Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 139 IV 102



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Urteilskopf

139 IV 102

15. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. A.X. und Mitb.
gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau und Y. (Beschwerde in
Strafsachen)
6B_310/2012 vom 11. Dezember 2012

Regeste

Parteientschädigung der Privatklägerschaft bei Erlass eines Strafbefehls und
Verweisung der Zivilforderungen auf den Zivilweg; Legitimation der
Privatklägerschaft zur Einsprache gegen den Strafbefehl; Art. 353 Abs. 1 lit.
g, Art. 354 Abs. 1 lit. b, Art. 416, Art. 432 Abs. 1 und Art. 433 Abs. 1 lit. a
StPO.
Kommt es zu einer Verurteilung der beschuldigten Person durch Strafbefehl,
obsiegt die Privatklägerschaft als Strafklägerin, weshalb sie für die ihr im
Zusammenhang mit der Strafklage erwachsenen Kosten der privaten Verteidigung zu
entschädigen ist (E. 4.3).
Wird die Zivilklage auf den Zivilweg verwiesen, kann die Privatklägerschaft in
ihrer Funktion als Zivilklägerin nicht als obsiegende und jedenfalls bei Erlass
eines Strafbefehls auch nicht als unterliegende Partei gelten. Ausschliesslich
mit der Zivilklage zusammenhängende Anwaltskosten oder anderweitige Auslagen
der Privatklägerschaft, die einzig den Zivilpunkt betreffen, sind im Falle der
Verweisung der Zivilklage auf den Zivilweg nicht im Strafverfahren zu
entschädigen (E. 4.4).
Die Privatklägerschaft ist als weitere Betroffene im Sinne von Art. 354 Abs. 1
lit. b StPO zur Einsprache legitimiert, wenn ihr im Strafbefehl eine
Parteientschädigung ganz oder teilweise verweigert wurde (E. 5.2).

Sachverhalt ab Seite 103

BGE 139 IV 102 S. 103

A. Die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg verurteilte Y. mit Strafbefehl
vom 29. Juni 2011 wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln und mehrfacher
einfacher Körperverletzung zum Nachteil von A.X. und B.X. zu einer bedingten
Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu Fr. 100.- und einer Busse von Fr. 1'500.-.
Die Zivilforderungen verwies sie auf den Zivilweg.
BGE 139 IV 102 S. 104

B. A.X. und B.X. erhoben gegen den Strafbefehl Einsprache und beantragten die
vollumfängliche Gutheissung ihrer Entschädigungsforderung durch die
Staatsanwaltschaft im Strafverfahren. Eventualiter sei die geltend gemachte
Entschädigungsforderung durch das Strafgericht zu beurteilen. Das
Gerichtspräsidium Rheinfelden wies die Einsprache mit Verfügung vom 23. Februar
2012 ab.
Die Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau trat
auf die Beschwerde von A.X., B.X. und C.X. gegen diesen Entscheid mit Verfügung
vom 22. März 2012 nicht ein.

C. A.X., B.X. und C.X. führen Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, die
Verfügung des Obergerichts vom 22. März 2012 aufzuheben und ihnen eine
Entschädigung von Fr. 4'492.25 zuzusprechen. Eventualiter sei die Angelegenheit
zur erneuten Beurteilung und Festlegung einer durch den Beschuldigten an sie zu
bezahlenden angemessenen Entschädigung nach Art. 433 StPO an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

D. Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft verzichten auf eine
Stellungnahme. Y. liess sich nicht vernehmen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde von A.X. und von B.X. gut und weist die
Sache zur neuen Entscheidung an das Bezirksgericht zurück.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3.

3.1 Die Vorinstanz erwägt, die Privatklägerschaft sei zur Einsprache gegen
einen Strafbefehl nicht legitimiert (Art. 354 StPO). Da bei einer Erledigung
des Strafverfahrens durch einen Strafbefehl die nicht anerkannten
Zivilansprüche zwingend auf den Zivilweg zu verweisen seien (Art. 353 Abs. 2
StPO), habe der Gesetzgeber diese Beschränkung des Einspracherechts für
gerechtfertigt gehalten. Dieser gesetzgeberische Wille sei zu respektieren.
Insbesondere liege keine Gesetzeslücke vor, die vom Richter gefüllt werden
könnte. Fehle der Privatklägerschaft bereits die Legitimation zur Einsprache
gegen einen Strafbefehl, sei sie auch zur Beschwerde nicht legitimiert. Auf die
Beschwerde sei deshalb nicht einzutreten. Der Umstand, dass die
Privatklägerschaft in einem Verfahren, das mit Strafbefehl abgeschlossen werde,
eine Parteientschädigung im Sinne von Art. 433 StPO geltend mache, führe weder
dazu, dass ihr im Strafbefehl eine Entschädigung zuzusprechen wäre, noch dass
sie diesbezüglich zur
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Einsprache oder Beschwerde legitimiert wäre. Seien im Strafbefehlsverfahren
nicht anerkannte Zivilforderungen von Gesetzes wegen auf den Zivilweg zu
verweisen und habe die Privatklägerschaft nach dem Willen des Gesetzgebers
weder ein Einsprache- noch ein Beschwerderecht, so sei ihr im Strafbefehl auch
keine Parteientschädigung im Sinne von Art. 433 StPO zuzusprechen. Vielmehr
habe sie ihre notwendigen Aufwendungen zusammen mit der nicht anerkannten
Zivilforderung auf dem Zivilweg geltend zu machen. Ein Auseinanderfallen von
Zivilforderung und Parteientschädigung sei gesetzlich nicht vorgesehen und
rechtfertige sich auch nicht.

3.2 Die Beschwerdeführer 1 und 2 rügen, sie hätten mit Eingabe vom 7. Juni 2011
neben der geltend gemachten Zivilforderung eine Entschädigung von Fr. 4'492.25
für die ihnen erwachsenen Anwaltskosten beantragt. Die Entschädigungsforderung
sei mittels den entsprechenden Honorarnoten rechtsgenügend substantiiert
worden. Über die Entschädigungsforderung sei im Strafverfahren gegen den
Beschwerdegegner 2 in Verletzung von Art. 353 Abs. 1 lit. g i.V.m. Art. 433
StPO nicht befunden worden. Aufgrund der nicht zugesprochenen Entschädigung
nach Art. 433 StPO hätten sie als "weitere Betroffene" im Sinne von Art. 354
Abs. 1 lit. b StPO zu gelten. Als solche seien sie zur Einsprache resp. zur
Beschwerde legitimiert.

3.3 Im Schrifttum wird die Frage nach dem Anspruch der Privatklägerschaft auf
eine Parteientschädigung unterschiedlich beantwortet, wenn es zu einer
Verurteilung der beschuldigten Person kommt, die Zivilforderung jedoch auf den
Zivilweg verwiesen wird. Einzelne Autoren stellen die Kosten der anwaltlichen
Verteidigung der Privatklägerschaft den Zivilforderungen gleich, welche bei
Erlass eines Strafbefehls in Anwendung von Art. 353 Abs. 2 StPO auf den
Zivilweg zu verweisen sind, wenn die beschuldigte Person diese nicht anerkennt
(vgl. WEHRENBERG/BERNHARD, in: Basler Kommentar, Schweizerische
Strafprozessordnung, 2011, N. 7 zu Art. 433 StPO; ANNETTE DOLGE, in: Basler
Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 59 zu Art. 126 StPO).
Nach einer anderen Lehrmeinung ist hingegen zwischen dem Obsiegen der
Privatklägerschaft im Strafpunkt und dem Zivilpunkt zu unterscheiden. Verlangt
die geschädigte Person eine Verurteilung des Beschuldigten und tritt sie
demnach als Strafklägerin auf, ist sie gemäss dieser Auffassung im Falle eines
Schuldspruchs als obsiegende Partei für die ihr im Zusammenhang mit der
Strafklage erwachsenen Anwaltskosten im Strafverfahren zu entschädigen. Soweit
sie als Zivilklägerin handelt, setzt eine
BGE 139 IV 102 S. 106
Entschädigung nach diesen Autoren zudem voraus, dass die Zivilklage zumindest
teilweise gutgeheissen oder vom Beschuldigten anerkannt wurde (vgl. MIZEL/
RÉTORNAZ, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 2
zu Art. 433 StPO; FRANZ RIKLIN, in: Basler Kommentar, Schweizerische
Strafprozessordnung, 2011, N. 13 zu Art. 354 StPO; YVONA GRIESSER, in:
Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch/Hansjakob/Lieber
[Hrsg.], 2010, N. 2 f. zu Art. 433 StPO; siehe auch den Begleitbericht des
Bundesamtes für Justiz vom Juni 2001 zum Vorentwurf für eine Schweizerische
Strafprozessordnung, S. 293 f.).
NIKLAUS SCHMID und VIKTOR LIEBER stellen sich die Frage, ob die Verweisung der
Zivilansprüche der Privatklägerschaft auf den Zivilweg als Unterliegen im Sinne
von Art. 432 Abs. 1 StPO zu betrachten ist. Die Frage drängt sich auf, da auch
Art. 427 Abs. 1 lit. c StPO die Privatklägerschaft, deren Zivilforderung auf
den Zivilweg verwiesen wird, grundsätzlich als unterliegende Partei behandelt,
welcher die durch die Anträge zum Zivilpunkt verursachten Kosten auferlegt
werden können. Die Autoren gelangen zum Ergebnis, nicht alle Fälle der
Verweisung der Zivilforderung auf den Zivilweg kämen einem Obsiegen der
beschuldigten Person im Sinne von Art. 432 Abs. 1 StPO gleich, namentlich
nicht, wenn ein Strafbefehl ergehe (NIKLAUS SCHMID, Schweizerische
Strafprozessordnung, Praxiskommentar [nachfolgend: Praxiskommentar], 2009, N. 7
zu Art. 126 und N. 2 zu Art. 432 StPO; ders., Handbuch des schweizerischen
Strafprozessrechts [nachfolgend: Handbuch], 2009, Fn. 158 S. 292; VIKTOR
LIEBER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch/
Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2010, N. 12 zu Art. 126 StPO). NIKLAUS SCHMID weist
des Weiteren darauf hin, dass nach der früheren Praxis in einigen Kantonen
Ansprüche der Privatklägerschaft gegen die beschuldigte Person auch bestanden,
wenn die Zivilansprüche auf den Zivilweg verwiesen wurden. Er schlägt vor, der
Privatklägerschaft im Strafverfahren mindestens dort, wo sich diese die
Verweisung auf den Zivilweg nicht zuzuschreiben hat (so etwa beim Strafbefehl
nach Art. 126 Abs. 2 lit. a StPO), die unmittelbar für das Strafverfahren
notwendigen Bemühungen nach richterlichem Ermessen zu entschädigen (SCHMID,
Praxiskommentar, a.a.O., N. 7 zu Art. 433 StPO; ders., Handbuch, a.a.O., N.
1830 S. 841).

3.4 Die Frage ist auch in der kantonalen Rechtsprechung kontrovers (vgl. Urteil
des Obergerichts des Kantons Zürich Nr. SB110338 vom
BGE 139 IV 102 S. 107
2. November 2011 E. 5; anders als das Kantonsgericht Aargau entschied das
Obergericht Zürich, die Privatklägerschaft sei bei Erledigung des
Strafverfahrens durch Strafbefehl und Verweis der Zivilforderung auf den
Zivilweg im Rahmen von Art. 433 StPO für ihre notwendigen Aufwendungen als
Straf- und Zivilklägerin zu entschädigen).

4.

4.1 Die Parteikosten - im Wesentlichen die Kosten für die private oder amtliche
Verteidigung - sind untrennbar mit dem Strafverfahren verbunden und wie die
Verfahrenskosten vom Strafrichter mit der Hauptsache oder mit separatem
Entscheid zu beurteilen. Sie können mit anderen Forderungen aus unerlaubter
Handlung nicht gleichgesetzt werden (BGE 135 IV 43 E. 1.1.1 mit Hinweisen; vgl.
zur Exklusiv- bzw. Ausschlusswirkung der Kosten- und Entschädigungsregeln der
StPO: SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1760 S. 806 f.; THOMAS DOMEISEN, in: Basler
Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 8 ff. vor Art. 416-436
StPO). Dementsprechend sieht auch die StPO für die Parteikostenentschädigung
bei Erledigung des Verfahrens durch Strafbefehl nicht die gleichen Folgen vor
wie für die (eigentlichen) Zivilforderungen.
Gemäss Art. 353 Abs. 1 lit. g StPO enthält der Strafbefehl die Kosten- und
Entschädigungsfolgen. Damit sind die Art. 429 ff. StPO anwendbar. Die
Bestimmungen des zehnten Titels der StPO über die Verfahrenskosten,
Entschädigung und Genugtuung gelten gemäss Art. 416 StPO für alle Verfahren,
mithin auch für das Strafbefehlsverfahren. Die Staatsanwaltschaft muss im
Strafbefehl somit über die Entschädigungsansprüche der Parteien im Sinne von
Art. 429 ff. StPO befinden. Art. 433 Abs. 1 lit. a StPO räumt der
Privatklägerschaft gegenüber der beschuldigten Person einen Anspruch auf
angemessene Entschädigung für notwendige Aufwendungen im Verfahren ein, wenn
sie obsiegt. Die Aufwendungen im Sinne von Art. 433 Abs. 1 StPO betreffen in
erster Linie die Anwaltskosten, soweit diese durch die Beteiligung am
Strafverfahren selbst verursacht wurden und für die Wahrung der Interessen der
Privatklägerschaft notwendig waren (SCHMID, Praxiskommentar, a.a.O., N. 3 zu
Art. 433 StPO). Die obsiegende beschuldigte Person hat gegenüber der
Privatklägerschaft Anspruch auf angemessene Entschädigung für die durch die
Anträge zum Zivilpunkt verursachten Aufwendungen (Art. 432 Abs. 1 StPO).
Die Zivilforderungen der Privatklägerschaft sind bei Erlass eines Strafbefehls
gemäss Art. 126 Abs. 2 lit. a und Art. 353 Abs. 2 StPO
BGE 139 IV 102 S. 108
demgegenüber auf den Zivilweg zu verweisen, es sei denn, die beschuldigte
Person habe diese anerkannt. Die Anerkennung der Zivilforderung ist im
Strafbefehl zu vermerken (Art. 353 Abs. 2 Satz 1 StPO). Die Staatsanwaltschaft
muss von einer allfälligen Anerkennung der Zivilforderung Vormerk nehmen. Ihr
steht diesbezüglich jedoch keine Entscheidbefugnis zu (DOLGE, a.a.O., N. 33 f.
zu Art. 126 StPO).

4.2 Die Privatklägerschaft ist Partei im Strafverfahren (Art. 104 Abs. 1 lit. b
StPO). Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich
erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin zu beteiligen (
Art. 118 Abs. 1 StPO). Geschädigt im Sinne von Art. 118 Abs. 1 StPO ist, wer
durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist (Art. 115
Abs. 1 StPO). Der Strafantrag ist der Erklärung nach Art. 118 Abs. 1 StPO
gleichgestellt (Art. 118 Abs. 2 StPO). Die geschädigte Person kann sich gemäss
Art. 119 Abs. 2 lit. a und b StPO als Straf- und/oder Zivilklägerin am
Strafverfahren beteiligen. Strafkläger ist, wer die Verfolgung und Bestrafung
der für die Straftat verantwortlichen Person verlangt (Art. 119 Abs. 2 lit. a
StPO), Zivilkläger, wer adhäsionsweise privatrechtliche Ansprüche geltend
macht, die aus der Straftat abgeleitet werden (Art. 119 Abs. 2 lit. b StPO).
Die Beschwerdeführer 1 und 2 nahmen am Verfahren gegen den Beschwerdegegner 2
als Zivil- und Strafkläger teil.

4.3 Kommt es zu einer Verurteilung der beschuldigten Person durch Strafbefehl,
obsiegt die Privatklägerschaft als Strafklägerin. Gestützt auf Art. 353 Abs. 1
lit. g und Art. 416 i.V.m. Art. 433 Abs. 1 lit. a StPO ist sie für die ihr im
Zusammenhang mit der Strafklage erwachsenen Kosten der privaten Verteidigung zu
entschädigen. Nicht gefolgt werden kann der von der Vorinstanz und einem Teil
der Lehre vertretenen Auffassung, wonach die Privatklägerschaft bei Erlass
eines Strafbefehls auch bezüglich der Verteidigungskosten im Zusammenhang mit
der Strafklage auf den Zivilweg zu verweisen ist. Geschuldet ist nach dem
Wortlaut von Art. 433 Abs. 1 StPO eine angemessene Entschädigung für notwendige
Aufwendungen. Was darunter zu verstehen ist bzw. nach welchen Grundsätzen die
vom Verurteilten an die Privatklägerschaft in ihrer Funktion als Strafkläger zu
entrichtende Entschädigung festzusetzen ist, braucht vorliegend nicht
beantwortet zu werden, da es vorerst ausschliesslich um die Frage geht, ob die
Staatsanwaltschaft im Strafbefehl über die Entschädigungsfolgen nach Art. 433
StPO befinden muss.
BGE 139 IV 102 S. 109

4.4 Wird die Zivilklage auf den Zivilweg verwiesen, kann die Privatklägerschaft
in ihrer Funktion als Zivilklägerin indessen nicht als obsiegende und
jedenfalls bei Erlass eines Strafbefehls auch nicht als unterliegende Partei im
Sinne von Art. 432 Abs. 1 StPO gelten (vgl. SCHMID, Praxiskommentar, a.a.O., N.
7 zu Art. 126 und N. 2 zu Art. 432 StPO; ders., Handbuch, a.a.O., Fn. 158 S.
292; LIEBER, a.a.O., N. 12 zu Art. 126 StPO). Ausschliesslich mit der
Zivilklage zusammenhängende Anwaltskosten oder anderweitige Auslagen der
Privatklägerschaft, die einzig den Zivilpunkt betreffen, sind im Falle der
Verweisung der Zivilklage auf den Zivilweg daher nicht im Strafverfahren zu
entschädigen. Die Privatklägerschaft muss ihre diesbezüglichen Aufwendungen mit
der Zivilforderung geltend machen (vgl. MIZEL/RÉTORNAZ, a.a.O., N. 2 zu Art.
433 StPO; SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1830 S. 841). Anders zu entscheiden
würde bedeuten, dass sich die Staatsanwaltschaft vorfrageweise auch zum Bestand
der Zivilforderung äussern müsste, ansonsten eine Verurteilung des
Beschuldigten zu den anwaltlichen Aufwendungen der Privatklägerschaft im
Zivilpunkt nicht denkbar erscheint. Dies wäre mit Blick auf die noch
bevorstehende zivilrechtliche Auseinandersetzung nicht sachgerecht und ist auch
nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft.

4.5 Die Unterscheidung der Anwaltskosten im Strafpunkt von denjenigen im
Zivilpunkt ist gesetzlich vorgesehen. Auch Art. 432 Abs. 1 StPO differenziert
zwischen dem Verteidigungsaufwand im Straf- und im Zivilpunkt (vgl. zudem Art.
427 Abs. 1 StPO für die mit den Anträgen zum Zivilpunkt verursachten
Verfahrenskosten). Die exakte Abgrenzung kann sich als schwierig erweisen. Zu
berücksichtigen ist jedoch, dass die Entschädigung gemäss Art. 433 Abs. 1 StPO
nach Ermessen festgesetzt wird.

5.

5.1 Die Beschwerdeführer 1 und 2 rügen, die Vorinstanz sei auf ihre kantonale
Beschwerde zu Unrecht nicht eingetreten.

5.2

5.2.1 Die Vorinstanz stellt sich fälschlicherweise auf den Standpunkt, die
Beschwerdeführer 1 und 2 seien zur Einsprache gegen den Strafbefehl in Bezug
auf die verweigerte Entschädigung nicht berechtigt.
Die Privatklägerschaft, die mit ihrer Strafklage obsiegt, hat Anspruch auf eine
angemessene Entschädigung für notwendige Auslagen der privaten Verbeiständung
(oben E. 4.3). Ist die Privatklägerschaft der Auffassung, im Strafbefehl sei
ihr zu Unrecht eine Entschädigung
BGE 139 IV 102 S. 110
ganz oder teilweise verweigert worden, ist sie als weitere Betroffene im Sinne
von Art. 354 Abs. 1 lit. b StPO zur Einsprache gegen den Strafbefehl
legitimiert (RIKLIN, a.a.O., N. 13 zu Art. 354 StPO; SCHMID, Praxiskommentar,
a.a.O., N. 6 zu Art. 354 StPO; ders., Handbuch, a.a.O., Fn. 43 S. 623;
CHRISTIAN SCHWARZENEGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen
Strafprozessordnung, Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2010, N. 5 zu Art. 354
StPO; vgl. auch BGE 138 IV 241 E. 2.6 S. 246 und die dort zitierten
Literaturstellen). Insoweit ist der Strafbefehl auch der Privatklägerschaft
zuzustellen (vgl. Art. 353 Abs. 2 StPO; SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1360 S.
621; ders., Praxiskommentar, a.a.O., N. 6 zu Art. 354 StPO; SCHWARZENEGGER,
a.a.O., N. 5 zu Art. 354 StPO). Bezieht sich die Einsprache nur auf die Kosten
und Entschädigungen oder weitere Nebenfolgen, so entscheidet das Gericht in
einem schriftlichen Verfahren, es sei denn, die Einsprache erhebende Person
verlange ausdrücklich eine Verhandlung (Art. 356 Abs. 6 StPO).

5.2.2 Die im bundesrätlichen Entwurf in Art. 358 Abs. 1 lit. b E-StPO noch
vorgesehene Einsprachemöglichkeit der Privatklägerschaft gegen den Strafbefehl
wurde vom Parlament gestrichen (vgl. SCHMID, Handbuch, a.a.O., Fn. 43 S. 623).
Die Streichung erfolgte auf Antrag der Kommission des Ständerats, welche damit
eine Verbesserung der Effizienz des Strafbefehlsverfahrens erreichen wollte (AB
2006 S 984). Der Bundesrat unterstützte den Änderungsvorschlag anlässlich der
parlamentarischen Beratungen mit der Begründung, die Einsprachemöglichkeit der
Privatklägerschaft sei nicht gerechtfertigt, da im Strafbefehl nicht über
Zivilforderungen entschieden werde und nie ein Freispruch erfolge (AB 2006 S
1050). Dies schliesst nicht aus, dass die Privatklägerschaft gestützt auf die
Generalklausel von Art. 354 Abs. 1 lit. b StPO dennoch zur Einsprache
legitimiert ist, wenn ihr in Verletzung von Art. 433 StPO im Strafbefehl keine
Entschädigung zugesprochen wurde und sie daher als Betroffene im Sinne dieser
Bestimmung zu gelten hat.