in der Fassung gemäss der Verordnung [EG] Nr. 1091/2001, ABl. L 150
vom 6. Juni 2001 S. 4 f.) sind Visa für einen Aufenthalt von mehr als drei
Monaten Dauer nationale Visa, "die von einem der Mitgliedstaaten gemäss seinen
Rechtsvorschriften erteilt werden". Die allgemeinen Einreisevoraussetzungen für
längerfristige Aufenthalte im Schengenraum werden weder in Art. 5 des
Schengener Grenzkodexes (Verordnung [EG] Nr. 562/2006 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für
das Überschreiten der Grenzen durch Personen [SGK; ABl. L 105 vom 13. April
2006 S. 1 ff.]) noch im übrigen Schengenrecht geregelt. Sie richten sich
weiterhin nach den innerstaatlichen Bestimmungen (vgl. EGLI/MEYER, a.a.O., N.
12 zu Art. 5 AuG). Das Schengenvisum wird für bestimmte Zwecke erteilt (Reise
aus beruflichen Gründen, Reise zu Studien- oder sonstigen Ausbildungszwecken,
Reisen zu touristischen oder privaten Zwecken usw.), wobei diese vom
Betroffenen zu belegen sind (vgl. Art. 14 Abs. 1, Art. 21 und 32 der Verordnung
[EG] Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009
über einen Visakodex der Gemeinschaft [Visakodex; ABl. L 243 vom 15. September
2009 S. 1 ff.]; Anhang I des Schengener Grenzkodexes; vgl. auch EGLI/MEYER,
a.a.O., N. 11 ff. zu Art. 6 AuG). Entscheidend ist die Absicht des
Drittstaatsangehörigen. Plant er vor der Einreise im Resultat einen Aufenthalt
von mehr als drei Monaten im Schengenraum, gilt das nationale Recht (EGLI/
MEYER, a.a.O., N. 19 ff. und Fn. 38 zu Art. 6 AuG mit zahlreichen Hinweisen).
Das Schengenrecht schreibt den Vertragsstaaten nicht vor, dass der
Aufenthaltszweck bei Schengenvisa explizit festgelegt werden muss, lässt aber
entsprechende nationale Vorschriften zu. Die Zulässigkeit des "Zweckwechsels"
richtet sich nach den
BGE 139 I 37 S. 43
nationalen Regeln, soweit der Wechsel als "erheblich" gelten muss, was etwa der
Fall ist, wenn sich der neue Aufenthaltszweck als bewilligungspflichtig
erweist. Der Gesuchsteller hat an sich sämtliche vorhersehbaren oder gar
beabsichtigten Zweckwechsel im Visumsverfahren offenzulegen (EGLI/MEYER,
a.a.O., N. 30 zu Art. 6 AuG).

3.2.2 Nach Art. 2 Abs. 3 VEV müssen Ausländer für einen Aufenthalt von mehr als
drei Monaten neben den Voraussetzungen gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. a
(Reisedokument), d (keine SIS-Ausschreibung) und e (keine Gefahr für die
öffentliche Ordnung) SGK, sofern erforderlich, über ein nationales Visum nach
Art. 5 (Fassung vom 14. September 2012) bzw. aArt. 4 Ziff. 2 VEV verfügen (Art.
2 Abs. 3 lit. a VEV) sowie die ausländerrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen
für den beabsichtigten Aufenthaltszweck erfüllen (Art. 2 Abs. 3 lit. b VEV).
Für Einreisen im Hinblick auf Aufenthalte von mehr als drei Monaten in der
Schweiz wird generell ein nationales Visum benötigt (vgl. Art. 10 AuG; Art. 5
Abs. 1 VEV [Fassung vom 14. September 2012] bzw. aArt. 4 Abs. 3 VEV
[Vorbehalten aArt. 5 und 6 VEV]). Der bis zum 1. Oktober 2012 gültige Art. 15
Abs. 1 VEV nannte die zulässigen Aufenthaltszwecke im Rahmen der
Visumsausstellung; heute gelten diese gemäss den einschlägigen Weisungen des
Bundesamts bzw. des Eidgenössischen Departements für Auswärtige Angelegenheiten
(vgl. BFM, Kommentar zur Anpassung der Verordnung über die Einreise und die
Visumserteilung [VEV], S. 7). Die Auslandsvertretung durfte bisher das Visum
nur mit Ermächtigung der zuständigen, insbesondere auch kantonalen Behörden
erteilen, wenn der Aufenthalt mehr als drei Monate dauern sollte oder
unabhängig von der Aufenthaltsdauer ein nicht in Absatz 1 genannter
Aufenthaltszweck angeführt wurde (aArt. 15 Abs. 3 lit. a und b i.V.m. Art. 27
Abs. 1 VEV). Im neuen Recht hat der Bundesrat die Kompetenz zur Visumserteilung
nunmehr dem BFM, dem EDA und den Kantonen vorbehalten (BFM, a.a.O., S. 8 zu
Art. 28 VEV). Die Ausländerin oder der Ausländer ist an den im Visum
festgelegten Aufenthaltszweck gebunden (Art. 16 VEV). Das Visum kann widerrufen
werden, wenn die Einreisevoraussetzungen nach Art. 2 VEV nicht mehr erfüllt
sind bzw. sich nachträglich herausstellt, dass die Voraussetzungen für die
Visumserteilung nicht erfüllt waren, insbesondere unwahre Angaben gemacht oder
falsche oder verfälschte Belege eingereicht wurden, um das Visum zu
erschleichen, bzw. begründete Zweifel an der Identität der Gesuchstellerin oder
des Gesuchstellers oder am angegebenen Aufenthaltszweck bestehen (aArt. 19 Abs.
1 lit. a und b
BGE 139 I 37 S. 44
i.V.m. aArt. 12 Abs. 2 lit. b und c VEV; Weisungen des BFM als Ergänzung
Visahandbuch I vom 3. September 2012, Teil VII Ziff. 8 S. 109; vgl. auch Art.
34 Visakodex und Anhang V Teil A Ziff. 2 lit. b SGK: "Das Visum wird
annulliert, wenn es ernsthafte Gründe zu der Annahme gibt, dass das Visum in
betrügerischer Weise erlangt wurde."). Die entsprechende Regelung findet sich
seit dem 1. Oktober 2012 in Art. 15 VEV (Fassung vom 14. September 2012):
Danach wird ein Visum annulliert, wenn sich herausstellt, dass die
Voraussetzungen für seine Erteilung zum Ausstellungszeitpunkt nicht erfüllt
waren, insbesondere wenn es ernsthafte Gründe zur Annahme gibt, dass das Visum
durch "arglistige Täuschung" erlangt worden ist, oder sich ergibt, dass die
Voraussetzungen für die Erteilung nicht mehr erfüllt sind (BFM, a.a.O., S. 7 zu
Art. 15 VEV).

3.3

3.3.1 Der Vorinstanz ist zuzustimmen, dass die Handhabung der
schengenrechtlichen Visumsregeln nicht dazu dienen darf, die nationalen
Vorgaben für einen im Moment des Visumsgesuchs eigentlich gewollten
bewilligungspflichtigen Aufenthalt zu unterlaufen. Andernfalls besteht die
Gefahr, dass das für die nationale Visumsausstellung zu Heiratszwecken in der
Schweiz mit anschliessend vorgesehenem Aufenthaltsrecht vorgeschriebene
Verfahren umgangen wird (vgl. aArt. 27 VEV; heute: Weisungen des BFM für die
Ausstellung nationaler Visa vom 3. September 2012, Teil II Ziff. 1.2 S. 18).
Das Visumsverfahren verlöre seinen Steuerungszweck und liefe dem Grundsatz
zuwider, dass der Bewilligungsentscheid grundsätzlich im Ausland abzuwarten ist
(vgl. Art. 17 Abs. 1 AuG). Benachteiligt würde, wer das für den gewollten
Aufenthaltszweck (Heirat mit Aufenthaltsrecht) korrekte nationale
Visumsverfahren einhält; es profitierte, wer das nationale Verfahren umgeht.

3.3.2 Das heisst jedoch nicht, dass mit einem Schengenvisum in der Schweiz
überhaupt nicht geheiratet werden dürfte und eine entsprechende Einreise nach
einer Heirat immer als unrechtmässig zu gelten hätte: Dies ist insbesondere
etwa dann nicht der Fall, wenn die Eheleute zum Eheschluss in die Schweiz
kommen (Touristenheirat mit Schengenvisum; vgl. die Weisungen Nr. 10.11.01.02
des Amtes für das Zivilstandswesen [EAZW] vom 1. Januar 2011, Ehen und
eingetragene Partnerschaften ausländischer Staatsangehöriger: Nachweis des
rechtmässigen Aufenthaltes und Meldung an die Ausländerbehörden, Rechtmässiger
Aufenthalt, S. 5 Ziff. 2.2), ohne einen bewilligungspflichtigen Aufenthalt zu
beabsichtigen. Die Einreise kann
BGE 139 I 37 S. 45
ebenfalls als rechtmässig gelten, wenn mit einem Schengenvisum eingereist wird
(Besuch) und die Beziehung tatsächlich nachträglich innerhalb der drei Monate
(innerhalb einer Periode von 6 Monaten) zu einer Heirat führt. Unrechtmässig
ist die Einreise einzig allenfalls dann, wenn das schengenrechtliche
Visumsverfahren missbraucht worden ist, weil das Visum in betrügerischer Weise,
d.h. durch arglistige Täuschung, rechtsmissbräuchlich erlangt wurde (vgl.
Anhang V Teil A Ziff. 2 lit. b SGK; vgl. auch: BGE 136 II 113 E. 3.2 S. 116;
BGE 133 II 6 E. 3.2).

3.4

3.4.1 Das Verwaltungsgericht erachtet es gestützt auf den Umstand, dass sich
die Beschwerdeführer nur rund einen Monat nach der Einreise bereits verheiratet
haben, als erstellt, dass die Beschwerdeführerin nie beabsichtigte, bloss zum
vorübergehenden Besuch in die Schweiz einzureisen. Ihr Aufenthaltszweck sei von
Anfang an darauf ausgerichtet gewesen, hier ihren heutigen Gatten zu ehelichen
und danach dauernd im Land zu verbleiben. Die vom Verwaltungsgericht genannten
Indizien genügen für sich allein indessen nicht, um von einer klaren und
offensichtlichen, arglistigen Täuschung bei der Einreise mit dem zeitlich
beschränkten Schengenvisum ausgehen zu können: Die Beschwerdeführerin ist mit
einem gültigen Visum eingereist, um ihren Freund zu besuchen; erst nach und
wegen der Heirat gingen die kantonalen Behörden davon aus, dass ihre Einreise
nicht rechtmässig gewesen sei, womit ihr Aufenthalt ebenfalls widerrechtlich
geworden sei. Allenfalls mag das entsprechende Verhalten Anlass zum Widerruf
des Visums geben, was das Bundesgericht nicht zu prüfen hat (vgl. Art. 83 lit.
c Ziff. 1 BGG), doch berührt dies den mit der Heirat entstandenen
Bewilligungsanspruch im Rahmen von Art. 42 und 43 AuG bzw. Art. 8 EMRK (Schutz
des Privat- und Familienlebens) nicht.

3.4.2 Mit der Heirat hat sich zwar der Aufenthaltszweck geändert, sodass
nunmehr eine Bewilligung für die weitere Anwesenheit erforderlich erscheint,
doch haben die Beschwerdeführer einen Anspruch darauf, dass ihr entsprechendes
Gesuch behandelt wird, nachdem die Einreise ursprünglich mit einem gültigen
Visum erfolgt ist. Die Beschwerdeführerin hat in der Schweiz während des
bewilligungslosen Aufenthalts heiraten und hernach um eine Bewilligung
nachsuchen dürfen. Die Regelung von Art. 17 Abs. 2 AuG gilt deshalb auch in
ihrem Fall. Zwar hat das Bundesgericht in BGE 131 IV 174 ff., worauf die
Vorinstanz Bezug nimmt, entschieden, dass der bewilligungsfreie Aufenthalt in
der Schweiz als Tourist mit der Aufnahme einer nicht
BGE 139 I 37 S. 46
gemeldeten bzw. bewilligten Erwerbstätigkeit rechtswidrig wird, sofern nicht
die besonderen Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens zur Anwendung gelangen,
doch fehlte bei dieser Problematik (Erwerbstätigkeit) im Gegensatz zur
vorliegenden ein entsprechender grundrechtlicher Bezug (Art. 8 EMRK bzw. Art.
13 BV) und wurde dort gerade nicht - wie hier - nach einer rechtmässigen
Einreise und während eines (zumindest) vorläufig rechtmässigen Aufenthalts ein
Bewilligungsverfahren eingeleitet.

3.4.3 Nach Art. 10 AuG benötigen Ausländerinnen und Ausländer für einen
Aufenthalt ohne Erwerbstätigkeit bis zu drei Monaten keine Bewilligung (Abs.
1). Wird ein längerer Aufenthalt ohne Erwerbstätigkeit beabsichtigt, ist dafür
eine Bewilligung erforderlich, welche "vor der Einreise in die Schweiz" bei der
am vorgesehenen Wohnort zuständigen Behörde zu beantragen ist (Abs. 2 Satz 1
und 2). Die Regelung will verhindern, dass im Bereich der Aufenthalte ohne
Erwerbstätigkeit der Reise- und Aufenthaltszweck der bewilligungsfreien
Einreise umgangen wird. Nach dem Willen des Gesetzgebers bleibt Art. 17 Abs. 2
AuG dabei jedoch ausdrücklich vorbehalten (Abs. 2 Satz 3), d.h. eine Prüfung
der Zulässigkeit des prozessualen Aufenthalts kann auch dann erfolgen, wenn das
Gesuch entgegen Art. 10 Abs. 2 Satz 2 AuG nicht vom Ausland aus gestellt wurde.
Eine nachträgliche Einreichung des Gesuchs ist damit nicht ausgeschlossen. Der
Betroffene muss den Ausgang des Verfahrens jedoch anschliessend im Ausland
abwarten, es sei denn, das Gesuch werde bereits vor Ablauf des
bewilligungsfreien Aufenthalts genehmigt oder die Voraussetzungen von Art. 17
Abs. 2 AuG seien erfüllt (vgl. EGLI/MEYER, a.a.O., N. 19 zu Art. 10 AuG;
SPESCHA, a.a.O., N. 4 f. zu Art. 10 AuG).

3.4.4 Warum dies im vorliegenden Zusammenhang (Heirat während des
bewilligungsfreien Aufenthalts) anders sein soll, ist nicht ersichtlich: Ziel
von Art. 17 Abs. 2 AuG ist es, die grundsätzliche Ausreisepflicht nach Art. 17
Abs. 1 AuG zu mildern, wenn sie keinen Sinn macht, weil vermutlich die
Bewilligung zu erteilen sein wird. Die Sistierung des Bewilligungsverfahrens
ist unzulässig, da in diesem Fall gar nicht geprüft werden kann, ob die
Voraussetzungen von Abs. 2 gegeben erscheinen. Es bildet - wie die
Beschwerdeführer zu Recht geltend machen - eine formelle Rechtsverweigerung
(vgl. hierzu BGE 103 V 190 E. 3; RHINOW UND ANDERE, Öffentliches Prozessrecht,
2. Aufl. 2010, N. 277 und 282) bzw. eine sachlich ungerechtfertigte
Rechtsverzögerung, Art. 17 Abs. 2 AuG in einer solchen Situation nicht
anzuwenden bzw. das Bewilligungsverfahren bis zur
BGE 139 I 37 S. 47
Ausreise zu sistieren. Art. 10 AuG und Art. 11 VZAE sehen losgelöst von der
visumsrechtlichen Problematik ausdrücklich vor, dass Ausländerinnen und
Ausländer, deren Visum für einen Aufenthalt bis zu drei Monaten ausgestellt
wurde, 14 Tage vor dem Ablauf des Visums bei der kantonalen Ausländerbehörde
eine Verlängerung beantragen müssen, wenn die Ausreise nicht fristgerecht
erfolgen kann oder "wenn ein anderer Aufenthaltszweck angestrebt wird". Die
zuständige Migrationsbehörde ist somit verpflichtet, das Bewilligungsverfahren
zu eröffnen und das Gesuch zu prüfen. Ergeht kein positiver erstinstanzlicher
Entscheid während des bewilligungsfrei zulässigen Aufenthalts, worauf - eine
Rechtsverzögerung vorbehalten - kein verfahrensrechtlicher Anspruch besteht,
hat die betroffene Person das Land zu verlassen und den definitiven
Bewilligungsentscheid im Ausland abzuwarten, es sei denn, die Zulassungs- bzw.
Bewilligungsvoraussetzungen könnten im Sinne von Art. 17 Abs. 2 AuG als erfüllt
gelten, womit die Verpflichtung, während des Bewilligungsverfahrens
auszureisen, einen prozessualen Leerlauf bilden würde.

3.5

3.5.1 Zwar ergibt sich aus Art. 8 Abs. 1 EMRK grundsätzlich kein
verfahrensrechtliches Aufenthaltsrecht bis zum Bewilligungsentscheid; wurde die
Ehe jedoch geschlossen, wird sie gelebt und ist - wie hier - (inzwischen)
bereits ein Kind geboren, muss die Handhabung von Art. 17 AuG als Ganzes im
Einzelfall im Rahmen der Interessenabwägung doch den Vorgaben von Art. 8 Ziff.
2 EMRK bzw. Art. 13 in Verbindung mit Art. 36 BV Rechnung tragen. Die
Einwanderungskontrolle ist ein legitimes öffentliches Interesse, um den
Anspruch auf Schutz des Familienlebens einzuschränken; aus Art. 8 EMRK bzw.
Art. 13 BV ergibt sich weder ein Recht auf Einreise oder Aufenthalt in einem
bestimmten Staat noch auf Wahl des für das Familienleben am geeignetsten
erscheinenden Orts (vgl. BGE 130 II 281 E. 3.1 S. 285 mit Hinweisen; bezüglich
der Rechtsprechung des EGMR: Nichtzulassungsentscheid Biraga gegen Schweden vom
3. April 2012 [Nr. 1722/10] § 49 ff. und die Urteile Geleri gegen Rumänien vom
15. Februar 2011 [Nr. 33118/05] § 25 ff.; Omoregie u.Mitb. gegen Norwegen vom
31. Juli 2008 [Nr. 265/07] § 54; O'Donoghue u. Mitb. gegen Vereinigtes
Königreich vom 14. Dezember 2010 [Nr. 34848/07] § 87 bzw. Hode und Abdi gegen
Vereinigtes Königreich vom 6. November 2012 [Nr. 22341/09] § 43). Das
entsprechende öffentliche Interesse muss jedoch jeweils gegen das private
abgewogen werden, die Beziehung auch bis zum möglichst rasch zu
BGE 139 I 37 S. 48
treffenden Bewilligungsentscheid leben zu können. Bestehen keine anderen
öffentlichen Interessen an der Rückkehr (Indizien für Scheinehe,
Straffälligkeit, bestehende Sozialhilfeabhängigkeit usw.), ist bei absehbarer
bzw. wahrscheinlicher Bewilligungsmöglichkeit vorrangig das
Bewilligungsverfahren durch die Migrationsbehörde abzuschliessen
(grundsätzliche Priorität des Bewilligungsverfahrens bei nachträglicher
Änderung des visumsrechtlichen Aufenthaltszwecks).

3.5.2 Dies ist letztlich auch Ausfluss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
zum Recht auf Eheschluss und zum Anspruch auf Einreise bzw. auf Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung zur Ehevorbereitung (vgl. BGE 138 I 41 ff.; BGE 137 I
351 ff.): Danach sind die Migrationsbehörden in Konkretisierung des
Gesetzeszwecks von Art. 98 Abs. 4 ZGB und in sachgerechter Beachtung von Art. 8
EMRK gehalten, zur Vermeidung einer Verletzung von Art. 12 EMRK bzw. vom analog
ausgelegten Art. 14 BV eine vorübergehende (Kurz-)Aufenthaltsbewilligung zu
erteilen, wenn keine Hinweise dafür bestehen, dass die ausländische Person
rechtsmissbräuchlich handelt (Scheinehe, missbräuchliche Anrufung der
Familiennachzugsbestimmungen usw.) und "klar" erscheint, dass sie nach der
Heirat rechtmässig mit dem hier über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht
verfügenden Ehepartner wird leben dürfen (vgl. BGE 138 I 41 ff.; BGE 137 I 351
ff.). Diese Praxis gilt auch für abgewiesene - und damit an sich illegal
anwesende - Asylbewerber, die erst mittels Heirat den ausländerrechtlichen
Bewilligungsanspruch erwerben, da ihnen bei einer ernstlich gewollten Ehe und
offensichtlich erfüllten Bewilligungserfordernissen nicht zugemutet werden
kann, in ihre Heimat zurückzukehren und von dort aus um eine
Einreisebewilligung zwecks Heirat zu ersuchen (BGE 137 I 351 E. 3.7 S. 360).
Unter den gleichen Voraussetzungen, unter denen ein Einreisevisum zum Zweck der
Heiratsvorbereitung zu erteilen (vgl. das Urteil 2C_400/2011 vom 2. Dezember
2011) bzw. die Anwesenheit eines abgewiesenen Asylbewerbers zum Zweck der
Heirat zu legalisieren ist, muss es auch möglich sein, bei einer Heirat im
Rahmen eines Schengenvisums fristgerecht, d.h. noch während des
bewilligungslosen Aufenthalts, ein Gesuch um Familiennachzug stellen zu können,
ohne dass dessen Bearbeitung bis zur Ausreise sistiert werden dürfte (vgl.
SPESCHA, a.a.O., N. 4 zu Art. 17 AuG). Der Umstand, dass Art. 17 Abs. 1 AuG nur
von der rechtmässigen Einreise spricht, steht - entgegen der Ansicht der
Vorinstanz - einer grundrechtskonformen Auslegung von dessen Absatz 2 nicht
entgegen:
BGE 139 I 37 S. 49
Während nach dem früheren Recht (Art. 1 der Vollziehungsverordnung vom 1. März
1949 zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAV; AS
1949 228]) der rechtmässig eingereiste Ausländer in der Regel den
Bewilligungsentscheid im Land abwarten durfte, ist er heute grundsätzlich
gehalten, dies im Ausland zu tun. Die entsprechende Neuregelung sollte mit der
Formulierung der "rechtmässigen" Einreise hervorgehoben, nicht die
Anwendbarkeit von Absatz 2 für andere Fälle, insbesondere jenen des Wechsels
des Aufenthaltszwecks, ausgeschlossen werden.

4.

4.1 Der Beschwerdeführer hält sich mit Unterbrüchen seit dem 14. Februar 2000
in der Schweiz auf; seine Anwesenheit kann seit dem 10. März 2004 als
ordentlich im Sinne der Ausländerrechtsgesetzgebung gelten (vgl. BGE 137 II 10
E. 4.3-4.7). Zwar wurde ihm die Niederlassungsbewilligung verweigert, doch ist
er inzwischen seit rund acht Jahren im Land. Er ist hier nie straffällig
geworden. Seine frühere Familie und er selber mussten zwar vorübergehend von
der öffentlichen Hand unterstützt werden (von April 2005 bis Mai 2006: Fr.
3'515.70; von Oktober 2006 bis Februar 2008: rund Fr. 23'000.-; im Jahr 2009:
Fr. 1'976.80), doch verfügt der Beschwerdeführer seit Oktober 2010 über eine
feste Arbeitsstelle. Er erhält dort einen Bruttolohn von Fr. 5'600.-, welcher
ihm erlaubt, für die Dauer des Bewilligungsverfahrens für seine neue Familie
aufzukommen, selbst wenn zu berücksichtigen ist, dass er seiner ersten Tochter
zusätzlich eine Unterhaltsleistung von Fr. 650.- schuldet. Umstritten ist der
prozessuale Aufenthalt seiner Gattin und seines Kindes während des
Bewilligungsverfahrens, (noch) nicht der Bewilligungsentscheid als solcher.
Gestützt auf Art. 8 EMRK i.V.m. Art. 44 AuG hat prima vista als wahrscheinlich
zu gelten, dass der beantragte Familiennachzug zu bewilligen sein wird. Wenn
Art. 17 Abs. 2 AuG verlangt, dass die Zulassungsvoraussetzungen offensichtlich
erfüllt sein müssen, ist der gesuchstellenden Person der (weitere) Aufenthalt
in der Schweiz bereits dann zu gestatten, wenn die Chancen, dass die
Bewilligung zu erteilen sein wird, bedeutend höher einzustufen sind als jene
ihrer Verweigerung.

4.2 Bei Bewilligungen, auf deren Erteilung ein Anspruch besteht, bedarf es
hinreichender konkreter Indizien für das Vorliegen von Verweigerungsgründen, um
das Erfüllen der Zulassungsvoraussetzungen im Sinne von Art. 17 Abs. 2 AuG
verneinen zu können; potenzielle,
BGE 139 I 37 S. 50
nicht konkretisierte bzw. wie hier widerlegte Annahmen (mögliche
Fürsorgeabhängigkeit) genügen hierzu nicht. Es ist vorliegend
unverhältnismässig, mit der Ausreisepflicht in die von den Beschwerdeführern
und dem gemeinsamen Kind gelebte familiäre Beziehung einzugreifen und die
Behandlung des Bewilligungsgesuchs von der Trennung oder der Ausreise der
(ganzen) Familie abhängig zu machen. Es bestehen keine überwiegenden
öffentlichen Interessen hieran, nachdem der Beschwerdeführer über einen
Arbeitsplatz verfügt, ihm sein Lohn erlaubt, für sich und seine Gattin bzw. das
gemeinsame Kind aufzukommen, und keine anderen Widerrufsgründe nach Art. 62 AuG
geltend gemacht werden. Müsste der Beschwerdeführer mit seiner Familie
ausreisen, verlöre er seine Arbeit und könnte er die Beziehung zu seinem hier
lebenden Kind aus der früheren Ehe nur mehr beschränkt leben; bliebe er hier
und müssten seine Gattin und sein Kind den Bewilligungsentscheid ihrerseits im
Ausland abwarten, würde das gemeinsame Familienleben - selbst bei deren
späteren Rückkehr in die Schweiz - ohne überwiegendes öffentliches Interesse
beeinträchtigt. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung der materiellen
Erfolgsaussichten sowie der auf dem Spiel stehenden privaten und öffentlichen
Interessen erweist sich der Entscheid der Vorinstanz, der Beschwerdeführerin
den weiteren Aufenthalt zu verweigern und die Bearbeitung ihres Gesuchs von der
Ausreise abhängig zu machen, als unverhältnismässig und im Lichte von Art. 8
Ziff. 2 EMRK grundrechtswidrig.

5.

5.1 Die Beschwerde ist gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und
das Migrationsamt des Kantons Zürich anzuhalten, das Bewilligungsverfahren ohne
weitere Sistierung durchzuführen. X. ist - eine Änderung des Sachverhalts
vorbehalten - berechtigt, sich bis zu dessen Entscheid in der Schweiz
aufzuhalten.