Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 139 III 364



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Urteilskopf

139 III 364

51. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen
Stadt A. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde)
5D_101/2013 vom 26. Juli 2013

Regeste

Art. 9 BV; Art. 143 Abs. 3 ZPO; Einhaltung der Frist für die Zahlung an das
Gericht.
Grundsätze für die Einhaltung der Frist, wenn der Betrag für den
Gerichtskostenvorschuss einem Post- oder Bankkonto belastet worden ist (E. 3).

Sachverhalt ab Seite 364

BGE 139 III 364 S. 364

A. Das Bezirksgericht Hinwil (Einzelgericht im summarischen Verfahren) erteilte
der Stadt A., vertreten durch Alimentenhilfe Region Ost, in der gegen X.
eingeleiteten Betreibung (Nr. x, Betreibungsamt A.) am 13. September 2012
definitive Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 5'850.- (nebst näher bestimmten
Zinsen und Kosten); im Mehrbetrag wurde das Rechtsöffnungsbegehren abgewiesen.

B. Gegen den Rechtsöffnungsentscheid gelangte X. am 31. Dezember 2012 an das
Obergericht des Kantons Zürich, welches auf die Beschwerde am 13. März 2013
infolge verspäteter Leistung des Kostenvorschusses von Fr. 300.- nicht eintrat.

C. Mit Eingabe vom 21. April 2013 führt X. Beschwerde in Zivilsachen. Der
Beschwerdeführer verlangt im Wesentlichen die Aufhebung des
Nichteintretensbeschlusses des Obergerichts und das Eintreten auf das
Rechtsmittel.
Das Obergericht hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
Die Stadt A., vertreten durch die Alimentenhilfe Region Ost, als
Beschwerdegegnerin hat sich nicht vernehmen lassen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
BGE 139 III 364 S. 365

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Anlass zur Verfassungsbeschwerde gibt der Entscheid des Obergerichts, mit
welchem auf die Beschwerde wegen verspäteter Leistung des Kostenvorschusses
nicht eingetreten wurde. Unbestritten steht fest, dass die Nachfrist zur
Leistung des Kostenvorschusses (Art. 101 Abs. 3 ZPO) am 25. Februar 2013
abgelaufen ist. Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht sinngemäss eine
Verletzung von verfassungsmässigen Rechten (Art. 9 BV) vor, weil es den
Kostenvorschuss als verspätet bzw. die Beschwerde als unzulässig erachtet habe.

3.1 Gemäss Art. 143 Abs. 3 ZPO ist die Frist für eine Zahlung an das Gericht
eingehalten, wenn der Betrag spätestens am letzten Tag der Frist zugunsten des
Gerichts der Schweizerischen Post übergeben oder einem Post- oder Bankkonto in
der Schweiz belastet worden ist. Die Regelung entspricht Art. 48 Abs. 4 BGG
(Botschaft vom 28. Juni 2006 zur ZPO, BBl 2006 7221, 7308 Ziff. 5.9.3; vgl.
Art. 21 Abs. 3 VwVG [SR 172.021], Art. 91 Abs. 5 StPO). Die Beweislast für die
Rechtzeitigkeit der Kostenvorschusszahlung sowie allgemein der
Beschwerdeerhebung trägt der Rechtsuchende (vgl. u.a. TAPPY, in: CPC, Code de
procédure civile commenté, 2011, N. 8, 18 f. zu Art. 143 ZPO; Urteil 9C_564/
2012 vom 12. September 2012 E. 2 mit Hinweisen, in: SVR 2013 IV Nr. 4 S. 8).

3.2 Das Obergericht hat den 26. Februar 2013 als "Einzahlungs- und
Buchungsdatum" für den Kostenvorschuss bezeichnet. Es hat dabei auf den Auszug
aus der Gerichtsbuchhaltung verwiesen, worin der Kostenvorschuss mit
"Eingangsdatum", "Buchungsdatum" und "Einzahlungsdatum" vom 26. Februar 2013
eingetragen ist. Weiter hat sich die Vorinstanz auf den Auszug seines
Postfinance-Kontos gestützt; aus der in den kantonalen Akten liegenden Seite
(des mehrseitigen Dokuments) lässt sich die Gutschrift des Kostenvorschusses
mit Valuta per 26. Februar 2013 entnehmen. Der Beschwerdeführer hält
demgegenüber fest, dass die Bezahlung des Kostenvorschusses am 25. Februar 2013
seinem Bankkonto belastet worden sei.

3.2.1 Weder im angefochtenen Entscheid noch in den kantonalen Akten gibt es
einen Anhaltspunkt in tatsächlicher Hinsicht, dass das vom Obergericht erwähnte
"Einzahlungsdatum" vom 26. Februar 2013 bedeute, der Betrag sei an diesem Tag
(am Postschalter oder anlässlich einer Überweisung aus dem Ausland) der
Schweizerischen
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Post übergeben worden. Soweit das Obergericht auf den 26. Februar 2013 als
Datum abgestellt hat, an welchem der Betrag auf dem Konto des Gerichts
"eingegangen" bzw. die Kontobewegung eingetragen (Buchungstag) oder seinem
Konto gutgeschrieben (Valutatag) worden ist, kann es nichts für die Verspätung
des Kostenvorschusses ableiten. Nicht der Eingang des Zahlungsauftrages ist
gemäss Art. 143 Abs. 3 ZPO massgebend, sondern der Valutatag der Belastung auf
dem Post- oder Bankkonto des Zahlungspflichtigen (vgl. CAVELTI, in: Kommentar
zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], 2008, N. 21 zu Art. 21
VwVG).

3.2.2 Bei einer Post- oder Banküberweisung muss im Fall, dass der
Kostenvorschuss nicht innert der angesetzten Frist dem Gericht gutgeschrieben
worden ist, das Gericht den Vorschusspflichtigen zum Nachweis auffordern, dass
der Betrag am letzten Tag der Frist seinem Post- oder Bankkonto in der Schweiz
(oder desjenigen seines Vertreters) belastet worden ist. Dieses Vorgehen wird
in der Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege
vorgezeichnet (BBl 2001 4202, 4298 Ziff. 4.1.2.5 zu Art. 44, vgl. wörtlich die
französisch- und italienischsprachige Fassung, FF 2001 4000, 4097, bzw. FF 2001
3764, 3856). Es wird in der Lehre zu Recht bestätigt (TREZZINI, in: Commentario
al Codice di diritto processuale civile svizzero, 2011, S. 603) und - auch von
der Vorinstanz in anderen Fällen - praktiziert (Urteile PS120165 des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 25. Oktober 2012 E. 3b; C-2140/2010 des
Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juni 2011 E. 11.2).

3.2.3 Aus den kantonalen Akten geht nicht hervor, dass das Obergericht den
Beschwerdeführer aufgefordert hätte, den ihm obliegenden Nachweis der
rechtzeitigen Vorschussleistung dadurch zu erbringen, dass er die
Belastungsbestätigung vorlegt. Dies drängt sich indessen auf, wenn - wie im
vorliegenden Fall - der Kostenvorschuss ein Tag nach Ablauf der angesetzten
Frist dem Konto des Gerichts gutgeschrieben wurde. Der Anspruch, von den
staatlichen Behörden nach Treu und Glauben behandelt zu werden (Art. 9 BV),
garantiert hier dem Beschwerdeführer, dass die Vorinstanz die Rückfrage zum
Belastungszeitpunkt vornimmt. Das Obergericht musste am Fehlen der
Rechtzeitigkeit Zweifel haben und wäre aus diesem Grund verpflichtet gewesen,
den (anwaltlich nicht vertretenen) Beschwerdeführer dazu vorgängig anzuhören
(vgl. BGE 94 I 15 E. 2 S. 16 f.; Urteil 5P.113/2005 vom 13. September 2006 E.
3.1). Im Übrigen wurde
BGE 139 III 364 S. 367
der Beschwerdeführer weder in der Kostenvorschussverfügung vom 18. Januar 2013
noch in der Verfügung betreffend Nachfrist vom 12. Februar 2013 bereits im
Voraus zum entsprechenden Nachweis innert Frist aufgefordert (vgl. Urteil
5A_636/2010 vom 2. November 2010 zur Praxis des Bundesgerichts mit
entsprechendem Hinweis in der Verfügung zur Nachfristansetzung). Mit den
verfassungsmässigen Rechten des Beschwerdeführers ist demnach nicht vereinbar,
wenn das Obergericht die Rechtzeitigkeit des Kostenvorschusses gemäss Art. 143
Abs. 3 ZPO verneint hat.

3.3 Die Rückweisung der Angelegenheit an das Obergericht, um den
Belastungszeitpunkt durch Aufforderung zur Erbringung des Nachweises
abzuklären, ist im konkreten Fall nicht erforderlich. Der Beschwerdeführer hat
seiner Eingabe an das Bundesgericht den Auszug seines Kontos bei der Bank Z. AG
und den Beleg mit den Transaktionsdetails beilegt. Daraus geht hervor, dass die
Belastung via e-banking mit Valuta per 25. Februar 2013 durchgeführt worden
ist. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel zum Nachweis, dass der
Betrag am letzten Tag der vom Obergericht angesetzten Frist seinem Bankkonto
belastet worden sei, sind im bundesgerichtlichen Verfahren zulässig, weil der
vorinstanzliche Entscheid Anlass zum Vorbringen gegeben hat (Art. 99 Abs. 1 BGG
). Der Kontoausdruck eines Post- oder des Bankkontos, welcher die Belastung
bestätigt, ist zum Nachweis der Rechtzeitigkeit geeignet (FREI, in: Berner
Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 21 zu Art. 143 ZPO),
wenn daraus ersichtlich ist, dass die Verarbeitung des Zahlungsauftrages und
die damit verbundene Belastung tatsächlich spätestens am letzten Tag der Frist
geschehen ist (Urteil 1F_34/2011 vom 17. Januar 2012 E. 2.3.2, in: RtiD 2012 II
Nr. 36 S. 179 f.). Der Beschwerdeführer bringt mit der vorgelegten
Transaktionsbestätigung und dem Kontoauszug den hinreichenden Beweis, dass die
Belastung des Vorschussbetrages am letzten Tag der Frist - am 25. Februar 2013
- und damit rechtzeitig im Sinne von Art. 143 Abs. 3 ZPO erfolgt ist.